[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Abwehren einer anfliegenden ballistischen
Rakete, bei dem eine voraussichtliche Flugbahn der ballistischen Rakete ermittelt,
eine Abfangrakete gestartet wird, diese zur voraussichtlichen Flugbahn fliegt und
mittels ihrer Wirkladung die ballistische Rakete im Flug zerstört.
[0002] Im Fokus dieser Erfindung stehen Abfangsysteme zur Abwehr bzw. Verfahren zum Abwehren
von taktischen ballistischen Raketen (sogenannte "tactical ballistic missiles", kurz
""TBM") und ballistischen Mittelstreckenraketen (sogenannte "intermediate range ballistic
missiles", kurz "IRBM").
[0003] Taktische ballistische Raketen haben üblicherweise eine Reichweite von bis zu 500
km, während mit ballistischen Mittelstreckenraketen Reichweiten bis zu 3.000 km erreicht
werden. Ihr Flug wird in drei charakteristische Missionsphasen eingeteilt. Während
der Startphase (Boost) arbeitet das Raketentriebwerk und beschleunigt die ballistische
Rakete bis zu der von der gewünschten Reichweite abhängigen Brennschlussgeschwindigkeit.
Während der reibungsarmen Flugphase außerhalb der Atmosphäre wird der größte Teil
der Flugstrecke mit Geschwindigkeiten zwischen rund 1000 m/s und 5000 m/s zurückgelegt.
Die dritte Flugphase, auch Endphase genannt, beginnt mit dem Wiedereintritt in die
Atmosphäre und endet mit dem Auftreffen im Ziel.
[0004] Bei einer Abwehr der taktischen ballistischen Rakete wird diese üblicherweise in
der Endphase durch einen entsprechenden Flugkörper abgefangen. Die Abfangrakete wird
vom Boden gestartet und fliegt der ballistischen Rakete entgegen, um diese möglichst
direkt zu treffen. Die Schwierigkeit liegt hierbei darin, die Flugbahn der sehr schnell
anfliegenden ballistischen Rakete präzise zu berechnen, um die Rakete auch treffen
zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass die ballistische Rakete beim Wiedereintritt
in die Atmosphäre eine Taumelbewegung beginnt, so dass diese Taumelbewegung in die
Flugbahnberechnung einbezogen werden muss. Für eine solche Flugbahnberechnung ist
eine aktive Sensorik zum Bestimmen der Entfernung und der Differenzgeschwindigkeit
der Abfangrakete zur taktischen ballistischen Rakete notwendig, um einen voraussichtlichen
Treffpunkt (PIP Predicted Impact Point) zu bestimmen. Bedingt durch die hohen sensorischen
und aktuatorischen Anforderungen ist eine entsprechend ausgestaltete Abfangrakete
relativ teuer bzw. aufwändig.
[0005] Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, taktische ballistische Raketen, insbesondere
Mittelstreckenraketen während der Flugphase im All abzufangen. Dazu werden sogenannte
exoatmosphärische Kill Vehicle von einer mehrstufigen Rakete ins All verbracht und
fangen die ballistische Rakete dort ab. Durch die hohe Flughöhe und die notwendige
Manövrierfähigkeit der Abfangrakete im All ist ein solches leistungsfähiges Abfangsystem
noch kostspieliger bzw. aufwändiger als atmosphärische Abfangsysteme.
[0006] Schließlich gibt es Überlegungen, taktische ballistische Raketen direkt am Start
abzufangen. Für einen solchen Fall ist ein Hochleistungsabfangflugkörper erforderlich.
Eine Realisierung könnte auf luftgestützten Plattformen, z. B. unbemannten Luftfahrzeugen,
realisiert werden, die in einer Krisensituation über einem kritischen Gebiet kreisen,
einen Raketenstart registrieren und daraufhin einen mitgeführten Flugkörper starten.
Auch ein solches Abfangsystem ist sehr aufwändig und teuer und nur für begrenzte Gebiete
möglich.
[0007] Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zum Abwehren einer
anfliegenden ballistischen Rakete und ein Abfangsystem anzugeben, mit denen ballistische
Raketen kostengünstig abgewehrt werden können.
[0008] Die auf das Verfahren gerichtete Aufgabe wird durch ein Verfahren der eingangs genannten
Art gelöst, bei dem die Abfangrakete erfindungsgemäß vor der Zündung der Wirkladung
in Flugrichtung der ballistischen Rakete vor dieser herfliegt. Die Bekämpfung findet
hierbei zweckmäßigerweise in der Endphase statt, also nach Wiedereintritt der ballistischen
Rakete in die Atmosphäre. Vorteilhafterweise fliegt die Abfangrakete auch im Moment
der Zündung der Wirkladung vor bzw. neben der ballistischen Rakete her.
[0009] Der Erfindung liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Schwierigkeit in einer endoatmosphärischen
Bekämpfung während der Endflugphase der ballistischen Rakete darin liegt, dass die
Relativgeschwindigkeit zwischen der ballistischen Rakete und der dieser entgegen fliegenden
Abfangrakete sehr hoch ist. Bei einem Zünden der Wirkladung nur in der Nähe der ballistischen
Rakete ist der Missionserfolg aufgrund der sehr hohen Begegnungsgeschwindigkeit (im
Fachterminus auch als Annäherungsgeschwindigkeit bzw. "closing velocity" bezeichnet)
zwischen 2000 m/s bei einfachen taktischen ballistischen Raketen und -über 5000 m/s
bei ballistischen Mittelstreckenraketen nicht gesichert, da die Wirkkraft der Ladung
nicht ausreichend präzise platziert werden kann. Es sollte daher ein Direkttreffer
angestrebt werden. Durch eine deutliche Reduzierung der Relativgeschwindigkeit kann
jedoch auf ein direktes Zusammentreffen der Abfangrakete mit der ballistischen Rakete
verzichtet werden und eine Detonation der Wirkladung in der Umgebung der ballistischen
Rakete kann zum Missionserfolg ausreichen.
[0010] Bei einem Vorwegfliegen der Abfangrakete vor der ballistischen Rakete, also bei einer
gleichgerichteten Bewegung der beiden Raketen wird die Differenzgeschwindigkeit zwischen
den beiden Raketen auf die Überholgeschwindigkeit verringert, also im Vergleich zu
einem gegengerichteten Anflug um die doppelte Fluggeschwindigkeit der Abfangrakete
reduziert. Hierdurch vereinfacht sich das Platzieren einer Zerstörwirkung der Wirkladung,
so dass auf einen Direkttreffer verzichtet werden kann. Damit kann der Aufwand für
Sensorik als auch Aktuatorik der Abfangrakete erheblich verringert werden, so dass
eine wesentlich kostengünstigere Abfangrakete ermöglicht wird.
[0011] Aufgrund der geringeren Differenzgeschwindigkeit zwischen Abfangrakete und anfliegender
ballistischer Rakete ist ein direktes Zusammentreffen der beiden Raketen unter Umständen
nicht mehr notwendig. Hierdurch kann die Steuerung der Abfangrakete erheblich vereinfacht
werden, da auf die Berücksichtigung der Taumelbewegung der anfliegenden ballistischen
Rakete verzichtet werden kann. Hierfür wird die Abfangrakete zweckmäßigerweise auf
eine Bahn innerhalb der voraussichtlichen Taumelbahn der ballistischen Rakete gesteuert.
Die Taumelbahn ist eine spiralförmige Bahn, die einen im Wesentlichen zylindrischen
Innenraum umfährt. Durch das Halten der Abfangrakete in diesem Innenraum kann ein
Abstand zwischen Abfangrakete und ballistischer Rakete zu jedem Zeitpunkt gering gehalten
werden. Die Taumelbewegung kann als zufällige Abweichung von einer Zentralbahn aufgefasst
werden. Die Zentralbahn innerhalb einer spiralförmigen Taumelbahn kann mit Hilfe einer
Mittlung von Messdaten der Taumelbahn berechnet werden. Zweckmäßigerweise wird die
Abfangrakete im Zentrum der spiralförmigen Taumelbahn gesteuert. Ausgehend von einer
Taumelbewegung mit einem gegebenen Radius um die Zentralbahn ist mit einem Vorbeiflug
der ballistischen Rakete in einem Abstand gleicher Größe zu rechnen. Bei hinreichend
kleinem Abstand kann eine Umgebungszündung der Wirkladung die ballistische Rakete
beziehungsweise deren Wirksatz zerstören, ohne dass ein direkter Treffer notwendig
ist.
[0012] Der Angriff der Abfangrakete auf die ballistische Rakete erfolgt zweckmäßigerweise
im gleichgerichteten Flug. Vorteilhafterweise verlässt die Abfangrakete die Atmosphäre
nicht und fliegt der ballistischen Rakete nach deren Wiedereintritt in die Atmosphäre
voraus. Die Reihenfolge der Schritte der Ermittlung der voraussichtlichen Flugbahn
und des Startens der Abfangrakete ist beliebig. Die Abfangrakete kann insgesamt zur
voraussichtlichen Flugbahn der ballistischen Rakete fliegen oder nach einer Boostphase
den Raketenmotor abwerfen und nur als Raketenkopf zur voraussichtlichen Flugbahn der
ballistischen Rakete fliegen. Der Angriff auf die ballistische Rakete kann durch die
Abfangrakete insgesamt oder nur einen Teil von ihr, beispielsweise den Raketenkopf,
erfolgen. Ein Raketenkopf wird in diesem Zusammenhang der Einfachheit halber auch
als Abfangrakete bezeichnet.
[0013] Auch wenn die Abfangrakete erfindungsgemäß vor der anfliegenden ballistischen Rakete
herfliegt, kann zuvor eine gegengerichtete Bewegung der beiden Raketen erfolgen. So
ist es beispielsweise möglich und vorteilhaft, dass das Abfangsystem mit der Abfangrakete
in der Nähe eines zu schützenden Objekts, beispielsweise einer Stadt, stationiert
ist. Nach einem Start fliegt die Abfangrakete zunächst der ballistischen Rakete entgegen,
um dann zu wenden und der ballistischen Rakete vorauszufliegen, um so die Differenzgeschwindigkeit
zu verringern. Ein direktes Wenden in der Nähe der voraussichtlichen Flugbahn ist
hierbei ebenso möglich wie das weiträumige Einschwenken auf die voraussichtliche Flugbahn
mit einem energieeffizienteren großen Flugradius. Das entsprechende Anflugmanöver
kann von der Stationierung des Abfangsystems und der Anflugrichtung der anfliegenden
ballistischen Rakete auf das zu schützende Objekt abhängig gemacht werden.
[0014] In einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung erfolgt die Zündung der Wirkladung
in Abhängigkeit vom Überholvorgang der ballistischen Rakete an der Abfangrakete vorbei.
Hierdurch kann auf eine Vorwegberechnung eines Überholens verzichtet werden, wodurch
die Sensorik der Abfangrakete noch weiter vereinfacht werden kann. Die Zündung kann
beim Überholen oder in zeitlicher Abhängigkeit von zumindest einem Überholparameter
erfolgen, beispielsweise der Differenzgeschwindigkeit. Zweckmäßigerweise wird die
Zündung der Wirkladung durch den Überholvorgang direkt getriggert.
[0015] Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung sieht vor, dass die ballistische
Rakete von zumindest einem weiteren Sensorträger vermessen wird und aus Messdaten
des weiteren Sensorträgers zunächst eine grobe Schätzung der voraussichtlichen Flugbahn
der ballistischen Rakete ermittelt wird. Unter einem Sensorträger wird vorliegend
eine Plattform verstanden, die mit zumindest einem Sensor versehen ist, der in der
Lage ist, eine ballistische Rakete zu vermessen. Der weitere Sensorträger kann ein
unbemannter Flugkörper sein, beispielsweise eine Aufklärungsdrohne, wobei selbstverständlich
auch die Verwendung von bemannten Flugzeugen möglich ist. Ebenso sind bodengestütze
Sensorträger wie Radarstationen denkbar. Zweckmäßigerweise wird die ballistische Rakete
von mehreren Sensorträgern vermessen, so dass zur Berechnung der voraussichtlichen
Flugbahn Triangulation ermöglicht und durchgeführt wird.
[0016] Weiter ist es vorteilhaft, wenn die Abfangrakete nach dem Ermitteln der groben Schätzung
der voraussichtlichen Flugbahn der ballistischen Rakete auf diese in Flugrichtung
einschwenkt und somit vor der ballistischen Rakete herfliegt.
[0017] Um eine genauere Positionierung der Abfangrakete zum Zweck eines präzisen Angriffs
auf die ballistische Rakete zu ermöglichen, ist es vorteilhaft, wenn die Abfangrakete
im Vorherflug vor der ballistischen Rakete die ballistische Rakete vermisst und eine
präzisere Schätzung der voraussichtlichen Flugbahn der ballistischen Rakete ermittelt.
Hierfür verfügt die Abfangrakete zweckmäßigerweise über einen eigenen Sensor. Zweckmäßigerweise
fliegt die Abfangrakete dann auf dieser präziser geschätzten voraussichtlichen Flugbahn
der ballistischen Rakete voraus. Die Vermessung erfolgt zweckmäßigerweise bereits
während des Einschwenkens auf die voraussichtliche Flugbahn, die insbesondere ausgehend
von einer groben Voreinweisung auf Basis einer groben Schätzung der voraussichtlichen
Flugbahn durch einen weiteren Sensorträger iterativ präzisiert wird.
[0018] Eine Ermittlung der voraussichtlichen Flugbahn der ballistischen Rakete aus den Messdaten
kann am Boden oder durch die Abfangrakete selbst erfolgen. Bei einer Ermittlung am
Boden können entsprechende Steuerbefehle per Uplink an die Abfangrakete übermittelt
werden. Am Einfachsten ist jedoch die Ermittlung der voraussichtlichen Flugbahn durch
die Abfangrakete selber, so dass diese durch eigene Daten auf die Flugbahn einschwenken
kann. Entsprechend sieht eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung vor,
dass die ballistische Rakete von zumindest einem weiteren Sensorträger vermessen wird
und Messdaten vom Sensorträger an die Abfangrakete übermittelt werden. Mittels eines
Steuerrechners der Abfangrakete kann dann eine erste grobe Schätzung der voraussichtlichen
Flugbahn der ballistischen Rakete aus den Messdaten des Sensorträgers ermittelt werden.
Hierdurch ist es der Abfangrakete dann möglich, auf diese grob geschätzte voraussichtliche
Flugbahn in Flugrichtung der ballistischen Rakete einzuschwenken.
[0019] Zweckmäßigerweise sind die Messdaten von einem Sensorträger Rohdaten, beispielsweise
die mit einem Zeitstempel versehenen Positionen und Peilwinkel des Sensorträgers in
Bezug auf die ballistische Rakete. Unter Rohdaten werden vorliegend ungefilterte Daten
verstanden. Rohdaten haben den Vorteil, dass sie in einfacher Weise mit eigenen Messdaten
der Abfangrakete fusioniert werden können, ohne dass Daten unterschiedlicher Verarbeitungsebenen
fusioniert werden müssen. Es kann also geschickterweise gemäß einer weiteren Ausführungsform
der Erfindung vorgesehen sein, dass ein Steuerrechner der Abfangrakete Messdaten der
Abfangrakete mit Messdaten eines oder mehrerer weiterer Sensorträger fusioniert, um
gegenüber einer nur auf Messdaten der Abfangrakete oder Messdatein eines Sensorträgers
ermittelten Schätzung einer voraussichtlichen Flugbahn eine noch genauere Schätzung
einer voraussichtlichen Flugbahn der ballistischen Rakete zu ermitteln, auf welche
die Abfangrakete dann in Flugrichtung der ballistischen Rakete einschwenken kann.
[0020] Weiter wird vorgeschlagen, dass ein Zeitpunkt des Überholvorgangs bestimmt wird,
zweckmäßigerweise von der Abfangrakete selber, und eine Zündung der Wirkladung in
Abhängigkeit von diesem Zeitpunkt erfolgt. In einer einfachen Variante kann auf die
Bestimmung der azimutalen Richtung, in der die ballistische Rakete die Abfangrakete
überholt, verzichtet werden. Eine besonders geeignete Zündung könnte eine Polarzündung
an zwei entgegengesetzten Enden der Wirkladung sein, wodurch sich einige der Splitter
in einer Ebene senkrecht zur Symmetrieachse der Abfangrakete mit erhöhter Geschwindigkeit
bewegen und sich somit eine erhöhte endballistische Leistung erzielen lässt. Dadurch
würde ein Splittervorhang rund um die Abfangrakete gebildet werden, der die ballistische
Rakete - vorausgesetzt, der Zündzeitpunkt ist korrekt gewählt - auf Höhe ihres Gefechtskopfes
trifft, unabhängig in welchem azimutalen Winkel die ballistische Rakete die Abfangrakete
überholt.
[0021] Eine günstigere Ausrichtung der Sprengkraft der Wirkladung besteht darin, die Sprengkraft
durch eine Mehrpunktanzündung in zweckmäßigerweise eine weitgehend eindimensionale
Richtung auszurichten. Hierfür ist es in einer etwas komplexeren Variante der Erfindung
notwendig, die azimutale Richtung, in der die ballistische Rakete die Abfangrakete
überholt, zu bestimmen. Ist die azimutale Richtung bekannt, können die Anzündpunkte
entsprechend günstig gewählt und die Wirkladung in ihrer Sprengwirkung entsprechend
auf die ballistische Rakete ausgerichtet werden.
[0022] Ist jedoch ein direktes Zusammentreffen der beiden Raketen oder eine größere Annäherung
der Abfangrakete an die ballistische Rakete gewünscht, so bestehen mehrere Möglichkeiten:
Eine der Möglichkeiten ist, die Abfangrakete mit einem zusätzlichen Triebwerk zu versehen.
Dieses ist zweckmäßigerweise so ausgeführt, dass es der Abfangrakete eine Querbeschleunigung
verleiht, mit der die Abfangrakete direkt in die Flugbahn der überholenden ballistischen
Rakete oder zumindest in deren Richtung verbracht wird. Eine Zündung des zusätzlichen
Triebwerks erfolgt zweckmäßigerweise kurz vor einem voraussichtlichen Zusammentreffen
der beiden Raketen. Hierzu wird vorteilhafterweise der Zeitpunkt des Überholvorgangs
und insbesondere eine azimutale Richtung, in der die ballistische Rakete den Raketenkopf
überholt, im Voraus bestimmt.
[0023] Die Zündung des zusätzlichen Triebwerks bewirkt zweckmäßigerweise, dass zumindest
die Wirkladung auf die vorbeifliegende ballistische Rakete zubewegt wird. Selbstverständlich
ist es auch möglich und vorteilhaft den gesamten Raketenkopf bzw. die gesamte Abfangrakete
direkt in Kollision mit der ballistischen Rakete zu bringen. Voraussetzung hierfür
ist eine Vermessung von Entfernung und Differenzgeschwindigkeit zwischen den Raketen.
Hierzu ist eine aktive Sensorik notwendig. Das Taumeln kann passiv, beispielsweise
durch einen Infrarotsensor, erfasst werden.
[0024] Auf eine aktive Sensorik kann in einer zweiten Möglichkeit verzichtet werden. Hierzu
fliegen mehrere Abfangraketen, die zumindest in die Nähe der voraussichtlichen Flugbahn
verbracht werden, der ballistischen Rakete voraus. Auch mehrere Raketenköpfe, die
aus einer Trägerrakete ausgestoßen wurden, werden in diesem Zusammenhang als mehrere
Abfangraketen bezeichnet. Die Abfangraketen können hierbei um eine voraussichtliche
Flugbahn der ballistischen Rakete angeordnet sein. Vorteilhafterweise wird die ballistische
Rakete jeweils mittels zumindest eines Sensors einer Abfangrakete vermessen. Messdaten
von allen Abfangraketen können an zumindest eine der Abfangraketen weitergegeben und
eine Entfernung und eine Differenzgeschwindigkeit der ballistischen Rakete zu zumindest
einer der Abfangraketen kann aus den Messdaten bestimmt werden. Die aktive Sensorik
ist bei dieser Ausführungsform verzichtbar, da die Differenzgeschwindigkeit und Entfernung
beispielsweise triangulatorisch erfasst werden können. Auch die Taumelhelix kann als
voraussichtliche Flugbahn erfasst werden. Eine oder mehrere der Abfangraketen bekämpfen
schließlich die ballistische Rakete, wobei diese Abfangrakete(n) zweckmäßigerweise
auch die voraussichtliche Flugbahn berechnen.
[0025] Die Erfindung ist außerdem auf ein Abfangsystem gerichtet, das zumindest eine Abfangrakete
umfasst, die einen Raketenmotor, einen Steuerrechner, ein Lenksystem und eine Wirkladung
aufweist.
[0026] In Bezug auf die auf das Abfangsystem gerichtete Aufgabe der Erfindung wird vorgeschlagen,
dass der Steuerrechner erfindungsgemäß dazu vorbereitet ist, eine voraussichtliche
Flugbahn der ballistischen Rakete zu ermitteln, das Lenksystem derart anzusteuern,
dass zumindest der Raketenkopf in Flugrichtung der ballistischen Rakete vor dieser
herfliegt und insbesondere die Wirkladung in Abhängigkeit von einem Überholvorgang
der ballistischen Rakete an der Abfangrakete vorbei zu zünden. Durch die im Vergleich
zum Gegenflug stark verringerte Differenzgeschwindigkeit kann auf ein direktes Zusammentreffen
der beiden Raketen verzichtet werden und das Abfangsystem kann einfach und somit kostengünstig
gehalten bleiben.
[0027] Üblicherweise wird der Raketenmotor (Booster) nach einer Boostphase abgeworfen, so
dass nur der Raketenkopf - hier auch als Abfangrakete bezeichnet - in die voraussichtliche
Flugbahn der anfliegenden ballistischen Rakete einschwenkt. Es ist jedoch im Rahmen
dieser Erfindung möglich, dass der Raketenmotor am Raketenkopf verbleibt und die Abfangrakete
als Ganzes vor der ballistischen Rakete herfliegt und diese zerstört.
[0028] Der Steuerrechner ist vorteilhafterweise dazu vorbereitet, die Durchführung eines
beliebigen, mehrerer beliebiger oder aller der genannten Verfahrensschritte zu steuern.
Eine solche Vorbereitung kann durch ein entsprechendes Steuerprogramm des Steuerrechners
vorliegen, dessen Ablauf - beispielsweise in Verbindung mit geeigneten Eingangssignalen,
wie Sensorsignalen - eine solche Steuerung bewirkt. Hierzu umfasst der Steuerrechner
zweckmäßigerweise elektronische Elemente, wie einen Prozessor und Datenspeicher, die
zum Ablaufen des Steuerprogramms notwendig sind.
[0029] Zweckmäßigerweise umfasst die Abfangrakete einen Datenempfänger zum Empfangen von
Messdaten anderer Sensorträger zur Berechnung der voraussichtlichen Flugbahn der ballistischen
Rakete.
[0030] In einer vorteilhaften Ausführungsform dieser Erfindung umfasst die Abfangrakete
einen nach hinten gerichteten Suchkopf, dessen Blickfeld auf die von der Abfangrakete
beziehungsweise deren Raketenkopf bereits durchflogene Flugbahn gerichtet ist. Durch
den nach hinten gerichteten Suchkopf kann die von hinten anfliegende ballistische
Rakete passiv erkannt werden, beispielsweise durch von dieser abgegebenen Wärmestrahlung
bei Verwendung eines IR-Suchkopfs. Es ist jedoch auch möglich, dass der Suchkopf aktive
Sensorik umfasst.
[0031] Weiter wird vorgeschlagen, dass die Abfangrakete eine Trennstelle zum Abtrennen des
Raketenmotors von einem Raketenkopf aufweist, sowie einen nach hinten gerichteten
Suchkopf, der derart am Raketenkopf angeordnet ist, dass er durch das Abtrennen des
Raketenmotors ein freies Blickfeld nach hinten erhält. Bei dieser Ausführungsform
ist der Suchkopf während der Lagerung der Abfangrakete und insbesondere während der
Boostphase durch die Trennstelle geschützt. Erst durch das Abtrennen des Raketenmotors
gelangt der Suchkopf an die Oberfläche beziehungsweise erhält einen freien Blick nach
hinten.
[0032] Vorteilhafterweise ist der Steuerrechner dazu vorbereitet, die von hinten anfliegende
ballistische Rakete mit Hilfe des Suchkopfs zu vermessen und aus Messdaten die voraussichtliche
Flugbahn der ballistischen Rakete zu ermitteln. Diese Flugbahn kann eine präziser
geschätzte voraussichtliche Flugbahn sein, als sie beispielsweise zuvor aus Messdaten
zumindest eines weiteren Sensorträgers berechnet wurde.
[0033] Außerdem ist der Steuerrechner zweckmäßigerweise dazu vorbereitet, eine Taumelbewegung
der von hinten anfliegenden ballistischen Rakete auszublenden, also zu ignorieren,
und die Abfangrakete auf einer voraussichtlichen Zentralbahn innerhalb der realen
Taumelbahn der ballistischen Rakete zu steuern.
[0034] Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung schlägt vor, dass die Abfangrakete
einen Begegnungssensor aufweist, der dazu vorbereitet ist, ein Überholen der ballistischen
Rakete zu erkennen. Zweckmäßigerweise wird ein sensorisches Erkennen des Überholvorgangs
als gerade stattfindendes Ereignis durchgeführt. Auf eine Vorausberechnung des Überholzeitpunkts
und insbesondere der Überholrichtung kann dann verzichtet werden. Beides kann in Echtzeit
sensorisch erfasst werden.
[0035] Eine einfache Ausführung des Begegnungssensors beinhaltet, dass dieser Strahler aufweist,
die dazu vorbereitet sind, einen aktiven Strahlenvorhang in die Umgebung zu legen.
Der Strahlenvorhang kann in die Umgebung der Abfangrakete gelegt werden und umgibt
zweckmäßigerweise die Abfangrakete um 360°, also vollständig. Weiter vorteilhaft sind
der Begegnungssensor und/oder der Steuerrechner dazu vorbereitet, ein Durchbrechen
des Strahlenvorhangs durch die ballistische Rakete zu erfassen. Dies kann beispielsweise
durch eine Rückstrahlung der Strahlen und die entsprechende sensorische Erkennung
der Rückstrahlung geschehen. Zweckmäßigerweise sind mehrere Sensoren vorhanden, so
dass eine 360°-Überwachung des Strahlenvorhangs einfach ermöglicht ist.
[0036] In einer einfachen Version der Abfangrakete wird nur das Durchbrechen an sich erfasst
und die Sprengwirkung der Sprengladung wird rundum in die Umgebung des Raketenkopfs
gelenkt, beispielsweise diskusförmig. Eine präzisere Wirkung wird ermöglicht, wenn
eine Winkelerfassung der Durchbrechung des Strahlenvorhangs erfasst wird, so dass
der Azimutwinkel der überholenden ballistischen Rakete - immer relativ zu einer vorbestimmten
Richtung - erfasst werden kann.
[0037] Ist ein zusätzliches Triebwerk, insbesondere ein Querschubtriebwerk, vorhanden und
der Steuerrechner dazu vorbereitet, das Triebwerk in der Weise zu zünden, dass zumindest
die Wirkladung eine Querbeschleunigung auf die vorbei fliegende ballistische Rakete
erfährt, so kann die Wirkung nochmals erhöht werden.
[0038] Die bisher gegebene Beschreibung vorteilhafter Ausgestaltungen der Erfindung enthält
zahlreiche Merkmale, die in den einzelnen Unteransprüchen teilweise zu mehreren zusammengefasst
wiedergegeben sind. Diese Merkmale wird der Fachmann jedoch zweckmäßigerweise auch
einzeln betrachten und zu sinnvollen weiteren Kombinationen zusammenfassen. Insbesondere
sind diese Merkmale jeweils einzeln und in beliebiger geeigneter Kombination mit dem
erfindungsgemäßen Verfahren und der erfindungsgemäßen Vorrichtung gemäß den unabhängigen
Ansprüchen kombinierbar.
[0039] Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung, sowie
die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich
im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele, die im Zusammenhang
mit den Zeichnungen näher erläutert werden. Die Ausführungsbeispiele dienen der Erläuterung
der Erfindung und beschränken die Erfindung nicht auf die darin angegebene Kombination
von Merkmalen, auch nicht in Bezug auf funktionale Merkmale. Außerdem können dazu
geeignete Merkmale eines jeden Ausführungsbeispiels auch explizit isoliert betrachtet,
aus einem Ausführungsbeispiel entfernt, in ein anderes Ausführungsbeispiel zu dessen
Ergänzung eingebracht und/oder mit einem unabhängigen Anspruch kombiniert werden.
[0040] Es zeigen:
- Fig. 1
- Eine schematische Draufsicht auf eine Abfangrakete mit einem Raketenkopf und einem
Raketenmotor,
- Fig. 2
- die Abfangrakete aus Fig. 1 mit vom Raketenkopf abgetrennten Raketenmotor,
- Fig. 3
- ein Ablaufschema eines Verfahrens zum Abwehren einer fliegenden ballistischen Rakete
mit einer wie in den Figuren 1 und 2 dargestellten Abfangrakete,
- Fig. 4
- eine schematische Darstellung eines Überholvorgangs der ballistischen Rakete an der
Abfangrakete vorbei und
- Fig. 5
- ein mit Hilfe eines zusätzlichen Triebwerks durchgeführtes Steuermanöver der Abfangrakete
kurz vor dem Überholvorgang durch die ballistische Rakete.
[0041] Fig. 1 zeigt eine Abfangrakete 2 mit einem Raketenkopf 4 und einem Raketenmotor (Booster)
6. Der Raketenkopf 4 ist mit einem Lenksystem 8 ausgestattet, das an feststehenden
Flügeln 10 bewegliche Ruder 12 aufweist. Auch der Raketenmotor 6 ist mit Flügeln 14
ausgestattet, die jedoch nicht notwendigerweise beweglich sind.
[0042] Fig. 2 zeigt die Abfangrakete 2 aus Fig. 1 in einer etwas detaillierteren schematischen
Darstellung. Der Raketenmotor 6 ist vom Raketenkopf 4 an einer Trennstelle 16 abtrennbar.
Er enthält Treibmittel 18 und ist mit einem Fallschirm 20 ausgestattet, an dem er
nach Ausbrand des Treibmittels 18 zu Boden schwebt.
[0043] Der Raketenkopf 4 ist an seiner vorderen Spitze mit einem Gefechtskopf, der eine
Wirkladung 22 enthält, ausgestattet. Dahinter ist ein Steuerrechner 24 angeordnet,
der eine Führungseinheit zum Berechnen von Flugbahnen und von Steuersignalen zur Steuerung
des Raketenkopfs beziehungsweise der Abfangrakete enthält. Ferner ist der Steuerrechner
mit einem inertialen Navigationssystem, einem GPS-Empfänger und einer Funkschnittstelle
zum Austausch von Daten mit einer Bodenstation und/oder anderen Sensorträgern wie
beispielsweise Flugkörpern ausgestattet. Außerdem enthält der Steuerrechner eine Aktuator-Steuereinheit,
die zum Steuern der beweglichen Ruder 12 vorbereitet ist. Am Heck des Raketenkopfs
4 ist ein Suchkopf 26 angeordnet, dessen Blickfeld nach hinten gerichtet ist. Der
Suchkopf 26 ist ein IR-Suchkopf zum Erkennen von infraroter Strahlung. Er enthält
eine bewegliche Optik zum Schwenken des Gesichtsfelds.
[0044] Fig. 3 zeigt ein Ablaufschema eines Verfahrens zum Abwehren einer anfliegenden ballistischen
Rakete 28. Nicht dargestellt sind der Start der ballistischen Rakete 28 und die Startphase,
während der die ballistische Rakete 28 aufsteigt. Allerdings wird diese Startphase
von mehreren Sensorträgern, gemäß diesem Ausführungsbeispiel Flugkörpern 30 erfasst,
die weit entfernt vom Startort der ballistischen Rakete 28 in großer Höhe fliegen.
Alternativ kann der Start und/oder die Flugphase der ballistischen Rakete 28 außerhalb
der Atmosphäre von einem oder mehreren Satelliten erkannt werden, die in diesem Zusammenhang
ebenfalls als Sensorträger bzw. Flugkörper bezeichnet werden.
[0045] Der oder die Flugkörper 30 bestimmen zu bekannten Zeitpunkten ihre Position und ihren
Blickwinkel zur fliegenden ballistischen Rakete 28. Aus diesen Rohdaten berechnen
sie oder eine Bodenstation die voraussichtliche Flugbahn 36 und Fluggeschwindigkeit
sowie den jeweiligen Ort der ballistischen Rakete 28. Auf der Basis dieser Flugdaten
wird die Abfangrakete 2 aus einem Startgerät 32 gestartet. Der Start der Abfangrakete
2 kann bodengestützt, schiffsgestützt oder luftgestützt erfolgen. Nach Abschluss der
Boostphase wird der Raketenmotor 6 vom Raketenkopf 4 getrennt und der Raketenmotor
6 schwebt am Fallschirm 20 zu Boden. Vor oder nach dem Abtrennen des Raketenmotors
6 vom Raketenkopf 4 wird die Abfangrakete 2 beziehungsweise der Raketenkopf 4 aus
der reinen Aufstiegsrichtung bereits zur voraussichtlichen Flugbahn 36 gelenkt. Das
anschließende Lenken in die Flugbahn 36 hinein kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen.
[0046] Die Flugdaten der ballistischen Rakete 28 können an den Raketenkopf 4 übermittelt
werden, der dann anhand dieser Daten in die Flugbahn 36 hineinsteuert. Eine besonders
vorteilhafte Methode besteht darin, dass die Rohdaten an den Raketenkopf 4 übermittelt
werden und der Steuerrechner 24 die voraussichtliche Flugbahn 36 der ballistischen
Rakete 28 selbst berechnet und in die selbstberechnete Flugbahn 36 einsteuert. Diese
Methode hat den Vorteil, dass eigene Messdaten besonders einfach und fehlerarm mit
diesen Rohdaten verschmolzen werden können, so dass später eine präzisere voraussichtliche
Flugbahn 36 genauer geschätzt werden kann.
[0047] Zur Lenkung auf diese Abstiegsbahn beziehungsweise voraussichtliche Flugbahn 36 der
ballistischen Rakete 28 werden die entsprechenden Daten des externen Sensorsystems
per Uplink dem Steuerrechner 24 zugeführt.
[0048] Spätestens wenn die Abfangrakete 2 beziehungsweise der Raketenkopf 4 auf die voraussichtliche
Flugbahn 36 eingeschwenkt ist und vor der ballistischen Rakete 28 herfliegt, versucht
der Raketenkopf 4 die ballistische Rakete 28 mit Hilfe des Suchkopfs 26 optisch zu
erfassen. Der Raketenkopf 4 befindet sich zu diesem Zeitpunkt beispielsweise in einer
Höhe von ca. 20 km. Es ist dort von einer Infrarot-Reichweite von deutlich mehr als
25 km auszugehen, so dass die anfliegende ballistische Rakete 28 ausreichend lange
vom Suchkopf verfolgt werden kann und die Vorhersage der voraussichtlichen Flugbahn
36 anhand der Daten des Suchkopfs 26 korrigiert werden kann. Bei Vorliegen der korrigierten
beziehungsweise präziser geschätzten voraussichtlichen Flugbahn 36 schwenkt der Raketenkopf
4 auf diese Flugbahn 36 ein und fliegt weiter vor der ballistischen Rakete 28 her.
Über den Suchkopf 26 wird die ballistische Rakete 28 permanent verfolgt und die voraussichtliche
Flugbahn 36 wird in regelmäßigen Abständen korrigiert. Das Bezugszeichen 34 in Fig.
3 bezeichnet vorliegend die Sichtlinie vom Suchkopf 26 zur ballistischen Rakete 28.
[0049] Der Raketenkopf 4 fliegt mit einer Geschwindigkeit von beispielsweise 700 m/s und
stellt sich dem mit großer Geschwindigkeit, z. B. > 1500 m/s, anfliegenden Ziel in
den Weg. Bei diesem Ausführungsbeispiel mit der relativ langsamen Abfangrakete 2 beträgt
die Differenzgeschwindigkeit zwischen den beiden Raketen 4, 28 rund 800 m/s. Selbstverständlich
sind für andere Ausführungsbeispiele und andere Raketen 4, 28 andere Geschwindigkeiten
möglich. Bei einer anfliegenden Mittelstreckenrakete ist mit einer Wiedereintrittsgeschwindigkeit
der Rakete in die Atmosphäre von rund 10 Mach auszugehen. Allerdings wird die anfliegende
Rakete im Laufe des Durchflugs durch die Atmosphäre auf rund 3 Mach heruntergebremst.
[0050] Entsprechend den Fluggeschwindigkeiten der Abfangrakete 2 ist somit ein geeigneter
Zusammentreffbereich der beiden Raketen 4, 28 zu berechnen, der einerseits in großer
Höhe und möglichst weit weg vom zu schützenden Ziel, beispielsweise der Stadt, liegt
und bei dem andererseits die Mittelstreckenrakete bereits eine relativ niedrige Geschwindigkeit
aufweist, um mit verhältnismäßig geringem Aufwand zerstört werden zu können. Die Lage
dieses Bereichs ist selbstverständlich auch abhängig von der erreichbaren Fluggeschwindigkeit
der Abfangrakete 2. Bei der Erfassung des Ziels 28 mit dem Suchkopf 26 ist darauf
zu achten, dass die Rakete 28 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre eine mehr oder
weniger kontrollierte Taumelbewegung ausführt. Entsprechend verläuft die tatsächliche
Flugbahn der ballistischen Rakete 28 auf einer Spirale mit einem Durchmesser von beispielsweise
fünf Metern und einer Durchlauffrequenz von z. B. etwa einem Hertz pro Umdrehung.
Wenn davon ausgegangen wird, dass ein naher Vorbeiflug mit einem Abstand von z. B.
unter drei Metern ausreicht, um die ballistische Rakete 28 zuverlässig zu zerstören,
so ist es nicht notwendig, diese Taumelbewegung der Rakete 28 in die Berechnung der
voraussichtlichen Flugbahn 36 einzubeziehen. Bei der Berechnung der Flugbahn 36 kann
beispielsweise eine mittlere Flugbahn 36 angenommen werden. Wird der Raketenkopf 4
auf dieser Flugbahn 36 gesteuert, so fliegt er in der Mitte der Helixbahn, so dass
bei einem Überholvorgang der ballistischen Rakete 28 an der Abfangrakete 2 beziehungsweise
dem Raketenkopf 4 vorbei der Mindestabstand zwischen den beiden Raketen 4, 28 beispielsweise
maximal 2,5 Meter beträgt.
[0051] In einem besonders einfachen Ausführungsbeispiel wird die Differenzgeschwindigkeit
zwischen den beiden Raketen 4, 28 und der Abstand zwischen ihnen nicht berechnet.
Der Raketenkopf 4 fliegt allein auf Sicht. Ein Zeitpunkt t
1, an dem die ballistische Rakete 28 den Raketenkopf 4 überholt, ist im Voraus nicht
bekannt.
[0052] In Fig. 4 ist allerdings schematisch dargestellt, dass dieser Überholvorgang dennoch
einfach vom Raketenkopf 4 beziehungsweise dem Steuerrechner registriert werden kann.
Zu diesem Zweck ist der Raketenkopf 4 mit mehreren Abstrahl-Sensor-Einheiten 38 (siehe
Fig. 1) ausgestattet. Die von ihnen abgestrahlte Strahlung 40 umgibt den Raketenkopf
strahlenkranzförmig in alle Richtungen, erstreckt sich also um 360° um den Raketenkopf
4. Erreicht die Spitze der ballistischen Rakete 28 diesen Strahlenkranz 40 und reflektiert
die Strahlung zurück zum Raketenkopf 4, so wird die reflektierte Strahlung von der
Abstrahl-Sensor-Einheit 38 registriert. Aufgrund dessen wird von dem Eintreten des
Überholvorgangs ausgegangen. Dieser Zeitpunkt t
1 wird vom Steuerrechner 24 registriert und es wird eine Zeitspanne bis zum Zeitpunkt
t
2 abgewartet, bis die Zündung der Wirkladung 22 initiiert wird. Dies soll bewirken,
dass die Sprengkraft der Wirkladung 22 auf die Nutzlast 42 der ballistischen Rakete
28 gerichtet ist, so dass diese am Ort der Nutzlast 42 getroffen wird, wie durch den
Pfeil vom Raketenkopf 4 in Richtung zur Nutzlast 42 in Fig. 4 angedeutet ist. Für
den Fall einer ungerichteten Detonation der Wirkladung 22 beziehungsweise einer diskusförmigen
Detonation beziehungsweise Ausrichtung der Sprengkraft, ist es nur erforderlich, den
Überholvorgang an sich zu registrieren, also den Zeitpunkt t
1, an dem die ballistische Rakete 28 den Strahlenvorhang 40 durchbricht.
[0053] Um jedoch eine größere Sprengkraft in Richtung der Nutzlast 42 schicken zu können,
ist es vorteilhaft, die Sprengkraft gezielt in eine Richtung zu lenken. Hierfür muss
der Azimutwinkel bekannt sein, an dem die Rakete 28 den Raketenkopf 4 überholt, also
die Richtung, in der der Strahlenvorhang 40 durchbrochen wird. Umfasst die Abstrahl-Sensor-Einheit
38 eine Vielzahl von Abstrahlmitteln beziehungsweise Sensoren, so kann dieser Azimutwinkel
ausreichend fein erfasst werden. Je nachdem welcher der ringförmig um den Raketenkopf
4 angeordneten Sensoren die rückgestreute Strahlung am stärksten erfasst, wird der
Azimutwinkel entsprechend bestimmt und die Sprengrichtung der Wirkladung 22 entsprechend
gesteuert.
[0054] Ein weiterer möglicher Einstellparameter zum gezielten Zerstören der ballistischen
Rakete 28 ist der Elevationswinkel 44, mit dem der Strahlenkranz 40 in die Umgebung
gerichtet ist. Bei dem in Fig.4 gezeigten Ausführungsbeispiel beträgt der Elevationswinkel
44 90°. Es ist jedoch auch denkbar, dass dieser Winkel 44 kleiner als 90°, der Strahlenvorhang
40 also nach hinten ausgerichtet ist. Entsprechend wird ein Überholvorgang früher
erfasst. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Uberholvorgang umso früher
bemerkt wird, je weiter der Abstand zwischen den Raketen 4, 28 ist. Verfügt der Raketenkopf
4 z. B. über eine Einrichtung zur Entfernungsmessung, wie beispielsweise einem Laser
Rangefinder, kann darüber der Abstand zwischen den Raketen 4, 28 ermittelt werden.
Der Elevationswinkel 44 kann dann so eingestellt werden, dass die Sprengwirkung der
Wirkladung 22 stets optimal ist. Wird beispielsweise von einer Wirkladung mit einer
Splittergeschwindigkeit von 2000 m/s ausgegangen, so brauchen die Splitter der Wirkladung
22 umso länger, um die Rakete 28 zu erreichen, je weiter diese vom Raketenkopf 4 entfernt
ist. Es ist also vorteilhaft, die Wirkladung 22 umso früher zu zünden, je weiter der
Abstand zwischen den beiden Raketen 4, 28 ist. Die Differenzgeschwindigkeit zwischen
den Raketen 4, 28 ist beispielsweise bekannt aus der fortgeführten Schätzung der voraussichtlichen
Flugbahn 36, wie in Zusammenhang mit Fig. 3 zuvor beschrieben. Damit kann der Elevationswinkel
44 an diese Differenz angepasst werden. Je größer die Differenzgeschwindigkeit ist,
desto kleiner ist der Elevationswinkel 44 und desto weiter nach hinten ist der Strahlenkranz
40 also gerichtet.
[0055] Um die Wirkung der Wirkladung 22 auf die Rakete 28 weiter zu erhöhen bzw. um einen
Direkttreffer zu erzielen, kann der Raketenkopf 4 durch ein zusätzliches Triebwerk
46 in Form eines Querschubtriebwerks in Richtung auf die überholende ballistische
Rakete 28 gesteuert werden. Dies ist in Fig. 5 schematisch angedeutet. Kurz vor dem
Überholvorgang wird das Triebwerk 46 gezündet und der Raketenkopf 4 wird in die tatsächliche
Flugbahn 48 der Rakete 28 geführt. Hierzu ist es allerdings notwendig, die Taumelbewegung
in die Flugbahnberechnung mit einzubeziehen, um im Voraus zu wissen, in welchen Azimutwinkel
die Rakete 28 überholt. Entsprechend muss der Raketenkopf 4 vor dem Zünden des Querschubtriebwerks
gerollt werden.
[0056] Zur Vorbereitung dieses Roll-Manövers wird mittels aktiver Sensorik die Differenzgeschwindigkeit
und der Abstand zwischen den beiden Raketen 4, 28 zu bestimmt. Hieraus kann ein voraussichtlicher
Auftreffpunkt (PIP) berechnet werden, in den der Raketenkopf 4 nun mittels des Triebwerks
46 eingesteuert wird.
[0057] In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung werden an Stelle einer einzigen Abfangrakete
2 mehrere Abfangraketen 2 gestartet. Dies kann aus einem einzigen Startgerät 32 oder
aus mehreren Startgeräten 32 erfolgen. Entsprechend stehen auch mehrere Raketenköpfe
4 zur Verfügung, die zunächst um die voraussichtliche Flugbahn 36 gruppiert werden.
Hierzu bleiben die Raketenköpfe 4 so weit beabstandet, dass die Entfernung zwischen
ihnen und der anfliegenden ballistischen Rakete 28 mittels Triangulation bestimmt
werden kann, und hieraus auch die Differenzgeschwindigkeit. Auf diese Weise kann auf
aktive Sensorik verzichtet werden und die Raketenköpfe 4 können sich gezielt dem Flugkörper
28 in den Weg stellen.
Bezugszeichenliste
[0058]
- 2
- Abfangrakete
- 4
- Raketenkopf
- 6
- Raketenmotor
- 8
- Lenksystem
- 10
- Flügel
- 12
- Ruder
- 14
- Flügel
- 16
- Trennstelle
- 18
- Treibmittel
- 20
- Fallschirm
- 22
- Wirkladung
- 24
- Steuerrechner
- 26
- Suchkopf
- 28
- ballistische Rakete
- 30
- Flugkörper
- 32
- Startgerät
- 34
- Sichtlinie
- 36
- Flugbahn
- 38
- Abstrahl-Sensor-Einheit
- 40
- Strahlung
- 42
- Nutzlast
- 44
- Elevationswinkel
- 46
- Triebwerk
- 48
- Flugbahn
1. Verfahren zum Abwehren einer anfliegenden ballistischen Rakete (28), bei dem eine
voraussichtliche Flugbahn (36) der ballistischen Rakete (28) ermittelt, eine Abfangrakete
(2) gestartet wird, diese zur voraussichtlichen Flugbahn (36) fliegt und mittels ihrer
Wirkladung (22) die ballistische Rakete (28) im Flug zerstört,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Abfangrakete (2) vor der Zündung der Wirkladung (22) in Flugrichtung der ballistischen
Rakete (28) vor dieser her fliegt.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Zündung der Wirkladung (22) in Abhängigkeit von einem Überholvorgang der ballistischen
Rakete (28) an der Abfangrakete (2) vorbei erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass die ballistische Rakete (28) von zumindest einem weiteren Sensorträger (30) vermessen
wird und aus Messdaten des weiteren Sensorträgers (30) zunächst eine grobe Schätzung
der voraussichtlichen Flugbahn (36) der ballistischen Rakete (28) ermittelt wird,
auf die die Abfangrakete (2) in Flugrichtung der ballistischen Rakete (28) einschwenkt,
die Abfangrakete (2) die ballistische Rakete (28) vermisst und eine präzisere Schätzung
der voraussichtlichen Flugbahn (36) der ballistischen Rakete (28) ermittelt.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die ballistische Rakete (28) von zumindest einem weiteren Sensorträger (30) vermessen
wird und aus der Vermessung abgeleitete Daten vom Sensorträger (30) an die Abfangrakete
(2) übermittelt werden und ein Steuerrechner (24) der Abfangrakete (2) eine grobe
Schätzung der voraussichtlichen Flugbahn (34) der ballistischen Rakete (28) aus den
Messdaten ermittelt und die Abfangrakete (2) auf diese grob geschätzte voraussichtliche
Flugbahn (36) in Flugrichtung der ballistischen Rakete (28) einschwenkt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass ein Zeitpunkt (t1) des Überholvorgangs und eine azimutale Richtung, in der die ballistische Rakete
(28) die Abfangrakete (2) überholt, bestimmt werden, und die Wirkladung (22) in ihrer
Sprengrichtung auf die überholende ballistische Rakete (28) ausgerichtet wird.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass mehrere Abfangraketen (2) nach einem Start in Flugrichtung der ballistischen Rakete
(28) dieser vorausfliegen und die ballistische Rakete (28) jeweils mittels zumindest
eines Sensors vermessen und Messdaten von allen Abfangraketen (2) an zumindest eine
der Abfangraketen (2) weitergeben und eine Entfernung und eine Differenzgeschwindigkeit
der ballistischen Rakete (28) zu zumindest einer der Abfangraketen (2) aus den Messdaten
bestimmt wird.
7. Abfangsystem mit zumindest einer Abfangrakete (2), die einen Raketenmotor (18), einen
Steuerrechner (24), ein Lenksystem (6) und eine Wirkladung (22) aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Steuerrechner (24) dazu vorbereitet ist, eine voraussichtliche Flugbahn (36)
der ballistischen Rakete (28) zu ermitteln und das Lenksystem (6) derart anzusteuern,
dass die Abfangrakete (2) in Flugrichtung der ballistischen Rakete (28) vor dieser
her fliegt.
8. Abfangsystem nach Anspruch 7,
gekennzeichnet durch einen nach hinten gerichteten Suchkopf (26), dessen Blickfeld auf die von der Abfangrakete
(2) bereits durchflogene Flugbahn gerichtet ist.
9. Abfangsystem nach Anspruch 7 oder 8,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Abfangrakete (2) eine Trennstelle (16) zum Abtrennen des Raketenmotors (18) von
einem Raketenkopf (4) aufweist und einen nach hinten gerichteten Suchkopf (26), der
derart am Raketenkopf (4) angeordnet ist, dass er durch das Abtrennen des Raketenmotors
(18) ein freies Blickfeld nach hinten erhält.
10. Abfangsystem nach Anspruch 8 oder 9,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Steuerrechner (24) dazu vorbereitet ist, die von hinten anfliegende ballistische
Rakete (28) mit Hilfe des Suchkopfs (26) zu vermessen und aus Messdaten die voraussichtliche
Flugbahn (36) der ballistischen Rakete (28) zu ermitteln.
11. Abfangsystem nach Anspruch 10,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Steuerrechner (24) dazu vorbereitet ist, eine Taumelbewegung der von hinten anfliegenden
ballistischen Rakete (28) auszublenden und die Abfangrakete (2) auf einer Bahn innerhalb
der voraussichtlichen Taumelbahn der ballistischen Rakete (28) zu steuern.
12. Abfangsystem nach einem der Ansprüche 7 bis 11,
gekennzeichnet,
durch einen Begegnungssensor, der dazu vorbereitet ist, ein Überholen der ballistischen
Rakete (28) zu erkennen.
13. Abfangsystem nach Anspruch 12,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Begegnungssensor Strahler (38) aufweist, die dazu vorbereitet sind, einen aktiven
Strahlenvorhang (40) in die Umgebung zu legen, und der Begegnungssensor dazu vorbereitet
ist, ein Durchbrechen des Strahlenvorhangs durch die ballistische Rakete (28) zu erfassen.
14. Abfangsystem nach einem der Ansprüche 7 bis 13,
gekennzeichnet
durch ein zum Raketenmotor (18) zusätzliches Triebwerk (46), wobei der Steuerrechner (24)
dazu vorbereitet ist, einen Zeitpunkt (t1) des Überholvorgangs und eine azimutale Richtung, in der die ballistische Rakete
(28) die Abfangrakete (2) überholt, im Voraus zu bestimmen und eine Zündung des zusätzlichen
Triebwerks (46) in der Weise zu steuern, dass zumindest die Wirkladung (22) auf die
vorbei fliegende ballistische Rakete (28) zu bewegt wird.