[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines binauralen Hörsystems,
das eine linke Hörvorrichtung und eine rechte Hörvorrichtung aufweist, durch Bereitstellen
eines linken internen Eingangssignals in der linken Hörvorrichtung, Bereitstellen
eines rechten internen Eingangssignals in der rechten Hörvorrichtung, Einschalten
eines Sendebetriebs der linken Hörvorrichtung und/oder der rechten Hörvorrichtung
und Ausschalten des Sendebetriebs. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung
ein entsprechendes binaurales Hörsystem mit zwei Hörvorrichtungen. Unter einer Hörvorrichtung
wird hier jedes im oder am Ohr tragbare, einen Hörreiz verursachende Gerät, insbesondere
ein Hörgerät, ein Headset, Kopfhörer und dergleichen, verstanden.
[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen.
Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche
Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem
Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte
oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte
werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt
aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur
Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch
oder elektrisch.
[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z.
B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler,
z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer,
realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert.
Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts
dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere
Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit
3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale
und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen
Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall
wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang
fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des
Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine
ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
[0004] Hochentwickelte, binaurale Signalverarbeitungsalgorithmen in Hörgeräten, wie beispielsweise
binaurale Strahlformung oder binaurale, räumliche Geräuschunterdrückung, benötigen
eine kontinuierliche Datenverbindung zum jeweils anderen Hörgerät des binauralen Hörsystems.
Das Problem einer ständig in Betrieb befindlichen Datenverbindung ist jedoch, dass
die dabei stattfindende Audiosignalübertragung eine Menge Energie benötigt, was wiederum
die Lebensdauer einer Batterie vermindert.
[0005] Bei derzeitig bekannten binauralen Hörsystemen wird die binaurale Übertragung üblicherweise
manuell aktiviert. Dies erfolgt beispielsweise dadurch, dass in einer bestimmten Situation
ein geeignetes Hörprogramm manuell gewählt wird.
[0006] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, den Energiebedarf eines
binauralen Hörsystems zu reduzieren.
[0007] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Betreiben eines
binauralen Hörsystems, das eine linke Hörvorrichtung und eine rechte Hörvorrichtung
aufweist, durch
- Bereitstellen eines linken internen Eingangssignals in der linken Hörvorrichtung,
- Bereitstellen eines rechten internen Eingangssignals in der rechten Hörvorrichtung,
- Einschalten eines Sendebetriebs der linken Hörvorrichtung und/oder der rechten Hörvorrichtung
und
- Ausschalten des Sendebetriebs, wobei
- das Einschalten des Sendebetriebs in einer der Hörvorrichtungen automatisch in Abhängigkeit
von dem jeweils internen Eingangssignal erfolgt und
- das Ausschalten des Sendebetriebs in einer der Hörvorrichtungen automatisch in Abhängigkeit
von dem jeweils internen Eingangssignal und einem von der jeweils anderen Hörvorrichtung
empfangenen Kommunikationssignal erfolgt.
[0008] Darüber hinaus wird erfindungsgemäß bereitgestellt ein binaurales Hörsystem, das
eine linke Hörvorrichtung und eine rechte Hörvorrichtung aufweist, wobei
- ein linkes internes Eingangssignal in der linken Hörvorrichtung bereitstellbar ist,
- ein rechtes internes Eingangssignal in der rechten Hörvorrichtung bereitstellbar ist,
- ein Sendebetrieb der linken Hörvorrichtung und/oder der rechten Hörvorrichtung einschaltbar
ist und
- der Sendebetrieb ausschaltbar ist, wobei
- der Sendebetrieb in einer der Hörvorrichtungen automatisch in Abhängigkeit von dem
jeweils internen Eingangssignal einschaltbar ist, und
- der Sendebetrieb in einer der Hörvorrichtungen automatisch in Abhängigkeit von dem
jeweils internen Eingangssignal und einem von der jeweils anderen Hörvorrichtung empfangenen
Kommunikationssignal ausschaltbar ist.
[0009] In vorteilhafter Weise wird also der Sendebetrieb einer der Hörvorrichtungen des
binauralen Hörsystems automatisch eingeschaltet, wenn dies die aktuelle Hörsituation
erfordert. Dazu wird das interne Eingangssignal durch die jeweilige Hörvorrichtung
analysiert. Somit kann das Einschalten des Sendebetriebs sehr bedarfsgerecht gesteuert
werden. Darüber hinaus wird der Sendebetrieb automatisch ausgeschaltet, wenn die aktuelle
Hörsituation dies zulässt. Hierzu wird nicht nur das interne Eingangssignal durch
die Hörvorrichtung, sondern auch ein von der anderen Hörvorrichtung empfangenes Kommunikationssignal
ausgewertet. Für das Ausschalten des Sendebetriebs können in jeder Hörvorrichtung
also binaurale Daten ausgewertet werden. Letztlich lässt sich durch das automatische
Ein- und Ausschalten der Kommunikation zwischen beiden Hörvorrichtungen Energie einsparen,
denn die Kommunikation wird nur solange aufrechterhalten, wie sie in der aktuellen
Hörsituation notwendig ist.
[0010] Vorzugsweise wird eine Entscheidung einer der Hörvorrichtungen bezüglich eines Einschaltens
der jeweils anderen Hörvorrichtung mitgeteilt, so dass die andere Hörvorrichtung den
Sendebetrieb in Abhängigkeit von der empfangenen Entscheidung einschaltet. Auf diese
Weise kann erreicht werden, dass die beiden Hörvorrichtungen möglichst zeitgleich
den Sendebetrieb aufnehmen. Wenn es für eine spezielle Verarbeitung jedoch genügt,
dass nur eine der Hörvorrichtungen die binauralen Daten zur Verfügung hat, muss die
Einschaltentscheidung nicht übertragen werden.
[0011] Günstigerweise besitzt die empfangene Entscheidung für das Einschalten der anderen
Hörvorrichtung eine höhere Priorität als das interne Eingangssignal der Hörvorrichtung.
Liegen also sowohl die empfangene Einschaltentscheidung als auch ein Analyseergebnis
des internen Eingangssignals vor, so wird der Sendebetrieb der Hörvorrichtung eingeschaltet
und zwar unabhängig von dem Analyseergebnis des internen Eingangssignals. Die binaurale
Verarbeitung hat somit Vorrang.
[0012] In einer Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird für das Einschalten
des Sendebetriebs das jeweils interne Eingangssignal von der jeweiligen Hörvorrichtung
hinsichtlich eines Hintergrundgeräuschs analysiert, und, wenn das Hintergrundgeräusch
einen kontinuierlichen Pegel über einem vorgegeben Schwellwert besitzt, der Sendebetrieb
eingeschaltet. Hierdurch wird es möglich, dass beispielsweise ein binaurales Richtmikrofon
aktiviert wird, wenn das Hintergrundgeräusch einen bestimmten Pegel besitzt.
[0013] Entsprechend einer anderen Weiterbildung werden für das Ausschalten des Sendebetriebs
Signalanteile eines binauralen Richtmikrofonsignals in einem Winkelbereich jeweils
um + 45° und - 45° bezogen auf eine vorgegebene Frontalrichtung, aber nicht Signalanteile
um die vorgegebene Frontalrichtung herangezogen. Werden beispielsweise Störsignale
von den frontalen Seitenbereichen (etwa + 45° und - 45°) empfangen, so ist es günstig,
den Sendebetrieb nicht auszuschalten und das binaurale Richtmikrofon entsprechend
zu aktivieren. Dabei ist man nicht auf + 45° und - 45° festgelegt. Vielmehr können
für diese Funktion auch Winkel von beispielsweise + 30° und -30° oder + 60° und -
60° verwendet werden. Wesentlich ist nur, dass die Signalanteile aus der Frontalrichtung
gegenüber Signalen aus benachbarten Richtungen für die Ausschaltentscheidung deutlich
gedämpft sind. Für die Ausschaltentscheidung wird somit ein so genanntes "binaurale
Acht"-Signal ausgewertet.
[0014] Darüber hinaus können für das Einschalten des Sendebetriebs in einer der Hörvorrichtungen
die Wahrscheinlichkeiten berechnet werden, mit denen ein Sprachschall bezogen auf
eine vorgegebene Frontalrichtung von einer Seite und von vorne oder hinten eintrifft,
wobei, wenn die Wahrscheinlichkeit für ein Eintreffen von der Seite höher als die
Wahrscheinlichkeit für ein Eintreffen von vorne oder hinten ist, der Sendebetrieb
eingeschaltet wird. Hierdurch ist es möglich, dass ein so genannter "Seitwärtsblick"
des Hörsystems aktiviert wird, wenn von der Seite eintreffende Sprache detektiert
wird. Derartige Situationen kommen beispielsweise häufig in Fahrzeugen vor, wenn der
Blick nicht zur sprechenden Person hingewandt werden kann.
[0015] Vorteilhaft ist darüber hinaus, wenn der Sendebetrieb nicht eingeschaltet wird bzw.
wenn er ausgeschaltet wird, wenn die Eingangssignale beider Hörvorrichtungen einen
vorgegebenen Pegel unterschreiten. Wenn die Eingangssignale nämlich sehr gering sind,
deutet dies auf eine ruhige Umgebungssituation hin, sodass auf Richtmikrofonie verzichtet
werden kann. In einer ruhigen Situation ist es eher vorteilhaft, den Omnidirektionalbetrieb
zu wählen, wodurch auf die binaurale Signalübertragung verzichtet werden kann, so
dass letztlich wieder Energie eingespart werden kann.
[0016] Parallel zu dem Einschalten des Sendebetriebs kann auch eine binaurale Verarbeitung,
nämlich ein binaurales Richtmikrofon, eine binaurale Windgeräuschunterdrückung und/oder
eine binaurale Rückkopplungsunterdrückung aktiviert werden. Somit werden zeitgleich
mit dem Bereitstellen der binauralen Daten auch die entsprechenden binauralen Algorithmen
aktiviert.
[0017] Der Sendebetrieb kann jedoch abgeschaltet werden, wenn eine Wirkungsstärke der binauralen
Verarbeitung ein vorgegebenes Maß unterschreitet. Ist die Wirkungsstärke der binauralen
Verarbeitung, die durch einen Vergleich von Eingangssignal und Ausgangssignal gemessen
werden kann, zu gering, so ist es wiederum günstig, auf die binaurale Verarbeitung
und eben auch auf die binaurale Signalübertragung zu verzichten, was schließlich wieder
energetische Vorteile mit sich bringt.
[0018] Die vorliegende Erfindung wird anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- den prinzipiellen Aufbau eines Hörgeräts gemäß dem Stand der Technik und
- FIG 2
- ein prinzipielles Blockschaltdiagramm eines binauralen Hörsystems mit automatischer
Aktivierung und Deaktivierung der binauralen Kommunikation.
[0019] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen
der vorliegenden Erfindung dar.
[0020] Ein Hörsystem weist beispielsweise zwei Hörgeräte auf: ein linkes Hörgerät (linke
Hörvorrichtung) und ein rechtes Hörgerät (rechte Hörvorrichtung). Das linke Hörgerät
wird am linken Ohr und das rechte Hörgerät am rechten Ohr getragen. Somit kann eine
binaurale Versorgung gewährleistet werden. In FIG 2 ist ein derartiges binaurales
Hörsystem schematisch dargestellt. Das Hörsystem umfasst ein linkes Hörgerät 18 und
ein rechtes Hörgerät 11. Beide Hörgeräte 10, 11 sind durch eine Systemgrenze 12 voneinander
getrennt. Über diese Systemgrenze 12 ist eine drahtlose Audiodatenverbindung 13 gegeben.
Es kann sich dabei auch um eine kabelgebundene Verbindung handeln. In FIG 2 ist diese
Daten- bzw. Kommunikationsverbindung 13 symbolisiert durch konkrete Leitungen 14,
15 dargestellt.
[0021] Stellvertretend für die einzelnen Hörgeräte 10, 11 sind in FIG 2 lediglich Leitungen
und Entscheidungsblöcke eingetragen. Der Übersicht halber sind andere übliche Komponenten
eines Hörgeräts in FIG 2 nicht dargestellt.
[0022] Das linke Hörgerät 10 besitzt eine Entscheidungseinheit 16, mit der eine Entscheidung
über das Einschalten des Sendebetriebs des linken Hörgeräts 10 getroffen wird. Darüber
hinaus besitzt das linke Hörgerät 10 eine Entscheidungseinheit 17, die über das Ausschalten
eines Sende- bzw. Übertragungsbetriebs des linken Hörgeräts 10 entscheidet.
[0023] Eingangssignal der Entscheidungseinheit 16 für das Einschalten des Sendebetriebs
ist ein linkes Signal ls, das ein internes Eingangssignal der linken Hörvorrichtung
bzw. des linken Hörgeräts 10 darstellt. Beispielsweise handelt es sich bei dem linken
Signal ls um ein Mikrofonsignal von einem Mikrofon des linken Hörgeräts 10. Die Entscheidungseinheit
16 analysiert das interne Eingangssignal ls und gibt ein entsprechendes Ausgangssignal
atl zur Aktivierung des Sendebetriebs bzw. der Übertragung aus. Mit diesem Ausgangssignal
atl lässt sich symbolisch ein Schalter 18 ansteuern, mit dem das Senden bzw. Übertragen
aktiviert und deaktiviert werden kann. In dem in FIG 2 dargestellten Beispiel ist
der Sendebetrieb aktiviert (Schalter 18 ist eingeschaltet), so dass das interne Eingangssignal
ls des linken Hörgeräts 10 als Kommunikationssignal über die (virtuelle) Leitung 15
an das rechte Hörgerät 11 drahtlos oder drahtgebunden übertragen werden kann.
[0024] In gleicher Weise besitzt das rechte Hörgerät 11 eine Entscheidungseinheit 19, zum
Entscheiden, ob der Sendebetrieb des rechten Hörgeräts 11 aufgenommen werden soll
oder nicht. Eingangssignal der Entscheidungseinheit 19 ist ein rechtes Signal rs,
das auch hier ein internes Eingangssignal des rechten Hörgeräts 11 darstellt und beispielsweise
ein Mikrofonsignal sein kann. Darüber hinaus besitzt auch hier das rechte Hörgerät
11 eine Entscheidungseinheit 20, um zu entscheiden, ob der Sendebetrieb des rechten
Hörgeräts 11 ausgeschaltet wird oder nicht.
[0025] Mit dem Ausgangssignal atr der Entscheidungseinheit 19 ist der Sendebetrieb des rechten
Hörgeräts 11 aktivierbar. Daher dient das Signal atr als Ansteuersignal für einen
Schalter 21. Befindet sich der Schalter 21 wie in dem in FIG 2 dargestellten Beispiel
im eingeschalteten Zustand, so wird das rechte Signal rs als Kommunikatinssignal über
die (virtuelle) Leitung 14 an das linke Hörgerät 10 übertragen.
[0026] Der Entscheidungseinheit 17 zum Ausschalten des Sendebetriebs des linken Hörgeräts
10 steht nicht nur das linke Signal ls, sondern wegen der aktivierten binauralen Datenübertragung
auch das rechte Signal rs zur Verfügung. Die Entscheidungseinheit 17 analysiert diese
beiden Signale und liefert ein entsprechendes Deaktivierungssignal dtl des linken
Hörgeräts 10. Auch mit dem Deaktivierungssignal dtl lässt sich der Schalter 18 ansteuern.
Soll der Sendebetrieb deaktiviert werden, wird der Schalter 18 entsprechend umgelegt,
so dass keine Datenverbindung mehr über die (virtuelle) Leitung 15 besteht. Das linke
Signal ls wird dann nicht mehr an das rechte Hörgerät 11 übertragen.
[0027] Analog hierzu wird die Entscheidungseinheit 20 des rechten Hörgeräts 11 mit den beiden
internen Eingangssignalen rs und ls gespeist, wenn entsprechend dem Beispiel von FIG
2 die Kommunikationsverbindung 13 noch steht. In Abhängigkeit von diesen beiden Signalen
rs und ls erzeugt die Entscheidungseinheit 20 ein Deaktivierungssignal dtr des rechten
Hörgeräts 11. Auch mit diesem Deaktivierungssignal dtr wird der Schalter 21 des rechten
Hörgeräts 11 angesteuert. Nach einer Deaktivierungsentscheidung wird demnach der Schalter
21 geöffnet, so dass über die (virtuelle) Leitung 14 das rechte Signal rs nicht mehr
länger zum linken Hörgerät 10 übertragen wird.
[0028] Die Entscheidungen der Hörgeräte über das Aktivieren und Deaktivieren der Kommunikationsverbindung
13 sind zunächst unabhängig voneinander. Dies bedeutet beispielsweise auch, dass ein
Sendebetrieb vom linken Hörgerät 10 zum rechten Hörgerät 11 aktiviert sein kann, während
ein Sendebetrieb vom rechten Hörgerät 11 zum linken Hörgerät 10 deaktiviert ist (oder
umgekehrt). Natürlich können sich auch beide Hörgeräte 10, 11 im Sendebetrieb befinden,
oder es sind bei beiden Hörgeräten der Sendebetrieb ausgeschaltet.
[0029] In einer speziellen Ausführungsform werden die Entscheidungen der Hörgeräte 10, 11
jedoch synchronisiert. Dies ist in FIG 2 mit dem Doppelpfeil 22 symbolisiert. Die
diesbezügliche Synchronisation beider Hörgeräte 10, 11 erfolgt mit einem Synchronisationssignal
syn. Dieses Synchronisationssignal wird beispielsweise auch über die Kommunikationsverbindung
13 übertragen.
[0030] Beim Betrieb des binauralen Systems wird die akustische Umgebung kontinuierlich auf
monauraler Basis analysiert. Dies bedeutet, dass parallel im linken Hörgerät 10 und
im rechten Hörgerät 11 eine Analyse stattfindet. Jede Seite kann auf der Basis vorbestimmter
Kriterien entscheiden, ob der Einsatz einer binauralen Verbindung bzw. Kommunikation
13 (z. B. über eine oder zwei Leitungen 14, 15) hilfreich wäre. Die beiden Hörgeräte
10, 11 werden dann gegebenenfalls miteinander verbunden. Die Verbindung erfolgt vorzugsweise
über eine niedrig ratige Datenverbindung.
[0031] Günstigerweise wird die von einem Hörgerät getroffene Entscheidung zur Synchronisation
an das andere Hörgerät übertragen. Hierdurch können beide Seiten zu einer gemeinsamen
Entscheidung kommen, wobei vorgegebene Regeln beachtet werden. Sobald die Verbindung
steht, wird sie auf der Basis anderer Kriterien aufrechterhalten oder deaktiviert.
Für das Deaktivieren werden, wie oben geschildert wurde, durch das Audiosignal von
der anderen Seite zusätzliche Informationen bereitgestellt.
[0032] Nachfolgend werden einige beispielhafte Kriterien vorgestellt, gemäß denen die Entscheidungseinheiten
16, 17, 19 und 20 über die Aktivierung und Deaktivierung des jeweiligen Sendebetriebs
entscheiden können. Zum einen können die Entscheidungseinheiten als Kriterium das
Hintergrundgeräusch nutzen. Bei monauraler Auswertung vor dem Aufbau der Kommunikationsverbindung
kann überprüft werden, ob der kontinuierliche Rauschpegel der Hintergrundgeräusche
in dem monauralen, direktionalen Mikrofonsignal für eine gewisse Zeitspanne über einem
vorbestimmten Pegel liegt. Dies ist ein Anzeichen für eine schwierige Hörsituation,
in der man von binauraler, direktionaler Verarbeitung profitieren kann. In einer solchen
Situation wird also ein binaurales Richtmikrofon aktiviert (z. B. um den Fokus in
frontaler Richtung zu verengen), wenn das gemessene Grundrauschen auf einer Seite
über einem bestimmten Pegel liegt. Hierzu wird ein Aktivierungsbefehl für die binaurale
Audioverbindung auf die andere Seite, d. h. zum anderen Hörgerät geschickt.
[0033] Wenn die binaurale Verbindung steht, stehen zusätzliche Informationsquellen zur Verfügung,
die es erlauben, auch andere Kriterien für die Entscheidung zu überprüfen, ob die
binaurale Verarbeitung aufrecht erhalten oder deaktiviert werden soll. So besteht
beispielsweise die Möglichkeit, ein Signal entsprechend der so genannten "binauralen
Acht" zu berechnen. Dieses Signal entspricht einer phasenkorrekten Subtraktion von
zwei monauralen Strahlformersignalen oder von zwei omidirektionalen Signalen. Dieses
Signal besteht im Wesentlichen aus Schallanteilen von den Seitwärtsrichtungen und
Signale von vorne werden ausgeblendet. Die binaurale Acht schließt explizit Signale
aus, die von vorne eintreffen (Nullgrad-Richtung). Dies ist der wesentliche Unterschied
zu dem monauralen Fall. Da mit dem engen Fokus erreicht wird, dass exakt diese Signale
von frontalen Seitwärtsrichtungen (z. B. Bereiche um + 45° und - 45°) eliminiert werden,
ist mithilfe des Pegels des Grundrauschens des so erhaltenen Signals eine genauere
und zuverlässigere Steuerung der Aktivierung möglich, weil das Nullgrad-Nutzsignal
nicht enthalten ist.
[0034] Als weiteres Kriterium für die Entscheidungseinheiten kann die Wahrscheinlichkeit
eines Sprachsignals genutzt werden. Hierzu werden auf beiden Seiten getrennt die Wahrscheinlichkeiten
des Vorhandenseins von Sprache in den aktuellen Signalen berechnet. Darauf basierend
wird ein Richtstrahl zur Seite (so genannter "Seitenblick") aktiviert, wenn die Wahrscheinlichkeit,
dass von der Seite ein Sprachsignal eintrifft, höher ist, als beispielsweise die Wahrscheinlichkeit,
dass Sprache von vorne, von hinten oder von der gegenüberliegenden Seite eintrifft.
Diese Entscheidung wird jedoch getroffen, ohne dass ein direktionaler Strahl auf beide
Seiten gerichtet wird. Sobald dann eine binaurale Audiodatenverbindung besteht, stehen
die Strahlen zur linken und rechten Seite bzw. die omnidirektionalen Signale von der
linken und rechten Seite zur Verfügung. Somit kann die Entscheidung, den "Seitwärtsblick"
(Strahl zur linken oder rechten Seite) aufrecht zu erhalten oder zu deaktivieren auf
die Wahrscheinlichkeit, dass Sprache in dem Richtsignal vorliegt, gestützt werden.
Dies ist deutlich zuverlässiger als das Stützen der Entscheidung auf nur die beiden
monauralen Signale vom linken und rechten Hörgerät.
[0035] Darüber hinaus ist es auch möglich, eine Aussage darüber zu gewinnen, in welchem
Maß man von der Strahlformung mithilfe der Wahrscheinlichkeit eines Sprachsignals
in den monauralen Signalen oder den binauralen Richtsignalen profitiert. Wenn beispielsweise
die Wahrscheinlichkeit eines Sprachsignals in einem omnidirektionalen Signal hoch
ist, und die Wahrscheinlichkeit eines Sprachsignals auf der anderen Seite des Kopfes
in dem anderen omnidirektionalen Signal ebenfalls hoch ist, wird man von der binauralen
Verarbeitung nicht sehr viel profitieren, da es sehr viele Schallinterferenzen gibt.
Darüber hinaus wird man auch in einer ruhigen Umgebung anstreben, die Strahlformung
zu vermeiden, um den omnidirektionalen Schalleindruck zu erhalten und um Batterieleistung
einzusparen.
[0036] Noch ein weiteres Kriterium für die Entscheidung, ob eine binaurale Audioverbindung
hergestellt werden soll oder nicht, kann die Stärke des angestrebten Effekts sein.
Für unterschiedliche Anwendungen der binauralen Audioverbindung wie beispielsweise
für die Windgeräuschunterdrückung oder die Rückkopplungsunterdrückung kann das Kriterium
der Wirkstärke herangezogen werden. Wurde die Verbindung beispielsweise auf der Basis
eines monauralen Kriteriums, das "Wind" oder "Rückkopplung" signalisiert, aktiviert,
und der binaurale Algorithmus beginnt zu arbeiten, kann dessen Wirkstärke berechnet
werden. Dies kann daraus ermittelt werden, wie stark sich die entsprechende Windgeräuschereduktion
oder Rückkopplungsreduktion im Ausgangssignal verglichen mit dem Eingangssignal bemerkbar
macht. Aufgrund des ermittelten Werts kann dann die binaurale Datenverbindung aufrechterhalten
oder deaktiviert werden.
[0037] Erfindungsgemäß ist somit eine binaurale Audioverbindung auf der Basis monauraler
Entscheidungen möglich. Darüber hinaus kann die binaurale Audioverbindung auf der
Basis zusätzlicher binauraler Entscheidungen aufrechterhalten oder deaktiviert werden.
Parallel hierzu können binaurale Algorithmen automatisch aktiviert und deaktiviert
werden. Dies sind beispielsweise enge Richtkeule (binaurales Richtmikrofon mit schmaler
Keule (+/- 20°) in frontaler Richtung), "Seitenblick" (binaurale Richtkeule zur linken
oder rechten Seite), binaurale Windgeräuschunterdrückung und/oder binaurale Rückkopplungsunterdrückung.
Mit dieser automatischen Aktivierung und Deaktivierung der binauralen Algorithmen
und der binauralen Kommunikation kann Energie eingespart und die Lebensdauer einer
Batterie vergrößert werden.
1. Verfahren zum Betreiben eines binauralen Hörsystems, das eine linke Hörvorrichtung
(10) und eine rechte Hörvorrichtung (11) aufweist, durch
- Bereitstellen eines linken internen Eingangssignals (ls) in der linken Hörvorrichtung,
- Bereitstellen eines rechten internen Eingangssignals (rs) in der rechten Hörvorrichtung,
- Einschalten eines Sendebetriebs der linken Hörvorrichtung (10) und/oder der rechten
Hörvorrichtung (11) und
- Ausschalten des Sendebetriebs,
dadurch gekennzeichnet, dass
- das Einschalten des Sendebetriebs in einer der Hörvorrichtungen automatisch in Abhängigkeit
von dem jeweils internen Eingangssignal (ls, rs) erfolgt und
- das Ausschalten des Sendebetriebs in einer der Hörvorrichtungen automatisch in Abhängigkeit
von dem jeweils internen Eingangssignal (ls, rs) und einem von der jeweils anderen
Hörvorrichtung empfangenen Kommunikationssignal erfolgt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei eine Entscheidung einer der Hörvorrichtungen (10,
11) bezüglich eines Einschaltens des Sendebetriebs der jeweils anderen Hörvorrichtung
mitgeteilt wird, so dass die andere Hörvorrichtung den Sendebetrieb in Abhängigkeit
von der empfangenen Entscheidung einschaltet.
3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei die empfangene Entscheidung für das Einschalten des
Sendebetriebs der anderen Hörvorrichtung eine höhere Priorität besitzt als das interne
Eingangssignal der jeweiligen Hörvorrichtung.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei für das Einschalten des Sendebetriebs
das jeweils interne Eingangssignal (ls, rs) von der jeweiligen Hörvorrichtung (10,
11) hinsichtlich eines Hintergrundgeräuschs analysiert wird, und, wenn das Hintergrundgeräusch
einen kontinuierlichen Pegel über einem vorgegebenen Schwellwert besitzt, der Sendebetrieb
eingeschaltet wird.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei für das Ausschalten des Sendebetriebs
Signalanteile eines binauralen Richtmikrofonsignals ohne Signalanteile um eine vorgegebene
Frontalrichtung herangezogen werden.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei für das Einschalten des Sendebetriebs
in einer der Hörvorrichtungen (10, 11) die Wahrscheinlichkeiten berechnet werden,
mit denen ein Sprachschall bezogen auf eine vorgegebene Frontalrichtung von einer
Seite und von vorne oder hinten eintrifft, und, wenn die Wahrscheinlichkeit für ein
Eintreffen von der Seite höher als die Wahrscheinlichkeit für ein Eintreffen von vorne
oder hinten ist, der Sendebetrieb eingeschaltet wird.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der Sendebetrieb nicht eingeschaltet
oder ausgeschaltet wird, wenn die Eingangssignale beider Hörvorrichtungen (10, 11)
einen vorgegebenen Pegel unterschreiten.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei mit dem Einschalten des Sendebetriebs
eine binaurale Verarbeitung, nämlich ein binaurales Richtmikrofon, eine binaurale
Windgeräuschunterdrückung und/oder eine binaurale Rückkopplungsunterdrückung aktiviert
wird.
9. Verfahren nach Anspruch 8, wobei der Sendebetrieb ausgeschaltet wird, wenn eine Wirkungsstärke
der binauralen Verarbeitung ein vorgegebenes Maß unterschreitet.
10. Binaurales Hörsystem, das eine linke Hörvorrichtung (10) und eine rechte Hörvorrichtung
(11) aufweist, wobei
- ein linkes internes Eingangssignal (ls) in der linken Hörvorrichtung bereitstellbar
ist,
- ein rechtes internes Eingangssignal (rs) in der rechten Hörvorrichtung bereitstellbar
ist,
- ein Sendebetrieb der linken Hörvorrichtung (10) und/oder der rechten Hörvorrichtung
(11) einschaltbar ist und
- der Sendebetrieb ausschaltbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- der Sendebetrieb in einer der Hörvorrichtungen (10, 11) automatisch in Abhängigkeit
von dem jeweils internen Eingangssignal (ls, rs) einschaltbar ist, und
- der Sendebetrieb in einer der Hörvorrichtungen (10, 11) automatisch in Abhängigkeit
von dem jeweils internen Eingangssignal (ls, rs) und einem von der jeweils anderen
Hörvorrichtung empfangenen Kommunikationssignal ausschaltbar ist.