[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ermitteln eines Kniepunkts einer
Frequenzkompressionskennlinie für eine Hörvorrichtung. Darüber hinaus betrifft die
vorliegende Erfindung ein Verfahren zum Ermitteln einer Frequenzkompressionskennlinie
und ein Verfahren zum Einstellen eines binauralen Hörsystems. Unter dem Begriff Hörvorrichtung
wird hier jedes im oder am Ohr tragbares, einen Schallreiz auslösendes Gerät, insbesondere
ein Hörgerät, Kopfhörer und dergleichen, verstanden.
[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen.
Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche
Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem
Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte
oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte
werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt
aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur
Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch
oder elektrisch.
[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z.
B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler,
z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer,
realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert.
Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts
dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere
Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit
3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale
und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen
Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall
wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang
fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des
Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine
ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
[0004] Frequenzkompression ist eine verhältnismäßig neue Technik bei Hörgeräten. Durch die
Frequenzkompression werden hochfrequente Informationen hörbar, die ohne dieses Verfahren
nicht gehört werden können. Erreicht wird dies durch einen Algorithmus, der Hochfrequenzinformation
von höheren Frequenzen auf niedrigere Frequenzen abbildet. Ursprünglich niedrige Frequenzen
werden dabei mit der neuen Information ersetzt.
[0005] Damit sich der Frequenzkompressionsalgorithmus auch hinsichtlich Sprachverständlichkeit
als profitabel erweist, muss dieser Algorithmus in einer speziellen Art parametriert
werden. Derzeit ist man jedoch nicht in der Lage, verlässlich darzulegen, dass durch
einen Frequenzkompressionsalgorithmus Vorteile bezüglich der Sprachverständlichkeit
erwartet werden können. Insbesondere fehlt es an einer definierten Strategie, einen
Frequenzkompressionsalgorithmus so zu parametrieren, dass sich hinsichtlich der Sprachverständlichkeit
ein Profit ergibt. Da die Sprachverständlichkeit sehr wichtig ist, damit Hörgeschädigte
an täglichen Unterhaltungen in befriedigender Weise teilnehmen können, und damit sie
mit ihrem Hörgerät zufrieden sind, ist es entsprechend bedeutsam, mit Hörgeräten eine
bessere Sprachverständlichkeit erlangen zu können.
[0006] Derzeit übliche Techniken zur Einstellung von Frequenzkompressionsalgorithmen berücksichtigen
nicht die akustische Feinstruktur von Konsonanten und Vokalen wie etwa deren Mittenfrequenz
oder andere Charakteristiken, z. B. Formanten. Heutige Anpassstrategien, die während
einer Erstanpassung angewandt werden, zielen eher auf eine erhöhte Rückkopplungsstabilität
anstatt auf Vorteile bzgl. Sprachverständlichkeit. Nur durch eine äußerst mühsame
und zeitaufwändige, manuelle Feineinstellung lässt sich ein zusätzlicher Nutzen bzgl.
Sprachverständlichkeit erreichen.
[0007] Die
US 2011/0249843 A1 beschreibt ein Verfahren zur Bestimmung eines Kniepunkts einer Frequenzkompressionskennlinie
für eine Hörhilfe. Dabei wird eine kritische Frequenz in dem Frequenzbereich bestimmt,
das Eingangssignal wird analysiert, eine Grenzfrequenz wird definiert, eine Quellfrequenz
oberhalb der Grenzfrequenz wird identifiziert und ein Zielfrequenzband unterhalb der
Grenzfrequenz wird identifiziert.
[0008] Die
DE 10 2009 058 415 A1 beschreibt, dass bei einem Hörgerät im Eingangssignal vorhandene Klänge und insbesondere
deren Grundfrequenzen ermittelt werden sollen und die Frequenztranspositionen in Abhängigkeit
von den ermittelten Grundfrequenzen ausgeführt werden sollen. Die transponierten Obertöne
werden dabei wieder auf das Frequenz-Raster der Grundfrequenz gelegt, sodass die Klang-Eigenschaft
auch nach der Frequenztransposition erhalten bleibt.
[0010] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, die Frequenzkompression
einer Hörvorrichtung in einfacher Weise so einstellen zu können, dass sich Vorteile
bezüglich Sprachverständlichkeit erzielen lassen.
[0011] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Ermitteln eines
Kniepunkts einer Frequenzkompressionskennlinie für eine Hörvorrichtung, durch
- Ermitteln einer maximal hörbaren Frequenz eines Nutzers der Hörvorrichtung, und
- Ermitteln des Kniepunkts mittels einer vorgegebenen Vorschrift in Abhängigkeit von
der maximal hörbaren Frequenz, wobei
- Parameter der Frequenzkompressionskennlinie auf der Basis von Frequenzgruppen gebildet
werden.
[0012] In vorteilhafter Weise wird also der Kniepunkt der Frequenzkompressionskennlinie
in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz des Nutzers (also der höchsten vom
Nutzer hörbaren Frequenz) der Hörvorrichtung bestimmt. Dabei wird davon ausgegangen,
dass eine Frequenzkompressionskennlinie mindestens zwei Schenkel aufweist, die an
dem Kniepunkt miteinander verbunden sind. Durch geeignete Verschiebung des Kniepunkts
entsprechend der vorgegebenen Vorschrift lässt sich so die Information optimieren,
die in dem hörbaren Bereich an den Nutzer der Hörvorrichtung übertragen werden kann.
[0013] Vorzugsweise wird der Kniepunkt in jedem Fall oberhalb von 1,5 kHz festgelegt. Da
unterhalb des Kniepunkts die Frequenzen typischerweise unkomprimiert übertragen werden,
werden im Fall des Kniepunkts oberhalb von 1,5 kHz alle wesentlichen Spektralanteile
unverändert übertragen, die es dem Nutzer ermöglichen, weibliche Stimmen von männlichen
Stimmen zu unterscheiden.
[0014] Der Kniepunkt kann mit Hilfe der Bark-Skala berechnet werden. Die Bark-Skala stellt
eine psychoakustische Skala für die wahrgenommene Tonhöhe (Tonheit) dar.
[0015] In vorteilhafter Weise wird eine Koordinate f_cutoff des Kniepunkts mit Hilfe der
Formel

berechnet, wobei f_max_bark die maximale hörbare Frequenz umgerechnet in einen Bark-Wert
und no_bands_down eine in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz festgelegte
Anzahl an Frequenzgruppen (critical bands) bedeutet. Damit muss in einer Zuordnungsvorschrift
lediglich noch festgelegt werden, wie hoch der Wert no bands down in Einheiten von
Frequenzgruppen (critical bands) in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz
ist. Dieser Wert lässt sich analytisch für jede Frequenz oder aber beispielsweise
tabellarisch für einzelne Frequenzkanäle festlegen.
[0016] In einer Weiterentwicklung kann somit ein Verfahren zum Ermitteln einer Frequenzkompressionskennlinie,
gemäß der ein Eingangswert in einen Ausgangswert abgebildet wird, durch Ermitteln
eines Kniepunkts entsprechend der obigen Verfahren bereitgestellt werden, wobei unterhalb
des Kniepunkts jeder Eingangswert gleich dem jeweiligen Ausgangswert ist. Damit ist
auf alle Fälle der untere Teil einer Frequenzkompressionskennlinie von der Frequenz
null bis zu der Kniepunktfrequenz festgelegt. In diesem Frequenzbereich findet keine
Kompression statt.
[0017] Oberhalb des Kniepunkts findet typischerweise Kompression statt. Hier sollte die
Kompressionsrate maximal den Wert 4 erreichen. Höhere Kompressionsraten führen zu
irritierenden Übertragungen.
[0018] Auch hier kann der Eingangswert f_source_max zu demjenigen Ausgangswert f_max, der
der maximal hörbaren Frequenz entspricht, mit Hilfe der Bark-Skala berechnet werden.
Damit ist der Algorithmus zur Einstellung der Frequenzkompression näher an der psychoakustischen
Größe der tatsächlich wahrnehmbaren Tonhöhe geführt.
[0019] Um die Frequenzkompressionskennlinie oberhalb des Kniepunkts konkret festzulegen,
kann der Eingangswert f_source_max für den maximal hörbaren Ausgangswert f_max mit
Hilfe der Formel

berechnet werden, wobei f_max_bark die maximal hörbare Frequenz umgerechnet in einen
Bark-Wert und no_bands_up eine in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz festgelegte
Anzahl an Frequenzgruppen (critical bands) bedeutet. Auch hier ist dann nur noch für
jede maximal hörbare Frequenz f_max bzw. den höchsten hörbaren Kanal eine Anzahl an
Frequenzgruppen festzulegen, deren Gesamtbreite den Abstand vom Kniepunkt (f_cutoff)
zur Originalfrequenz f_source_max bildet, die entsprechend der Kompressionskennlinie
auf die maximal hörbare Frequenz f_max abgebildet wird.
[0020] Mit der oben dargestellten erfindungsgemäßen Ermittlung der Frequenzkompressionskennlinie
kann ein Verfahren zur automatischen Einstellung eines binauralen Hörsystems bereitgestellt
werden. Dabei ist es besonders vorteilhaft, wenn die eben geschilderte Frequenzkompressionskennlinie
für dasjenige Ohr des Nutzers der Hörvorrichtungen ermittelt wird, das den geringeren
Hörverlust aufweist. Damit wird sichergestellt, dass für den Nutzer der Hörvorrichtungen
nicht Information verloren geht, die der Nutzer noch hören könnte.
[0021] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- den prinzipiellen Aufbau eines Hörgeräts gemäß dem Stand der Technik;
- FIG 2
- ein Blockschaltdiagramm zur Bestimmung einer Frequenzkompressionskennlinie und
- FIG 3
- eine erfindungsgemäße Frequenzkompressionskennlinie.
[0022] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen
der vorliegenden Erfindung dar.
[0023] Mit dem unten beschriebenen Einstell- bzw. Anpassalgorithmus soll ein Frequenzkompressionsalgorithmus
eines Hörgeräts oder einer anderen Hörvorrichtung so eingestellt werden, dass sich
ein Nutzen hinsichtlich der Sprachverständlichkeit ergibt verglichen mit dem Fall
eines Hörgeräts ohne Frequenzkompression. Alle anderen Parameter des Hörgeräts außer
der Frequenzkompression werden nicht verändert (Verstärkung, Pegelkompression usw.).
[0024] In dem Hörgerät ist ein Frequenzkompressionsalgorithmus implementiert, dessen Frequenzkompressionskennlinie
10 (vergleiche FIG 3) die Abbildung einer Eingangsfrequenz f_in (= f_source) auf eine
Ausgangsfrequenz f_out (= f_destination) darstellt. Üblicherweise besitzt diese Frequenzkompressionskennlinie
10 die in FIG 3 dargestellte Struktur. Sie besitzt zwei lineare Abschnitte 11 und
12, wovon der erste Abschnitt 11 vom Ursprung des Diagramms zu einem Kniepunkt 13
führt, und der zweite lineare Abschnitt 12 von dem Kniepunkt 13 zu einem Endpunkt
14. Der erste lineare Abschnitt 11 besitzt die Steigung eins, so dass in dem Frequenzbereich
von null bis zum Kniepunkt 13 bzw. der Frequenz f_cutoff keine Frequenzkompression
stattfindet.
[0025] Die Frequenzkompressionskennlinie ist also durch drei Parameter charakterisiert:
die Frequenz f_cutoff, die die beiden Koordinaten des Kniepunkts 13 darstellt und
dem Startpunkt des eigentlichen Frequenzkompressionsalgorithmus entspricht (alle Frequenzen
unter f_cutoff sind von dem Algorithmus nicht beeinflusst), die Frequenz f_max, die
die maximal hörbare Frequenz darstellt, und die Frequenz f_source_max, die derjenigen
Originaleingangsfrequenz entspricht, die durch die Frequenzkompressionskennlinie auf
die Ausgangsfrequenz f_max abgebildet wird. Es wird also die Information im Originalfrequenzbereich
zwischen f_cutoff und f_source_max auf den Bereich zwischen f_cutoff und f_max abgebildet.
Diese Reduktion der Bandbreite führt zur Hörbarkeit von Hochfrequenzinformation bei
niedrigeren Frequenzen auf die Kosten eines Verlustes von ursprünglicher Tieffrequenzinformation.
[0026] Eine vorteilhafte Anpassformel für den Frequenzkompressionsalgorithmus erfüllt jedoch
folgende audiologischen Anforderungen:
- 1. Die Hörbarkeit von Reibelauten (Frikative) ist erhöht. Insbesondere soll bei aktiviertem
Frequenzkompressionsalgorithmus die Mittenfrequenz des Lauts "s" von derjenigen des
Lauts "sch" verschieden sein.
- 2. Eine Vokalverwechslung zwischen den Vokalen "e" und "i" soll minimiert sein. Bei
aktiviertem Frequenzkompressionsalgorithmus sollen die verschobenen Frequenzen des
zweiten Vokalformanten von "e" und "i" voneinander verschieden sein, vorzugsweise
unabhängig von der Erfüllung der anderen Anforderungen.
- 3. Es soll so viel Originalinformation wie möglich erhalten bleiben. Anders ausgedrückt:
der Verlust an Originalfrequenzinformation soll minimiert werden. Daher soll der Kniepunkt
bzw. f_cutoff möglichst hoch sein, und die resultierende Frequenzkompressionsrate
soll mit Rücksicht auf die anderen Anforderungen so klein wie möglich sein. Insbesondere
sollte die Frequenzkompressionsrate jedoch maximal den Wert 4 erreichen.
- 4. Der Frequenzkompressionsalgorithmus soll bei binauraler Versorgung immer an das
Ohr angepasst werden, das das bessere Hörvermögen besitzt.
- 5. Bei binauraler Versorgung soll in beiden Hörgeräten die gleiche Einstellung des
Frequenzkompressionsalgorithmus angewandt werden, um einen konsistenten Schalleindruck
an beiden Ohren zu erreichen, so dass ein kortikales Neuerlernen der auditorischen
Wahrnehmung möglich ist.
- 6. Die Unterscheidbarkeit von Sprachbeispielen der beiden Geschlechter soll gegeben
sein. Daher soll die Frequenz f_cutoff des Kniepunkts 13 nicht unter 1,5 kHz liegen.
[0027] Die Tatsache, ob ein Nutzer einer Hörvorrichtung für die erfindungsgemäße Frequenzkompression
geeignet ist, lässt sich zuverlässig mit zwei Messungen abschätzen. Diese Messungen
sollen an dem Ohr mit der besseren Resthörfähigkeit durchgeführt werden. Die erste
Messung entspricht einem Audiogramm und die zweite Messung betrifft das Vorhandensein
einer so genannten toten Region im Gehör des Nutzers. Allein anhand des Audiogramms
ist es in der Regel nicht zuverlässig möglich, die maximal hörbare Frequenz zu bestimmen.
Dies liegt daran, dass beispielsweise auf der Basilarmembran Härchen nicht durch die
Schallwellen direkt zum Schwingen angeregt werden, sondern auch durch Schwingungen
der Basilarmembran selbst. Damit wird beispielsweise Schall hörbar, der jenseits einer
eigentlichen maximal hörbaren Frequenz liegt. Um daher die maximal hörbare Frequenz
besser bestimmen zu können, wird beispielsweise ein toter Bereich bzw. dessen Untergrenze
mit dem so genannten TEN-Test (siehe unten) ermittelt.
[0028] Auf der Basis eines gegebenen Audiogramms und einer gewählten Anpassformel (z. B.
ConnexxFit) kann ein durch ein Hörgerät erzielbarer Nutzen berechnet werden. Die Berechnung
des Hörgeräteausgangsspektrums ermöglicht eine Schätzung der maximal hörbaren Frequenz
mit der jeweiligen Einstellung. Der Schnittpunkt des Hörgeräteausgangsspektrums mit
dem Hörverlust (Audiogramm) bestimmt die so genannte maximal hörbare Frequenz f_max.
[0029] Die maximal hörbare Frequenz f_max lässt sich beispielsweise mit folgenden Schritten
abschätzen:
a) Bestimmen des 99%-Perzentils eines sprachmodulierten 65 dB Störgeräusches (z. B.
ISTS-Störgeräusch (internationales Sprachtestsignal) gemäß der internationalen Norm
IEC 60118-15).
b) Berechnen der Verstärkung des Hörgeräts im eingesetzten Zustand (insertion gain)
für einen vorliegenden Hörverlust mit Hilfe eines Anpassalgorithmus oder statischen
Modells für ein spezifisches Hörgerät.
c) Addieren der Resultate von a) und b). Diese Summe entspricht dem Frequenzspektrum
(aided speech spectrum) am Trommelfell.
d) Berechnen des Schnittpunkts des vorliegenden Audiogramms mit dem Ergebnis von c),
was zu der maximal hörbaren Frequenz f_max führt.
[0030] Wenn andere Perzentile oder andere ISTS-Störgeräuschpegel in a) verwendet werden,
kann die Frequenzkompressionsanpassung an spezielle Bedürfnisse (andere Hörgerätekategorien
oder bestimmte Untergruppen von hörgeschädigten Personen) angepasst werden.
[0031] Wenn eine so genannte tote Region auf der Basis des Audiogramms geschätzt oder mit
einem anderen diagnostischen Test (z. B. dem TEN-Test) gemessen wird, kann die berechnete
maximal hörbare Frequenz f_max auf den resultierenden Wert geändert werden. Eine tote
Region kann vorliegen, wenn ein Hörverlust bei einer bestimmten Frequenz mindestens
80 dB (HL = Hearing Level) beträgt und die Differenz zwischen zwei benachbarten Oktaven
mindestens 50 dB (HL) beträgt.
[0032] Nachfolgend wird anhand von FIG 2 und FIG 3 dargestellt, wie eine Frequenzkompressionskennlinie
automatisch ermittelt werden kann. Dazu werden die Parameter der Frequenzkompressionskennlinie
f_cutoff und f_source_max vorzugsweise auf der Basis von Frequenzgruppen (critical
bands) ermittelt, vergleiche
Bark-Skala und Eberhard Zwicker: "Subdivision of the audible frequency range into
critical bands (Frequenzgruppen)", J. Acoust Soc. Am. Band 33, Seite 248, Feb. 1961). Der Ausgangspunkt für die Berechnungen stellt die maximal hörbare Frequenz f_max
dar, die auch der unteren Frequenz einer toten Region entspricht. In dem Schritt 15
wird also aus dem Audiogramm, welches selbst in Schritt 16 gemessen wurde, und ggf.
dem TEN-Test, der in Schritt 17 durchgeführt wurde, die maximale hörbare Frequenz
f_max ermittelt. In Abhängigkeit von dieser Frequenz f_max wird die Frequenz f_cutoff
in Schritt 18 ermittelt, die die Koordinaten des Kniepunkts 13 repräsentiert. Ferner
wird in Schritt 19 die maximale Quellfrequenz f_source_max in Abhängigkeit von der
Frequenz f_max bestimmt, welche auf eben die Frequenz f_max abgebildet wird. Schließlich
wird aus den Parametern f_max, f_cutoff und f_source_max in Schritt 20 eine Frequenzkompressionskennlinie
10 ermittelt, mit der der Frequenzkompressionsalgorithmus eingestellt wird.
[0033] Der damit gebildete Algorithmus führt zu einer Frequenzkompressionseinstellung, welche
eine verbesserte Sprachverständlichkeit gewährleistet.
[0035] Die Transformation erfolgt gemäß der Formel

[0036] Optional soll der Wert f_max_bark veränderbar sein, wenn beispielsweise eine geringere
Frequenzkompression gewünscht wird. Es soll dann beispielsweise für eine vorgegebene
Filterbank sichergestellt sein, dass der veränderte Wert f_max_bark eine Frequenz
zwischen 2 kHz und 8 kHz repräsentiert.
[0037] Mit Hilfe nachstehender Formel und der Werte no bands down, die eine Anzahl von Frequenzgruppen
darstellen, kann die Frequenz f_cutoff des Kniepunkts berechnet werden. Der Kniepunkt
liegt also in einem gewissen Abstand (gezählt in Frequenzgruppen) unterhalb der maximal
hörbaren Frequenz f_max. Die entsprechende Formel lautet:

[0038] Mit dem dargestellten Algorithmus würden Werte für f_max < 2 kHz zu f_cutoff-Werten
< 1,5 kHz führen, was aus audiologischer Sicht vermieden werden soll. Daher werden
Werte für f_max < 2 kHz immer auf 2 kHz gesetzt, unabhängig vom tatsächlich gemessenen
Wert.
[0039] Mit der nun folgenden Formel und den in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Werten
no_bands_up ebenfalls in der Einheit "CB" (Frequenzgruppen) lässt sich für eine jeweils
aktuelle Frequenz f_max der weitere Kennlinienparameter f_source_max berechnen:
f max in [Hz] |
No bands down in [CB] |
No bands up in [CB] |
1500 |
3 |
7 |
1750 |
2 |
6 |
2000 |
2 |
5,5 |
2250 |
2 |
4, 8 |
2500 |
1, 8 |
4 |
2750 |
2 |
3, 8 |
3000 |
2 |
3,2 |
3250 |
2 |
3 |
3500 |
2 |
2,5 |
3750 |
2 |
2,3 |
4000 |
2 |
2,2 |
4250 |
1, 8 |
2 |
4500 |
2 |
2 |
4750 |
2 |
1, 8 |
5000 |
1, 8 |
1, 7 |
5250 |
2 |
1, 6 |
5500 |
1, 8 |
1,5 |
5750 |
1, 8 |
1, 6 |
6000 |
1, 6 |
1,5 |
6250 |
1, 6 |
1,5 |
6500 |
1, 6 |
1,4 |
6750 |
1, 6 |
1,4 |
7000 |
1, 8 |
1,5 |
7250 |
1, 8 |
1,4 |
7500 |
2 |
1,3 |
7750 |
2 |
1,2 |
8000 |
2 |
1,2 |
[0040] Die obigen Berechnungen stellen sicher, dass die audiologischen Anforderungen 1.
und 2. (siehe oben) erfüllt sind. Diese Anforderungen sind die Basis für eine Verbesserung
der Sprachverständlichkeit durch den Frequenzkompressionsalgorithmus. Die Werte in
der Tabelle sind hier auf eine Filterbank mit 48 Kanälen bezogen, die jeweils eine
Bandbreite von 250 Hz besitzen.
[0041] Die dargestellte Anpassstrategie für einen Frequenzkompressionsalgorithmus kombiniert
mehrere Hörgeräteanpassschritte, die üblicherweise manuell durchgeführt wurden (z.
B. Messungen an 2 cm
3 - Testvolumina). Beispielsweise wird die sich beim Tragen des Hörgeräts ergebende
Hörschwelle für die Schätzung der maximal hörbaren Frequenz genutzt, ebenso wie das
sonst übliche manuelle Entflechten der Mittenfrequenzen der Frikative "s" und "sch"
bei der Hörgeräteanpassung. Dieses manuelle Verfahren zur Trennung von "s" und "sch"
wird nun auf die erfindungsgemäße Weise automatisiert. Vorzugsweise wird bei der vorgestellten
automatischen Anpassung auch das Konzept der kritischen Bandweiten (Frequenzgruppen
gemäß Bark-Skala) genutzt, so dass sich letztlich deutliche Vorteile bei der automatischen
Anpassung einer Frequenzkompression im Hinblick auf Sprachverständlichkeit ergeben.
Bereits nach einer kurzen Gewöhnungsphase an den veränderten Schalleindruck aufgrund
der Frequenzkompression zeigen die hörgeschädigten Probanden eine verbesserte Sprachverständlichkeit.
[0042] In vorteilhafter Weise zeigt die erfindungsgemäße Anpassstrategie eines Frequenzkompressionsalgorithmus
zum einen eine messbare Verbesserung der Sprachverständlichkeit bei aktivierter Frequenzkompression
und zum anderen eine schnellere Anpassung der Hörgeräte mit Frequenzkompressionsalgorithmen.
Insbesondere kann die Anpassung nun automatisiert werden und bedarf keiner langen
Messungen und Anpasssitzungen. Des Weiteren ist auch eine Vorhersage eines zusätzlichen
Nutzens bzgl. der Sprachverständlichkeit mit der Frequenzkompression möglich. Ein
weiterer Vorteil besteht darin, dass sich eine verbesserte Sprachverständlichkeit
bereits nach der Erstanpassung einstellt.
1. Verfahren zum Ermitteln eines Kniepunkts (13) einer Frequenzkompressionskennlinie
(10) für eine Hörvorrichtung, durch
- Ermitteln einer maximal hörbaren Frequenz (f_max) eines Nutzers der Hörvorrichtung,
und
- Ermitteln des Kniepunkts (13) mittels einer vorgegebenen Vorschrift in Abhängigkeit
von der maximal hörbaren Frequenz (f_max),
dadurch gekennzeichnet, dass
- Parameter der Frequenzkompressionskennlinie (10) auf der Basis von Frequenzgruppen
gebildet werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei der Kniepunkt (13) in jedem Fall oberhalb von 1,5
kHz festgelegt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei der Kniepunkt (13) mit Hilfe von Werten der
Bark-Skala berechnet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, wobei eine Koordinate f_cutoff des Kniepunkts (13) mit
Hilfe der Formel

berechnet wird, und wobei f_max_bark die maximal hörbare Frequenz umgerechnet in einen
Bark-Wert sowie no_bands_down eine in Abhängigkeit von der maximal hörbaren Frequenz
festgelegte Anzahl an Frequenzgruppen bedeutet.
5. Verfahren zum Ermitteln einer Frequenzkompressionskennlinie (10), gemäß der ein Eingangswert
in einen Ausgangswert abgebildet wird, durch Ermitteln eines Kniepunkts (13) gemäß
einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei unterhalb des Kniepunkts (13) jeder Eingangswert
gleich dem jeweiligen Ausgangswert ist.
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei die maximale Kompressionsrate 4 beträgt.
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, wobei ein Eingangswert f_source_max zu demjenigen
Ausgangswert f_max, der der maximal hörbaren Frequenz entspricht, mit Hilfe der Bark-Skala
berechnet wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, wobei der Eingangswert f_source_max mit Hilfe der Formel

berechnet wird, und wobei f_max bark die maximal hörbare Frequenz (f_max) umgerechnet
in einen Bark-Wert sowie no_bands_up eine in Abhängigkeit von der maximal hörbaren
Frequenz festgelegte Anzahl an Frequenzgruppen bedeutet.
9. Verfahren zum Einstellen eines binauralen Hörsystems mit zwei Hörvorrichtungen mit
dem Schritt des Ermittelns einer Frequenzkompressionskennlinie (10) gemäß einem der
Ansprüche 5 bis 8.
10. Verfahren nach Anspruch 9, wobei die Frequenzkompressionskennlinie gemäß einem der
Ansprüche 5 bis 8 für dasjenige Ohr des Nutzers der Hörvorrichtungen ermittelt wird,
das den geringeren Hörverlust aufweist.