[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftwagens mit einer Umfelderfassungseinrichtung,
einer Lenkwinkelstellvorrichtung, welche dazu ausgebildet ist, unabhängig von einer
Bedienperson einen Lenkwinkel des Kraftwagens einzustellen, einem Lenkrad zur manuellen
Einstellung eines Lenkwinkels des Kraftwagens durch eine Bedienperson und einer Entkopplungsvorrichtung
zur zumindest teilweisen Entkopplung einer Drehbewegung des Lenkrads von einer durch
die Lenkwinkelstellvorrichtung bewirkten Verstellung des Lenkwinkels des Kraftwagens,
mit den Schritten: a) Erfassen eines Objekts im Umfeld des Kraftwagens mittels der
Umfelderfassungseinrichtung; b) Bewerten einer Kollisionsgefahr des Kraftwagens mit
dem Objekt; und c) in Abhängigkeit von der Bewertung Verstellen des Lenkwinkels des
Kraftwagens mittels der Lenkwinkelstellvorrichtung. Die Erfindung betrifft auch einen
Kraftwagen mit einer Umfelderfassungseinrichtung.
[0002] Es sind verschiedenste Fahrerassistenzsysteme zur Unterstützung eines Fahrzeugführers
beim Führen eines Kraftwagens bekannt. Beispielsweise sind Fahrerassistenzsystem bekannt,
welche Querführungsaufgaben übernehmen, indem sie ein zusätzliches Lenkmoment auf
das Lenksystem des Kraftwagens applizieren. Durch dieses zusätzliche Lenkmoment soll
das Fahrzeug entsprechend vorgegebener Parameter auf eine bestimmte Bahn gelenkt werden.
Ein Beispiel hierfür ist das so genannte Heading Control: Dieses Fahrerassistenzsystem
hat zum Ziel, das Fahrzeug so zu regeln, dass es sich entlang der Mitte der Fahrspur
bewegt. Ein Kamerasystem mit angeschlossener Bildverarbeitung erfasst hierfür die
nötigen Umweltdaten. Zusätzlich werden Sensordaten aus dem Fahrzeug ausgewertet (Geschwindigkeit,
Querbeschleunigung, etc.). Hieraus kann in einer Datenverarbeitungseinrichtung unter
Zuhilfenahme eines geeigneten Algorithmus das aufzubringende Zusatzlenkmoment berechnet
werden.
[0003] Fahrerassistenzsysteme zur Querführung können als reine Warnsysteme oder als selbsttätig
agierende Systeme ausgebildet sein. Das so genannte LDW (Lane Departure Warning) System
nutzt eine Vibrationswarnung, um den Fahrzeugführer insbesondere in der Nähe der Fahrbahnränder
vor dem Verlassen der Fahrspur zu warnen. Das so genannte LDW plus System appliziert
darüber hinaus zusätzlich ein Lenkmoment, welches den Kraftwagen wieder zurück in
die Fahrspur verbringt. Die hierbei zugrunde liegenden LDW Algorithmen sind reine
Warnsysteme. Die so genannten HC (Heading Control Assist) Systeme dienen dem Halten
des Fahrzeugs in der Fahrspurmitte. Beim HC Assist System gibt es einen so genannten
Fairway, welcher ein vorgebbares Fahrband darstellt, innerhalb dessen kein aktiver
Lenkeingriff erfolgt. Erst ab einem bestimmten Abstand des Fahrzeugs von der Fahrbahnmitte
wird das Fahrzeug wieder zurück in seine ursprüngliche Fahrspur geregelt. Beim HC
Continuous System entfällt dieser Fairway, sodass Lenkeingriffe ständig am Lenkrad
spürbar sind. Durch die feste Kopplung des Lenkrades mit dem automatischen Lenkungssystem
spürt der Fahrer sämtliche Eingriffe. Bei einer kontinuierlichen Lenkunterstützung
und den damit verbundenen ständigen Lenkeingriffen scheint das Lenkrad ein Eigenleben
zu entwickeln.
[0004] Aus der
DE 10 2008 008 182 A1 ist ein Kraftfahrzeug mit einem Lenkrad, einer über das Lenkrad drehbaren Lenksäule
sowie einer querverschiebbaren Steuerstange bekannt, die mit zwei zu lenkenden Rädern
bewegungsgekoppelt ist. Zudem umfasst das Kraftfahrzeug ein der Längssäule zugeordnetes
Überlagerungsgetriebe, über das ein durch Drehen des Lenkrads erzeugter Drehwinkel
mit einem über einen mit dem Überlagerungsgetriebe gekoppelten Stellmotor erzeugten
Drehwinkel zur Erzeugung eines der Bewegung der Steuerstange dienenden Überlagerungsdrehwinkel
überlagerbar ist. Darüber hinaus umfasst das Kraftfahrzeug auch ein Fahrerassistenzsystem
mit einer Einrichtung zum Geben eines separaten, der Bewegung der Steuerstange dienenden
Lenkmoments zum aktiven Querführen des Kraftfahrzeugs. Das Überlagerungsgetriebe ist
hierbei über den Stellmotor derart verstellbar, dass eine infolge der Gabe eines separaten
Lenkmoments durch die Einrichtung verursachte Drehung der Lenksäule derart zumindest
teilweise kompensiert wird, dass die resultierende tatsächliche Lenkraddrehbewegung
verglichen mit der aus dem gegebenen Lenkmoment resultierenden theoretischen Lenkraddrehbewegung
geringer ist.
[0005] Aus der
DE 10 2007 016 799 B4 ist ein Verfahren zum Unterstützen des Fahrers eines Fahrzeugs bekannt. Das Fahrzeug
umfasst hierbei eine Lenkung mit einem Lenkradantrieb zum Aufbringen einer Drehbewegung
an dem Lenkrad. Im Rahmen des Verfahrens wird ein Objekt im Umfeld des Fahrzeugs ermittelt,
das eine Gefährdung für das Fahrzeug darstellt. Sodann erfolgt ein Entkoppeln des
Lenkrads von einem gelenkten Fahrzeugrad, wobei eine Drehbewegung an dem Lenkrad aufgebracht
wird, die in diejenige Richtung erfolgt, die der Richtung des Ausweichmanövers entgegengesetzt
ist. Es wird also aktiv eine impulsförmig ruckartige Drehbewegung auf das Lenkrad
aufgebracht, um den Fahrer vor der Gefahr zu warnen und ein reflexartiges Gegenlenken
zu provozieren.
[0006] Aus der
DE 199 52 227 B4 ist ein Verfahren zur Steuerung einer Kraftfahrzeuglenkung bekannt, wobei die Kraftfahrzeuglenkung
sowohl ein konventionelles Lenkrad als auch einen Radwinkelstellantrieb umfasst, der
autonom und unabhängig von einer Bedienperson einen Lenkvorgang ausführen kann. Das
Lenkrad ist hierbei während eines autonomen Lenkvorgangs von dem Radwinkelstellantrieb
über eine Kupplung entkoppelt. Im Rahmen des Verfahrens kann bei Ausfall des Radwinkelstellantriebs
die Kupplung eingerückt werden.
[0007] Es ist Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren sowie einen Kraftwagen bereitzustellen,
durch welche eine Gefährdung des Fahrzeugführers sowie anderer Verkehrsteilnehmer
verringert wird.
[0008] Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren, welches die Merkmale des Patentanspruchs
1 aufweist, sowie einen Kraftwagen, welcher die Merkmale des Patentanspruchs 9 aufweist,
gelöst.
[0009] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftwagens mit einer Umfelderfassungseinrichtung,
welche insbesondere als Sensor zur Erfassung eines Fahrzeugvorfelds ausgebildet sein
kann. Der Kraftwagen umfasst auch eine Lenkwinkelstellvorrichtung, welche dazu ausgebildet
ist, unabhängig von einer Bedienperson einen Lenkwinkel des Kraftwagens einzustellen.
Daneben umfasst der Kraftwagen ein Lenkrad zur manuellen Einstellung eines Lenkwinkels
des Kraftwagens durch eine Bedienperson. Schließlich umfasst der Kraftwagen eine Entkopplungsvorrichtung
zur zumindest teilweisen Entkopplung einer Drehbewegung des Lenkrads und einer durch
die Lenkwinkelstellvorrichtung bewirkten Verstellung des Lenkwinkels des Kraftwagens.
Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst die folgenden Schritte:
- a) Erfassen eines Objekts im Umfeld des Kraftwagens mittels der Umfelderfassungseinrichtung;
- b) Bewerten einer Kollisionsgefahr des Kraftwagens mit dem Objekt, welches über die
Umfelderfassungseinrichtung erfasst wurde. Die Bewertung kann insbesondere darin bestehen,
dass entweder die Gefahr einer Kollision mit dem Objekt bejaht oder verneint wird.
Daneben kann jedoch auch vorgesehen sein, dass eine quantitative Bewertung der Kollisionsgefahr
dahingehend erfolgt, dass ein Wahrscheinlichkeitswert für die Kollision ermittelt
wird;
- c) in Abhängigkeit von der Bewertung aus Schritt b) Verstellen des Lenkwinkels des
Kraftwagens mittels der Lenkwinkelstellvorrichtung. In Abhängigkeit von der Bewertung
kann insbesondere entweder ein Verstellen oder kein Verstellen erfolgen. Im Falle,
dass ein Verstellen erfolgt, kann die Art und/oder der Grad des Verstellens von der
Bewertung, insbesondere einem quantitativen Bewertungswert, abhängig gemacht werden.
Insbesondere kann auch eine Geschwindigkeit und/oder Rate des Verstellens in Abhängigkeit
von Bewertungswerten erfolgen;
- d) in Abhängigkeit vom Verstellen in Schritt c) Entkoppeln des Lenkrads mit der Entkopplungsvorrichtung,
so dass die Drehbewegung des Lenkrads aufgrund des Verstellens des Lenkwinkels geringer
ist als würde dasselbe Verstellen bei nicht entkoppeltem Lenkrad erfolgen. Insbesondere
kann in Abhängigkeit vom Verstellen entweder ein Entkoppeln oder kein Entkoppeln des
Lenkrads erfolgen. Neben einer vollständigen oder nicht vorhandenen Entkopplung kann
jedoch ein Grad der Entkopplung abhängig von einer Art des Verstellens und/oder zugehöriger
Verstellwerte gemacht werden. Insbesondere kann vorgesehen sein, dass das Lenkrad
entweder keinerlei Drehbewegung ausführt oder aber eine solche Drehbewegung stets
in dieselbe Richtung erfolgt wie das Verstellen des Lenkwinkels, jedoch mit maximal
der Geschwindigkeit, mit der sich das Lenkrad drehen würde, wäre es nicht entkoppelt.
[0010] Das Verfahren erlaubt das automatische Notausweichen eines Kraftwagens vor möglichen
Kollisionsobjekten. Das potentielle Kollisionsobjekt als auch der Kraftwagen sowie
dessen Insassen werden zuverlässig vor Unfällen geschützt. Da es sich bei einem solchen
automatischen Notausweichen meist um hochdynamische Vorgänge handelt, sind in der
Regel schnelle Lenkbewegungen erforderlich. Erfolgen diese Eingriffe in die Lenkung
automatisch und ist das Lenkrad wie für die manuelle Lenkung angekoppelt, ergäben
sich ruckartige und schnelle Drehbewegungen am Lenkrad. Dadurch ergibt sich die Problematik,
dass ein Fahrzeugführer, der z. B. seine Daumen im Lenkrad ablegt, sich diese aufgrund
der schnellen Drehbewegungen durchaus brechen könnte. Ein auf diese Weise nervös agierendes
Lenkrad würde die Akzeptanz von Notausweichsystemen massiv beeinträchtigen. Das vorgeschlagene
Verfahren schließt diese erheblichen Nachteile aus. Es ermöglicht stark verringerte
Drehbewegungen des Lenkrads auch bei dynamischen und automatischen Notausweichvorgängen,
so dass das Verhalten des Lenkrads nicht nur als weniger störend empfunden wird, sondern
auch der Fahrzeugführer einer erheblich verringerten Verletzungsgefahr ausgesetzt
ist.
[0011] Vorzugsweise ist in Schritt d) der Grad der Entkopplung abhängig von einer Geschwindigkeit
des Verstellens des Lenkwinkels und nimmt insbesondere mit zunehmender Geschwindigkeit
des Verstellens zu. Alternativ oder zusätzlich kann vorzugsweise vorgesehen sein,
dass in Schritt d) der Grad der Entkopplung abhängig von einer Rate des Verstellens
des Lenkwinkels ist und insbesondere mit zunehmender Rate des Verstellens zunimmt.
Es kann also vorgesehen sein, dass je schneller sich das Lenkrad insbesondere in einer
Notausweichsituation dreht bzw. je schneller es beschleunigt, das Lenkrad zunehmend
stark entkoppelt wird und so seine Drehbewegung entsprechend reduziert wird. Auf diese
Art kann die Drehbewegung des Lenkrads bedarfsgerecht an das jeweilige Fahrzeuglenkverhalten
angepasst werden. Je schneller der Lenkwinkel verstellt würde, desto schneller würde
sich ein nicht-entkoppeltes Lenkrad drehen und desto größer wäre die Gefährdung für
einen Fahrzeugführer, der seine Hände am Lenkrad hat. Mit zunehmendem Grad der Entkopplung
erfolgt so zuverlässig ein Schutz des Fahrzeugführers vor Hand- und Unterarmverletzungen.
Das aufgebrachte Lenkmoment kann am Lenkrad derart ausgeblendet werden, dass seitens
des Fahrers eine akzeptable Lenkradbewegung spürbar ist bzw. die Lenkraddrehgeschwindigkeit
innerhalb handhabbarer Parameter bleibt.
[0012] Vorzugsweise erfolgt in Schritt d) eine vollständige Entkopplung des Lenkrads, so
dass das Lenkrad bei jedem Verstellen des Lenkwinkels keine Drehbewegung ausführt.
Dann sind die Hände des Fahrzeugführers auch bei sehr schnellen, ruckartigen automatischen
Lenkbewegungen sehr gut geschützt.
[0013] Vorzugsweise kann jedoch auch vorgesehen sein, dass für ein Verstellen des Lenkwinkels
in Schritt c) um einen Änderungslenkwinkel, welcher kleiner als ein vorgebbarer Schwellwert
ist, in Schritt d) kein Entkoppeln des Lenkrads erfolgt und für ein Verstellen des
Lenkwinkels in Schritt c) um einen Änderungslenkwinkel, welcher größer oder gleich
dem vorgegebenen Schwellwert ist, in Schritt d) ein Entkoppeln des Lenkrads erfolgt.
Bei nur geringen Drehbewegungen des Lenkrads, welche unter dem Schwellwert bleiben,
erhält der Fahrzeugführer über das Lenkrad eine haptische Rückmeldung, welche einem
natürlichen Fahrzeugverhalten bei einer Lenkbewegung entspricht. Erst wenn die Verstellwinkel
so groß werden, dass sich eine Gefährdung für die Hände des Fahrzeugführers ergeben
könnte, erfolgt zum Schutz des Fahrzeugführers die Entkopplung des Lenkrads. Damit
ist ein guter Kompromiss zwischen natürlichem Fahrverhalten und Fahrzeugführerschutz
geschaffen. Das Entkoppeln für Werte größer oder gleich dem vorgegebenen Schwellwert
kann wiederum entweder vollständig sein oder hinsichtlich seines Grades an jeweilige
Verstellcharakteristika angepasst sein.
[0014] Vorzugsweise umfasst die Entkopplungsvorrichtung eine Überlagerungsvorrichtung mit
einem Stellmotor und insbesondere einem Getriebe, welche in die Drehbewegung einer
über das Lenkrad drehbaren Lenksäule entkoppelnd dergestalt eingreift, dass eine durch
die Lenkwinkelstellvorrichtung bewirkte Drehung der Lenksäule zu einer geringeren
Drehbewegung des Lenkrads führt als hätte der Eingriff nicht stattgefunden. Diese
Ausgestaltung garantiert eine effektive und zuverlässige Entkopplung des Lenkrads
und kann auch bei sehr schnell erfolgenden automatischen Lenkbewegungen in Notausweichsituationen
ausreichend zügig erfolgen. Zudem ist eine mehrstufige Einstellung des Grads der Entkopplung
möglich.
[0015] Vorzugsweise wird die Entkopplung durch eine Steuerungsvorrichtung bewirkt, welche
dazu ausgebildet ist, die Lenkwinkelstellvorrichtung so anzusteuern, dass eine Verstellung
des Lenkwinkels des Kraftwagens bewirkt wird, und dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit
von der Ansteuerung der Lenkwinkelstellvorrichtung den Stellmotor anzusteuern. Diese
Ausgestaltung garantiert, dass ein Entkoppeln des Lenkrads nahezu ohne Verzögerung
mit dem Verstellen des Lenkwinkels erfolgen kann. Die Reaktionszeiten für die Entkopplung
werden gegenüber einem Einsetzen des Verstellen gering gehalten. Das Verstellen und
das Entkoppeln kann koordiniert erfolgen.
[0016] Vorzugsweise erfolgt ein Entkoppeln des Lenkrads mit der Entkopplungsvorrichtung
stets dann, wenn ein Verstellen des Lenkwinkels des Kraftwagens mittels der Lenkwinkelstellvorrichtung
erfolgt. Dann ist auch bei Nichtvorliegen einer Kollisionsgefahr im Falle einer automatisch
durchgeführten Querführung eine unerwünschte Drehbewegung des Lenkrads vermieden.
Insbesondere dann, wenn dem Fahrer die Lenkaufgabe von einem Fahrerassistenzsystem
vollständig abgenommen wird, erfolgen keine störenden Eingriffe in das Lenkrad. Für
den Fahrzeugführer wird der Fahrkomfort erhöht und die körperliche Belastung reduziert.
[0017] Vorzugsweise kann die Umfelderfassungseinrichtung einen Abstandsensor und/oder einen
Ultraschallsensor und/oder eine Kamera und/oder einen Radarsensor und/oder einen Lidarsensor
umfassen. Diese Art von Sensoren bzw. Detektoren garantiert eine zuverlässige Erfassung
eines Objekts in Schritt a) des Verfahrens und ermöglicht so eine qualitativ hochwertige
Bewertung in Schritt b).
[0018] Ein erfindungsgemäßer Kraftwagen umfasst eine Umfelderfassungseinrichtung , welche
dazu ausgebildet ist, ein Objekt im Umfeld des Kraftwagens zu erfassen, eine Lenkwinkelstellvorrichtung,
welche dazu ausgebildet ist, unabhängig von einer Bedienperson einen Lenkwinkel des
Kraftwagens einzustellen, ein Lenkrad zur manuellen Einstellung eines Lenkwinkels
des Kraftwagens durch eine Bedienperson, eine Entkopplungsvorrichtung zur zumindest
teilweisen Entkopplung einer Drehbewegung des Lenkrads von einer durch die Lenkwinkelstellvorrichtung
bewirkten Verstellung des Lenkwinkels des Kraftwagens, und eine Datenverarbeitungsvorrichtung,
welche dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit von Daten betreffend ein von der Umfelderfassungseinrichtung
erfasstes Objekt eine Kollisionsgefahr des Kraftwagens mit dem Objekt zu bewerten
und in Abhängigkeit von der Bewertung ein Verstellen des Lenkwinkels des Kraftwagens
festzulegen. Die Datenverarbeitungsvorrichtung ist hierbei ferner dazu ausgebildet,
in Abhängigkeit vom festgelegten Verstellen ein Entkoppeln des Lenkrads mit der Entkopplungsvorrichtung
so festzulegen, dass eine resultierende Drehbewegung des Lenkrads bei Ausführung des
festgelegten Verstellens des Lenkwinkels geringer ist als würde dasselbe Verstellen
bei nicht-entkoppeltem Lenkrad erfolgen. Die Datenverarbeitungsvorrichtung kann insbesondere
in einem Fahrerassistenzsystem eines Kraftwagens vorliegen. Sie kann auch eine Steuerungsvorrichtung
umfassen, welche dazu ausgebildet ist, die Lenkwinkelstellvorrichtung und/oder einen
Stellmotor der Entkopplungsvorrichtung zu steuern.
[0019] Die mit Bezug auf das erfindungsgemäße Verfahren dargestellten bevorzugten Ausführungsformen
und deren Vorteile gelten entsprechend für den erfindungsgemäßen Kraftwagen.
[0020] Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus den Ansprüchen, den Figuren und der
Figurenbeschreibung. Die vorstehend in der Figurenbeschreibung genannten Merkmale
und Merkmalskombinationen wie auch die in der Figurenbeschreibung genannten Merkmale
und Merkmalskombinationen und/oder die in den Figuren alleine gezeigten Merkmale und
Merkmalskombinationen sind nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern
auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar, ohne den Rahmen der
Erfindung zu verlassen.
[0021] Anhand von Ausführungsbeispielen wird die Erfindung im Folgenden näher erläutert.
Es zeigen:
- Fig. 1
- eine schematische Darstellung eines Kraftwagens mit einer Lenkwinkelstellvorrichtung
und einer Entkopplungsvorrichtung;
- Fig. 2
- eine schematische Darstellung einer Notausweichsituation im Straßenverkehr; und
- Fig. 3
- einen Graphen für eine schwellwertabhängige Entkopplung.
[0022] In den Figuren sind gleiche oder funktionsgleiche Elemente mit den gleichen Bezugszeichen
versehen.
[0023] Fig. 1 zeigt in schematischer Draufsicht einen Frontbereich eines Kraftwagens 1.
Eine Zahnstange 12 erlaubt die Lenkung der beiden Vorderräder 13 des Kraftwagens 1.
Für eine manuelle Lenkung durch einen Fahrzeugführer ist die Zahnstange 12 hierzu
über eine Lenkstange 9 mit einem Lenkrad 4 verbunden. Eine am Lenkrad 4 vom Fahrzeugführer
durchgeführte Drehbewegung wird auf die Zahnstange 12 und schließlich auf die Räder
13 übersetzt, so dass sich ein Lenkwinkel a einstellen lässt.
[0024] Darüber hinaus verfügt der Kraftwagen 1 auch über eine Lenkwinkelstellvorrichtung,
mit der ein zusätzliches Lenkmoment auf das Lenksystem automatisch aufgebracht werden
kann. Diese Lenkwinkelstellvorrichtung ist im Ausführungsbeispiel als elektrische
Servolenkung (Electric Power Steering) EPS 3 realisiert. Das EPS 3 umfasst einen Motor
und ein Getriebe, um Kraft auf die Zahnstange 12 zu übertragen. Auf diese Weise eingebrachte
Kräfte wirken sich auf die Räder 13 aus und führen zu einer Veränderung des Lenkwinkels
a. Gleichzeitig wirken sich die Kräfte auch auf das Lenkrad 4 aus. Die Verbindung
zwischen Zahnstange 12 und Lenkrad 4 über die Lenkstange 9 ist bei Vorrichtungen ohne
Überlagerungslenkung geometrisch fest vorgegeben (d. h. es besteht ein konstantes
Übersetzungsverhältnis). Jede Verschiebung der Zahnstange 12 würde dann gleichzeitig
auch zu einer Drehbewegung des Lenkrads 4 führen.
[0025] Eine Überlagerungslenkung 5 ermöglicht eine Anpassung der Lenkübersetzung vom Lenkrad
4 zur Zahnstange 12. Die Überlagerungslenkung 5 kann genutzt werden, um Eingriffe,
die durch das EPS 3 erfolgen, am Lenkrad 4 sozusagen auszublenden. Hierfür umfasst
die Überlagerungslenkung 5 ein Getriebe 8 und einen Stellmotor 7. Sie ist mit einer
Steuerungsvorrichtung 10 verbunden, an welcher auch das EPS 3 angeschlossen ist. Wird
der Motor des EPS 3 über die Steuerungsvorrichtung 10 angesteuert, so wird im gleichen
Maße auch der Stellmotor 7 der Überlagerungslenkung 5 aktiviert, um die von der EPS
3 bewirkten Lenkbewegungen am Lenkrad 4 auszublenden. Durch das Getriebe 8 kann die
Übersetzung der beiden Enden der Lenkstange 9 angepasst werden und so eine Einstellung
der gewünschten Drehbewegung des Lenkrads 4 erfolgen. Es ist jedoch auch ein vollständiges
Entkoppeln des Lenkrads 4 möglich, so dass dieses bei jeder beliebigen Bewegung der
Zahnstange 12 keine Drehbewegung mehr ausführt.
[0026] Die Steuerungsvorrichtung 10 ist mit einem Computer 11 verbunden, durch den eine
Fahrerassistenz in Form einer automatischen Querführung bereitgestellt wird. Der Computer
11 ist insbesondere dazu ausgebildet, einen Querführungsassistenten in Form eines
Spurhalteunterstützungssystems bzw. in Form eines Spurhalteassistenten bereitzustellen.
Der Computer 11 legt dann entsprechend einem vorgegebenen Algorithmus Eingriffe in
die Lenkanlage 9 fest, und steuert entsprechend die Steuerungsvorrichtung 10 an, welche
ihrerseits das EPS 3 und die Überlagerungslenkung 5 ansteuert, um die Vorgaben des
Computers 11 zu realisieren.
[0027] Der Computer 11 umfasst auch einen Algorithmus, mit dem sich ein Verfahren zum automatischen
Notausweichen durchführen lässt. Hierzu ist der Computer 11 mit einer Umfelderfassungseinrichtung
in Form eines Abstandssensors 2 verbunden.
[0028] Fig. 2 zeigt in schematischer Draufsicht eine Fahrbahn 14, auf dessen rechter Spur
sich der Kraftwagen 1 in Fahrtrichtung (im Bild von links nach rechts) bewegt. Vor
ihm befindet sich auf der Fahrbahn ein weiterer Kraftwagen 6. Es soll ein mögliches
Szenario für eine Notausweichsituation geschildert werden, wobei angegeben wird, wie
die Lenkung des Kraftwagens 1 jeweils reagiert: Der Kraftwagen 6 bremst unvermittelt
ab und befindet sich schließlich im Stillstand. Er stellt damit ein potentielles Kollisionsobjekt
für den noch fahrenden Kraftwagen 1 dar. Da eine normale Fahrsituation vorlag, ist
im Abschnitt B1 eine Entkopplung des Lenkrads 4 von der Zahnstange 12 nicht gegeben.
Der Führer des Kraftwagens 1 kann die Lenkung ohne Einschränkungen manuell bedienen
und erhält eine unmittelbare Rückmeldung über den eingestellten Lenkwinkel a am Lenkrad
4.
[0029] Der Kraftwagen 6 befindet sich im Erfassungsbereich E des Abstandssensors 2. Dieser
erkennt, dass sich der Abstand zwischen dem Kraftwagen 1 und dem Kraftwagen 6 zunehmend
verringert und übergibt diese Daten an den Computer 11. Ein im Computer 11 ablaufender
Algorithmus bewertet die Kollisionsgefahr des Kraftwagens 1 mit dem Kraftwagen 6 und
kommt zu dem Ergebnis, dass ein automatisches Notausweichen geboten erscheint, um
einen Unfall zu vermeiden. Es wird eine Trajektorie T berechnet sowie ein zugehöriger
Verlauf des Lenkwinkels a, um diese Trajektorie T zu realisieren. Um die Berechnung
in die Tat umzusetzen, übergibt der Computer 11 geeignete Daten an die Steuerungsvorrichtung
10, welche geeignete Steuersignale an das EPS 3 sendet, um die angeforderten Lenkwinkel
a automatisch über die Zahnstange 12 einzustellen. Im Abschnitt B2 erfolgt also eine
über das EPS 3 automatisch realisierte Adaptivlenkung.
[0030] Um eine Gefährdung des Fahrzeugführers durch ein sich schnell drehendes Lenkrad 4
auszuschließen, wird dieses im Ausführungsbeispiel im Abschnitt B2 zumindest teilweise
von der Zahnstange 12 entkoppelt. Hierzu steuert die Steuerungsvorrichtung 10 den
Stellmotor 7 so an, dass über das Getriebe 8 die Drehbewegung des Lenkrads 4 reduziert
wird. Gemäß der Trajektorie T in Abschnitt B2 führt das Lenkrad 4 zwar weiterhin eine
Drehbewegung aus; diese ist jedoch erheblich geringer, als hätte eine Entkopplung
nicht stattgefunden. Durch die gemächliche Nachführung des Lenkrads 4 erhält der Fahrzeugführer
zwar eine haptische Rückmeldung über den automatisch ausgeführten Lenkvorgang; eine
Gefährdung seiner Hände durch ruckartige Bewegungen des Lenkrads 4 ist jedoch ausgeschlossen.
[0031] Erst wenn keine Kollisionsgefahr mehr besteht, wird das Lenkrad 4 im Abschnitt B3
wieder vollständig durch geeignete Befehle des Computers 11 an die Zahnstange 12 gekoppelt.
Der Fahrzeugführer kann nun wieder manuell in die rechte Fahrspur zurücklenken.
[0032] Fig. 3 zeigt eine alternative Möglichkeit der Entkopplung. Im Graphen aufgetragen
ist der Grad der Entkopplung gegen einen Änderungslenkwinkel Δa. Bis zu einem Schwellwert
a
0 erfolgt keinerlei Entkopplung des Lenkrads 4. Erst wenn der Änderungslenkwinkel Δa
diesen Schwellwert a
0 überschreitet, erfolgt eine vollständige Entkopplung und das Lenkrad dreht sich nicht
mehr mit. Der Schwellwert a
0 sollte insbesondere kleiner als 360° sein, um sehr gefährliche schnelle Mehrfachumdrehungen
des Lenkrads auszublenden.
[0033] Zusammenfassend erlaubt die vorgestellte Idee der intelligenten Kopplung von EPS
3 und Adaptivlenkung, sowohl Notausweichtrajektorien zu fahren als auch die Daumen
des Fahrzeugführers zu schützen. Dies wird erreicht, indem das Lenkrad 4 zumindest
während des automatischen Notausweichens wenigstens teilweise entkoppelt wird.
1. Verfahren zum Betreiben eines Kraftwagens (1) mit einer Umfelderfassungseinrichtung
(2), einer Lenkwinkelstellvorrichtung (3), welche dazu ausgebildet ist, unabhängig
von einer Bedienperson einen Lenkwinkel (a) des Kraftwagens (1) einzustellen, einem
Lenkrad (4) zur manuellen Einstellung eines Lenkwinkels (a) des Kraftwagens (1) durch
eine Bedienperson und einer Entkopplungsvorrichtung (5) zur zumindest teilweisen Entkopplung
einer Drehbewegung des Lenkrads (4) von einer durch die Lenkwinkelstellvorrichtung
(3) bewirkten Verstellung des Lenkwinkels (a) des Kraftwagens (1), mit den Schritten:
a) Erfassen eines Objekts (6) im Umfeld (E) des Kraftwagens (1) mittels der Umfelderfassungseinrichtung
(2);
b) Bewerten einer Kollisionsgefahr des Kraftwagens (1) mit dem Objekt (6); und
c) In Abhängigkeit von der Bewertung Verstellen des Lenkwinkels (a) des Kraftwagens
(1) mittels der Lenkwinkelstellvorrichtung (3),
gekennzeichnet durch den Schritt
d) In Abhängigkeit vom Verstellen in Schritt c) Entkoppeln des Lenkrads (4) mit der
Entkopplungsvorrichtung (5), so dass die Drehbewegung des Lenkrads (4) aufgrund des
Verstellens des Lenkwinkels (a) geringer ist als würde das selbe Verstellen bei nicht
entkoppeltem Lenkrad (4) erfolgen.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
in Schritt d) der Grad der Entkopplung abhängig von einer Geschwindigkeit und/oder
einer Rate des Verstellens des Lenkwinkels (a) ist, insbesondere mit zunehmender Geschwindigkeit
bzw. Rate des Verstellens zunimmt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
in Schritt d) eine vollständige Entkopplung des Lenkrads (4) erfolgt, so dass das
Lenkrad (4) bei jedem Verstellen des Lenkwinkels (a) keine Drehbewegung ausführt.
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
für ein Verstellen des Lenkwinkels (a) in Schritt c) um einen Änderungslenkwinkel
(Δa), welcher kleiner als ein vorgegebener Schwellwert (a0) ist, in Schritt d) kein Entkoppeln des Lenkrads (4) erfolgt und für ein Verstellen
des Lenkwinkels (a) in Schritt c) um einen Änderungslenkwinkel (Δa), welcher größer
oder gleich dem vorgegebenen Schwellwert (a0) ist, in Schritt d) ein Entkoppeln des Lenkrads (4) erfolgt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche
dadurch gekennzeichnet, dass
die Entkopplungsvorrichtung eine Überlagerungsvorrichtung (5) mit einem Stellmotor
(7) und insbesondere einem Getriebe (8) umfasst, welche in die Drehbewegung einer
über das Lenkrad (4) drehbaren Lenksäule (9) entkoppelnd dergestalt eingreift, dass
eine durch die Lenkwinkelstellvorrichtung (3) bewirkte Drehung der Lenksäule (9) zu
einer geringeren Drehbewegung des Lenkrads (4) führt als hätte der Eingriff nicht
stattgefunden.
6. Verfahren nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Entkopplung durch eine Steuerungsvorrichtung (10) bewirkt wird, welche dazu ausgebildet
ist, die Lenkwinkelstellvorrichtung (3) so anzusteuern, dass eine Verstellung des
Lenkwinkels (a) des Kraftwagens (1) bewirkt wird, und dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit
von der Ansteuerung der Lenkwinkelstellvorrichtung (3) den Stellmotor (7) anzusteuern.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
ein Entkoppeln des Lenkrads (4) mit der Entkopplungsvorrichtung (5) stets dann erfolgt,
wenn ein Verstellen des Lenkwinkels (a) des Kraftwagens (1) mittels der Lenkwinkelstellvorrichtung
(3) erfolgt.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Umfelderfassungseinrichtung einen Abstandssensor (2) und/oder einen Ultraschallsensor
und/oder eine Kamera und/oder einen Radarsensor und/oder einen Lidarsensor umfasst.
9. Kraftwagen (1) mit einer Umfelderfassungseinrichtung (2), welche dazu ausgebildet
ist, ein Objekt (6) im Umfeld des Kraftwagens (1) zu erfassen, einer Lenkwinkelstellvorrichtung
(3), welche dazu ausgebildet ist, unabhängig von einer Bedienperson einen Lenkwinkel
(a) des Kraftwagens (1) einzustellen, einem Lenkrad (4) zur manuellen Einstellung
eines Lenkwinkels (a) des Kraftwagens (1) durch eine Bedienperson, einer Entkopplungsvorrichtung
(5) zur zumindest teilweisen Entkopplung einer Drehbewegung des Lenkrads (4) von einer
durch die Lenkwinkelstellvorrichtung (3) bewirkten Verstellung des Lenkwinkels (a)
des Kraftwagens (1), und einer Datenverarbeitungsvorrichtung (11), welche dazu ausgebildet
ist, in Abhängigkeit von Daten betreffend ein von der Umfelderfassungseinrichtung
(2) erfasstes Objekt (6) eine Kollisionsgefahr des Kraftwagens (1) mit dem Objekt
(6) zu bewerten und in Abhängigkeit von der Bewertung ein Verstellen des Lenkwinkels
(a) des Kraftwagens (1) festzulegen
dadurch gekennzeichnet, dass
die Datenverarbeitungsvorrichtung (11) dazu ausgebildet ist, in Abhängigkeit vom festgelegten
Verstellen ein Entkoppeln des Lenkrads (4) mit der Entkopplungsvorrichtung (5) so
festzulegen, dass eine resultierende Drehbewegung des Lenkrads (4) bei Ausführung
des festgelegten Verstellens des Lenkwinkels (a) geringer ist als würde das selbe
Verstellen bei nicht entkoppeltem Lenkrad (4) erfolgen.