[0001] Die Erfindung betrifft ein Konstruktionsverfahren zum Aufbau eines Schienenfahrzeugwagens
sowie eine Schienenfahrzeugfamilie. Weiterhin betrifft die Erfindung ein Verfahren
zur Herstellung eines Schienenfahrzeugwagens sowie ein Schienenfahrzeug mit mindestens
zwei Schienenfahrzeugwagen.
[0002] Schienenfahrzeugbetreiber geben im Rahmen von Ausschreibungen häufig konkrete Sitzplatzzahlen
vor, die mit vorhandenen Zugkonzepten nicht immer exakt getroffen werden. Um die gewünschte
Gesamtzahl zu erreichen, werden daher von den Schienenfahrzeugherstellern Schienenfahrzeuge
angeboten, die über mehr Sitze als benötigt verfügen. Das führt wiederum zu einem
unnötig hohen Fahrzeugpreis und bringt bei gegebener Antriebskonfiguration fahrdynamische
Nachteile mit sich, da höhere Massen als eigentlich notwendig bewegt werden müssen.
[0003] Zudem machen die Schienenfahrzeugbetreiber unterschiedliche Vorgaben zu den gewünschten
Traktionsleistungsparametern, wie Beschleunigungsvermögen oder Höchstgeschwindigkeit.
Soll die in einem einzelnen Wagen des Zugkonzepts installierbare Antriebsleistung
daraufhin variabel einstellbar sein, führt das zwangsläufig zu Masseunterschieden
in den Traktionsausrüstungsvarianten. Geht man von einer vorgegebenen maximal zulässigen
Radsatzlast im Drehgestell aus, ist es zweckmäßig, diese jeweils voll auszunutzen,
um die maximale Anzahl an Fahrgästen zu transportieren. D.h. es sind wagenseitige
Kompensationsmaßnahmen für die Masseunterschiede in der Traktionsausrüstung erforderlich.
[0004] Bei Triebzugschienenfahrzeugen erfolgt eine Anpassung der Sitzzahl oftmals durch
eine Erhöhung bzw. Verringerung der Wagenanzahl und damit ggf. auch der zur Verfügung
stehenden Gesamtantriebsleistung bzw. der effektiven Antriebsleistung.
[0005] Bei Schienenfahrzeugen mit Lokbespannung erfolgt die Anpassung durch Erhöhung/Verringerung
der Wagenanzahl mit entsprechender Wirkung auf die spezifische Traktionsleistung.
[0006] Aus dem Dokument IPCOM000176902D (veröffentlich im Internet auf http://www.ip.com/pubview/IPCOM000176902D)
ist die konstruktive Ausführung eines Wagenkastenrohbaus mit flexibler Seitenfenstergröße
beschrieben. Dies erfolgt durch frei verschiebbarer Fensterstiele. Dadurch kann der
Fensterteiler und die Fenstergröße angepasst werden.
[0008] In Längsrichtung verschiebbare Sitzmodule für den Innenausbau eines Schienenfahrzeugwagens
sind dagegen in
WO 98/52805 beschrieben.
[0009] Als ungünstig hat sich herausgestellt, dass bei IPCOM000176902D ein ganzer Wagen
hinzugefügt oder herausgenommen werden muss, wenn die Sitzplatzanzahl angepasst werden
soll. Die Herstellung eines Wagens gemäß
DE 100 53 125 A1 und
DE 43 20 843 A1 ist sehr aufwendig. Bei der
WO 98/52805 bewirkt eine Verringerung der Sitzplatzanzahl kürzere Sitzabstände, wodurch der Komfort
beeinträchtigt wird.
[0010] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Schienenfahrzeug bereitzustellen,
dass eine bessere Anpassbarkeit an die jeweiligen Kundenwünsche ermöglicht.
[0011] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Konstruktionsverfahren zum Aufbau eines Schienenfahrzeugwagens
nach Anspruch 1. Weiterhin wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Herstellung
von Schienenfahrzeugwagen nach Anspruch 6 gelöst. Weiterhin wird diese Aufgabe durch
eine Schienenfahrzeugfamilie nach Anspruch 11 gelöst. Weiterhin wird diese Aufgabe
durch ein Schienenfahrzeug nach Anspruch 13 gelöst. Weiterhin wird diese Aufgabe durch
die Verwendung von tragenden Strukturen gleichen Querschnitts nach Anspruch 10 gelöst.
Weitere Ausführungsformen, Modifikationen und Verbesserungen ergeben sich anhand der
folgenden Beschreibung und der beigefügten Ansprüche.
[0012] Gemäß einer Ausführungsform wird ein Konstruktionsverfahren zum Aufbau eines Schienenfahrzeugwagens
bereitgestellt. Das Verfahren umfasst Vorgeben einer Maximallänge eines Schienenfahrzeugwagens
langen Bautyps sowie eines Sitzteilers; Konstruieren eines Wagenkastens einschließlich
tragender Strukturen für den Schienenfahrzeugwagen langen Bautyps, wobei der Wagenkasten
ein Grundsegment, welches für die Aufnahme einer Vielzahl von Sitzreihen entsprechend
des Sitzteilers ausgelegt ist, und mindestens ein Fenstersegment zur Verlängerung
des Grundsegments umfasst, wobei die Länge des Fenstersegments etwa dem Sitzteiler
entspricht. Dann werden die erforderlichen Querschnitte und die Festigkeitsauslegung
der tragenden Strukturen für den Wagenkasten des Schienenfahrzeugwagens langen Bautyps
ermittelt. Ein Schienenfahrzeugwagen wird dann als Ganzes in mindestens zwei verschiedenen
Längenvarianten unter Beibehaltung des Querschnitts und der Festigkeitsauslegung des
Wagenkastens und der tragenden Strukturen konstruiert.
[0013] Das Konstruktionsverfahren geht von der Überlegung aus, die Herstellung von Schienenfahrzeugwagen
mit unterschiedlicher Sitzplatzkapazität möglichst effizient zu gestalten. Dabei wird
von einem Grundtyp eines Schienenfahrzeugwagens, der auch als Schienenfahrzeugwagen
langen Typs bezeichnet wird, ausgegangen. Dieser Schienenfahrzeugwagen wird mit einer
maximalen Sitzplatzanzahl unter Berücksichtigung der zulässigen Radsatzlast konzipiert.
Dadurch verfügt dieser Schienenfahrzeugwagen auch über eine Maximallänge seines den
Passagierbereich bildenden Wagenkastens. Dieser Wagenkasten verfügt über ein Grundsegment
und mindestens ein Fenstersegment. Es ist auch möglich, von einem Schienenfahrzeugwagen
langen Bautyps mit einem Grundsegment und zwei Fenstersegmenten, oder auch von einem
Grundsegment und mehr als zwei Fenstersegmenten auszugehen. Das Grundsegment gestattet
es, eine Vielzahl von Sitzreihen nach Maßgabe des vorgegebenen Sitzteilers aufzunehmen.
Das Grundsegment stellt gleichzeitig den kürzesten Wagenkasten für einen Schienenfahrzeugwagen
dar. Der Schienenfahrzeugwagen des langen Typs mit Maximallänge hat neben dem Grundsegment
beispielsweise auch noch ein oder zwei Fenstersegmente. Im Ergebnis können so mindestens
drei Typen von Schienenfahrzeugwagen hergestellt werden, deren den Passagierbereich
bildenden Wagenkästen sich um ein oder zwei Fenstersegmente unterscheiden.
[0014] Das Grundsegment kann aus konstruktiver Sicht auch aus einzelnen Segmenten bestehen,
die zusammen das Grundsegment bilden. Auch in diesem Fall bildet das Grundsegment
den kürzesten Wagenkasten einer Schienenfahrzeugfamilie.
[0015] Zum vollständigen Aufbau eines Schienenfahrzeugwagens wird der den Passagierbereich
bildende Wagenkasten noch mit entsprechenden Endsegmenten komplettiert. Diese können
Antriebsaggregate umfassen, einen Fahrzeugführerstand aufweisen oder auch einen Übergang
zu einem ankoppelbaren Schienenfahrzeugwagen zur Bildung eines mehrteiligen Schienenfahrzeugs
umfassen.
[0016] Sämtliche Festigkeitsauslegungen und Dimensionierungen für tragende Strukturen werden
auf Basis des Schienenfahrzeugwagens langen Typs ermittelt und dann auch für die Konstruktion
von kürzeren und damit leichteren Schienenfahrzeugwagen verwendet. Im Ergebnis wird
damit eine Schienenfahrzeugfamilie oder -plattform geschaffen, welche die gleichen
tragenden Strukturen verwendet. Der Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass die
konstruktive Ermittlung und Festlegung für tragende Strukturen nur einmal zu erfolgen
braucht. Weiterhin wird die eigentliche Herstellung der unterschiedlichen Schienenfahrzeugwagen
vereinfacht, da immer gleich dimensionierte und hinsichtlich ihrer Festigkeit und
Belastbarkeit gleich ausgelegte tragende Strukturen (bis auf deren Länge) bereitgehalten
und verarbeitet werden müssen.
[0017] Da die konstruktive Ermittlung auf Basis des längsten und damit auch schwersten Schienenfahrzeugwagens
erfolgt, ist auch sichergestellt, dass die kürzeren und damit leichteren Schienenfahrzeugwagen
über eine ausreichende Dimensionierung ihrer tragenden Strukturen verfügen.
[0018] Die somit ermöglichte unterschiedliche Länge und damit Sitzplatzkapazität der Schienenfahrzeugwagen
gestattet es, die Gesamtkapazität eines Schienenfahrzeugs besser auf die kundenseitigen
Anforderungen anzupassen. Die Längenänderung und damit die Änderung der Sitzplatzkapazität
erfolgt in Sprüngen einer Sitzreihe, deren Ausdehnung in Längsrichtung des Schienenfahrzeugs
durch den Sitzteiler gegeben ist. Aus konstruktiver Sicht wird daher der Schienenfahrzeugwagen
langen Typs um Fenstersegmente entsprechender Länge "gekürzt". Die Fenstersegmente
sind dabei so konzipiert, dass sie Platz für eine Sitzreihe bieten. Die Länge der
Fenstersegmente entspricht daher in etwa der Länge eines Sitzteilers.
[0019] Gemäß einer Ausführungsform wird somit die Länge des Wagenkastens um ein oder zwei
Fenstersegmente zur Anpassung der Sitzplatzanzahl unter Beibehaltung des Querschnitts
und Festigkeitsauslegung des Wagenkastens und der tragenden Strukturen des langen
Bautyps reduziert.
[0020] Gemäß einer Ausführungsform wird eine gewünschte Sitzplatzanzahl vorgegeben und,
sofern die gewünschte Sitzplatzanzahl kleiner als die Sitzplatzanzahl des Schienenfahrzeugwagens
langen Bautyps ist, die Länge des Wagenkastens um ein oder zwei Fenstersegmente unter
Beibehaltung des Querschnitts und der Festigkeitsauslegung des Wagenkastens und der
tragenden Strukturen verringert. Dies ermöglicht eine sehr feinstufige Anpassung der
Sitzplatzkapazität an die kundenseitigen Vorgaben ohne dass die jeweiligen Schienenfahrzeuge
grundsätzlich neu konzipiert werden müssen.
[0021] Gemäß einer Ausführungsform ist der Schienenfahrzeugwagen ein Doppelstockwagen, wobei
die Fenster im Ober- und Unterdeck des Doppelstockwagens fluchtend zueinander angeordnet
sind. Dies vereinfacht die konstruktive Anpassung der Länge des Wagenkastens, da das
Fenstersegment ohne Anpassung des Grundsegments hinzugefügt oder entfernt werden kann.
Dies erleichtert auch die spätere Herstellung sowie den Innenausbau.
[0022] Gemäß einer Ausführungsform ist in jedem Fenstersegment mindestens eine Sitzreihe
vorgesehen.
[0023] Gemäß einer Ausführungsform wird ein Verfahren zur Herstellung eines Schienenfahrzeugwagens
bereitgestellt. Dabei werden zunächst die erforderlichen Querschnitte und die Festigkeitsauslegung
für tragende Strukturen für einen Schienenfahrzeugwagen langen Bautyps ermittelt,
wobei der Schienenfahrzeugwagen langen Bautyps einen Sitzteiler definiert. Der Schienenfahrzeugwagen
langen Typs verfügt über einen Wagenkasten, der ein Grundsegment, welches für die
Aufnahme einer Vielzahl von Sitzreihen entsprechend des Sitzteilers ausgelegt ist,
und mindestens ein oder zwei Fenstersegmente zur Verlängerung des Grundsegments umfasst,
wobei die Länge eines Fenstersegments etwa dem Sitzteiler entspricht. Ein Schienenfahrzeugwagen
wird dann als Ganzes unter Verwendung der zuvor ermittelten tragenden Strukturen unter
Beibehaltung des Querschnitts und der Festigkeitsauslegung hergestellt, wobei der
Schienenfahrzeugwagen je nach Bedarf vom langen Bautyp ist, oder um mindestens ein
oder zwei Fenstersegmente kürzer als der Schienenfahrzeugwagen langen Bautyps ist.
Der Schienenfahrzeugwagen kann somit in mindestens zwei oder drei verschiedenen Längenvarianten
hergestellt werden, wobei der Schienenfahrzeugwagen langen Bautyps bei der Ermittlung
der Festigkeitsauslegung des Querschnitts der tragenden Strukturen zugrunde gelegt
wurde.
[0024] Bei der konkreten Herstellung des Schienenfahrzeugwagens werden somit tragende Strukturen
verwendet, die auch für den Schienenfahrzeugwagen langen Typs verwendet werden, so
dass hierfür keine anders dimensionierten tragenden Strukturen oder durchgehenden
Strukturen vorgehalten werden müssen.
[0025] Gemäß einer Ausführungsform wird der Schienenfahrzeugwagen je nach Bedarf um ein
oder zwei Fenstersegmente kürzer als der Schienenfahrzeugwagen langen Bautyps hergestellt,
welcher bei der Ermittlung der Festigkeitsauslegung des Querschnitts der tragenden
Strukturen zugrunde gelegt wurde. Es können somit Schienenfahrzeugwagen in zwei oder
drei unterschiedlichen Längen hergestellt werden. Je nach Ausgangspunkt für die Wahl
des Schienenfahrzeugwagens langen Bautyps, welcher beispielsweise auch mehr als zwei
Fenstersegmente umfassen kann, lässt sich eine Schienenfahrzeugfamilie mit unterschiedlich
langen Schienenfahrzeugwagen konstruieren und herstellen.
[0026] Gemäß einer Ausfiihrungsform wird der Schienenfahrzeugwagen mit einer Antriebseinheit
ausgestattet, die traktionsstärker als eine Antriebseinheit ist, die für einen Schienenfahrzeugwagen
langen Bautyps verwendet werden kann.
[0027] Die durch die kürzere Bauart des Schienenfahrzeugwagens gegenüber dem Schienenfahrzeugwagen
langen Typs erreichte Gewichtseinsparung kann für den Einbau eines stärkeren Antriebsaggregats
oder auch für den Einbau anderer Einrichtungen verwendet werden, ohne die zulässige
Radsatzlast zu überschreiten.
[0028] Gemäß einer Ausführungsform ist der Schienenfahrzeugwagen ein Doppelstockwagen, wobei
die Fenster im Ober- und Unterdeck des Doppelstockwagens fluchtend zueinander angeordnet
sind.
[0029] Gemäß einer Ausführungsform werden tragende Strukturen gleichen Querschnitts und
Festigkeitsauslegung für den Aufbau von Schienenfahrzeugwagen unterschiedlicher Länge
verwendet. Dabei unterscheiden sich die den Passagierbereich bildenden Wagenkästen
der Schienenfahrzeuge um ein oder zwei Fenstersegmente, deren Länge der Länge eines
Sitzteilers entspricht.
[0030] Gemäß einer Ausführungsform wird eine Schienenfahrzeugfamilie umfassend mindestens
zwei Schienenfahrzeugwagen mit jeweils einem Wagenkasten bereitgestellt, wobei die
Schienenfahrzeugwagen den gleichen Sitzteiler aufweisen. Die Länge der Wagenkästen
unterscheidet sich um ein oder zwei Fenstersegmente, wobei das oder die Fenstersegmente
eine Länge aufweisen, die etwa der Länge des Sitzteilers der Schienenfahrzeugwagen
entspricht. Die Wagenkästen der Schienenfahrzeugwagen verfügen über tragende Strukturen
mit gleichem Querschnittsprofil und Festigkeitsauslegung.
[0031] Für sämtliche Schienenfahrzeugwagen der Schienenfahrzeugfamilie werden unabhängig
von deren Länge und konkreter Ausgestaltung immer die gleichen tragenden Strukturen
oder durchgehenden Elemente verwendet, die bezüglich des längsten bzw. schwersten
Schienenfahrzeugwagens optimiert sind.
[0032] Gemäß einer Ausführungsform wird ein Schienenfahrzeug mit wenigstens zwei Schienenfahrzeugwagen
mit jeweils einem Wagenkasten bereitgestellt, wobei die Schienenfahrzeugwagen den
gleichen Sitzteiler aufweisen. Die Länge der Wagenkästen unterscheidet sich um ein
oder zwei Fenstersegmente, wobei das oder die Fenstersegmente eine Länge aufweisen,
die etwa der Länge des Sitzteilers der Schienenfahrzeugwagen entspricht. Die Wagenkästen
der Schienenfahrzeugwagen verfügen über tragende Strukturen mit gleichem Querschnittsprofil
und Festigkeitsauslegung.
[0033] Gemäß einer Ausführungsform verfügt der kürzere der beiden Schienenfahrzeugwagen
über ein Antriebsaggregat mit höherer Antriebsleistung als der längere der beiden
Schienenfahrzeugwagen.
[0034] Gemäß einer Ausführungsform ist in jedem Fenstersegment mindestens eine Sitzreihe
angeordnet.
[0035] Aus konstruktiver Sicht wird somit gemäß einer Ausführungsform ein Modulsystem zum
Aufbau von Schienenfahrzeugwagen bereitgestellt. Das Modulsystem umfasst wenigstens
ein Grundsegment mit vorgegebenem Sitzteiler in Längsrichtung des Grundsegments; zumindest
ein Fenstersegment mit einer etwa dem Sitzteiler entsprechenden Länge; und wenigstens
ein Endsegment. Das Grundsegment allein, oder zusammen mit einem oder zwei Fenstersegmenten
bildet einen den Passagierraum aufnehmenden Wagenkasten, der typischerweise durch
zwei Endsegmente vervollständigt wird.
[0036] Zum Aufbau eines Wagenkastens eines Schienenfahrzeugwagens wird zumindest ein Grundsegment
und ggf. ein, zwei oder mehrere Fenstersegmente verwendet. Das Grundsegment verfügt
über oder gestattet eine vorgegebene Anzahl von Sitzplätzen und hat einen Sitzteiler,
der den Abstand der Sitze in Längsrichtung des Wagenkastens vorgibt. Unter einem Sitzteiler
wird hier der Abstand bzw. das Abstandsrastermaß zwischen in Längsrichtung benachbarten
Sitzen bei Verwendung einer Reihensitzanordnung oder der halbe Abstand bzw. das halbe
Abstandsrastermaß bei Verwendung einer vis-ä-vis Sitzanordnung (Sitze sind einander
zugewandt) verstanden.
[0037] Ein Fenstersegment hat eine Länge (gesehen in Längsrichtung des Grundsegments), die
etwa der Länge des Sitzteilers entspricht. Damit kann durch das Fenstersegment dem
Grundsegment eine gesamte Sitzreihe an Sitzen hinzufügt werden. Wird beispielsweise
von einer 2-reihigen Bestuhlung (2+2 Sitze) ausgegangen, so können durch das Fenstersegment
im Falle eines einstöckigen Schienenfahrzeugwagens bis zu 4 Sitze hinzugefügt werden
und im Falle eines doppelstöckigen Schienenfahrzeugwagens bis zu 8 Sitze.
[0038] Das Grundsegment ist deutlich länger als das Fenstersegment. Typischerweise kann
ein Grundsegment eine Vielzahl von Reihen an Sitzplätzen aufnehmen. Das Fenstersegment
ist dagegen so konzipiert, nur eine zusätzliche Sitzreihe hinzuzufügen.
[0039] Die Erfindung sieht demnach vor, für eine Schienenfahrzeugplattform die Länge des
einzelnen Schienenfahrzeugwagens in Modul-Segmenten variabel gestaltbar zu machen.
Die Veränderung der Wagenlänge wird dabei an den gegebenen Sitzteiler des Schienenfahrzeugs
gekoppelt, so dass beispielsweise bis zu 2 komplette Sitzreihen (bei Verwendung von
zwei Fenstersegmenten) herausgenommen bzw. hinzugefügt werden können. Damit dies auf
einfache Weise möglich ist, werden ein oder zwei Fenstersegmente vorgesehen, die in
ihren Abmessungen mit dem Sitzteiler eines Reihensitzes bzw. dem halben Sitzteiler
einer vis-ä-vis-Sitzanordnung korrespondieren. Damit sind die Rohbau- und Innenausbauänderungen
bei Variation der Gesamtlänge minimal, da jeweils nur um ein oder zwei Fenstersegmente
"gesprungen" werden muss.
[0040] Die Schienenfahrzeugplattform erhält dadurch ein weitaus breiteres Anwendungsspektrum
und eine bessere Anpassbarkeit.
[0041] Vorteil der Erfindung bei nichtangetriebenen Schienenfahrzeugwagen ist, dass die
Wagenlänge und die Fahrgastkapazität feinstufig auf den geforderten Wert zugeschnitten
werden kann, so dass Betreibervorgaben zur zulässigen Zuglänge oder zur erforderlichen
Fahrgastkapazität präzise getroffen werden können.
[0042] Darüber hinaus kann bei angetriebenen Schienenfahrzeugwagen die variable Wagenlänge
und die damit verbundene Änderung der Eigenmasse des Wagens genutzt werden, um die
Masseersparnis bei den kürzeren, d. h. leichteren Wagen, für eine stärkere, d.h. schwerere
Motorisierung einzusetzen. Auf diese Weise bleibt die vorgegebene zulässige Radsatzlast,
die speziell bei Doppelstockwagen häufig ein Problem darstellt, stets im realisierbaren
Rahmen.
[0043] Bei der Zugzusammenstellung derart modular gestaltbarer angetriebener und nicht angetriebener
Wagen erhält man ein Maximum an Flexibilität mit einem Minimum an notwendigen Änderungen
für die einzelnen Varianten.
[0044] Gemäß einer Ausführungsform weist das Fenstersegment auf jeder seiner Längsseiten
nur eine Seitenfensteröffnung auf. Das Grundsegment hat dagegen eine Vielzahl von
Seitenfensteröffnungen auf jeder Längsseite. Die Seitenfensteröffnungen des Grundsegments
haben in Längsrichtung eine größere Ausdehnung als die Seitenfensteröffnungen des
Fenstersegments.
[0045] Die Ausdehnung der Seitenfensteröffnungen im Fenstersegment ist an die einreihige
Sitzanordnung, die durch das Fenstersegment hinzugefügt wird, angepasst. Dagegen sind
die Seitenfensteröffnungen im Grundsegment im Vergleich zum Fenstersegment größer
und können beispielsweise an eine vis-ä-vis Sitzanordnung angepasst sein.
[0046] Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Endsegment einen Eingangsbereich mit Eingangsöffnungen
oder Eingangstüren. Im Endsegment sind somit die Öffnungen für die Einstiegstüren
untergebracht. In Abhängigkeit von der Konfiguration des Schienenfahrzeugwagens kann
das Endsegment direkt mit einem Ende des Grundsegments oder mittels des Fenstersegments
mit dem Grundsegment verbunden sein. Beispielsweise können bei Verwendung nur eines
Fenstersegments ein Endsegment direkt mit dem Grundsegment und ein anderes Endsegment
mit einem Fenstersegment verbunden sein, das seinerseits mit einem anderen Ende des
Grundsegments verbunden ist.
[0047] Der modulare Aufbau wird hier typischerweise im Sinne eines konstruktiven Aufbaus
verstanden, der bei der Konstruktion, d.h. dem Entwerfen des Schienenfahrzeugwagens
verwendet wird. Die tatsächliche Herstellung kann, muss jedoch nicht in diesem Sinne
modular erfolgen.
[0048] Gemäß einer Ausführungsform umfasst ein Schienenfahrzeug wenigstens einen ersten
Schienenfahrzeugwagen und einen zweiten Schienenfahrzeugwagen, dessen Länge sich von
der Länge des ersten Schienenfahrzeugwagens um die Länge eines Fenstersegments unterscheidet.
Das Schienenfahrzeug weist damit Wagen mit unterschiedlicher Länge auf. Dies gestattet
eine sehr flexible und genaue Anpassung der Sitzplatzanzahl an die vorgegebene Gesamtsitzplatzzahl.
Außerdem gestattet die unterschiedliche Länge der einzelnen Wagen eine Anpassung der
zur Verfügung gestellten Antriebsleistung. Durch die Gewichtseinsparung bei den kürzeren
Wagen können diese mit einem schweren und damit auch leistungsstärkeren Antriebsaggregat
unter Beibehaltung der maximalen Radsatzlast ausgestattet werden. Es ist auch möglich,
die Gewichtseinsparung für den Einbau von anderen Komponenten zu nutzen.
[0049] Gemäß einer Ausführungsform ist das Schienenfahrzeug ein Triebzug und der Schienenfahrzeugwagen
ein Wagen eines Triebzugs. Die einzelnen Schienenfahrzeugwagen können angetrieben
(Motor-car) oder nicht-angetrieben (Trailer) sein. Die installierte Antriebsleistung
kann bei den einzelnen Schienenfahrzeugwagen unterschiedlich hoch sein, wie weiter
oben beschrieben.
[0050] Gemäß einer Ausführungsform wird ein Schienenfahrzeugpark bereitgestellt, der mehrere
Schienenfahrzeugwagen umfasst, wobei sich die Länge der einzelnen Schienenfahrzeugwagen
um ein oder zwei Fenstersegmente bei ansonsten an sich gleichem Wagenkastenaufbau
unterscheidet. Die verschieden langen Schienenfahrzeugwagen können zur Zusammenstellung
von Schienenfahrzeugen, insbesondere von Triebzügen, verwendet werden, um die Gesamtzahl
der Sitzplätze feinstufig einstellen zu können. Darüber hinaus können die einzelnen
Schienenfahrzeugwagen eine unterschiedliche Antriebsleistung aufweisen.
[0051] Insgesamt kann durch den hier beschriebenen Aufbau ein Zugkonzept mit einer hohen
Variabilität bereitgestellt und die Möglichkeiten verbessert werden, Schienenfahrzeuge
nach Kundenbedürfnisse herzustellen.
[0052] Die beiliegenden Zeichnungen veranschaulichen Ausführungsformen und dienen zusammen
mit der Beschreibung der Erläuterung der Prinzipien der Erfindung. Die Elemente der
Zeichnungen sind relativ zueinander und nicht notwendigerweise maßstabsgetreu. Gleiche
Bezugszeichen bezeichnen entsprechend ähnliche Teile.
[0053] Figuren 1A bis 1C zeigen ein Schienenfahrzeugwagen gemäß einer ersten Ausführungsform.
[0054] Figuren 2A bis 2C zeigen ein Schienenfahrzeugwagen gemäß einer zweiten Ausführungsform.
[0055] Figuren 3A bis 3C zeigen ein Schienenfahrzeugwagen gemäß einer dritten Ausführungsform.
[0056] Figuren 1A bis 1C zeigen eine erste Ausführungsform eines Schienenfahrzeugwagens
100, hier am Beispiel eines Triebzugkopfes. Die hier beschriebenen Ausführungsformen
können jedoch auch auf angetriebene und antriebslose Mittelwagen angewendet werden.
[0057] Bei der Konstruktion eines Schienenfahrzeugwagens wird von einem Schienenfahrzeugwagen
langen Typs ausgegangen, wie er beispielsweise in den Figuren 1A bis 1C gezeigt ist.
Dieser Schienenfahrzeugwagen langen Typs hat einen Wagenkasten mit einer vorgegebenen
Maximallänge. Da die Enden des Schienenfahrzeugwagens 100 unterschiedlich ausgestaltet
sein können, beispielsweise in Form eines Endsegments 130 mit Übergang oder in Form
eines Endsegments 140 mit Fahrzeugführerstand 142, bezieht sich die Maximallänge hier
auf den Passagierbereich zwischen den Endsegmenten. Dieser Bereich wird hier als Wagenkasten
160 bezeichnet.
[0058] Der Schienenfahrzeugwagen 100, der im Weiteren als Wagen 100 bezeichnet wird, umfasst
damit einen Wagenkasten 160 mit einem Grundsegment 110, das eine Vielzahl von Fensteröffnungen
111 aufweist, und zwei Fenstersegmente 120 mit Fensteröffnungen 121. Die Länge des
Wagenkastens 160 beträgt hier L+2*X, wobei L die Länge des Grundsegments 110 und X
die Länge eines Fenstersegments 120 in Längsrichtung des Wagens 100 ist. Die Länge
L bezeichnet den Bereich der Bestuhlung in Längsrichtung des Wagens bzw. die Summe
der Sitzteiler im Grundsegment. In dieser Ausführungsform wurden also zwei Fenstersegmente
102 verwendet. Daher weist der Wagen in Relation zu den beiden anderen Ausführungsformen
die größte Länge und damit die größte Anzahl an Sitzen auf.
[0059] Im hier dargestellten Ausführungsbeispiel ist der Wagen 100 ein Doppelstockwagen,
wobei Figur 1B das Oberdeck und Figur 1C das Unterdeck zeigen. Wie in Figur 1A erkennbar,
sind die Fensteröffnungen 111 im Oberdeck und Unterdeck in senkrechter Richtung (d.h.
senkrecht zur Längserstreckung des Wagens 100) fluchtend zueinander ausgerichtet.
[0060] Das Grundsegment 110 verfügt über eine gegebene Länge L, die eine vorgegebene Sitzplatzanzahl
ermöglicht. Die einzelnen Sitzplätze sind mit 112 bezeichnet. Die Anzahl der Sitzplätze
112 sowie deren Anordnung bestimmen einen Sitzteiler, der mit 151 bezeichnet ist.
Beispielsweise kann der Sitzteiler 151 durch das Abstandsrastermaß einer Reihensitzanordnung
(Sitze sind hintereinander und in die gleiche Richtung ausgerichtet) bestimmt werden.
Dies ist in Figur 1B gezeigt. Im Falle einer vis-ä-vis Sitzanordnung entspricht der
Sitzteiler der halben Länge des Abstandsrastermaßes, wie in Figur 1C gezeigt. Typischerweise
sind beide Sitzteiler etwa gleich groß und sehr ähnlich. Aufgrund der beiden zusätzlichen
Fenstersegmente 120, die an gegenüberliegenden Enden des Grundsegments 110 angeordnet
sind, verfügt der Wagen 100 über eine maximale Anzahl von Sitzplätzen.
[0061] Das Fenstersegment 120 weist eine Länge X in Längsrichtung des Wagens 100 auf, die
etwa der Länge eines Sitzteilers 151 entspricht. Die Länge des Fenstersegments 120
muss nicht exakt mit der Länge eines Sitzteilers übereinstimmen. Es genügt, wenn das
Fenstersegment 120 Platz für eine weitere Sitzreihe bietet.
[0062] Der Wagen 100 weist weiterhin ein erstes Endsegment 130 und ein zweites Endsegment
140 auf. Das erste Endsegment 130 ist im hier gezeigten Beispiel ein Endsegment mit
Übergangsbereich 132, durch welchen Passagiere Zutritt zu einem an den Wagen 100 angekoppelten
weiteren Wagen haben. Das zweite Endsegment 140 ist hier mit einem Fahrzeugführerstand
142 ausgestattet. Grundsätzlich ist es auch möglich, den Wagen 100 mit zwei Endsegmenten
130 zu versehen. Die Endsegmente 130 können dabei eine unterschiedliche Länge aufweisen.
Beispielsweise kann eines der Endsegmente eine Antriebseinheit tragen. Die Endsegmente
können ihrerseits wieder aus einzelnen Segmenten aufgebaut sein, wobei beispielsweise
der Fahrzeugführerstand 142 ein Segment darstellen kann.
[0063] Die Endsegmente 130 und 140 weisen jeweils einen Eingangsbereich mit Zugangstüren
131, 141 auf. Diese können, wie hier dargestellt, oberhalb oder seitlich von Fahrgestellen
133, 143 angeordnet sein. Bei den Fahrgestellen 133, 143 kann es sich insbesondere
um Drehgestelle handeln, wobei jedes Endsegment 130, 140 auf einem ihm zugeordneten
Drehgestell ruhen kann, um somit insgesamt den Wagen 100 abzustützen.
[0064] Bei dem hier dargestellten Doppelstockwagen weist jedes Endsegment weiterhin eine
Treppe 134, 144 zum Oberdeck und eine Treppe 135, 145 zum Unterdeck auf.
[0065] Bei der Konstruktion der Schienenfahrzeugwagen wird der Wagen 100 mit dem Wagenkasten
160 in seiner längsten Ausführung zugrunde gelegt. Ausgehend von diesem Schienenfahrzeugwagen
wird die erforderliche Dimensionierung und Festigkeitsauslegung insbesondere von tragenden
oder durchgehenden Strukturen für alle Schienenfahrzeugwagen derselben Familie ermittelt.
Bei derartigen Strukturen handelt es sich insbesondere um in Längsrichtung verlaufende
Träger aber auch durchgehende Decken oder Fußböden.
[0066] Grund- und Fenstersegmente 110, 120 werden zwar hier als separate Segmente bezeichnet,
stellen typischerweise jedoch nur Konstruktionssegmente dar, die bei der Konstruktion
(Entwurf) des Schienenfahrzeugwagens kombiniert werden. Beim tatsächlichen Aufbau
des Wagenkastens 160 und des Schienenfahrzeugwagens insgesamt werden jedoch, soweit
möglich, durchgehende Strukturen verwendet. So können sich beispielsweise Träger von
einem Endsegment 130 durch den Wagenkasten 160 hindurch zum anderen Endsegment 140
erstrecken. Auch Seitenverkleidungen und Decken und Fußböden werden, soweit möglich,
jeweils als durchgehende Elemente hergestellt und entsprechend eingebaut.
[0067] Grundsätzlich ist es jedoch auch möglich, die Fenstersegmente 120 als körperlich
separate Module bereitzustellen, die bei der Herstellung dann mit dem Grundsegment
110, das seinerseits dann ein Modul darstellt, geeignet verbunden werden. In diesem
Fall weisen die Module entsprechende Schnittstellen zum Verbinden auf. Aus konstruktiver
Sicht wird jedoch auch hier vom längsten Wagentyp ausgegangen, die Dimensionierung
und Festigkeitsauslegung aller tragenden Strukturen für diesen längsten Wagentyp ermittelt
und dann auch für kürzere Wagentypen verwendet.
[0068] Somit wird bei der Konstruktion vom schwersten Wagentyp (Schienenfahrzeugwagen mit
längstem Wagenkasten, maximaler Sitzplatzanzahl und maximalem Gesamtgewicht) ausgegangen.
Das Maximalgewicht ist dabei durch die zulässige Radlast begrenzt. Die für diesen
Wagentyp ermittelte oder festgelegte Dimensionierung und Festigkeitsauslegung insbesondere
der tragenden Strukturen wird auch für die Konstruktion und den Aufbau von Wagentypen
mit einem kürzeren Wagenkasten übernommen. Grundsätzlich wäre es möglich, die tragenden
Strukturen für die Wagentypen mit kürzerem Wagenkasten mit einer geringeren Dimensionierung
wegen ihres geringeren Gewichts auszustatten. Jedoch müssten damit für jeden Wagentyp
jeweils anders dimensionierte tragende Strukturen bereitgehalten werden. Dies wird
bei der hier vorgestellten Konstruktionsweise und Herstellung von Schienenfahrzeugwagen
jedoch vermieden, da nur ein Satz von tragenden Strukturen für alle Wagentypen verwendet
wird, welche für den längsten und schwersten Wagentyp ausgelegt sind.
[0069] Herstellungsseitig ergeben sich dadurch erhebliche Einsparungen, da die Fertigungsmaschinen
nur für einen Typ von tragenden Strukturen sowie anderen durchgehenden Strukturen
eingerichtet werden müssen. Dies gilt auch für Hilfswerkzeuge, Haltevorrichtungen
und dergleichen.
[0070] Die hier beschriebene Konstruktion und Herstellung von Schienenfahrzeugwagen kann
zwar bei den kürzeren Wagentypen zu einer Überdimensionierung führen. Dies ist jedoch
tolerabel, da die Längenänderung und deren Gewichtsverringerung nur um wenige Fenstersegmente
erfolgt.
[0071] Darüber hinaus eröffnet die grundsätzlich gleiche Dimensionierung der tragenden Strukturen
aller Wagentypen weitere Vorteile. So verfügt beispielsweis der kürzeste Wagentyp
über Gewichtsreserven, die zum Einbau von Antriebsaggregaten oder anderen schweren
Einrichtungen wie Transformatoren oder Batterien ausgenutzt werden können. Verfügt
beispielsweise der längste Wagentyp über ein Antriebsaggregat mit einer gegebenen
Traktionsleistung, kann der kürzeste Wagentyp mit einem stärkeren Antriebsaggregat
ausgestattet werden, da die Gewichtseinsparung durch Weglassen der Fenstersegmente
den Einbau eines größeren und leistungsfähigeren Antriebsaggregats ermöglicht.
[0072] Figuren 2A bis 2C zeigen eine zweite Ausführungsform eines Schienenfahrzeugwagens
(Wagen 101), hier ebenfalls am Beispiel eines Doppelstockwagens, dessen Wagenkasten
161 nur über ein Grundsegment 110 und ein Fenstersegment 120 verfügt.
[0073] Der Wagen 101 ist im Wesentlichen so aufgebaut, wie der Wagen 100 aus Figuren 1A
bis 1C. Im Unterschied zu Wagen 100 verfügt der Wagen 101 nur über ein Fenstersegment
120, das zwischen Grundsegment 110 und Endsegment 130 eingefügt ist und diese beiden
Segmente miteinander verbindet. Die Gesamtlänge des Wagens 101 ist im Vergleich zum
Wagen 100 um die Länge X eines Fenstersegments 120 verkleinert. Sieht man die Kombination
aus Grundsegment 110 und Fenstersegment 120 als Wagenkasten 161 an, so hat dieser
nun eine Länge von L+X im Vergleich zum Wagenkasten 160 aus Figuren 1A bis 1C. In
dieser Ausführungsform wurde also nur ein Fenstersegment verwendet. Daher weist der
Wagen 101 in Relation zu den beiden anderen Ausführungsformen eine mittlere Länge
und damit eine mittlere Anzahl an Sitzen auf.
[0074] Grundsegment 110 und Fenstersegment 120 werden zum Aufbau des Wagenkastens 161 des
Wagens 101 verwendet, der durch die Endsegmente 130 und 140 komplettiert wird. Der
Wagen 101 kann anstelle des Endsegments 140 auch zwei Endsegmente 130 aufweisen.
[0075] Bei der Herstellung des Wagens 101 werden die zuvor für den Wagen 100 ermittelten
tragenden Strukturen verwendet, d.h. die Wagen 100 und 101 verfügen über tragende
Strukturen mit gleichem Querschnitt, Querschnittsprofil und Festigkeitsauslegung.
[0076] Figuren 3A bis 3C zeigen eine dritte Ausführungsform eines Schienenfahrzeugwagens
(Wagen 102), hier ebenfalls am Beispiel eines Doppelstockwagens. Der Wagen 102 ist
im Wesentlichen so aufgebaut, wie der Wagen 100 aus Figuren 1A bis 1C. Im Unterschied
zu Wagen 100 verfügt der Wagen 102 nur über ein Grundsegment 110 und Endsegmente 130,
140. Der Wagen 102 verfügt über keine zusätzlichen Fenstersegmente 120, so dass der
Wagenkasten 162 nur vom Grundsegment 110 gebildet wird. Der Wagen 102 kann anstelle
des Endsegments 140 auch zwei Endsegmente 130 aufweisen.
[0077] Die Gesamtlänge des Wagens 102 ist daher um die Länge 2*X der Fenstersegmente 120
gegenüber dem Wagen 100 verkleinert. Auf Fenstersegmente wurde in dieser Ausführungsform
verzichtet. Daher weist der Wagen 102 in Relation zu den beiden anderen Ausführungsformen
die kürzeste Länge und damit die geringste Anzahl an Sitzen auf.
[0078] Wie beim Wagen 100 und 101 werden für den Aufbau des Wagens 102 die gleichen tragenden
Strukturen verwendet, die lediglich kürzer ausgelegt werden.
[0079] Das oder die zusätzlichen Fenstersegmente 120 erlauben eine sehr feinstufige Anpassung
der Sitzplatzzahl. Im Falle eines Doppelstockwagens gemäß Figuren 1A, 1B, 1C, 2A,
2B, 2C fügt jedes Fenstersegment 120 zur dritten Ausführungsform in Figuren 3A, 3B,
3C bei einer 2+2 Bestuhlung 8 Sitzplätze hinzu. Auch wenn in Figuren 2B und 2C das
Fenstersegment 120 nur über 5 Sitzplätze verfügt, so weist der Wagen 101 trotzdem
insgesamt 8 Sitzplätze mehr als der Wagen 102 auf, da die nicht vollständig aufgefüllte
linke Reihe im Grundsegment 110 des Wagens 102 nun vollständig aufgefüllt ist. Bei
Wagen 100 gemäß Figuren 1A, 2B, 1C sind im Gegensatz zu Wagen 102 insgesamt 16 Sitzplätze
hinzugekommen. Bei einem einstöckigen Wagen bei einer 2+2 Bestuhlung werden durch
jedes Fenstersegment 4 Sitzplätze hinzugefügt.
[0080] Wie bereits weiter oben dargelegt, entspricht die Länge des Fenstersegments 120 etwa
der Länge des Sitzteilers 151. Ein Fenstersegment ist daher so ausgestaltet, um genau
eine zusätzliche Reihe an Sitzplätzen hinzufügen zu können. Dies gestattet eine sehr
feine Anpassung der Gesamtsitzplatzzahl in kleinen Stufen, die der Anzahl von Sitzen
pro Reihe entspricht. Bei einer Bestuhlung von beispielsweise 1+2 für die erste Klasse
würden also genau 3 Sitzplätze bei einem einstöckigen Wagen hinzugefügt werden. Bei
einem Doppelstockwagen könnten 6 oder 7 Sitze hinzugefügt werden, je nachdem, ob sowohl
das Ober- als auch das Unterdeck eine 1+2 Bestuhlung aufweist oder eines der beiden
Decks eine 1+2 Bestuhlung und das andere eine 2+2 Bestuhlung hat.
[0081] Die Fenstersegmente 120 stellen somit konstruktive Komponenten dar, die bei der Konzeption
des Schienenfahrzeugs eine Anpassung der Länge der einzelnen Wagen und damit des Gesamtzugs
gestatten. Die Fenstersegmente 120 können auch als modulare Fensterteiler bezeichnet
werden.
[0082] Der variable Aufbau der einzelnen Wagen bei gleichzeitig gleicher Dimensionierung
ihrer tragenden Strukturen gestattet auch eine höhere Flexibilität in der Ausstattung
der Wagen, insbesondere der installierten Antriebsleistung. Unter der Annahme, dass
Wagen 100 gemäß Figuren 1A, 1B, 1C mit der für den Wagen 100 unter Beachtung der zulässigen
Radsatzlast maximal möglichen Antriebsleistung ausgestattet ist, kann die Gewichtseinsparung
bei Wagen 102 gemäß Figuren 3A, 3B, 3C aufgrund des Verzichts auf die beiden Fenstersegmente
120 dazu genutzt werden, ein stärkeres Antriebsaggregat im Wagen 102 zu installieren,
ohne die zulässige Radsatzlast zu überschreiten. Dadurch kann die Gesamtantriebsleistung
eines Schienenfahrzeugs, das beispielsweise Wagen 100 und Wagen 102 umfasst, erhöht
werden. Die Gesamtantriebsleistung eines Triebzuges kann dadurch optimiert werden.
[0083] Beispielsweise ist es möglich, die durch Fenstersegmente 120 verlängerten Wagen antriebslos
oder mit einem kleineren und leichteren Antriebsaggregat auszustatten, dagegen die
nicht mit Fenstersegmenten 120 verlängerten Wagen mit einem entsprechend stärkeren
und schwereren Antriebsaggregat auszustatten. Die Gewichtsunterschiede der einzelnen
Wagen kann auch für die Installation von anderen Komponenten ausgenutzt werden, wodurch
sich ein höherer Freiheitsgrad bei der Konzipierung des gesamten Schienenfahrzeugs
ergibt.
[0084] Ein Schienenfahrzeug, beispielsweise ein Triebzug, kann daher einzelne Wagen 100,
101, 102 mit einer sich in Stufen entsprechend der Länge des Fenstersegments 120 unterscheidenden
Länge bei ansonsten an sich gleichem Aufbau des Wagenkastens umfassen.
[0085] Die Verwendung von Fenstersegmenten und der modulare Aufbau des Wagenkastens aus
Grundsegment und optionalem Fenstersegment (komplettiert durch Endsegmente), beeinflusst
nur minimal den Innenausbau der Wagen, da die Längenänderung des Wagens in an den
Sitzteiler angepassten Stufen erfolgt. Beim Innenausbau wird daher in Stufen um einen
Sitzteiler 151 "gesprungen", was einen modularen Innenausbau ermöglicht.
[0086] Bei durchgehenden Strukturen, wie längs verlaufenden Trägem, Decken oder Fußböden,
bietet es sich an, diese durch die einzubindenden Segmente fortzuführen. Grundlage
dafür ist, dass bei der Festigkeitsauslegung und Dimensionierung solcher Strukturen
die maximale Länge, d.h. die Fahrzeugausführung mit den zwei zusätzlichen Segmenten,
berücksichtigt wird. Die Längen der Dachsegmente sind somit an die Länge des Wagens
100, 101, 102 angepasst. Weitere Komponenten werden in der Regel für jede Wagenlänge
getrennt vorgefertigt.
[0087] Da jedes Fenstersegment lediglich über eine Sitzreihe verfügt, weisen die Fenstersegmente
120, wie in den Figuren dargestellt, über Fensteröffnungen 121, die kleiner als die
Fensteröffnungen 111 des Grundsegments 110 sind.
[0088] Die Ausgestaltung des Schienenfahrzeugwagens und des Schienenfahrzeugs ist sowohl
für den Fernverkehr als auch für den Regional- oder Personennahverkehr einsetzbar.
[0089] Wenngleich hierin spezifische Ausführungsformen dargestellt und beschrieben worden
sind, liegt es im Rahmen der vorliegenden Erfindung, die gezeigten Ausführungsformen
geeignet zu modifizieren, ohne vom Schutzbereich der vorliegenden Erfindung abzuweichen.
Die nachfolgenden Ansprüche stellen einen ersten, nicht bindenden Versuch dar, die
Erfindung allgemein zu definieren.
Bezugszeichenliste
[0090]
- 100, 101, 102
- Schienenfahrzeugwagen / Wagen
- 110
- Grundsegment
- 111
- Fensteröffnung
- 112
- Sitzplatz
- 120
- Fenstersegment
- 121
- Fensteröffnung
- 122
- Sitzplatz
- 130, 140
- Endsegment
- 131, 141
- Eingangstür
- 132
- Übergangsbereich
- 133, 143
- Fahrgestell
- 134, 144
- Treppe
- 135, 145
- Treppe
- 142
- Fahrzeugführerstand
- 151
- Sitzteiler
- 160, 161, 162
- Wagenkasten
- L
- Länge des Grundsegments
- X
- Länge des Fenstersegments
1. Konstruktionsverfahren zum Aufbau eines Schienenfahrzeugwagens, umfassend:
- Vorgeben einer Maximallänge eines Schienenfahrzeugwagens (100) langen Bautyps sowie
eines Sitzteilers (151);
- Konstruieren eines Wagenkastens (160) einschließlich tragender Strukturen für den
Schienenfahrzeugwagen (100) langen Bautyps, wobei der Wagenkasten (160) ein Grundsegment
(110), welches für die Aufnahme einer Vielzahl von Sitzreihen entsprechend des Sitzteilers
(151) ausgelegt ist, und mindestens ein Fenstersegment (120) zur Verlängerung des
Grundsegments (110) umfasst, wobei die Länge (X) eines Fenstersegments (120) etwa
dem Sitzteiler (151) entspricht;
- Ermitteln des erforderlichen Querschnitts und Festigkeitsauslegung der tragenden
Strukturen für den Wagenkasten (160) des Schienenfahrzeugwagens (100) langen Bautyps;
und
- Konstruieren des Schienenfahrzeugwagens (100) als Ganzes in mindestens zwei verschiedenen
Längenvarianten unter Beibehaltung des Querschnitts und der Festigkeitsauslegung des
Wagenkastens und der tragenden Strukturen.
2. Konstruktionsverfahren nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch Reduzieren der Länge des Wagenkastens um ein oder zwei Fenstersegmente (120) unter
Beibehaltung des Querschnitts und Festigkeitsauslegung des Wagenkastens und der tragenden
Strukturen zur Anpassung der Sitzplatzanzahl, oder Beibehalten des langen Bautyps.
3. Konstruktionsverfahren nach Anspruch 1 oder 2, umfassend:
- Vorgeben einer gewünschten Sitzplatzanzahl; und
- sofern die gewünschte Sitzplatzanzahl kleiner als die Sitzplatzanzahl des Schienenfahrzeugwagens
(100) langen Bautyps ist, Reduzieren der Länge des Wagenkastens um ein oder zwei Fenstersegmente
(120) unter Beibehaltung des Querschnitts und der Festigkeitsauslegung des Wagenkastens
und der tragenden Strukturen.
4. Konstruktionsverfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei der Schienenfahrzeugwagen
(100, 101, 102) ein Doppelstockwagen ist, und wobei die Fenster im Ober- und Unterdeck
des Doppelstockwagens fluchtend zueinander angeordnet sind.
5. Konstruktionsverfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass in jedem Fenstersegment (120) mindestens eine Sitzreihe vorgesehen wird.
6. Verfahren zur Herstellung eines Schienenfahrzeugwagens; umfassend:
- Ermitteln von erforderlichen Querschnitten und Festigkeitsauslegung für tragende
Strukturen für ein Schienenfahrzeugwagen (100) langen Bautyps, wobei der Schienenfahrzeugwagen
(100) langen Bautyps einen Sitzteiler (151) definiert und einen Wagenkasten (160)
mit einem Grundsegment (110), welches für die Aufnahme einer Vielzahl von Sitzreihen
entsprechend des Sitzteilers (151) ausgelegt ist, und mindestens ein oder zwei Fenstersegmente
(120) zur Verlängerung des Grundsegments (110) umfasst, wobei die Länge (X) eines
Fenstersegments (120) etwa dem Sitzteiler (151) entspricht;
- Aufbau eines Schienenfahrzeugwagens (101, 102) als Ganzes unter Verwendung der zuvor
ermittelten tragenden Strukturen unter Beibehaltung des Querschnitts und der Festigkeitsauslegung,
wobei der Schienenfahrzeugwagen (101, 102) je nach Bedarf vom langen Bautyp (100)
ist, oder um mindestens ein oder zwei Fenstersegmente (120) kürzer als der Schienenfahrzeugwagen
(100) langen Bautyps ist.
7. Verfahren nach Anspruch 6, umfassend:
- Ausstatten des Schienenfahrzeugwagens (101, 102) mit einer Antriebseinheit, die
über eine höhere Traktionsleistung als eine Antriebseinheit verfügt, die für einen
Schienenfahrzeugwagen (100) langen Bautyps verwendet werden kann.
8. Verfahren nach Anspruch 6 oder 7, wobei der Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102)
ein Doppelstockwagen ist und wobei die Fenster im Ober- und Unterdeck des Doppelstockwagens
fluchtend zueinander angeordnet sind.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass in jedes Fenstersegment (120) mindestens eine Sitzreihe eingebaut wird.
10. Verwendung von tragenden Strukturen gleichen Querschnitts und Festigkeitsauslegung
für den Aufbau von Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102) unterschiedlicher Länge.
11. Schienenfahrzeugfamilie umfassend mindestens zwei Schienenfahrzeugwagen (100, 101,
102) mit jeweils einem Wagenkasten (160, 161, 162), wobei die Schienenfahrzeugwagen
den gleichen Sitzteiler (151) aufweisen;
dadurch gekennzeichnet, dass
sich die Länge der Wagenkästen (160, 161, 162) um ein oder zwei Fenstersegmente (120)
unterscheidet, wobei das oder die Fenstersegmente (120) jeweils eine Länge (X) aufweisen,
die etwa der Länge des Sitzteilers (151) der Schienenfahrzeugwagen entspricht, und
dass
die Wagenkästen (160, 161, 162) der Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102) über tragende
Strukturen mit gleichem Querschnittsprofil und Festigkeitsauslegung verfügen.
12. Schienenfahrzeugfamilie nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass in jedem Fenstersegment (120) mindestens eine Sitzreihe angeordnet ist.
13. Schienenfahrzeug mit wenigstens zwei Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102) mit jeweils
einem Wagenkasten (160, 161, 162), wobei die Schienenfahrzeugwagen den gleichen Sitzteiler
(151) aufweisen;
dadurch gekennzeichnet, dass
sich die Länge der Wagenkästen (160, 161, 162) um ein oder zwei Fenstersegmente (120)
unterscheidet, wobei das oder die Fenstersegmente (120) eine Länge (X) aufweisen,
die etwa der Länge des Sitzteilers (151) der Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102)
entspricht, und dass
die Wagenkästen (160, 161, 162) der Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102) über tragende
Strukturen mit gleichem Querschnittsprofil und Festigkeitsauslegung verfügen.
14. Schienenfahrzeug nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass der kürzere der beiden Schienenfahrzeugwagen (100, 101, 102) über ein Antriebsaggregat
mit höherer Traktionsleistung als der längere der beiden Schienenfahrzeugwagen (100,
101, 102) verfügt.
15. Schienenfahrzeug nach Anspruch 13 oder 14, dadurch gekennzeichnet, dass in jedem Fenstersegment (120) mindestens eine Sitzreihe angeordnet ist.