[0001] Die Erfindung betrifft eine zylindrische Sprengladung für ein Wirksystem bestehend
aus Anteilen von RDX oder HMX, einem Metallpulver und einem Kunststoff-Binder.
[0002] Moderne und unempfindliche Sprengladungen bestehen überwiegend aus den Sprengstoffen
RDX (Hexogen) oder HMX (Oktogen), welche mit Kunststoffbindern wie beispielsweise
HTPB (Hydroxyl-Terminiertes Polybutadien), wodurch eine hohe Unempfindlichkeit gegen
Stoßwellen erreicht wird. Eine Erhöhung der Druckwirkung, üblicherweise als Blaststeigerung
bezeichnet, wird durch Zumischung von Metallpulvern wie beispielsweise Aluminium,
Bor, Silizium oder Magnesium erreicht.
[0003] Aus Viskositätsgründen können die Massenanteile des Metallpulvers im Verhältnis zu
den anderen Sprengladungsanteilen jedoch nicht beliebig gesteigert werden. Insbesondere
dann nicht, wenn die Korngröße des Metallpulvers im Mikrometer-Bereich liegt, da dann
das Oberflächen- zu Volumenverhältnis stark zunimmt, d.h. die zu benetzende Oberfläche
des Metallpulvers überproportional anwächst. Kleine Korngrößen sind aber interessant
für die Steigerung der Blastwirkung.
[0004] Eine Alternative hierzu sind so genannte "Mantelladungen", bei denen das Metallpulver
als Mantelschicht um eine konventionelle Kernladung angebracht wird. Das Metallpulver
füllt also ein Hohlzylindervolumen um einen Sprengladungskern aus. Aufgrund der Detonation
der Kernladung wird dieser Metallpulvermantel durch die durchlaufende Stoßwelle aufgeheizt
und anschließend lateral nach außen beschleunigt. Hierbei wird das Metallpulver zu
einer Verbrennungsreaktion initiiert und im weiteren Verlauf mehr und mehr mit der
umgebenden Luft vermischt und durch den Luft-Sauerstoff am Brennen gehalten. Durch
die dabei entstehenden heißen Gase wird die Blastleistung zunehmend gesteigert.
[0005] Mantelladungen werden hauptsächlich für die Anwendung in Innenräumen wie beispielsweise
Bunker oder Gebäude eingesetzt. Die begrenzenden Wände reflektieren die entstehenden
Luft-Stoßwellen immer wieder zurück in den Feuerball, wobei das Brennstoff- / Luftgemisch
weiter aufgeheizt und mit der Luft verwirbelt wird. Überdies begrenzen die Wände das
Volumen und verhindern so eine adiabatische Expansion des Verbrennungsvolumens, welche
das Brennstoffgemisch abkühlen und dadurch unter Umständen den Abbruch der chemischen
Reaktionen erzwingen können.
[0006] Der konkrete Aufbau einer solchen Ladung beinhaltet jedoch eine hohe Anzahl möglicher
Parametervariationen, die es ermöglichen, eine solche Ladung bzgl. der Blastleistung
zu optimieren. Beispiele hierfür sind zum einen Designparameter wie etwa das Verhältnis
von Kern- zu Mantelmasse, Art der Kernladung und dergleichen mehr. Aber zum anderen
spielen auch verfahrenstechnische Parameter eine Rolle, wie etwa Aufbau und Beschaffenheit
des Mantels, d.h. des Binders für das Pulvermaterial. Es muss neben der Blastleistung
auch die physikalische Haltbarkeit der Mantel-Ladung über einen langen Zeitraum gewährleistet
sein und dennoch auch die Reproduzierbarkeit der BlastLeistungsfähigkeit sichergestellt
sein.
[0007] Daraus ergibt sich jedoch für einen Fachmann keine konkrete Angabe, für welchen Anwendungszweck
er im Rahmen der angegebenen Bandbreiten ein Optimum an Leistungsabgabe erwarten darf.
Es ist ohne Zweifel, dass innerhalb der angegebenen Bandbreiten eine mehr oder weniger
hohe Leistung erzielt werden kann, es wird jedoch kein Hinweis darauf gegeben, bei
welcher Zusammensetzung der Sprengladung das Optimum für eine bestimmte Anwendung
erwartet werden darf.
[0008] Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, einen neuartigen Ladungsaufbau
im Rahmen der bereits angesprochenen Optimierung der Parameter zu entwickeln, bei
dem innerhalb einer geringen Bandbreite die maximal mögliche Blastleistung erzielbar
ist.
[0009] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Merkmalskombination gelöst, mit einem
zylindrischen Sprengladungskern, bestehend aus RDX (Hexogen) oder HMX (Oktogen) mit
einem Gewichtsanteil von 85-96 Gew. % (je nachdem ob die Herstellung des Ladungskerns
im Gieß- bzw. Pressverfahren erfolgt: entsprechend max. 90 bzw. 96 Gew. %) vermischt
mit einem Kunststoffbinder mit einem Gewichtsanteil von 15-4 Gew. % aus HTPB (Hydroxyl-Terminiertes
Polybutadien), und einem rohrförmigen, den zylindrischen Sprengladungskern unmittelbar
umgebenden Mantel aus einem Metallpulver wie Aluminium, Bor, Silizium oder Magnesium,
wobei das Mittel der Korngrößen des Metallpulvers bei so genannten mono-modalen Mischungen
bei 4 µm +/- 10% liegt, und bei bimodalen Mischungen zusätzlich noch eine Komponente
höherer Korngröße von im Mittel 35 µm +/- 10% beinhaltet, mit einem Anteil von grob:fein
von typisch 2:1, und einem Gewichtsanteil des Kunststoffbinders HTPB (Hydroxyl-Terminiertes
Polybutadien) gegenüber dem Metallpulver von 30% +/- 10 %, wobei das Verhältnis von
Länge zu Außendurchmesser (L/D) des zylindrischen Sprengladungskerns im Bereich von
L/D = 1 - 5 liegt, und wobei das Verhältnis µ der Masse des Mantels (M
M) zur Masse des Sprengladungskerns (M
K) im Bereich von µ = 1,9 bis 3,3 liegt.
[0010] Vorteilhafte Weiterbildungen sind den nachgeordneten Ansprüchen zu entnehmen.
[0011] Durch umfangreiche Versuchsreihen konnten Designrichtlinien erarbeitet werden, mit
deren Hilfe der neuartige Ladungsaufbau entwickelt wurde, dessen einzelne Komponenten
im Folgenden erfindungsgemäß definiert werden.
[0012] Eine zylinderförmige Sprengladung hat sich als ausreichend erwiesen, um eine gute
Blastleistung in Räumen zu erzeugen. Hierbei kann ein Ladungslängen- zu Außendurchmesser-Verhältnis
(L/D) von 1 - 5 angestrebt werden, ohne Blastleistungs-Einbußen hinnehmen zu müssen.
Nahe liegende äußere Formgebungen, die das Durchmischen mit der Luft theoretisch fördern
könnten (beispielsweise Zick-Zack-Hüllenformen), bringen keine weiteren Vorteile.
[0013] Der Sprengladungskern hat bei seiner Detonation die Aufgabe, den aus Metall bestehenden
Mantel durch die durchlaufende Stoßwelle aufzuheizen, ihn zugleich zur Verbrennungs-Reaktion
zu initiieren und ihn radial nach außen zu beschleunigen. Im weiteren Verlauf wird
das teilweise brennende Metallpulver-Gemisch mit der Luft verwirbelt, so dass eine
optimale schnelle Verbrennung von statten geht. Der Sprengladungskern soll also so
brisant als möglich, aber auch unempfindlich sein. Kunststoffgebundene Sprengladungen
(gegossen bzw. gepresst) mit 85 - 96 Gew. % HMX-Anteilen und 15 - 4 Gew. % Binderanteilen
(bevorzugt HTPB) eignen sich am besten.
[0014] Neben der Sprengladungsart des Sprengladungskerns ist dessen Masse (M
K) relativ zur Mantelmasse (M
M) der wichtigere und interessantere Parameter, da dieser tatsächlich optimiert und
damit die Blastleistung maximiert werden kann:
[0015] Zum einen sollte die Kernladungsmasse so groß wie möglich sein, da dann die Geschwindigkeit
und Durchwirbelung mit der Luft maximal ist: das Verhältnis µ = M
M / M
K ist in der Ballistik als so genanntes Gurney-Verhältnis bekannt und bestimmt die
Geschwindigkeit der abgehenden Mantelmasse M
M. Ein kleines µ ist für hohe Geschwindigkeiten gut.
[0016] Zum anderen darf die Kernmasse aber auch nicht zu groß werden (das µ nicht zu klein),
da sonst wiederum die Mantelmasse zu gering ist, diese aber für die hohe Blastleistung
hauptverantwortlich ist.
[0017] Ein µ-Bereich von 1.9 bis 3.3 hat sich als optimal herausgestellt. Massenverhältnisse
außerhalb dieses Bereiches sind ebenfalls möglich, bei dann halt reduzierter Blastleistungsfähigkeit.
[0018] Der Mantel mit der Masse M
M bietet das größte Optimierungspotential hinsichtlich Blastleistung, aber auch hinsichtlich
verfahrenstechnischer Belange, wie Reproduzierbarkeit etc..
[0019] Das Material muss aus Metallpulvern hoher Verbrennungswärme bestehen. Prinzipiell
kommen also alle Metallpulver hoher Verbrennungswärme in Frage, die bereits oben genannt
wurden (z.B. Al, B, Si, Mg usw.). Diese können theoretisch als Brennstoff eingesetzt
werden. In der Praxis ergeben sich allerdings weitere Auswahlkriterien und Merkmale,
die gewisse Metallpulver vor anderen in dieser Anwendung auszeichnen. Diese Kriterien
sind vielfältig.
[0020] Aluminium-Pulver hat sich als bewährtes Material und als sehr gut geeignet hinsichtlich
der Blastleistung herausgestellt. Die Korngrößenvariation ergab beste Werte bei mono-modalen
Mischungen im Bereich von einigen Mikrometern (Mittelwert etwa 4 µm) und bei bi-modalen
Mischungen mit noch einer zusätzlichen Komponente höherer Korngröße (Mittelwert etwa
35 µm), mit einem Anteil von grob:fein von typisch 2:1.
[0021] Größere Körner können ebenfalls benutzt werden, brennen aber in der Regel zu langsam
und zu lange, was sich negativ auf die Blastleistung auswirkt. Bei kleineren Körnern
im Nanometer-Bereich kommt die ganze Palette an Problemen der Nano-Technologie zum
Tragen: relative dicke Oxidschicht, hohe Kosten, schlechte Verarbeitbarkeit, hoher
notwendiger Binderanteil, problematische Gesundheitsaspekte etc..
[0022] Bor hat bzgl. hoher Verbrennungswärme deutliche Vorteile gegenüber allen anderen
Metall-Pulvern. Die Zugabe von Aluminium-Pulver wirkt hier katalysierend. Die Testserie
zeigte ähnlich gute Blastergebnisse wie mit Aluminium, sobald das Bor zu B/AI-Pulvermischungen
im Verhältnis von etwa 1/5 bis 3/5, mit Maximum bei 2/5, verarbeitet wurde.
[0023] Der aus Metallpulver bestehende Mantel hat in ungebundener Pulverform gewisse Vorteile
bzgl. der Verbrennung. Die Hohlräume zwischen den Pulverkörnern wirken als so genannte
"Hot-Spots" für die Initiierung der Verbrennung. Es ergeben sich allerdings auch deutliche
Nachteile, die bewirken, dass das Pulver mit Kunststoff-Binder gebunden werden muss.
[0024] Gebundene Pulver erzielen sogar weitere Vorteile:
- energetische Bindermaterialien liefern nicht nur Strukturfestigkeit, sondern nehmen
auch am Verbrennungsprozess teil und liefern somit weitere Blastenergie.
- Die Dichte des Mantelmaterials wird reproduzierbar und damit verbunden die Blastleistung
konstant.
- die Strukturfestigkeit des Mantel-Materials lässt kleinere äußere Hüllenwand-Stärken
zu.
[0025] Ein sehr gutes Ergebnis kann mit dem Binder HTPB (Hydroxyl-Terminiertes Polybutadien)
erzielt werden. HTPB nimmt auch an der chemischen Reaktion teil. Die großen Vorteile
aber sind die verfahrenstechnisch leichte Verarbeitbarkeit und die feste Phase des
HTPB, erwirkt durch die ablaufende Polymerisation des Binders. Damit einher geht die
Strukturfestigkeit. HTPB zeigt somit deutlich bessere Vorteile gegenüber DOA (Dioctyladipat)und
IPN (Isopropylnitrat). Als geeignetste Zusammensetzung von Metall-Pulver zu HTPB haben
sich Massen-% im Bereich von etwa 70% zu 30% ergeben, wobei einige Prozentpunkte in
beiden Richtungen keine Resultatsverschlechterung ergeben.
[0026] Es genügt somit die gesamte Mantelladung (Kern und Mantel) zum Schutz in z.B. dünne
Aluminium-Hüllen einzulaborieren. Der feste Mantel gibt genügend Strukturfestigkeit
um Handlings/Transport-, Abschuss- und Perforations-Belastungen widerstehen zu können.
[0027] Ein zweites völlig anderes Konzept der Bindung und des Schutzes der Metallpulver-Matrix
ist deren Sinterung, ohne Zugabe von organischen Bindermaterialien wie z.B. HTPB.
Das Sinterungsverfahren ist nicht das klassische Verfahren, das zu einem kontinuierlichen
porenfreien Metallstück führt, sondern vielmehr dergestalt, dass eine starke Stoßwelle
(verursacht durch die Detonation der Kernladung) das teilgesinterte Metallpulver wieder
in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, wodurch seine anschließende Verbrennung unbehindert
ablaufen kann. Die Machbarkeit derartiger Sintertechnologien wurde bereits experimentell
erbracht. Es handelt sich hierbei um eine Art "Verklebung" (durch Anschmelzung) der
einzelnen Metallpartikel.
[0028] Die so gesinterte Metallpulver-Hülle verleiht der Ladung analog zum Verfahren mit
HTPB-Binder Strukturfestigkeit. Darüber hinaus weist diese Sintermatrix zusätzlich
Luftporen auf, die als "Hot Spots" wirken und die Verbrennung dadurch weiter anregen
und unterstützen. Es kann die komplette Metallpulver-Hülle auf diese Weise gesintert
werden, oder aber nur der äußere Bruchteil, der für die Strukturfestigkeit maßgeblich
ist.
[0029] Bei Bedarf kann auch hier eine dünne Al-Abschlußhülle zum erweiterten Schutz der
Ladung vorgesehen werden.
1. Leistungsgesteigerte zylindrische Sprengladung bestehend aus RDX (Hexogen) oder HMX
(Oktogen), vermischt mit einem Kunststoffbinder HTPB und einem Metallpulver wie Aluminium,
Bor, Silizium oder Magnesium,
gekennzeichnet durch:
- einen zylindrischen Sprengladungskern, bestehend aus RDX (Hexogen) oder HMX (Oktogen)
mit einem Gewichtsanteil von 85-96 Gew. % vermischt mit einem Kunststoffbinder mit
einem Gewichtsanteil von 15-4 Gew. % aus HTPB (Hydroxyl-Terminiertes Polybutadien),
- einen rohrförmigen, den zylindrischen Sprengladungskern unmittelbar umgebenden Mantel
aus einem Metallpulver wie Aluminium, Bor, Silizium oder Magnesium, wobei das Mittel
der Korngrößen des Metallpulvers bei 4 µm +/- 10% liegt,
- einen Gewichtsanteil des Kunststoffbinders HTPB (Hydroxyl-Terminiertes Polybutadien)
gegenüber dem Metallpulver von 30% +/- 10 %,
- wobei das Verhältnis von Länge zu Außendurchmesser (L/D) des zylindrischen Sprengladungskerns
im Bereich von L/D = 1 - 5 liegt,
- wobei das Verhältnis µ der Masse des Mantels (MM) zur Masse des Sprengladungskerns
(MK) im Bereich von µ = 1,9 bis 3,3 liegt,
2. Leistungsgesteigerte zylindrische Sprengladung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprengladungskern einen Gewichtsanteil 58 % ± 5% von Hexogen (RDX) und einen
Gewichtsanteil 27 % ± 5% von Metallpulver wie beispielsweise Aluminium, Bor, Silizium
oder Magnesium aufweist, wobei der Rest zu 100% aus einem Kunststoff-Binder HTPB
(Hydroxyl-Terminiertes Polybutadien) besteht.
3. Leistungsgesteigerte zylindrische Sprengladung bestehend aus RDX (Hexogen) oder HMX
(Oktogen), vermischt mit einem Kunststoffbinder HTPB und einem Metallpulver wie Aluminium,
Bor, Silizium oder Magnesium,
gekennzeichnet durch:
- einen zylindrischen Sprengladungskern, bestehend aus RDX (Hexogen) oder HMX (Oktogen)
mit einem Gewichtsanteil von 85-96 Gew. % vermischt mit einem Kunststoffbinder mit
einem Gewichtsanteil von 15-4 Gew. % aus HTPB (Hydroxyl-Terminiertes Polybutadien),
- einen rohrförmigen, den zylindrischen Sprengladungskern unmittelbar umgebenden Mantel
aus einem Metallpulver wie Aluminium, Bor, Silizium oder Magnesium, wobei das Mittel
der Korngrößen des Metallpulvers bei 4 µm +/- 10% liegt, und wobei zumindest eine
Teilmenge der Körner des Metallpulvers infolge einer Sinterung aneinander haftend
verbunden ist,
- wobei das Verhältnis von Länge zu Außendurchmesser (L/D) des zylindrischen Sprengladungskerns
im Bereich von L/D = 1 - 5 liegt,
- wobei das Verhältnis µ der Masse des Mantels (MM) zur Masse des Sprengladungskerns
(MK) im Bereich von µ = 1,9 bis 3,3 liegt,
4. Leistungsgesteigerte zylindrische Sprengladung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Mantel von einer dünnwandigen Aluminium-Hülle umgeben ist.