[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Verstärken eines Eingangssignals
in einer Hörvorrichtung durch Vorgeben je einer kanalspezifischen Kompressionskennlinie
in mehreren spektral getrennten Verarbeitungskanälen der Hörvorrichtung, die einen
Zusammenhang zwischen einem Eingangspegel und einem Ausgangspegel im jeweiligen Verarbeitungskanal
der Hörvorrichtung definiert, und Verstärken eines jeweiligen Eingangssignalanteils
der Hörvorrichtung in jedem Verarbeitungskanal in Abhängigkeit von einer kanalspezifischen
Betriebs-Kompressionskennlinie. Unter einer Hörvorrichtung wird hier jedes im oder
am Ohr tragbare, einen Hörreiz verursachende Gerät verstanden, insbesondere ein Hörgerät,
ein Headset, Kopfhörer und dergleichen.
[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen.
Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche
Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem
Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte
oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte
werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt
aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur
Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch
oder elektrisch.
[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z.
B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler,
z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer,
realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert.
Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts
dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere
Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit
3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale
und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen
Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall
wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang
fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des
Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine
ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
[0004] Die Leistungsfähigkeit eines Hörgeräts wird normgemäß (vergleiche IEC 60118-7:2005)
durch den erzielbaren Ausgangsschalldruckpegel bei einem Eingangspegel von 90 dB SPL
(Sound Pressure Level) bestimmt. Die daraus resultierende so genannte OSPL 90-Wiedergabekurve
muss optimal eingestellt werden, um einerseits zu laute Ausgangspegel und zu starke
Verzerrungen des Ausgangssignals zu vermeiden und andererseits einen Betrieb im Sättigungsbereich
des Hörers bei nicht ausreichender Sprachverständlichkeit auszuschließen.
[0005] Im Allgemeinen stehen zwei Verfahren zur Begrenzung des maximalen Ausgangsschalldruckpegels
zur Verfügung, wie dies in
Dillon H.: "Hearing aids" Turramurra, Australien, Boomerang Press (2001) geschildert ist. Zum einen können durch so genanntes "peak clipping" Signalspitzen
abgeschnitten werden. Alternativ kann eine ausgangspegelgesteuerte Dynamikkompression
(compression limiting) mit hoher Kompressionsrate durchgeführt werden, die das Verhältnis
zwischen Eingangspegelbereich zu Ausgangspegelbereich darstellt. In den meisten Fällen
wird die ausgangspegelgesteuerte Dynamikkompression eingesetzt. Nur bei Hörgeräten
zur Versorgung sehr schwerer Hörverluste werden lediglich die Signalspitzen abgeschnitten.
[0006] Allen Verfahren gemeinsam ist der Vergleich des Ausgangsschalldruckpegels mit einer
bestimmten Pegelschwelle. Die jeweiligen Begrenzungsalgorithmen werden dann bei Überschreiten
dieser Pegelschwelle wirksam. Für die Begrenzung durch ausgangspegelgesteuerte Dynamikkompression
kann sowohl eine frequenzabhängige als auch frequenzunabhängige Pegelschwelle vorgegeben
werden. Mit der geeigneten Wahl frequenzabhängiger Pegelschwellen wird der erzielbare
maximale Ausgangsschalldruckpegel in einzelnen Frequenzbereichen optimiert.
[0007] Die Signalverarbeitung in digitalen Hörgeräten erfolgt üblicherweise in mehreren
(z. B. 48 oder 64) Kanälen. Jedem dieser Kanäle ist ein bestimmtes Frequenzband zugeordnet.
In jedem der Kanäle wird dann ein Eingangssignalanteil frequenzabhängig bzw. kanalspezifisch
verarbeitet.
[0008] Die für die Begrenzung frequenzabhängigen bzw. kanalspezifischen (auf die Frequenzbänder
der jeweiligen Kanalsignalverarbeitung umgerechneten) Pegelschwellen liegen im Allgemeinen
unterhalb einer frequenzunabhängigen, d. h. breitbandigen Pegelschwelle, auf die der
breitbandige Gesamtpegel des Ausgangssignals bezogen wird. Neben der kanalspezifischen
Ausgangspegelbegrenzung kann auch die breitbandige Ausgangspegelbegrenzung wirken,
die im Signalfluss nach der frequenzabhängigen bzw. kanalspezifischen Pegelbegrenzung
appliziert wird. Als Folge davon werden jedoch schmalbandige Signale (z. B. Sinustöne)
bei einem niedrigeren Breitbandpegel begrenzt als breitbandige (z. B. rauschartige)
Signale. Dies führt dazu, dass lediglich die frequenzunabhängige Pegelschwelle für
sehr laute breitbandige Eingangssignale wirksam wird. Die damit verbundenen Verzerrungen
sind bei lauten Signalen sehr störend.
[0009] Weiterhin ist bekannt, dass unter der Voraussetzung gleicher Lautheit der Pegel eines
schmalbandigen Signals höher sein muss als der Pegel eines breitbandigen Signals.
So wird z. B. ein Sinussignal bei der Frequenz 1 kHz mit dem Pegel 78 dB SPL gleich
laut zu einem gleichmäßig anregenden Rauschen mit dem Pegel von 60 dB SPL empfunden,
wie dies aus
E. Zwicker, H. Fastl: "Psychoacoustics, Facts and Models", Springer (1999) hervorgeht. Dies steht im Gegensatz zu obigem Verhalten bei einer Ausgangspegelbegrenzung
durch Dynamikkompression mit festen frequenzabhängigen Schwellen für den Ausgangspegel.
Durch diese Begrenzung ist dann die Lautheit eines breitbandigen Signals wesentlich
höher als die eines schmalbandigen Signals.
[0010] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, ein Verfahren zum Verstärken
eines Eingangssignals in einer Hörvorrichtung bereitzustellen, mit dem dem natürlichen
Hörempfinden besser Rechnung getragen werden kann.
[0011] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Verstärken eines
Eingangssignals in einer Hörvorrichtung durch Vorgeben je einer kanalspezifischen
Kompressionskennlinie in mehreren spektral getrennten Verarbeitungskanälen der Hörvorrichtung,
die einen Zusammenhang zwischen einem Eingangspegel und einem Ausgangspegel im jeweiligen
Verarbeitungskanal der Hörvorrichtung definiert, und Verstärken eines jeweiligen Eingangssignalanteils
der Hörvorrichtung in jedem Verarbeitungskanal in Abhängigkeit von einer kanalspezifischen
Betriebs-Kompressionskennlinie, Vorgeben einer kanalspezifischen Eingangspegelschwelle
für jeden Verarbeitungskanal, Festlegen der jeweiligen kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinie
entsprechend der vorgegebenen kanalspezifischen Kompressionskennlinie unterhalb der
kanalspezifischen Eingangspegelschwelle und Festlegen eines jeweiligen Verlaufs der
kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinie mit einem Kompressionsverhältnis
größer 8 oberhalb der kanalspezifischen Eingangspegelschwelle.
[0012] In vorteilhafter Weise erfolgt also das Verstärken eines Eingangssignals kanalspezifisch
in mehreren Verarbeitungskanälen, die jeweils einem Frequenzband entsprechen. Dabei
wird die Kompression kanalspezifisch durch jeweils eine Kompressionskennlinie festgelegt,
die von dem Eingangssignal bzw. dem Anteil des Eingangssignals im jeweiligen Kanal
abhängt. Damit ergibt sich also eine Verstärkung des Eingangssignals, die nicht fest
von dem Ausgangspegel abhängt, sondern von der Natur des Eingangssignals. Damit kann
eine signalspezifische Verstärkung realisiert werden, was dem natürlichen Hörempfinden
eher Rechnung trägt.
[0013] Vorzugsweise wird der Eingangspegel jedes kanalspezifischen Eingangssignalanteils
mit einer Zeitkonstante ermittelt, die wesentlich größer als 250 ms ist. Es liegt
damit eine verhältnismäßig lange Zeitkonstante, d. h. eine langsame Verarbeitung vor,
wodurch Signalverzerrungen vermieden werden.
[0014] Darüber hinaus kann ein kanalspezifischer Ausgangspegelgrenzwert für jeden Verarbeitungskanal
vorgegeben werden, wobei die jeweilige kanalspezifische Kompressionskennlinie einen
festen Abstand zu dem kanalspezifischen Ausgangspegelgrenzwert nicht unterschreitet.
Ein solcher Abstand zu einer vorgegebenen Ausgangspegelgrenze hat den Vorteil, dass
die bestimmte Ausgangspegelgrenze auch dann nicht überschritten wird, wenn der Eingangspegel
insbesondere während einer Einschwingzeit einer gewissen Dynamik unterliegt.
[0015] Dieser feste Abstand der Kompressionskennlinie zu dem kanalspezifischen Ausgangspegelgrenzwert
sollte mindestens 15 dB betragen. Dies ist daher günstig, da Sprachsignale im Mittel
eine Dynamik von +/-15 dB besitzen. Der Abstand sollte daher 15 dB nicht unterschreiten.
[0016] Gemäß einer weiteren Ausführungsform wird ein frequenzunabhängiger Gesamtpegel des
alle Eingangssignalanteile umfassenden Eingangssignals gemessen, ein Zeitpunkt ermittelt,
zu dem der gemessene Gesamtpegel einen vorgegebenen Gesamtpegelschwellwert erreicht,
für den Zeitpunkt in jedem Verarbeitungskanal die jeweilige kanalspezifische Eingangspegelschwelle
entsprechend dem momentanen Pegel des jeweiligen Eingangssignalanteils festgelegt
(wodurch das Vorgeben der kanalspezifischen Eingangspegelschwelle weitergebildet ist),
und es werden die kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinien in allen Verarbeitungskanälen
dementsprechend festgelegt. Dies hat den Vorteil, dass bei höheren Eingangspegeln
die Pegelbegrenzung nicht signalunspezifisch erfolgt. Vielmehr wird also festgestellt,
dass ein Eingangssignal mit hohem Gesamtpegel (breitbandig) vorliegt, und anschließend
erfolgt die Kompression bzw. Begrenzung sehr spezifisch in Abhängigkeit vom Kanal
bzw. von der Frequenz.
[0017] Hierbei kann die kanalspezifische Betriebs-Kompressionskennlinie so lange unverändert
beibehalten werden, wie der gemessene Gesamtpegel größer oder gleich dem Gesamtpegelschwellwert
ist. Wenn also der Gesamtpegel des Eingangssignals sehr hoch bleibt, muss nicht ständig
eine neue Kompressionskennlinie bestimmt werden.
[0018] Darüber hinaus kann jede kanalspezifische Betriebs-Kompressionskennlinie der jeweiligen
vorgegebenen kanalspezifischen Kompressionskennlinie entsprechen, wenn der gemessene
Gesamtpegel unter dem Gesamtpegelschwellwert liegt. Bei niedrigen Gesamtpegeln des
Eingangssignals kann also die vorgegebene Kompressionskennlinie im jeweiligen Kanal
verwendet werden, ohne diese in Abhängigkeit von dem Eingangssignal bzw. Eingangssignalanteil
ermitteln zu müssen.
[0019] Darüber hinaus ist es günstig, wenn in jedem Verarbeitungskanal die Kompression in
einem Pegelintervall unmittelbar unterhalb der jeweiligen kanalspezifischen Eingangspegelschwelle
nahe 1 liegt. Dies hat den Vorteil einer natürlichen Dynamik des Ausgangssignals im
Bereich der frequenzabhängigen bzw. kanalspezifischen Eingangspegelschwelle.
[0020] Ferner kann für jede kanalspezifische Eingangspegelschwelle ein minimaler Pegelwert
vorgegeben werden. Dies hat unter Umständen dann Vorteile, wenn schmalbandige Eingangssignale
vorliegen. In diesem Fall erfolgt die Pegelbegrenzung bzw. starke Kompression nicht
bereits bei sehr kleinen Eingangspegeln.
[0021] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- den schematischen Aufbau einer Hörvorrichtung gemäß dem Stand der Technik;
- FIG 2
- ein Eingangs-Ausgangs-Pegeldiagramm mit einer Verstärkungsbegrenzung oberhalb einer
frequenzabhängigen Eingangspegelschwelle;
- FIG 3
- spektrale Leistungsdichten am Eingang und Ausgang bei einem breitbandigen Signal;
und
- FIG 4
- spektrale Leistungsdichten am Eingang und Ausgang bei identischem breitbandigen Eingangspegel
wie in FIG 3 jedoch einem schmalbandigen Signal.
[0022] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsformen stellen bevorzugte Ausführungsbeispiele
der vorliegenden Erfindung dar.
[0023] In einer Hörvorrichtung und insbesondere in einem Hörgerät wird ein Eingangssignal
typischerweise durch eine Analysefilterbank in mehrere Eingangssignalanteile zerlegt,
und die Eingangssignalanteile werden in mehreren Kanälen frequenzspezifisch weiterverarbeitet.
Es erfolgt also in jedem Kanal eine spezifische Verstärkung. Am Ende der kanalspezifischen
Verarbeitung werden die einzelnen Kanäle in einer Synthesefilterbank zusammengeführt,
woraus schließlich ein breitbandiges Ausgangssignal resultiert.
[0024] Die erfindungsgemäß vorgeschlagene Lösung bezieht sich auf eine eingangsseitige bzw.
eingangsabhängige Begrenzung der Verstärkung zur Reduktion der Verzerrungen bei lauten
breitbandigen Eingangssignalen. Die Begrenzung der Verstärkung wird durch eine Kompressionskennlinie
10 gemäß FIG 2 speziell für jeden Kanal erreicht. Die Kompressionskennlinie 10 ist
frequenzabhängig und damit kanalspezifisch erreicht. Aus der Kompressionskennlinie
10 in dem Eingangs-Ausgangs-Pegeldiagramm ergibt sich der Ausgangspegel L
A der Hörvorrichtung in Abhängigkeit von dem Eingangspegel L
E am Eingang der Hörvorrichtung.
[0025] Auf der Winkelhalbierenden 11 des Eingangs-Ausgangs-Pegeldiagramms entspricht der
Ausgangspegel L
A dem Eingangspegel L
E. Auf der Winkelhalbierenden 11 erfolgt also keine Verstärkung und das Kompressionsverhältnis
beträgt 1. Der vertikale Abstand von der Winkelhalbierenden 11 zu der Kompressionskennlinie
10 entspricht der pegelspezifischen Verstärkung, die durch die Kompressionskennlinie
10 verursacht wird.
[0026] Um nun die eingangsseitige Begrenzung der Verstärkung zu realisieren, wird für jeden
Kanal zusätzlich eine frequenzabhängige bzw. kanalspezifische Eingangspegelschwelle
L
S vorgegeben. Eine solche kanalspezifische Eingangspegelschwelle L
S teilt die tatsächlich im Betrieb verwendete Betriebs-Kompressionskennlinie 10 in
zwei Hälften. Unterhalb der Eingangspegelschwelle L
S entspricht die Betriebs-Kompressionskennlinie 10 einer vorgegebenen Kompressionskennlinie.
Oberhalb der Eingangspegelschwelle L
S weicht die Betriebskompressionskennlinie 10 von der vorgegebenen Kennlinie 12 (gepunktete
Linie in FIG 2) ab. Sie verläuft hier horizontal stetig weiter. Dies entspricht einem
unendlich hohen Kompressionsverhältnis. Für die vorliegende Erfindung genügt es aber,
wenn die Betriebs-Kompressionskennlinie oberhalb der kanalspezifischen bzw. frequenzabhängigen
Eingangspegelschwelle mit sehr geringer Steigung verläuft, nämlich mit einem Kompressionsverhältnis
von mehr als 8. Mit einem derart hohen Kompressionsverhältnis der eingangspegelbezogenen
Dynamikkompression oberhalb der (festen) frequenzabhängigen Eingangspegelschwelle
L
S und einer langsamen Zeitkonstante für die Signalverarbeitung (wesentlich größer 250
ms) ergeben sich Kompressionsverhältnisse, bei denen die statische Verstärkung mit
einer weiteren Zunahme des Eingangspegels über die Eingangspegelschwelle L
S hinaus reduziert wird.
[0027] In FIG 2 ist weiterhin ein frequenzabhängiger Ausgangspegelgrenzwert L
G dargestellt. Er kennzeichnet einen Ausgangspegel, der bei keinem Eingangspegel überschritten
werden soll. Der durch die Hörvorrichtung bzw. das Hörgerät erzeugte Ausgangsschalldruck
soll entsprechend der Betriebs-Kompressionskennlinie 10 mindestens 15 dB unter dem
kanalspezifischen bzw. frequenzabhängigen Ausgangspegelgrenzwert L
G liegen. Dies liegt daran, dass die Sprache im Mittel einen Dynamikbereich von 30
dB (+/- 15dB) besitzt. Da die Messung des Eingangspegels beispielsweise im Bereich
von 1 ms liegt, steht der Arbeitspunkt erst nach einer gewissen Zeit fest. In dieser
Einschwingzeit kann es zu deutlichen Verzerrungen kommen, wenn der Pegel nicht begrenzt
ist.
[0028] Wie bereits angedeutet wurde, entspricht der vertikale Abstand d der Betriebs-Kompressionskennlinie
10 von der Mittelsenkrechten 11 der tatsächlich applizierten Verstärkung beim jeweiligen
Eingangspegel L
E. Bei niedrigen Eingangspegeln erfolgt typischerweise eine höhere Verstärkung als
bei höheren Eingangspegeln. Bei sehr hohen Eingangspegeln wird sogar gedämpft.
[0029] Die in FIG 2 dargestellte Betriebs-Kompressionskennlinie 10 ist kanalspezifisch bzw.
frequenzabhängig und gilt hier für die Frequenz f
1. Für andere Frequenzen kann die jeweilige Kompressionskennlinie einen anderen Verlauf
besitzen.
[0030] Die kanalspezifische Eingangspegelschwelle L
S muss nicht fest eingestellt bzw. vorgegeben sein. Vielmehr kann sie auch in Abhängigkeit
eines breitbandigen Eingangsschalldruckpegels (d. h. des frequenzunabhängigen Gesamteingangspegels)
berechnet werden. Dazu wird beispielsweise in jedem Kanal der Eingangspegel des jeweiligen
Eingangssignalanteils genau dann abgetastet, wenn der zugehörige frequenzunabhängige
bzw. breitbandige Gesamteingangspegel eine vorgegebene frequenzunabhängige Pegelschwelle
(z. B. 15 dB unter dem Ausgangspegelgrenzwert L
G) liegt. Es wird dabei der Knickpunkt 13 der Betriebs-Kompressionskennlinie 10 dynamisch
bestimmt. Demnach kann der Knickpunkt 13 bzw. die dazugehörige Eingangspegelschwelle
L
S in einigen der Verarbeitungskanäle niedrig liegen und in anderen höher liegen.
[0031] Die Auswirkung der dynamischen Festlegung der kanalspezifischen Eingangspegelschwelle
L
S in Abhängigkeit vom Gesamteingangspegel kann anhand der FIG 3 und 4 erläutert werden.
Die FIG 3 und 4 stellen jeweils spektrale Leistungsdichten l am Ausgang 14, 15 und
am Eingang 16, 17 dar. FIG 3 gilt für ein breitbandiges Signal BB (z. B. breitbandiges
Rauschen), während FIG 4 für ein schmalbandiges Signal SB (z. B. Sinuston) gilt. Beide
Signale haben über alle Kanäle addiert den gleichen breitbandigen Gesamteingangspegel,
d. h. die Fläche unter der gestrichelten Kurve 16 entspricht der Fläche unter der
gestrichelten Kurve 17. Dieser Gesamteingangspegel entspricht der Summe der Einzelpegel
und repräsentiert die Gesamtenergie bzw. Gesamtleistung des Eingangssignals. Beispielsweise
wird bei einem Gesamteingangspegel von 90 dB gemessen.
[0032] Die FIG 2 kann schematisch als Schnitt durch die FIG 3 und 4 bei der Frequenz f
1 betrachtet werden. Für einen bestimmten Pegel ergibt sich dann bei der Frequenz f
1 der Abstand d' zwischen Eingang 17 und Ausgang 15.
[0033] Bei einem breitbandigen Rauschen gemäß FIG 3 ist der Abstand zwischen spektraler
Leistungsdichte am Ausgang 14 und am Eingang 16 beispielsweise nahezu konstant. Dies
liegt daran, dass der Eingangspegel L
E kaum über der Frequenz variiert, sodass gemäß FIG 2 auch nahezu immer die gleiche
Verstärkung appliziert wird, und somit auch die spektrale Leistungsdichte am Ausgang
14 nahezu konstant bleibt.
[0034] Besitzt das Eingangssignal jedoch gemäß FIG 4 beispielsweise bei einer Frequenz f2
eine deutlich höhere spektrale Leistungsdichte als bei anderen Frequenzen, so ändert
sich gemäß FIG 2 auch die Verstärkung deutlich über der Frequenz. Da sie typischerweise
bei höheren Pegeln abnimmt, beträgt der Abstand der Kurven 15 und 17 bei der Frequenz
f
2 weniger als bei anderen Frequenzen.
[0035] Wird bei einem breitbandigen Eingangssignal BB gemäß FIG 3 der Schwellwert für den
Gesamteingangspegel erreicht, liegen die Pegel der einzelnen Kanäle gemäß Kurve 16
auf einem mittleren Niveau und es wird gemäß FIG 2 eine entsprechende mittlere Verstärkung
appliziert. Den Energiezuwachs zwischen Eingangssignal und Ausgangssignal repräsentiert
die Fläche zwischen den Kurven 14 und 16.
[0036] Bei dem schmalbandigen Signal SB wird der Schwellwert für den Gesamteingangspegel
erreicht, wenn die Pegel um die Frequenz f
2 sehr hoch sind, während die Pegel außerhalb dieses Maximums verhältnismäßig niedrig
sind. Dementsprechend wird um das Pegelmaximum bei der Frequenz f
2 weniger verstärkt als außerhalb dieses Maximums bei den Frequenzen mit niedrigerem
Pegel. Der gesamte Energiezuwachs ergibt sich wieder aus der Fläche zwischen den Kurven
15 und 17. Da bei dem schmalbandigem Signal vorwiegend niedrige Pegel vorliegen, ergibt
sich über einen Großteil des Spektrums eine größere Verstärkung als bei dem breitbandigen
Signal BB, sodass die Fläche zwischen den Kurven 15 und 17 größer ist als die Fläche
zwischen den Kurven 14 und 16. Dies aber bedeutet, dass der Gesamteingangspegel eines
schmalbandigen Signals mehr verstärkt wird als der Gesamteingangspegel eines breitbandigen
Signals. Damit wird das natürliche Hörempfinden ausgenutzt, denn es wird ein schmalbandiges
Signal mehr verstärkt als ein breitbandiges, wobei das schmalbandige verstärkte Signal
dann auch nicht lauter empfunden wird als das breitbandige verstärkte Signal.
[0037] Bei der Verwendung langsamer Kompressionszeitkonstanten ergeben sich somit für den
Fall der hohen Kompressionsverhältnisse oberhalb der Eingangspegelschwellen L
S vernachlässigbare Signalverzerrungen. Nach Überschreiten der Eingangspegelschwellen
verhindert ein ausreichend dimensionierter Abstand der resultierenden Ausgangspegel
zu den frequenzabhängigen Ausgangspegelgrenzwerten L
G eine Verzerrung sehr lauter Sprachsignale. Nur in einer dynamischen Betrachtung kommt
es kurzzeitig während der Einschwingzeit zu Verzerrungen.
[0038] Durch die Verwendung einer frequenzunabhängigen Gesamteingangspegelschwelle erfolgt
die eingangsseitige Begrenzung unabhängig von der spektralen Verteilung des Signals.
Es werden jedoch unterschiedliche frequenzabhängige Eingangspegelschwellen L
S ermittelt, die von der aktuellen spektralen Verteilung des Signals abhängig sind.
[0039] Gemäß einer Weiterbildung werden in einem definierten Eingangspegelintervall 18 unmittelbar
unterhalb der frequenzabhängigen Eingangspegelschwelle L
S nur Kompressionsverhältnisse nahe 1 verwendet. Die applizierten Verstärkungsfaktoren
sind damit in diesem Intervall pegelunabhängig (gleicher Abstand der Betriebs-Kompressionskennlinie
10 zu der Mittelsenkrechten 11). Darüber hinaus sollte die Verstärkung in diesem Bereich
deutlich abgeschwächt im Vergleich zu den statisch eingestellten Verstärkungsfaktoren
bei sehr niedrigen Pegeln sein. Dadurch ergibt sich in Summe, wie oben dargestellt
wurde, trotz der identischen breitbandigen Gesamteingangspegelschwelle (=Gesamtpegelschwellwert)
ein höherer Ausgangsschalldruckpegel für schmalbandige Signale als für breitbandige
Signale. Die Lautheit der dadurch begrenzten Ausgangssignale ist somit deutlich besser
den psychoakustischen Randbedingungen angeglichen.
1. Verfahren zum Verstärken eines Eingangssignals in einer Hörvorrichtung durch
- Vorgeben je einer kanalspezifischen Kompressionskennlinie (12) in mehreren spektral
getrennten Verarbeitungskanälen der Hörvorrichtung, die einen Zusammenhang zwischen
einem Eingangspegel (LE) und einem Ausgangspegel (LA) im jeweiligen Verarbeitungskanal der Hörvorrichtung definiert, und
- Verstärken eines jeweiligen Eingangssignalanteils der Hörvorrichtung in jedem Verarbeitungskanal
in Abhängigkeit von einer kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinie (10),
gekennzeichnet durch
- Vorgeben einer kanalspezifischen Eingangspegelschwelle (LS) für jeden Verarbeitungskanal,
- Festlegen der jeweiligen kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinie (10) entsprechend
der vorgegebenen kanalspezifischen Kompressionskennlinie (12) unterhalb der kanalspezifischen
Eingangspegelschwelle (LS) und
- Festlegen eines jeweiligen Verlaufs der kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinie
(10) mit einem Kompressionsverhältnis größer 8 oberhalb der kanalspezifischen Eingangspegelschwelle
(LS).
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei der Eingangspegel (LE) jedes kanalspezifischen Eingangssignalanteils mit einer Zeitkonstante ermittelt
wird, die wesentlich größer als 250 ms ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei ein kanalspezifischer Ausgangspegelgrenzwert
(LG) für jeden Verarbeitungskanal vorgegeben wird und die jeweilige kanalspezifische
Betriebs-Kompressionskennlinie (10) einen festen Abstand zu dem kanalspezifischen
Ausgangspegelgrenzwert (LG) nicht unterschreitet.
4. Verfahren nach Anspruch 3, wobei der feste Abstand mindestens 15 dB beträgt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei ein frequenzunabhängiger
Gesamtpegel des alle Eingangssignalanteile umfassenden Eingangssignals gemessen wird,
ein Zeitpunkt ermittelt wird, zu dem der gemessene Gesamtpegel einen vorgegebenen
Gesamtpegelschwellwert erreicht, für den Zeitpunkt in jedem Verarbeitungskanal die
jeweilige kanalspezifische Eingangspegelschwelle (LS) entsprechend dem momentanen Pegel des jeweiligen Eingangssignalsanteils festgelegt
wird, und die kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinien (10) in allen Verarbeitungskanälen
dementsprechend festgelegt werden.
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei die kanalspezifischen Betriebs-Kompressionskennlinien
(10) solange unverändert beibehalten werden, wie der gemessene Gesamteingangspegel
größer oder gleich dem Gesamtpegelschwellwert ist.
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, wobei jede kanalspezifische Betriebs-Kompressionskennlinie
(10) der jeweiligen vorgegebenen kanalspezifischen Kompressionskennlinie (12) entspricht,
wenn der gemessene Gesamtpegel unter dem Gesamtpegelschwellwert liegt.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei in jedem Verarbeitungskanal
das Kompressionsverhältnis in einem Pegelintervall unmittelbar unterhalb der jeweiligen
kanalspezifischen Eingangspegelschwelle (LS) nahe 1 liegt.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei für jede kanalspezifische
Eingangspegelschwelle (LS) ein minimaler Pegelwert vorgegeben wird.