(19)
(11) EP 2 695 806 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.02.2014  Patentblatt  2014/07

(21) Anmeldenummer: 13176327.8

(22) Anmeldetag:  12.07.2013
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B63B 9/00(2006.01)
B63G 13/02(2006.01)
B63G 8/34(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(30) Priorität: 07.08.2012 DE 102012213991

(71) Anmelder: ThyssenKrupp Marine Systems GmbH
24143 Kiel (DE)

(72) Erfinder:
  • Steden, Max
    24105 Kiel (DE)
  • Stäuble, Ulrich
    24232 Schönkirchen (DE)

(74) Vertreter: Patentanwälte Vollmann & Hemmer 
Wallstraße 33a
23560 Lübeck
23560 Lübeck (DE)

   


(54) Verfahren zum schallemissionsarmen Beschleunigen eines propellergetriebenen Wasserfahrzeugs


(57) Das Verfahren zum schallemissionsormen Beschleunigen eines propellergetriebenen Wasserfahrzeugs, insbesondere eines Unterseebootes ist dadurch gekennzeichnet, dass in einer ersten Phase Beschleunigungszustände ermittelt werden, bei denen eine vorbestimmte Schallemission gerade überschritten wird, wonach in einer zweiten Phase Beschleunigungszustände festgelegt werden, bei denen die vorbestimmte Schallemission nicht überschritten wird und danach der oder die Propeller so angesteuert werden, dass die in der zweiten Phase ermittelten Beschleunigungszustände nicht überschritten werden.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum schallemissionsarmen Beschleunigen eines propellergetriebenen Wasserfahrzeugs, insbesondere eines Unterseebootes.

[0002] Insbesondere bei militärischen Unterseebooten ist man bemüht, die Geräuschemission des Bootes so gering wie möglich zu halten, um dessen Ortbarkeit, die unter Wasser nahezu ausschließlich anhand der Schallemissionen erfolgen kann, negativ zu beeinflussen. Deshalb sind insbesondere Schallemissionen vom Propellerantrieb zu vermeiden, da der Propeller außen liegt und somit etwaige Schallemissionen ungedämpft in das umgebende Medium übertragen werden. Dabei sind insbesondere beim Propellerantrieb kavitationsbedingte Emissionen kritisch, bei welchen typischerweise schlagartig das Geräuschniveau erhöht wird. Aber auch bei Überwasserschiffen ist es erstrebenswert, Geräuschemissionen gering zu halten, um Mensch und Natur hierdurch möglichst wenig zu belasten. Schließlich bewirkt Kavitation im Propellerbereich nicht nur Geräuschemissionen sondern regelmäßig auch mechanischen Verschleiß, den es ebenfalls zu vermeiden gilt.

[0003] Bei Propellern, wie Sie in militärischen Unterseebooten eingesetzt werden, zählt es zum Stand der Technik, diese vor ihrem Einsatz schalltechnisch zu untersuchen. Dabei werden sogenannte Kavitationseinsatzdiagramme erstellt, in welchen die dimensionslose Kavitationszahl σn über dem Schubbeiwert KT des jeweiligen Betriebszustandes in Relation zur Kavitationseinsatzgrenze dargestellt sind. Diese Diagramme geben eine qualitative Aussage über die kavitationsbedingte Schallemission eines Propellers, sind jedoch zum einen nur für stationäre Zustände ausgelegt und zum anderen an Board regelmäßig nicht verfügbar, da sie für die Steuerung des Fahrzeugs nicht verwertbar sind. Die schallemissionsarme, d. h. kavitationsfreie Beschleunigung erfolgt also in der Praxis ohne technische Grundlage, also ausschließlich erfahrungsbedingt, wobei im Einsatzfall auch nur ein kurzzeitiges Überschreiten dieser Kavitationsgrenze fatale Folgen haben kann. In der Praxis wird daher sicherheitshalber ein recht großer Abstand eingehalten, was allerdings dazu führt, dass die erreichbaren Beschleunigungen des Fahrzeugs sowohl in positiver als auch in negativer Richtung (Abbremsen) deutlich unter dem technisch Möglichen liegen.

[0004] Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, welches einerseits sicherstellt, dass vorbestimmte Schallemissionen durch den Propeller im normalen Fahrbetrieb nicht überschritten werden, andererseits jedoch das technisch mögliche Beschleunigungsvermögen des Fahrzeugs besser ausnutzt, als dies bisher der Fall ist.

[0005] Diese Aufgabe wird gemäß der Erfindung durch ein Verfahren mit den in Anspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen sowie in der nachfolgenden Beschreibung angegeben.

[0006] Das erfindungsgemäße Verfahren zum schallemissionsarmen Beschleunigen eines propellergetrieben Wasserfahrzeugs, insbesondere eines Unterseebootes, ist dadurch gekennzeichnet, dass in einer ersten Phase Beschleunigungszustände ermittelt werden, bei denen eine vorbestimmte Schallemission gerade überschritten wird, wonach dann in einer zweiten Phase Beschleunigungszustände festgelegt werden, bei denen die vorbestimmte Schallemission nicht überschritten wird, und schließlich im normalen Fahrbetrieb der oder die Propeller so angesteuert werden, dass die in der zweiten Phase ermittelten Beschleunigungszustände nicht überschritten werden. Das erfindungsgemäße Verfahren ist sowohl für positive Beschleunigung, also für eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit, als auch für negative Beschleunigung, also das Abbremsen einsetzbar.

[0007] Grundgedanke der vorliegenden Erfindung ist es, zunächst einmal in der ersten Phase die Beschleunigungszustände zu ermitteln, bei denen eine vorbestimmte Schallemission gerade überschritten wird. Diese vorbestimmte Schallemission ist typischerweise die, die sich durch die Kavitationsgrenze ergibt, d. h. die vorbestimmte Schallemission liegt typischerweise unter der Kavitationsgrenze, sodass mit Überschreiten der vorbestimmten Schallemission, die Kavitationsgrenze ebenfalls überschritten wird und typischerweise die Schallemission stark ansteigt. Diese Grenze ist technisch, insbesondere wenn diese, was bevorzugt der Fall ist, kavitationsbedingt gegeben ist, gut zu ermitteln, sei es durch Schallmessung, sei es durch Beobachtung der Propellerflügel, an denen sich kavitationsbedingt Blasen bilden oder sei es auch durch elektrische Messung. Es kann also gegebenenfalls die vorbestimmte Schallemission auch indirekt ermittelt werden, indem Kavitationszustände detektiert werden.

[0008] In einer zweiten Phase werden dann Beschleunigungszustände festgelegt, bei denen die vorstimmte Schallemission nicht überschritten wird. Es wird also anhand der in der ersten Phase ermittelten Beschleunigungszustände ein kleiner, jedoch sicher ausreichender Abstand gewählt, um die Beschleunigungszustände festzulegen, bei denen die vorbestimmte Schallemission nicht überschritten wird. Schließlich wird dann im normalen Fahrbetrieb der Propeller so angesteuert, dass die in der zweiten Phase ermittelten Beschleunigungszustände nicht überschritten werden. Das erfindungsgemäße Verfahren kann grundsätzlich in einfachster Form manuell ausgeführt werden, indem entsprechende Tabellen, Kurven bereit gestellt werden, anhand derer der Fahrzeugführer ermitteln kann, wie weit er in der jeweiligen Betriebssituation beschleunigen darf oder nicht. Vorteilhaft erfolgt das Verfahren jedoch implementiert in eine elektronische Steuerung, welche zum einen wesentliche mehr Größen zueinander erfassen kann, welche die Beschleunigungszustände bestimmen, zum anderen entsprechend begrenzend oder korrigierend in die Antriebssteuerung des Propellers eingreifen kann.

[0009] Vorteilhaft ist jeder der Beschleunigungszustände durch mehrere Größen bestimmt. Je mehr relevante Größen zur Bestimmung des Beschleunigungszustandes herangezogen werden, um so mehr kann an die kritische Kavitationsgrenze angenähert werden. So ist die Kavitationsgrenze beim Beschleunigen am Propeller eines Unterseebootes nicht nur von der Geschwindigkeit des Bootes abhängig, sondern von einer Vielzahl weiterer Größen. Je weiter sich die Propellerdrehzahl an die dieser entsprechenden Schiffsgeschwindigkeit angepasst hat, umso größer kann die nachfolgende Beschleunigung sein. Auch ist die mögliche Beschleunigung unterhalb der Kavitationsgrenze in großer Tauchtiefe größer als in oberflächennahem Wasser. Es sind daher gemäß der Erfindung mehrere Größen zur Bestimmung eines Beschleunigungszustandes heranzuziehen. Dies können vorteilhaft
  1. a) die Geschwindigkeit des Fahrzeugs,
  2. b) die Tauchtiefe des Fahrzeugs,
  3. c) die Wasserqualität des umgebenden Wassers,
  4. d) die Ruderstellung des Fahrzeugs,
  5. e) Trimm- und Gierwinkel des Fahrzeugs,
  6. f) die Propellerdrehzahl,
  7. g) der Propellerschub,
  8. h) das Propellermoment,
  9. i) das Trägheitsmoment des Antriebsstrangs und/oder
  10. j) die Motorleistung des Antriebs sein.


[0010] Die vorgenannten Größen sind insbesondere im Zusammenhang mit einem Unterseeboot von Belang, es handelt sich hierbei nicht jedoch um eine abschließende, sondern nur um eine beispielhafte Aufzählung. So können hinsichtlich der Wasserqualität die Dichte, die Temperatur, die Viskosität, der Luftgehalt, die Salinität und andere geeignete Größen herangezogen werden.

[0011] Vorteilhaft werden durch Variation der vorgenannten Größen entsprechende Beschleunigungszustände ermittelt, die dann in einem mehrdimensionalen Diagramm abgelegt werden und zwar in Form der in der zweiten Phase festgelegten Beschleunigungszustände in Abhängigkeit der jeweiligen Größen, so, dass eine unzulässig hohe Schallemission gerade nicht auftritt.

[0012] Es versteht sich, dass ein solches mehrdimensionales Diagramm durch Fahrversuche nur bedingt erfasst werden kann, da mit zunehmender Anzahl der verwendeten Größen die Komplexität des Diagramms und damit auch die Zahl der Kombinationen wächst. Es sind also zum einen die ermittelten Werte in geeigneter Weise zu interpolieren bzw. in mathematische Zusammenhänge zu fassen, zum anderen die Abhängigkeiten der Größen zueinander zu erfassen, um dann geeignete Rechenregeln oder Tabellen aufzustellen, welche ein Beschleunigungsverfahren ermöglichen, das schallemissionstechnisch optimiert ist, insbesondere im Hinblick auf Kavitationserscheinungen.

[0013] Dabei können gemäß der Erfindung ein oder mehrere Beschleunigungszustände kennzeichnende Größen durch praktische Fahrversuche ermittelt werden. Ein Teil der Größen wird jedoch rechnerisch ermittelt werden müssen, da ersichtlich in einem vorgegebenen Zeitabschnitt nicht alle erdenklichen Größenkombinationen abgefahren werden können. Auch werden ein oder mehrere Beschleunigungszustände kennzeichnende Größen gemäß der Erfindung durch Modellversuche ermittelt werden. Modellversuche können dabei entweder Versuche sein, bei denen Dimensionsänderungen erfolgen, wie beispielsweise bei Schleppkanalversuchen, aber auch Versuche, bei denen beispielsweise ein Antriebspropeller unabhängig vom Fahrzeug in einem Strömungskanal untersucht wird.

[0014] Vorteilhaft, werden gemäß einer Weiterbildung des erfindungsmäßen Verfahrens die bestimmenden Größen für die in der zweiten Phase festgelegten Beschleunigungszustände in einem digitalen Speicher einer elektronischen Steuerung abgelegt, welche die möglichen Steuereingriffe entsprechend den in der zweiten Phase festgelegten Beschleunigungszuständen begrenzt. Eine solche Steuerung kann ohne weiteres in die elektronische Motorsteuerung integriert werden, sodass eine automatische Begrenzung der Beschleunigung entsprechend den bestimmenden Größen erfolgt.

[0015] Das erfindungsgemäße Verfahren kann grundsätzlich für beliebige propellergetrieben Wasserfahrzeuge einsetzt werden, besonders vorteilhaft wird es beim Betrieb eines militärischen Unterseeboots eingesetzt, um die vom Propeller ausgehende Signatur des Bootes im Hinblick auf eine maximal mögliche Beschleunigung zu minimieren. Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren können Kavitationsgrenzen für unterschiedliche Betriebszustände ermittelt und hinsichtlich der Beschleunigung berücksichtigt werden, sodass im Vergleich zum Stand der Technik eine wesentlich höhere Beschleunigung des Fahrzeugs möglich ist, ohne dadurch die Schallemission merklich zu erhöhen, insbesondere ohne in den schallemissionsintensiven Kavitationsbereich zu gelangen.


Ansprüche

1. Verfahren zum schallemissionsarmen Beschleunigen eines propellergetriebenen Wasserfahrzeugs, insbesondere eines Unterseebootes, bei dem in einer ersten Phase Beschleunigungszustände ermittelt werden, bei denen eine vorbestimmte Schallemission gerade überschritten wird, wonach in einer zweiten Phase Beschleunigungszustände festgelegt werden, bei denen die vorbestimmte Schallemission nicht überschritten wird und danach der oder die Propeller so angesteuert werden, dass die in der zweiten Phase ermittelten Beschleunigungszustände nicht überschritten werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem jeder Beschleunigungszustand durch mehrere Größen bestimmt ist.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem ein Beschleunigungszustand durch eine oder mehrere der folgenden Größen bestimmt ist:

a) Geschwindigkeit des Fahrzeugs,

b) Tauchtiefe des Fahrzeugs,

c) Wasserqualität des umgebenden Wassers,

d) Ruderstellung des Fahrzeugs,

e) Trimm- und Gierwinkel des Fahrzeugs,

f) Propellerdrehzahl,

g) Propellerschub,

h) Propellermoment,

i) Trägheitsmoment des Antriebsstrangs,

j) Motorleistung des Antriebs.


 
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem mittels der die Beschleunigungszustände kennzeichnenden Größen ein mehrdimensionales Diagramm gebildet wird, in welchem die in der zweiten Phase festgelegten Beschleunigungszustände angegeben sind.
 
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem ein oder mehrere Beschleunigungszustände kennzeichnende Größen durch Fahrversuche ermittelt werden.
 
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem ein oder mehrere Beschleunigungszustände kennzeichnende Größen rechnerisch ermittelt werden.
 
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem ein oder mehrere Beschleunigungszustände kennzeichnende Größen durch Modellversuche ermittelt werden.
 
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die vorbestimmte Schallemission durch die Kavitationsgrenze bestimmt ist.
 
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die bestimmenden Größen für die in der zweiten Phase festgelegten Beschleunigungszustände in einem digitalen Speicher einer elektronischen Steuerung abgelegt sind, welche die möglichen Steuereingriffe entsprechend den in der zweiten Phase festgelegten Beschleunigungszuständen begrenzt.