[0001] Die Erfindung betrifft ein Schutzsystem gemäß dem Oberbegriff des Hauptanspruches.
[0002] Ein derartiges, abstandswirksames aktives Fahrzeug-Schutzsystem gegen einen anfliegenden
Flugkörper oder gegen ein sich annäherndes ballistisches Geschoß ist als AWISS oder,
daraus hervorgegangen, als AVePS bekannt und etwa in der
DE 199 51 915 A1 beispielhaft beschrieben. Das System ist an Bord des potentiell bedrohten Fahrzeuges
installiert und dafür ausgelegt, sensorgesteuert, mittels eines Rechners zum Verarbeiten
von Zieldaten, autonom operierend die aktuelle Bedrohung zu erfassen und sie in unkritischem
Restabstand mittels einer gerichtet verbrachten und bei hinreichender Annäherung an
die Bedrohung kontrolliert gezündeten, mit Radialsplitter- oder insbesondere mit Blastgefechtskopf
ausgestatteten Abwehrgranate zu zerstören. Für den Sonderfall einer Auslegung zur
Abwehr von sehr schnellen Bedrohungen wie durch KE-Penetratoren ist die Granate zusätzlich
mit einer Annäherungssensorik für die Zündauslösung ausgestattet.
[0003] Die Abwehrgranate wird aus einem hochagilen, extrem schnell richtbaren Werfer verschossen,
der vorzugsweise mit mehreren, individuell austauschbaren, munitionierten Werferrohren
bestückt ist. Die Azimut- und Elevations-Richtantriebe arbeiten stationär im objektfesten
Werfersockel, was nicht nur die Vorteile der Stabilität infolge niedrigliegenden Schwerpunktes
des Schutzsystemes und eines zuverlässigen mechanischem Schutzes von dessen Antriebsaggregaten,
sondern auch nur geringer zu bewegender Massen des Werfers erbringt.
[0004] Dieses aktive Nahbereichs-Schutzsystem kann auf einem gepanzerten Fahrzeug adaptiert
oder auch stationär installiert werden. Zwar ist das Schutzsystem rundum wirkend;
aber da es aus Gefährdungs- und Mobilitätsgründen nicht oberhalb der Fahrzeugsilhouette
angebracht werden kann, führen benachbarte Fahrzeug-Aufbauten (wie auch benachbarte
Bauwerke bei stationärer Installation) in der Praxis zu Abschattungssektoren, in denen
eine Bedrohung nicht bekämpft werden kann. Zwar wäre bei großen Land- und Seefahrzeugen
grundsätzlich Platz für Einbau mehrerer derartiger Schutzsysteme (etwa beidseitig
im Front- und im Heckbereich); aber aus Gewichts- und Ausstattungsgründen oder aus
operativen Gesichtspunkten ist das in der Regel nicht realisierbar.
[0005] In Erkenntnis derartiger Gegebenheiten liegt vorliegender Erfindung die technische
Problemstellung zugrunde, das an sich bewährte Nahbereichs-Schutzsystem für Einsatz
auch in größerflächigen Gefährdungsbereichen wie an Bord von großen Land-und Seefahrzeugen,
optional auch in großflächiger stationärer Umgebung, auszulegen.
[0006] Diese Aufgabe des Schutzes auch eines größeren Areals mittels nur eines derartigen
Schutzsystemes ist erfindungsgemäß nach den Merkmalen des Hauptanspruches gelöst.
Danach wird der Bekämpfungsabstand vergrößert und dafür die Abwehrgranate nun mit
Einrichtungen zur Bahnkorrektur ausgestattet, sowie mit einem eigenen Antrieb und
mit optischem Sensor, der die anfliegende Bedrohung im Infrarot-Spektralbereich erfasst.
Die Sensorik des Schutzsystemes dient nun nicht nur dem Richten des Werfers, sondern,
über eine materielle oder immaterielle Datenverbindung, auch der Bahnkorrektur der
Abwehrgranate. Die verfügt dazu über eine Querschubsteuerung, etwa eine Thrustersteuerung
oder einfach über einen längs ihres Umfanges verlaufenden Ring von radial gerichteten
Impulstriebwerken; wie sie für andere Anwendungsfälle etwa aus der
DE 40 36 166 A1 oder aus der
DE 35 21 204 A1 bekannt sind.
[0007] So wird die Abwehrgranate gewissermaßen zu einem bahnkorrigierbaren Flugkörper. Zu
seiner Flugstabilisierung erfährt er in an sich bekannter Art durch aerodynamische
Einflüsse eine geringe Rollrate. Für einen räumlich definierten Querimpuls muss deshalb
die aktuelle Roll-Lage im Raum bekannt sein. Dafür geläufige Verfahren sind entweder
sehr störanfällig oder recht aufwändig, vgl. etwa
DE 10 2008 005 100 A1. Weniger aufwändig wird eine richtungstransformierte Querschub-Bahnkorrektur im Rahmen
vorliegender Erfindung mittels eines an Bord der Abwehrgranate den polaren Azimutwinkel
zur Bedrohung messenden einfachen optischen Sensors realisiert, wie es nachfolgend
anhand der Zeichnung näher erläutert wird.
[0008] In der Zeichnung zeigt, skizziert unter Beschränkung auf das Funktionswesentliche,
- Fig. 1
- die Sichtlinie zur anfliegenden Bedrohung im Granaten-Koordinatensystem,
- Fig. 2
- die Bahndaten im raumfesten Koordinatensystem und
- Fig. 3
- die Bestimmung eines Korrekturimpulses aus den beiden Koordinatensystemen.
[0009] Das abstandsaktive Schutzsystem 11 verfügt gemäß Fig. 2 über einen richtbaren Werfer
12 für Abwehrgranaten 13 und, gewöhnlich in dessen unmittelbarer Nähe, über eine rechnerbasierte
Trackeinrichtung 14 mit Aufklärungssensor zur Erfassung und Bahnvermessung einer anfliegenden
Bedrohung hier in Form eines Flugkörpers 15; sowie zur Vorausbestimmung eines wahrscheinlichen
Begegnungspunktes16 zwischen der Bedrohung 15 und der in Richtung auf den Begegnungspunkt
16 abgeschossenen Abwehrgranate 13. Ein Treffer im Begegnungspunkt 16 ist zur Abwehr
der Bedrohung 15 nicht erforderlich, es genügt die zerstörerische oder ablenkende
Wirkung eines nahebei gezündeten Blastgefechtskopfes der Abwehrgranate 13.
[0010] Die Abwehrgranate 13 erfährt bei ihrem Abschuss einen vorläufigen Zündzeitpunkt.
Außerdem bleibt die Abwehrgranate 13 über eine Datenstrecke 17 in Form einer Funk-oder
(hier) Drahtverbindung mit dem Schutzsystem 11 verbunden, um über den Rechner der
Trackeinrichtung 14 laufend aktualisierte Begegnungspunkte 16 in Form von entsprechend
korrigierten Zündzeitpunkten übermittelt zu bekommen. So wäre bis auf eine kurze Abwehrdistanz
in der Größenordnung weniger 10 Meter der verbleibende Begegnungs-Restfehler derart
gering, dass in der Abwehrgranate 13 selbst kein Annäherungssensor erforderlich wäre.
Um aber die in größeren Arealen auftretenden Abschattungssektoren zu überwinden, wird
das Schutzsystem 11 erfindungsgemäß für größere Abwehrdistanzen, bis in die Größenordnung
von 100 Metern, ausgelegt; womit zugleich ein besserer Schutz gegen Resteinwirkungen
der an sich zerstörten Bedrohung 15 erzielt wird. Da sich nun die vorausschätzbare
Ablage im Begegnungspunkt 16 entsprechend vergrößert, wird nicht mehr nur der Zündzeitpunkt
aktualisiert, sondern es erfolgt auch eine Ablagekorrektur für die Abwehrgranate 13.
Die erfährt dazu eine Bahnkorrektur; und außerdem erhält sie, zum Verringern der Verbringungszeit,
einen Antrieb. Da wegen der (etwa im Vergleich zu Luftabwehrsystemen) immer noch geringen
Verbringungsdistanz eine aerodynamische Lenkung nicht realisierbar ist, es erfolgt
eine Querschubsteuerung. Mittels eines passend gezündeten Impulsgebers ist eine in
diesem Schutzsystem 11 auftretende, maximal einige Meter betragende Ablage hinreichend
korrigierbar.
[0011] Aus Stabilitätsgründern weist die nun angetriebene Abwehrgranate 13 allerdings eine
geringe Rollrate auf. Deshalb muss, für die räumlich passende Auslösung des Impulsgebers,
die momentane Roll-Lage im Raum erfasst werden. Dafür ist die Abwehrgranate 13 gemäß
Fig. 1 im Bereich ihrer Spitze mit einem Infrarot-Sensor 18 ausgestattet. Der stellt
die Azimutrichtung 19 des anfliegenden, die Bedrohung darstellenden Flugkörpers 15
in Bezug auf ein granatenfestes Koordinatensystem mit Referenzrichtung 23 fest. Dafür
genügt im einfachsten Falle - nämlich bei polarisierter Bestrahlung der Granate 15,
die mit einem Polarisationsempfänger (z. B. IR-Diode mit Polarisationsfilter) ausgestattet
ist - ein optischer Detektor mit nur zwei Aufnahmefeldern (nämlich zur 180°-Selektion).
Ohne Sensierung einer derartigen, zusätzlichen Beleuchtung, sondern bei Ansprechen
auf die thermische Abstrahlung des Flugkörpers 15 selbst, genügt als Sensor 18 ein
optischer Vierquadranten-Detektor zur Azimuterkennung. Im Interesse höherer Auflösung
ist aber als Sensor 18 ein n-fach-sektorieller Detektor (mit n > 4) zu bevorzugen.
Der liefert den Azimutwinkel 19 des Hotspots des sich annähernden Flugkörpers 15 mit
einer Winkelgenauigkeit von dementsprechend 360°/n, bezogen auf den Mittelpunkt des
Sensor-Sichtfeldes. Mindestens gleiche Auflösung ist über eine Auswertelogik mittels
eines Array-Detektors erzielbar.
[0012] Der so an Bord der Abwehrgranate 13 gewonnene Azimutwinkel 19 (in Bezug auf das Granaten-Koordinatensystem
mit Referenzrichtung 23) der Annäherung der Bedrohung 15 wird über die Datenstrecke
17 (Fig. 2) an das Schutzsystem 11, insbesondere an den Rechner seiner Trackeinrichtung
14 rückgemeldet. Von dort aus wird quasi ständig über Winkel- und Entfernungsmessungen
der momentane Raumvektor 20 des Flugkörpers 15 und der momentane Raumvektor 21 der
Abwehrgranate 13 bestimmt und aus deren Abfolgen die jeweilige Trajektorie 22 des
Flugkörpers und die jeweilige Trajektorie 23 der Abwehrgranate zum Auffinden des Begegnungspunktes
16 bestimmt, in dessen Nähe die Abwehrgranate 13 gezündet werden soll. Dem korrekturbedingten
Auswandern des Begegnungspunktes 16-16' (Fig. 3) soll die Flugrichtung 30' der Abwehrgranate
13 nachgeführt werden. Entsprechend verändert sich der tatsächliche, momentane Raumvektor
der Sichtlinie 24 von der Abwehrgranate 13 zum Flugkörper 15. Die tatsächliche momentane
Roll-Lage 25 der Abwehrgranate 13 in Bezug auf die raumfeste Vertikale 26 bestimmt
sich aus der Sichtlinie 24 im Raum und dem an Bord der Abwehrgranate 13 ermittelten
Azimutwinkel 19. Für diese Auswertung darf angenommen werden, dass die Rollachse der
Abwehrgranate 13 identisch ist mit der Tangente an den Raumvektor 20.
[0013] Die Verlagerung des Begegnungspunktes von 16 nach 16' ist (Fig. 3) als Ablagevektor
27 darstellbar und bedingt die Richtung 28 eines im raumfesten Koordinatensystem in
die Granatenquerschnittsebene projizierten Korrekturimpulses 29 für das Nachlenken
der Abwehrgranate 13. Bezogen auf deren Koordinatensystem hat der Korrekturimpuls
29 den Sollwinkel gemäß der Winkelsumme 25+28. Dementsprechend kann der Rechner der
Trackeinrichtung 14 den nächstgelegenen der längs des Umfanges der Abwehrgranate 13
individuell auslösbaren Impulsgeber bestimmen und über die Datenstrecke 17 zur Korrektur
des Granaten-Raumvektors 21 zünden, so dass die die Richtung 30' annimmt.
[0014] Um mittels eines Schutzsystemes 11 nach Art eines abstandsaktiven Fahrzeugschutzes
auf Basis einer der anfliegenden Bedrohung 15 entgegenzuschießenden Abwehrgranate
13 auch größere Areale möglichst abschattungsfrei überstreichen zu können, wird also
erfindungsgemäß die Abwehrdistanz zum Begegnungspunkt 16 größenordnungsmäßig etwa
verdreifacht und dafür eine mit einem Sensor 18 zum Ermitteln der polaren Azimutrichtung
19 des abzuwehrenden Flugkörpers 15 und mit einer Querschubsteuerung ausgestattete,
rollstabilisiert angetriebene Abwehrgranate 13 unter Aufrechterhalten einer Datenstrecke
17 zur Trackeinrichtung 14 verschossen. Über diese Datenstrecke 17 erfährt die Abwehrgranate
13 mittels eines quer orientierten Korrekturimpulses 29 durch nach Maßgabe eines Auswanderns
des Begegnungspunktes 16-16' veränderten Raumvektor 21 eine Bahnkorrektur zum aktualisierten
Begegnungspunkt 16' hin.
Bezugszeichenliste
[0015]
- 11
- Schutzsystem
- 12
- Werfer
- 13
- Abwehrgranate
- 14
- Trackeinrichtung
- 15
- Flugkörper (Bedrohung)
- 16
- Begegnungspunkt
- 17
- Datenstrecke
- 18
- IR-Sensor
- 19
- Azimutrichtung
- 20
- FK-Raumvektor
- 21
- AG-Raumvektor
- 22, 22'
- FK-Trajektorien
- 23
- Referenzrichtung des Granaten-Koordinatensystems
- 24
- AG-FK-Sichtlinie
- 25
- Roll-Lage
- 26
- Vertikale
- 27
- Ablagevektor
- 28
- Impulsrichtung
- 29
- Korrekturimpuls
- 30
- AG-Trajektorie
- 30'
- neue AG-Trajektorie nach Ablenkung
1. Schutzsystem (11) mit einer gegen einen, von einer rechnerbasierten Trackeinrichtung
(14) als bedrohend ausgemachten, anfliegenden Flugkörper (15) aus einem richtbaren
Werfer (12) mit vorgegebenem Zündzeitpunkt für Annäherung an einen Begegnungspunkt
(16) mit dem Flugkörper (15) abzuschießenden Abwehrgranate (13),
dadurch gekennzeichnet,
dass für eine vergrößerte Abwehrdistanz eine mit einem Sensor (18) zum Ermitteln der Azimutrichtung
(19) des abzuwehrenden Flugkörpers (15) ausgestattete, rollstabilisiert angetriebene
Abwehrgranate (13) unter Aufrechterhalten einer Datenstrecke (17) zur Trackeinrichtung
(14) verschossen wird und über die Datenstrecke (17) nach Maßgabe eines Auswanderns
des Begegnungspunktes (16-16') mittels eines quer orientierten Korrekturimpulses (29)
durch veränderten Raumvektor (21) eine Bahnkorrektur zum aktualisierten Begegnungspunkt
(16') hin erfährt.
2. Schutzsystem nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Abwehrgranate (13) mit einem mehrsektoriellen oder mit einem Array-Sensor (18)
ausgestattet ist, der auf Wärmeabstrahlung des Flugkörpers (15) anspricht.
3. Schutzsystem nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass von der Trackeinrichtung (14) aus über den jeweils aktuellen Raumvektor (20) zum
Flugkörper (15) und über den jeweils aktuellen Raumvektor (21) zur Abwehrgranate (13)
ein Auswandern des Begegnungspunktes (16') erfasst und über eine daraus abgeleitete
Impulsrichtung (28) im Raum, ergänzt um die aktuelle Roll-Lage (25) der Abwehrgranate
(13), eine Querschubsteuerung an Bord der Abwehrgranate (13) ausgelöst wird.
4. Schutzsystem nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Abwehrgranate (13) rundum mit individuell auslösbaren, radial orientierten Impulsgebern
ausgestattet ist.
5. Schutzsystem nach einem der vorangehenden Ansprüche ohne Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Abwehrgranate (13) mit einem zweifeldrigen Sensor (18) für vom Abschussgerät
oder der Trackeinrichtung ausgesandte polarisierte Bestrahlung ausgestattet ist.