[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Regeln der Erzeugung von Dampf aus Speisewasser
in einem Verdampfer einer Dampfkraftanlage, bei dem in einem ersten Regelsystem ein
Zustandsregler mehrere Mediumszustände im Verdampfer mit Hilfe eines Beobachters berechnet
und daraus einen Speisewassermassenstrom als Stellgröße des ersten Regelsystems ermittelt.
[0002] Der Wirkungsgrad einer Dampfkraftwerksanlage steigt mit der Temperatur des im Kraftwerkkessel
erzeugten Dampfes und mit der Konstanz der Qualität des nach der Verdampfereinheit
bereitgestellten Dampfs. Die Dampferzeugung in einer Dampfkraftanlage erfolgt in der
Regel aus Speisewasser, das in einem Hochdruckvorwärmer, auch Economizer genannt,
vorgewärmt und dann in einem Verdampfer verdampft wird. Das Speisewasser wird hierbei
vor dem Hochdruckvorwärmer mittels einer Speisewasserpumpe auf einen hohen Druck gebracht
und durch den Hochdruckvorwärmer und Verdampfer getrieben.
[0003] Die Regelung der Dampftemperatur nach dem Verdampfer erfolgt durch das Einstellen
eines Massenstroms des Speisewassers als Stellgröße, das in den Verdampfer eingeführt
wird. Das Regelverhalten der Dampftemperatur mit dieser Stellgröße ist sehr träge,
so dass sich ein Verstellen des Speisewassermassenstroms erst nach mehreren Minuten
auf die zu regelnde Temperatur auswirkt. Zusätzlich wird die zu regelnde Temperatur
durch zahlreiche Störungen, wie z.B. Laständerungen, Rußblasen im Kessel, Wechsel
des Brennstoffes, usw., stark beeinflusst. Eine genaue Temperaturregelung ist aus
diesen Gründen schwer zu erreichen.
[0005] Es ist eine Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren anzugeben, mit dem die Dampftemperatur
sowohl genau als auch stabil geregelt werden kann.
[0006] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Zustandsregler erfindungsgemäß ein linear-quadratischer
Regler ist. Ein solcher Linear Quadratic Regulator (LQR) kann eine linear-quadratische
optimale Zustandsrückführung enthalten. Hierbei können dessen Parameter derart bestimmt
werden, dass ein Gütekriterium für die Regelqualität optimierbar ist. Hierdurch kann
sowohl eine genaue als auch stabile Regelung erreicht werden.
[0007] Die Erfindung geht hierbei von der Überlegung aus, dass bei einer Zustandsregelung
mehrere - teilweise nicht messbare - Zustände zur Ermittlung der Stellgröße, bzw.
des Reglerstellsignals, zurückgeführt werden. Für den vorliegenden Anwendungsfall
bedeutet dies, dass Zustände, wie eine Temperatur, ein Druck, eine Enthalpie oder
eine andere Zustandsgröße, an mehreren Stellen entlang des Verdampfers im Algorithmus
verwendet werden können. Da diese Zustände jedoch nicht messbar sind, wird eine so
genannte Beobachterschaltung benötigt, mit deren Hilfe die benötigten Zustände, die
durch Zustandsgrößen charakterisiert werden können, geschätzt bzw. errechnet werden
können. Die Begriffe "schätzen", "berechnen" und "ermitteln" werden im Folgenden als
Synonyme verwendet. Der Vorteil dieses Konzepts besteht darin, dass sehr schnell und
akkurat auf Störungen, die auf den Verdampfer wirken, reagiert werden kann.
[0008] Die Dampfkraftanlage ist eine mit Dampfkraft betriebene Anlage. Sie kann eine Dampfturbine,
eine Dampfprozessanlage oder jede andere Anlage sein oder umfassen, die mit Energie
aus Dampf betrieben wird. Als Verdampfer kann im Folgenden jedes System verstanden
werden, in dem Wasser verdampft wird, wobei ein Vorwärmer, insbesondere ein Hochdruckvorwärmer,
eingeschlossen sein kann. Das Medium kann Speisewasser, Dampf oder eine Mischung aus
Speisewasser und Dampf sein. Ein Mediumszustand - im Folgenden auch vereinfacht Zustand
genannt - kann eine Energie, eine Temperatur, ein Druck, eine Enthalpie oder ein anderer
Zustand des Mediums sein.
[0009] Als ein Zustandsregler kann im Folgenden ein Regelkreis verstanden werden, der die
Regelgröße auf der Grundlage eines geschätzten Zustands, beispielsweise in Form einer
Zustandsraumdarstellung, regelt. Dabei können ein oder mehrere Zustände innerhalb
der Regelstrecke durch einen Beobachter geschätzt und der Regelstrecke - oder dem
Regler - wieder zugeführt, also zurückgeführt, werden. Die Rückführung, die zusammen
mit der Regelstrecke den Regelkreis bildet, kann durch den Beobachter geschehen, der
somit eine Messeinrichtung ersetzen kann. Der Beobachter berechnet bzw. schätzt die
Zustände des Systems, in diesem Fall des Mediums im Verdampfer, und kann eine Zustands-Differentialgleichung,
eine Ausgangsgleichung und einen Beobachtervektor umfassen. Der Ausgang des Beobachters
kann mit dem Ausgang der Regelstrecke verglichen werden. Die Differenz kann über den
Beobachtervektor auf die Zustands-Differentialgleichung wirken. Weiter ist es vorteilhaft,
wenn der Beobachter unabhängig vom Zustandsregler arbeitet.
[0010] Zweckmäßigerweise verwendet der Zustandsregler einen Zustand des den Verdampfer verlassenden
Dampfs als Regelgröße, wie die Dampftemperatur, oder die Enthalpie des Dampfs. Als
Stellgröße wird vorteilhafterweise der Speisewassermassenstrom verwendet.
[0011] In einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung wird ein Sollwert für den Speisewassermassenstrom
an einen Regler eines zweiten Regelsystems zur Regelung des Speisewassermassenstroms
weitergegeben. Dieser kann den Sollwert als Regelgröße verwenden. Als Stellgröße des
zweiten Regelsystems kann direkt oder indirekt die Drehzahl einer Speisewasserpumpe,
die Stellung eines Ventils, z.B. in der Speisewasserleitung, oder ein anderer für
die Einstellung des Speisewassermassenstroms geeigneter Parameter verwendet werden.
[0012] Die Erfindung ist gekennzeichnet dadurch, dass zur Berechnung der Mediumszustände
als Zustandsgröße eine Enthalpie des Mediums verwendet wird. Zweckmäßigerweise werden
mehrere Zustände und in Folge dessen mehrere Enthalpien verwendet. Die Dampfparameter,
wie Enthalpie und/oder Druck und Temperatur, sollen, je nach Lastfall, auf gewünschte
Werte gehalten und bei Laständerungen entsprechend geregelt werden. Die Vorteile einer
Enthalpie-Zustandsregelung, also einer Verwendung einer Enthalpie oder eines Produkts
aus Enthalpie und einer weiteren Größe, wie einen Wassermassenstrom, als Zustand,
sind, dass Zustandsregelungen eine höhere Regelgüte erreichen und die Regelung schneller
wird. Auch verfahrenstechnisch ergeben sich Vorteile: Der Prozess wird zweckmäßigerweise
so ausgelegt, dass am Verdampferende schwach überhitzter Dampf austritt, welcher nahe
an der Sattdampfgrenze liegt. Mit sich änderndem Druck, z.B. im Gleitdruckbetrieb,
ändert sich der Verdampfungsendpunkt bzw. der Sattdampfpunkt, was bei Temperaturbetrachtung
dazu führen kann, dass Nassdampf entsteht. Bei Verwendung der Enthalpie als Zustandsgröße
muss der Druck nicht explizit mitbetrachtet werden, da die Enthalpie sowohl Temperatur
als auch Druck in einer Größe vereinigt.
[0013] Vorteilhafterweise werden als Zustandsgrößen Abweichungen der absoluten Enthalpien
von Enthalpie-Sollwerten verwendet. Hierdurch kann im Gleichgewicht auf Null geregelt
und das mathematische Problem vereinfacht werden.
[0014] Das LQR-Verfahren bezieht sich auf lineare Regelungsprobleme. Durch eine Umrechnung
von Temperaturmesswerten und Temperatursollwerten auf Enthalpien kann das mathematische
Reglerproblem bei Verwendung von Enthalpie-Zuständen linearisiert und dadurch einer
einfacheren Berechnung zugänglich gemacht werden, denn zwischen Eintritts- und Austrittsenthalpie
besteht ein linearer Zusammenhang. Die Umrechnung erfolgt zweckmäßigerweise mit Hilfe
entsprechender Wasser-/Dampf-Tafel-Beziehungen unter Verwendung z.B. des gemessenen
Dampfdruckes.
[0015] Bei der Regelung der Verdampferstrecke mittels einer Zustandsregelung besteht jedoch
das Problem, dass der Zustands am Verdampfereintritt zwar durch eine Enthalpie beschrieben
werden kann, die Enthalpie am Verdampfereintritt jedoch nicht eingestellt werden kann,
da Druck und Temperatur des Speisewassers nur unwesentlich verändert werden können
und als Stellgröße ungeeignet sind. Daher wird zweckmäßigerweise der Speisewassermassenstrom
als Stellgröße verwendet und bei der Berechnung der Zustände auf diese aufmultipliziert.
[0016] Der Speisewasserstrom wirkt allerdings in nichtlinearer Weise auf die Regelgröße
Enthalpie am Verdampferein- und -austritt, so dass das Reglerproblem - trotz Verwendung
von Enthalpien - nichtlinear ist. Zur Lösung dieses Problems wird bei der Berechnung
der Zustände zweckmäßigerweise eine Linearisierung verwendet. Im vorliegenden Fall
wird vorteilhafterweise angenommen, dass sich die Zustände nur um einen Abweichungsbereich
um einen Arbeitspunkt bewegen. In diesen Abweichungsbereichen, der zweckmäßigerweise
vorbestimmt ist, kann das System als linear angenommen werden.
[0017] Diese Linearisierung ist für einen Zustand nur für den Arbeitspunkt und den um diesen
liegenden Abweichungsbereich sinnvoll. Wandert der tatsächliche Zustand aus dem Abweichungsbereich
hinaus, so wird die Linearisierung zu unvorteilhaften Ergebnissen führen. Es ist daher
vorteilhaft, den Arbeitspunkt zu aktualisieren. Dies geschieht zweckmäßigerweise dadurch,
dass der Arbeitspunkt durch Einsetzen von Messwerten aktualisiert wird. Die Messwerte
sind zweckmäßigerweise aktuelle Messwerte, die durch Messung eines aktuell vorliegenden
Mediumsparameters, wie Druck, Temperatur und dergleichen, erfasst wurden. Der der
Zustandsberechnung zugrunde gelegte Arbeitspunkt kann an einen aktuellen Mediumszustand
angepasst werden. Es kann ein nichtlineares Regelsystem verwendet werden, das durch
Einsetzen aktueller Messwerte linearisiert wird. Durch die Linearisierung wird ein
sehr robustes Regelverhalten erzielt, d.h. die Regelqualität hängt nicht mehr vom
aktuellen Betriebspunkt der Anlage ab.
[0018] Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung sieht vor, dass das Regelsystem
des Zustandsreglers eine Matrixgleichung, beispielsweise in Form einer Rückführmatrix,
beinhaltet, zu deren Berechnung während der Dampferzeugung gemessene Mediumswerte
verwendet werden. So kann z.B. die Zustandsrückführung über eine Matrixgleichung erfolgen,
deren Parameter zumindest teilweise unter Verwendung aktueller Messwerte bestimmt
werden. Durch die Verwendung aktueller Messwerte, z.B. in einer Online-Berechnung
der Rückführmatrix, kann sich der Regler ständig an die tatsächlichen Betriebsbedingungen
anpassen. Hierdurch kann einer lastabhängigen Änderung des dynamischen Verdampferverhaltens
automatisch Rechnung getragen werden. Auch durch diesen Schritt kann eine Erhöhung
der Robustheit des Regelalgorithmus erzielt werden. Aufgrund der Tatsache, dass der
Regleralgorithmus sehr robust ist, müssen bei der Inbetriebsetzung nur sehr wenige
Parameter eingestellt werden. Inbetriebsetzungszeit und -aufwand ist gegenüber allen
bislang bekannten Verfahren daher erheblich reduziert.
[0019] Vorteilhafterweise wird die Matrixgleichung durch eine Leittechnik der Dampfkraftanlage
berechnet. Die Leittechnik kann hierbei ein Steuersystem sein, das die Dampfkraftanlage
in ihrem regulären Betrieb steuert. Um die mathematischen Bausteine der Leittechnik
einfach zu halten, ist es vorteilhaft, wenn die Matrixgleichung in einen Satz skalarer
Differentialgleichungen überführt wird. Eine relativ einfache Integration der Matrixgleichung
kann durch eine Integration rückwärts über die Zeit erreicht werden. Da im Realfall
keine Information aus der Zukunft zur Verfügung steht, kann eine der Rückwärtsintegration
äquivalente Integration erreicht werden, wenn der Satz skalarer Differentialgleichungen
mit umgekehrtem Vorzeichen integriert wird, was stabil zur selben stationären Lösung
führt.
[0020] In einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung ist der Beobachter ein Kalman-Filter,
der auf die linear-quadratische Zustandsrückführung ausgelegt ist. Das Zusammenspiel
des linear-quadratischen Reglers mit dem Kalman-Filter wird als LQG (Linear Quadratic
Gaussian)-Regler bzw. LQG-Algorithmus bezeichnet.
[0021] Vorteilhafterweise berechnet der Beobachter die im Verdampfer in das Medium eingetragene
Wärme. Diese kann als Störgröße definiert und im Regelalgorithmus verwendet werden.
Hierbei können nicht nur die Enthalpien oder ein davon abgeleiteter Parameter entlang
des Verdampfers sondern zusätzlich die Störgröße als Zustand definiert werden und
insbesondere mit Hilfe des Beobachters geschätzt bzw. ermittelt werden. Störungen,
die direkt auf den Verdampfer wirken, drücken sich dadurch aus, dass sich die Aufwärmspanne
im Verdampfer verändert. Durch eine solche Beobachtung der Störgrößen ist eine sehr
schnelle, akkurate aber gleichzeitig robuste Reaktion auf entsprechende Störungen
möglich.
[0022] Die Erfindung betrifft außerdem eine Vorrichtung zum Regeln der Erzeugung von Dampf
aus Speisewasser in einem Verdampfer einer Dampfkraftanlage, mit einem Regelsystem,
der einen Beobachter und einen Zustandsregler umfasst, der dazu vorbereitet ist, mehrere
Mediumszustände im Verdampfer mit Hilfe eines Beobachters zu berechnen und daraus
einen Speisewassermassenstrom als Stellgröße des ersten Regelsystems zu ermitteln.
[0023] Es wird vorgeschlagen, dass der Zustandsregler ein linear-quadratischer Regler ist.
Es kann eine genaue und stabile Regelung erreicht werden.
[0024] Vorteilhafterweise ist die Vorrichtung dazu ausgelegt, einen, mehrere oder alle der
oben vorgeschlagenen Verfahrensschritte auszuführen.
[0025] Die Erfindung wird anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert, die in den Zeichnungen
dargestellt sind.
[0026] Es zeigen:
- FIG 1
- einen Ausschnitt aus einem Dampfkraftwerk mit einem Verdampfer,
- FIG 2
- ein Schema einer Regelkaskade,
- FIG 3
- ein Modell des Verdampfers,
- FIG 4
- ein lineares Streckenmodell als Grundlage für eine Reglerentwurf,
- FIG 5
- eine Struktur eines Beobachters und
- FIG 6
- eine Übersicht über einen Regleraufbau.
[0027] FIG 1 zeigt eine schematische Darstellung eines Ausschnitts aus einem Dampfkraftwerk
mit einer Dampfkraftanlage, die eine Dampfturbine 2, einen Kessel 4, einen Verdampfer
6 und einen Überhitzer 8 umfasst. Der Kessel 4 gibt Wärme an den Verdampfer 6 ab,
in den Speisewasser 10 einströmt, das von einer Speisewasserpumpe 12 zum Verdampfer
6 gepumpt wird und das die Wärme aufnimmt. Mit Hilfe eines Ventils 14 kann der Speisewasserstrom
reguliert werden.
[0028] Durch die Aufnahme von Wärme wird das Speisewasser 10 im Verdampfer 6 verdampft,
und der entstandene Dampf 16 strömt zum Überhitzer 8 weiter, um dort zu Frischdampf
überhitzt und anschließend der Dampfturbine 2 zugeführt zu werden. Zur Regelung der
Temperatur des Dampfs 16 wird der Speisewasserstrom mit Hilfe des Ventils 14 und/oder
der Speisewasserpumpe 12 geregelt, wobei ein Sollstrom des Speisewassers 10 vor dem
Verdampfer 6 die Regelgröße und eine Ventilstellung und/oder eine Pumpenleistung die
Stellgröße ist.
[0029] Ein Temperatursensor 18 und ein Drucksensor 19 messen die Temperatur T
W bzw. den Druck p
W des Speisewassers 10 und ein Sensor 20 den Ist-Speisewasserstrom m
i vor dem Verdampfer 6. Ein Temperatursensor 22 und ein Drucksensor 24 messen die Dampftemperatur
T
D bzw. den Dampfdruck p
D des Dampfs 16 nach dem Verdampfer 6.
[0030] Der Verdampfer 6 kann ein nicht dargestellter Vorwärmer Umfassen. Dies ist jedoch
für die Erfindung unerheblich, und es wird im Folgenden unter dem Begriff "Verdampfer"
auch ein System aus einem Verdampfer mit einem Vorwärmer verstanden.
[0031] Der Verdampfer 6 ist ein Zwangsdurchlaufdampferzeuger, bei dem der Durchlauf des
Wasser- bzw. Dampfstroms von der Speisepumpe 12 erzwungen wird. Das Speisewasser 10
kann hierbei nacheinander einen Speisewasservorwärmer und den Verdampfungsteil durchströmen,
insbesondere auch den Überhitzer 8, so dass die Erwärmung des Speisewassers 10 bis
zur Sattdampftemperatur, die Verdampfung und die Überhitzung kontinuierlich in einem
Durchlauf erfolgen. Hierbei wird keine Trommel benötigt. Insbesondere ist der Verdampfer
6 Teil eines Bensonkessels. Dieser kann im überkritischen Bereich gefahren werden,
wobei das Speisewasser 10 von der Speisewasserpumpe 12 auf einen Druck von über 230
bar gebracht werden kann. Der Speisewassermassenstrom kann lastabhängig geregelt werden.
[0032] In FIG 2 ist eine Regelkaskade mit einem ersten bzw. äußeren Regelsystem 26 und einem
zweiten bzw. inneren Regelsystem 28 schematisch dargestellt. Das äußere Regelsystem
26 umfasst einen linear-quadratischen Regler 30, insbesondere einen LQG-Regler. Diesem
werden als Eingangsgrößen der gemessene Ist-Speisewasserstrom m
i, die gemessene Temperatur T
W des Speisewassers 10, die gemessene Temperatur T
D und der gemessene Druck p
D des Dampfs 16 sowie die Solltemperatur T
S des Dampfs 16 nach dem Verdampfer 6 zugeführt. Die Solltemperatur T
S des Dampfs 16 ist die Regelgröße des Reglers 30. Der Sollmassenstrom m
S des Speisewassers 10 wird als Stellgröße vom Regler 30 ausgegeben.
[0033] Dieser Sollmassenstrom m
S wird einem Regelkreis 32 des inneren Regelsystems 28 als Sollwert für die Regelgröße
vorgegeben. Der gemessene Speisewasserstrom m
i ist die Regelgröße des Regelkreises 32. Der Regelkreis 32 hat eine Stellung des Regelventils
14 und/oder eine Leistung der Speisewasserpumpe 12 als Stellgröße.
[0034] Der Regler 30 wirkt nicht direkt über ein Stellorgan auf den Prozess ein, sondern
übergibt den Sollwert m
S für Speisewassermassenstrom an den unterlagerten Regelkreis 32, mit dem er somit
eine Kaskade aus äußerem Regelsystem 26 und innerem Regelsystem 28 bildet. Die gemessene
Temperatur T
W und der Druck p
W des Speisewassers 10 vor dem Verdampfer 6 werden vom Regler 30 als zusätzliche Information
benötigt, um die spezifische Enthalpie h
1 des Speisewassers 10 vor dem Verdampfer 6 zu ermitteln. Die Enthalpie h
1 lässt sich über die Wasser-Dampf-Tafel bestimmen. Aus dem Dampfdruck p
D und der Dampftemperatur T
D wird die spezifische Enthalpie h
2 des Dampfs 16 nach dem Verdampfer 6 berechnet.
[0035] FIG 3 zeigt ein Modell der Verdampfungsstrecke im Verdampfer 6, die in drei Verzögerungsglieder
34 erster Ordnung eingeteilt ist, so dass sich in deren Reihenschaltung ein verzögerndes
Verhalten dritter Ordnung ergibt. Die drei Verzögerungsglieder können jeweils PT
1-Glieder sein, die durch einen negativ rückkoppelnden Integrator 36 realisiert sind.
Die Zeitkonstanten dieser Verzögerungsglieder sind lastabhängig und werden mit sinkender
Last größer und umgekehrt. Nach jedem Verzögerungsglied 34 ist ein Zustand x
i angegeben, mit i = 1, 2, 3, wobei der Zustand x
1 die Ausgangsenthalpie h
2 angibt. Ein Eingangszustand ist durch die Eingangsenthalpie h
1 der Verdampfungsstrecke charakterisiert. Die beiden mittleren Zustände x
2, x
3 sind rechnerische und nicht messbare Zustände, die durch den Beobachter geschätzt
werden. Alle Zustände x
i sind zeitabhängige Größen.
[0036] In die Verdampfungsstrecke strömt Speisewasser 10 mit der Enthalpie h
1 ein. Im Prinzip könnte diese Enthalpie h
1 als Stellgröße des ersten bzw. äußeren Regelsystems 26 verwendet werden, da mit Enthalpien
anstelle von Temperaturen die Annahme eines linearen Verhaltens der Verdampfungsstrecke
gerechtfertigt ist. Allerdings lässt sich die Enthalpie h
1 kaum einstellen, da der Druck p
W und die Temperatur T
W des Speisewassers kaum in genügendem Maße und schnell genug einstellbar sind, um
als Stellgröße dienen zu können.
[0037] Zur Lösung dieses Problems wird der Ist-Massenstrom m
i des Speisewassers 10 auf die Enthalpie h
1 aufmultipliziert, so dass sich aus dem Produkt eine Leistung ergibt. Diese ist einfach
mittels der Speisewasserpumpe 12 und/oder dem Ventil 14 einstellbar und kann somit
als Stellgröße verwendet werden. Da die Enthalpie h
1 im Wesentlichen konstant ist, kann der Ist-Massenstrom m
i des Speisewassers 10 alleine als Stellgröße verwendet werden.
[0038] Entsprechend wird im dynamischen Modell, das in FIG 3 dargestellt ist, in jedes Verzögerungsglied
34 jeweils m
i auf die vorliegende Enthalpie aufmultipliziert, wie durch Multiplikatoren 38 dargestellt
ist, so dass als Größe eine Leistung gebildet wird. Auf diese Leistungen wird in jeder
der drei Verzögerungsstufen 34 jeweils 1/3 einer angenommenen Feuerungsleistung Q
F aufaddiert, so dass die gesamte Feuerungsleistung Q
F in das dynamische Modell der gesamten Verdampfungsstrecke eingebracht wird.
[0039] Diese Leistungssumme wird mit einem Zeitglied G multipliziert, die eine verzögernde
Zeitkonstante im Nenner enthält, z.B. die verzögernde Zeitkonstante t eines PT
1-Gliedes bei Volllast. Außerdem enthält G = (mt)
-1 einen Speisewassermassenstrom m im Nenner, z.B. denjenigen bei Volllast, so dass
nach dem Zeitglied G eine spezifische Enthalpie pro Zeit vorliegt. Diese wird in jedem
Verzögerungsglied 34 durch jeweils die Integratoren 36 aufintegriert, so dass als
Ergebnis eine Enthalpie vorliegt. Diese wird von der Eingangsenthalpie des jeweiligen
Verzögerungsglieds 34 abgezogen. Es ergibt sich als Gleichungen für die Zustände x
i nach den drei Verzögerungsgliedern 34:

[0040] Der Zustand x
i ist die Ausgangsenthalpie h
2. Es ist zu erkennen, dass ein Zustand x konstant ist, seine Ableitung also Null ist,
wenn die Enthalpiedifferenz über ein Verzögerungsglied 34 multipliziert mit dem Speisewasserstrom
m
i in Addition mit dem Drittel der Feuerungsleistung Q
F Null ist, sich Enthalpiedifferenz mal Speisewasserstrom m
i und Q
F/3 die Waage halten. In diesem Fall ist das System in einem eingeschwungenen Zustand
und somit im Gleichgewicht von Speisewasserzufuhr und Erhitzung.
[0041] Diese drei Gleichungen sind nicht linear, da die Zustände x
i mit dem Speisewasserstrom m
i multipliziert werden. Dies ist korrekt, da der unbeständige Eintrag der Feuerungswärme
nichtlinear abgebildet werden soll. Diese Nichtlinearität der Feuerungswärme wird
im Zustandsmodell, genauer: im Beobachter, der in FIG 5 näher beschrieben ist, durch
die Multiplikation von Zuständen x
i mit dem Speisewasserstrom m
i nachgebildet. Hierdurch steht die Veränderung des Speisewasserstroms m
i der unbeständigen Feuerungsleistung Q
F als Gegenspieler zu dessen Ausgleich gegenüber. Folgerichtig wird der Speisewasserstrom
m
i als Stellgröße des ersten Regelsystems 26 verwendet.
[0042] Um einen LQ-Regler oder einen LQG-Regler verwenden zu können, muss dieses nichtlineare
Gleichungssystem mittels einer Linearisierung in ein lineares System überführt werden.
Dazu werden die Zustände und der Eingang zunächst als Summe von stationären Werten
und den Abweichungen um diese stationären Werte ausgedrückt. Die stationären Zustände
ergeben sich aus den nichtlinearen Systemgleichungen, indem die zeitlichen Ableitungen
der Zustände gleich Null gesetzt werden. Dies bedeutet, dass keine zeitliche Änderung
der Zustände im System mehr stattfindet und diese sich in einer stationären Ruhelage
befinden. Zusätzlich wird der stationäre Zustand als Sollzustand definiert.
[0043] Entsprechend gilt für den stationären Zustand:

wobei m
S der gewünschte Speisewassermassenstrom ist, mit dem der stationäre Zustand erreicht
wird, bei dem der Speisewasserstrom also gerade so groß ist, dass er die Wärmezufuhr
Q
F bei konstanter Ausgangsenthalpie h
2 nach dem Verdampfer aufnimmt. Durch Umformung erhält man den Stellwert m
S des ersten Regelsystems:

[0044] Dann wird weiter zur Linearisierung angenommen, dass sich die Zustände und der Eingang
nur um einen Abweichungsbereich um einen Arbeitspunkt bewegen. Somit kann das System
in diesem Arbeitspunkt als linear angenommen werden. Als Arbeitspunkte werden Sollzustände
gewählt, u stellt den Eingang des Systems dar:

[0045] Unter der Annahme, dass die Produkte der Abweichungen, also Δu·Ax
i sehr klein sind und vernachlässigt werden können, ergibt sich folgende linearisierte
Zustandsgleichung:

Somit bleibt ein Ausgangsoffset x
1s, der direkt auf zum Ausgang aufaddiert wird.
[0046] Es ist zu beachten, dass die Differentialgleichungen nur für kleine Abweichungen
um den Arbeitspunkt gelten. Der Arbeitspunkt wird hier durch die lastabhängige Sollenthalpie
nach Verdampfer h
2s =x
1s definiert. Die Arbeitspunkte sind daher anhand aktueller Messungen nachzuführen.
Dies geschieht durch Variablen in Matrizen
A und
B, die sich aus den Grundgleichungen des linearisierten Modells ergeben:

wobei der Eingang u(t) in vielen Fällen nicht direkt auf den Ausgang y(t) wirkt und
somit
D(t) Null ist. Auf diese Weise ändern sich die Matrizen
A und
B mit der Last bzw. mit dem aktuellen Sollwert der Enthalpie h
2s nach dem Verdampfer 6. Das bedeutet, dass die Dynamiken dem aktuellen Lastfall angepasst
werden und der Prozess somit über den gesamten Lastbereich nachgeführt wird.
[0047] FIG 4 zeigt eine Prinzipskizze einer Zustandsregelung. Eine Zustandsregelung ist
eine lineare Regelung, bei der Istzustände eines Prozesses 40 mit den entsprechenden
Sollzuständen vergleichen werden und die resultierende Differenz mit einem Faktor
multipliziert auf den Prozess aufgeschaltet wird. Konkret auf die Verdampfungsstrecke
angewendet, werden die berechneten Istzustände
x(t) mit vorgegebenen Sollzuständen
xsoll(t) verglichen. Mit der fetten Schreibweise ist hier und im Folgenden ein Vektor oder
eine Matrix angezeigt, der im vorliegenden Fall die drei Zustände x
1, x
2, x
3 und Q
F als vierte Größe enthält bzw. die entsprechenden Sollgrößen. Als Faktor kann ein
Rückführvektor
K(t) mit den Größen K
1, K
2, K
3 verwendet werden. u(t) ist die Stellgröße und y(t) die Ausgangsgröße des Prozesses.
[0048] Um dieses Regelungsprinzip der Zustandsrückführung implementieren zu können, müssen
die aktuellen Werte der Istzustände
x(t) bekannt sein und zur Verfügung stehen. Nun können aber in realen Prozessen nicht
immer alle Zustände gemessen werden. Im vorliegenden System lassen sich zum Beispiel
die Zustände x
2, x
3 und Q
F nicht messen. Der Grund hierfür liegt darin, dass der genaue Messpunkt der beiden
Zustände innerhalb des Verdampfers nicht ermittelt werden kann. Die ersten beiden
Verzögerungsglieder des Modells bilden lediglich die zeitliche Dynamik des Prozesses
ab. Dies sagt aber nichts über die örtliche Dynamik aus, weshalb ein Messpunkt für
die Temperatur nicht bestimmt werden kann. Ferner liegt bei den Zuständen x
2 und x
3 Nassdampf vor, was eine Bestimmung von deren Enthalpie zusätzlich erschwert. Deshalb
muss eine andere Möglichkeit gefunden werden, um die Zustände zu bestimmen.
[0049] Diese Zustandsbestimmung, oder Zustandsschätzung, kann durch eine Zustandsrückführung
erreicht werden. Die Regelung per Zustandsrückführung ist eine reine Proportionalregelung.
Das bedeutet, dass die Zustände nur durch einen Faktor multipliziert negativ zurückgeführt
werden. Diese Art der Rückführung kann zu einer Regelabweichung führen, was bedeutet,
dass vorgegebene Sollwerte nicht erreicht werden. Um dafür zu sorgen, dass diese Sollwerte
erreicht werden, ist die Implementierung eines Integralanteils sinnvoll. In einer
einfachen Ausführung einer Zustandsrückführung wird die Implementierung eines Integralanteils
über eine Schaltung gelöst, bei der die Regeldifferenz zwischen Ausgangs- und Führungswert
über einen Integrator rückgekoppelt und auf die Stellgröße mit aufgeschaltet wird.
[0050] Im vorliegenden Fall wird jedoch eine andere Möglichkeit gewählt, nämlich die Implementierung
eines Beobachters oder Störgrößenbeobachters, der ein Zustandsschätzer ist. Dieser
beinhaltet einen Integralanteil um die Zustände zu bestimmen wodurch die bleibende
Regelabweichung verschwindet. Des Weiteren hat er den Vorteil, dass mit ihm eine auf
den Prozess einwirkende Störgröße abschätzbar ist. Dies lässt ein schnelleres Regeln
des Prozesses zu, da die Dimension der Störgröße direkt in einem geschätzten Zustand
sichtbar wird. Ohne Störgrößenbeobachter kann die Störgröße und deren Einfluss auf
den Prozess lediglich indirekt über die Änderungen der einzelnen Zustände gesehen
werden.
[0051] Im vorliegenden System gibt es zwei Störgrößen, für welche eine Abschätzung mittels
Störgrößenbeobachter in Frage kommt. Zum einen ist dies die Schwankung der Feuerungswärmeleistung
Q
F, die dem Verdampfer 6 zugeführt wird, und zum anderen die Schwankung der Enthalpie
h
1 vor Verdampfer 6. Die Schwankung von h
1 ist jedoch über die Wasser-Dampf-Tafel aus der Messung von Druck und Temperatur bestimmbar
und muss somit nicht zwingend abgeschätzt werden.
[0052] Eine nicht messbare Störgröße ist die Schwankung in der Feuerungswärmeleistung Q
F, welche großen Einfluss auf den vorliegenden Prozess nimmt. Die Schwankung wird hervorgerufen
durch variierende Heizwerte der verfeuerten Primärenergieträger (Kohle, Öl oder Gas).
Somit bietet es sich an die Feuerungswärmeleistung Q
F als neuen geschätzten Zustand Q = X
4 zu definieren. Die Dynamik wird zu dX
4/dt = 0 gewählt. Mit diesen Informationen lässt sich eine erweiterte Zustandsraumform
für den Beobachter herleiten.
[0053] Im Folgenden wird der Beobachter beschrieben, auch als Störbeobachter oder Störgrößenbeobachter
bezeichnet, da er die Störung beobachtet. FIG 5 zeigt die Struktur des Störgrößenbeobachters.
Zu erkennen ist das Modell der Verdampfungsstrecke im Verdampfer 6 analog zu FIG 3,
jedoch mit kleinen Veränderungen. So stehen die Zustände X
1, X
2 und X
3 für die geschätzten Zustände, wobei auch der Zustand X
1 = H
2 die geschätzte Enthalpie H
2 am Ausgang des Verdampfers 6 angibt und nicht die reale und messbare Enthalpie h
2. Trotz des großen Buchstabens ist mit H
2 eine spezifische Enthalpie angegeben. Diese geschätzte Enthalpie H
2 wird mit der - via Druck und Temperatur - gemessenen Enthalpie h
2 verglichen, und die Differenz, also der Beobachterfehler e, wird auf den beobachteten,
also berechneten Prozess aufgeschaltet, jedoch nicht unmittelbar, sondern als Produkt
mit einer Beobachterkorrektur
L, dem so genannten Beobachtervektor. Dieser ist ein vierdimensionaler Vektor, enthält
also vier Komponenten, L
1, L
2, L
3 und L
4, die jeweils mit dem Beobachterfehler - einem Skalar - multipliziert werden.
[0054] Die Rekonstruktion der Streckenzustände erfolgt durch die Berechnung eines dynamischen
Streckenmodells parallel zum echten Prozess. Die Abweichung zwischen Messgrößen aus
dem Prozess und den entsprechenden Werten, die mit dem Streckenmodell ermitteltet
werden, ist der Beobachterfehler e. Die einzelnen Zustände des Streckenmodells werden
jeweils durch den mit L
i gewichteten Beobachterfehler korrigiert, wodurch dieser stabilisiert wird.
[0055] In jedem der drei Verzögerungsglieder 34 wird die entsprechende Korrekturkomponente
mit dem Beobachterfehler aufgeschaltet, mit dem Ziel, den eingeschwungenen Zustand,
also den Gleichgewichtszustand zu erreichen. Die geschätzte Feuerungsleistung Q -
im Gegensatz zur realen Feuerungsleistung Q
F - wird hierbei als vierte Komponente X
4 des Zustandsvektors
X verwendet, und entsprechend wird die Korrekturkomponente L
4 mit dem Beobachterfehler e auf die geschätzte Feuerungsleistung Q aufgeschaltet.
[0056] Die Beobachterkorrektur
L, auch Rückführvektor genannt, ist hierbei so zu berechnen, dass der Beobachterfehler
korrigiert wird, also verschwindet. Der Beobachter lässt sich als nichtlinearer Beobachter
realisieren, da die Eingangsgröße m
i messbar ist. Das nichtlineare System lässt sich somit direkt in eine Zustandsraumdarstellung
umschreiben. Dies ist unter der Bezeichnung erweiterter Luenberger-Beobachter bzw.
erweiterter Kalman-Filter (extended Kalman filter - EKF) geläufig. Es wird ein nichtlineares
Modell parallel zum Prozess gerechnet. Der Rückführvektor
L(t), der den Beobachterfehler stabilisiert, wird jedoch aus einem linearen Modell
gewonnen. Die Linearisierung erfolgt durch Einsetzen des jeweils gemessenen Speisewassermassenstroms
m
i.
[0057] Die Regelung im ersten Regelungssystem 26 umfasst einen linear-quadratischen Regler,
insbesondere einen LQG-Regler 30. Ein LQG-Regler ist eine gemeinsame Implementierung
eines Linear-Quadratic (LQ) Reglers und eines Kalman-Filters. Ein LQ-Regler kann ein
so genannter optimaler Regler sein, dem ein quadratisches Gütekriterium zu Grunde
liegt. Mit diesem Gütekriterium und einem Algorithmus wird ein Rückführvektor
K(t) der Zustandsregelung berechnet. Ein Kalman-Filter ist ein spezieller Beobachter
bzw. Zustandsschätzer, bei dem zusätzlich auch Messungenauigkeiten am Ausgang (Messrauschen)
und Modellungenauigkeiten (Prozessrauschen) mitberücksichtigt bzw. mitmodelliert werden
können. Mittels eines Algorithmus lässt sich der weitere Rückführvektor
L(t) für den Beobachter bestimmen.
[0058] Ein solcher LQG-Regler ist in FIG 6 dargestellt. Dem LQG-Regler-Baustein werden als
Eingänge die gemessene Enthalpie h
2 nach dem Verdampfer 6, der aktuellen Speisewassermassenstrom m
i, die Enthalpie h
1 vor dem Verdampfer 6 und die Sollenthalpie h
2s nach dem Verdampfer 6 übergeben, die sich aus der Solltemperatur des Dampfs 16 und
dessen Druck errechnen lässt. Außerdem werden Berechnungsmatrizen A, B, A
Obs, C
Obs, R
Regler,Q
Regler, R
Obs und Q
Obs übergeben.
[0059] A, B, A
Obs, C
Obs ergeben sich aus der linearisierten Systemdarstellung, R
Regler, Q
Regler, R
Obs und Q
Obs enthalten Gewichtungsfaktoren zum einstellen des gewünschten Reglerverhaltens (Empfindlichkeit,
Aggressivität).
[0060] Der Ausgang ist der geforderte Speisewassermassenstrom m
S, der sich aus der Differenz der Störgrößenaufschaltung m
Gs und der Zustandsreglung Δm berechnet. Hierbei ist zu beachten, dass die Störgrößenaufschaltung
m
GS mit der geschätzten Feuerungswärmeleistung Q berechnet wird. Diese Störgrößenaufschaltung
m
GS wird in anderen Konzepten über den Kohlenmassenstrom vorgesteuert, hier wird er jedoch
direkt über die geschätzte Feuerungswärmeleistung Q berechnet. Die Zustandsreglung
Δm hingegen ist das Ergebnis der Zustandsregelung.
[0061] Der LQG-Regler 30 umfasst den in FIG 5 dargestellten Beobachter 42, dem als Eingangsgrößen
die gemessene Eingangsenthalpie h
1, die gemessene Ausgangsenthalpie h
2 und der gemessene Speisewasserstrom m
i zugeführt werden. Weiter wird dem Beobachter der Rückführvektor
L(t) zum Ausgleich des Beobachterfehlers e zugeführt. Der Rückführvektor
L(t) wird mittels eines Lösers L KR der Kalman-Riccati-Differentialgleichung berechnet,
dem die Berechnungsmatrizen A
Obs, C
Obs, R
Obs und Q
Obs übergeben werden.
[0062] Als weiteren Baustein umfasst der LQG-Regler 30 einen Baustein 44 zum Berechnen der
Sollzustände
Xs, die für die Zustandsrückführung benötigt werden. Die Eingänge in den Baustein 44
sind die Eingangsenthalpie h
1 und die Soll-Ausgangsenthalpie h
2s. Der LQG-Regler 30 verwendet zur Zustandsrückführung jedoch nicht die Zustände
X(t) direkt, sondern die Abweichung der Zustände von ihrem Arbeitspunkt, also von den
Sollzuständen
Xs(t). Als weiter zu verwendende Zustandsgrößen stehen somit Abweichungen der absoluten
Enthalpien von Enthalpie-Sollwerten zur Verfügung. Die Abweichung jedes Zustands X
i von seinem Arbeitspunkt X
is wird im Arbeitspunkt zu Null. Ist die gewichtete Summe
X(t)-
Xs(t) = 0, so erfolgt kein Reglereingriff. Daher werden die Zustände
X(t) direkt mit den Sollzuständen
Xs(t) verglichen und die Differenz wird weiter verwendet.
[0063] Weiter umfasst der LQG-Regler 30 einen Löser L RR für die Regler-Riccati-Differentialgleichung,
der den Rückführvektor
K(t) berechnet. Diesem werden die Berechnungsmatrizen A, B, R
Regler und Q
Pegler übergeben. Der Einsatz des Rückführvektors
K(t) ist analog dem des Rückführvektors
L(t). Während das Ziel von
L(t) ist, den Beobachterfehler e durch Aufmultiplikation und Rückführung auszugleichen,
wird der Rückführvektor
K(t) einem Zustandsfehler aufmultipliziert und dient zur Zustandsregelung, also zu
einer Schwankungsausregelung bzw. zum Ausgleich des Regelfehlers des LQG-Reglers 30:
Aus der Differenz des Zustandsvektors
X(t) mit den Komponenten X
1, X
2 und X
3 und dem ebenfalls dreidimensionalen Zustandsvektor für die Sollzustände
Xs(t) wird der dynamische Anteil des LQG-Reglers 30 erzeugt, mit der die Zustandsregelung
ausgeführt wird:

[0064] Der dynamische Anteil bzw. die Zustandsreglung Δm ist ein Anteil des Speisewassermassenstroms,
der mit der berechneten Störgrößenaufschaltung m
Gs· verglichen wird, der also die Störgrößenaufschaltung ergänzt. Die Störgrößenaufschaltung
m
Gs ist ein berechneter Sollmassenstrom, auch Grundsollwert genannt, der sich aus dem
Quotient aus der geschätzten Feuerungsleistung Q und der sich daraus ergebenden Enthalpiedifferenz
Δh über die Verdampfungsstrecke ergibt.
[0065] Diesem Sollmassenstrom bzw. Grundsollwert m
Gs wird der dynamische Regelanteil Δm negativ aufaddiert, so dass sich der Soll-Speisewassermassentrom
m
S ergibt, die Stellgröße des ersten Regelsystems 26. Dieser Sollmassentrom m
S wird dem zweiten Regelsystem 28 als Regelgröße übergeben, das diesen Sollmassentrom
m
S mit Hilfe einer oder mehrerer geeigneter Komponenten einstellt, z.B. der Speisewasserpumpe
12 und/oder dem Ventil 14.
[0066] Die Berechnung der beiden Rückführvektoren, nämlich der Beobachterkorrektur
L(t) und dem Vektor
K(t) zur Regelkorrektur ist dem mit thermodynamischen Zustandsberechnungen vertrauten
Fachmann bekannt. Hierzu sind das Filterproblem mit dem Löser L KR der Kalman-Riccati-Differentialgleichung
und das Reglerproblem mit dem Löser L RR für die Regler-Riccati-Differentialgleichung
zu lösen. Die Lösung des LQ-Regler-Problems erfolgt über die Matrix-Riccati-DGL:

[0067] Mit der Lösungsmatrix
S(t) lässt sich auch die Reglerrückführmatrix
K(t) berechnen:

[0068] Selbes gilt für die Lösung des Kalman-Filter-Problems, welches ebenfalls über eine
Matrix-Riccati-DGL gelöst wird:

[0069] Hier lässt sich der Beobachterrückführmatrix
L(t) mit Hilfe der Lösungsmatrix
P(t) berechnen:

[0070] P bzw
S sind die Matrizen, nach denen die Matrix-Riccati-Gleichungen gelöst werden und stellen
hier nur Zwischengrößen dar, um
L bzw
K zu bestimmen.