(19)
(11) EP 2 802 158 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.11.2014  Patentblatt  2014/46

(21) Anmeldenummer: 14155511.0

(22) Anmeldetag:  18.02.2014
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
H04R 25/00(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(30) Priorität: 19.04.2013 DE 102013207161

(71) Anmelder: Siemens Medical Instruments Pte. Ltd.
Singapore 139959 (SG)

(72) Erfinder:
  • Kellermann, Walter
    90542 Eckental (DE)
  • Meier, Stefan
    90482 Nürnberg (DE)
  • Reindl, Klaus
    01277 Dresden (DE)
  • Aubreville, Marc
    90478 Nürnberg (DE)
  • Fischer, Eghart
    91126 Schwabach (DE)
  • Kamkar Parsi, Homayoun
    91058 Erlangen (DE)
  • Puder, Henning
    91052 Erlangen (DE)

(74) Vertreter: Maier, Daniel Oliver 
Siemens AG Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Nutzsignalanpassung in binauralen Hörhilfesystemen


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems (100) sowie ein Hörhilfesystem (100) mit wenigstens zwei Hörhilfegeräten (110, 110'), zwischen denen ein Signalpfad vorgesehen ist, und mit wenigstens einer Signalverarbeitungseinheit (3, 3'), die zur Verarbeitung von Audiosignalen vorgesehen ist. In dem erfindungsgemäßen Verfahren filtert die Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') erste Audiosignale mit einem für eine gegebene Raumrichtung, aus der ein Nutzsignal eintrifft, vorbestimmten Filter (31, 31'), sodass zweite Audiosignale erzeugt werden, in denen die Anteile des Nutzsignals in den zweiten Audiosignalen in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind als in den ersten Audiosignalen. Anschließend werden die zweiten Audiosignale mit einem adaptiven Filter (32, 32') gefiltert, sodass dritte Audiosignale erzeugt werden, in denen die Anteile des Nutzsignals in einem noch höheren Maß aneinander angeglichen sind als in den zweiten Audiosignalen.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems sowie ein Hörhilfesystem mit wenigstens zwei Hörhilfegeräten, zwischen denen ein Signalpfad vorgesehen ist, und mit wenigstens einer Signalverarbeitungseinheit, die zur Verarbeitung von Audiosignalen vorgesehen ist.

[0002] In vielen Fällen betrifft eine Schwerhörigkeit beide Ohren, der Hörgeschädigte sollte beidohrig (binaural) mit Hörgeräten versorgt werden. Moderne Hörgeräte verfügen dabei über Signalverarbeitungsalgorithmen, die abhängig von der Hörsituation die Parameter der Hörgeräte automatisch variieren. Bei der binauralen Versorgung wird dabei die Hörsituation an beiden Ohren bewertet.

[0003] Lärm und Störgeräusche sind im täglichen Leben allgegenwärtig und erschweren die Sprachkommunikation, insbesondere wenn eine Beeinträchtigung des natürlichen Hörvermögens vorliegt. Daher sind Techniken wünschenswert, die zwar Lärm und Störgeräusche unterdrücken, aber die erwünschten Geräusche und Töne, im Folgenden auch als Nutzsignale bezeichnet, möglichst wenig verändern.

[0004] Die bekannten Ausführungsformen von Techniken zur Unterdrückung von Lärm und Störgeräuschen erfordern zur wirksamen Unterdrückung der Störgeräusche Signale mit möglichst identischen Nutzsignalanteilen. In der Praxis werden die verschiedenen Signale jedoch von einer Mehrzahl unterschiedlicher Mikrofone erfasst, die auf den beiden Hörhilfegeräten angeordnet sind. Die von diesen Mikrofonen erfassten Nutzsignale unterscheiden sich aufgrund von Hall in der Umgebung und durch den akustischen Einfluss des Kopfes des Trägers wesentlich. Die Folge ist, dass nachgeschaltete Verfahren zur Unterdrückung der Störgeräusche nicht effektiv arbeiten und insbesondere, wenn es sich um adaptive Verfahren handelt, diese nur sehr langsam oder gar nicht konvergieren. Dies führt zu einer schlechten Unterdrückung der Störgeräusche und zusätzlichen akustischen Artefakten durch die Störgeräuschunterdrückung.

[0005] Ein adaptives Verfahren zur Unterdrückung von Störgeräuschen ist beispielsweise aus der Veröffentlichung von H. Teutsch, G.W. Elko "First- and second-order adaptive differential microphone arrays", 7th International Workshop on Acoustic Echo and Noise Control (IWAENC), pp. 35-38, Darmstadt, Germany Sep. 2001 bekannt, in der ein Least-Mean-Square- (LMS-) Verfahren zur Minimierung der Störgeräusche angewandt wird.

[0006] Ein Verfahren zur blinden Quellentrennung mittels Wiener Filter ist aus der Patentanmeldung EP 2211563 A1 bekannt.

[0007] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zum Betrieb eines Hörgerätesystems sowie ein Hörgerätesystem zu schaffen, durch welche die Störgeräuschunterdrückung in binauralen Hörhilfesystemen verbessert wird.

[0008] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Der das Hörhilfesystem betreffende Teil der Aufgabe wird gelöst durch die Merkmale des Anspruchs 12.

[0009] Das erfindungsgemäße Verfahren betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems mit mindestens zwei Hörhilfegeräten. Die Hörhilfegeräte weisen einen Wandler zur Aufnahme eines akustischen Signals und Wandlung in ein jeweils erstes Audiosignal auf. Das Hörhilfesystem weist weiterhin eine Signalverarbeitungsvorrichtung zur Verarbeitung von Audiosignalen auf, sowie eine Signalverbindung zur Übertragung eines ersten Audiosignals von jedem Hörhilfegerät zu der Signalverarbeitungseinrichtung. Das akustische Signal weist ein Nutzsignal auf, welches aus einer gegebenen Raumrichtung bezüglich des Hörhilfesystems eintrifft. In dem erfindungsgemäßen Verfahren filtert die Signalverarbeitungsvorrichtung die ersten Audiosignale mit einem für die gegebene Raumrichtung vorbestimmten Filter, sodass zweite Audiosignale erzeugt werden, wobei das vorbestimmte Filter derart ausgelegt ist, dass die Anteile des Nutzsignals in den zweiten Audiosignalen in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind als in den ersten Audiosignalen; und

[0010] Filtern der zweiten Audiosignale mit einem adaptiven Filter, sodass dritte Audiosignale erzeugt werden, wobei das adaptive Filter derart ausgelegt ist, dass die Anteile des Nutzsignals in den dritten Audiosignalen in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind als in den zweiten Audiosignalen.

[0011] Das erfindungsgemäße Verfahren liefert in dem ersten Schritt zweite Audiosignale, in denen die Anteile des Nutzsignals in höherem Maß als in den ersten Audiosignalen aneinander angeglichen sind. Auf vorteilhafte Weise konvergiert daher das adaptive Filter des zweiten Schritts wesentlich schneller und liefert daher dritte Audiosignale, in denen die Angleichung der Nutzsignale noch weiter verbessert ist. Dies ermöglicht nachfolgenden Störunterdrückungsverfahren ausgehend von diesen dritten Audiosignalen, bessere Referenzsignale für das Nutz- und Störsignal zu bilden und Störgeräusche fast vollständig zu unterdrücken. Durch die Vorbearbeitung der ersten Audiosignale in dem vorbestimmten Filter erlaubt das erfindungsgemäße Verfahren kürzere adaptive Filter mit geringerem Bedarf an Rechenleistung und eine schnellere Konvergenz des adaptiven Filters, was auf vorteilhafte Weise eine Anpassung an schnell wechselnde Umgebungsbedingungen erlaubt.

[0012] Das erfindungsgemäße Hörhilfesystem zur Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens teilt dessen Vorzüge.

[0013] Vorteilhafte Weiterbildungen des Verfahrens und des Hörgerätesystems sind in den Unteransprüchen angegeben.

[0014] So weist in einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung die Signalverarbeitungsvorrichtung Mittel zum Aufteilen der ersten Audiosignale in erste Audiosignale in vorgegebenen Frequenzbereiche auf, wobei die Schritte des erfindungsgemäßen Verfahrens für jedes Audiosignal in einem Frequenzbereich getrennt ausgeführt werden.

[0015] Dies ermöglicht es, das vorbestimmte Filter und das adaptive Filter für den jeweiligen Frequenzbereich zu optimieren sowie das Verfahren in die Architektur einer Hörhilfe mit einer Frequenzgang-Korrektur entsprechend der Beeinträchtigung des Patienten zu integrieren.

[0016] In einer möglichen Ausführungsform ist das vorbestimmte Filter durch eine vorbestimmte Anzahl an vorbestimmten Koeffizienten definiert.

[0017] Ein Filter mit einer vorbestimmten Koeffizientenzahl ist einfach zu implementieren und benötigt in vorteilhafter Weise nur einen geringen Speicherplatz.

[0018] In einer Ausführungsform ist es denkbar, dass die vorbestimmte Anzahl der vorbestimmten Koeffizienten in unterschiedlichen Frequenzbereichen unterschiedlich ist.

[0019] So kann auf vorteilhafte Weise der Bedarf an Rechenleistung für das vorbestimmte Filter optimiert werden, indem nur in Frequenzbereichen mit entsprechenden Störgeräuschen eine genauere Filterung erfolgt. Darüber hinaus wird der Speicherbedarf für das Filter weiter reduziert.

[0020] In einer bevorzugten Ausführungsform sind vorbestimmte Koeffizienten für das vorbestimmte Filter für mindestens zwei vorbestimmte Raumrichtungen vorbestimmt.

[0021] Es ist daher auf einfache Weise möglich, das vorbestimmte Filter von einer Richtung, in die die Filterung besonders effektiv erfolgt, auf eine andere Richtung umzuschalten, wenn beispielsweise die Quelle für das Nutzsignal den Standort ändert.

[0022] In einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist dieses weiterhin einen Schritt zur Abschätzung einer Raumrichtung des Nutzsignals auf, wobei in dem Schritt des Filterns der ersten Audiosignale das vorbestimmte Filter durch die Koeffizienten vorbestimmt wird, deren zugeordnete vorbestimmte Raumrichtung am nächsten bei der abgeschätzten Raumrichtung liegt.

[0023] So kann auf vorteilhafte Weise das vorbestimmte Filter auf verschiedene vorbestimmte Raumrichtungen eingestellt werden, wobei jeweils die gewählte Raumrichtung der Raumrichtung der Quelle des Nutzsignals am nächsten liegt, sodass das vorbestimmte Filter eine optimale Filterwirkung erzielt.

[0024] In einer möglichen Ausführungsform des Verfahrens wird aus den zweiten und/oder dritten Audiosignalen durch Differenzbildung ein Referenzsignal für ein Störgeräusch abgeleitet.

[0025] Dabei ist es von Vorteil, dass in den zweiten Audiosignalen durch das vorbestimmte Filter beziehungsweise in den dritten Audiosignalen durch das adaptive Filter bereits die Anteile des Nutzsignals in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind, sodass sich diese durch die Differenzbildung nahezu vollständig aufheben und ein reineres Referenzsignal für das Störgeräusch bereitgestellt wird. Beispielsweise erzeugen nachfolgende Verfahren zur Unterdrückung von Störgeräuschen bei Verwendung dieser Referenzsignale weniger Artefakte und ein reineres Nutzsignal.

[0026] In einer möglichen Ausführungsform des Verfahrens wird aus den zweiten und/oder dritten Audiosignalen durch Summenbildung ein Referenzsignal für ein Nutzsignal abgeleitet.

[0027] Dabei ist es von Vorteil, dass in den zweiten Audiosignalen durch das vorbestimmte Filter beziehungsweise in den dritten Audiosignalen durch das adaptive Filter bereits die Anteile des Nutzsignals in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind, sodass bei Addition ein Signal mit einem besseren Signal-Rauschverhältnis zur Verfügung steht.

[0028] In einer möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das Referenzsignal für ein Nutzsignal zur Erkennung einer Sprachaktivität genutzt.

[0029] Wegen des besseren Signal-Rauschverhältnisses erlaubt das Referenzsignal für das Nutzsignal beispielsweise bei einer Verwendung zur Erkennung einer Sprachaktivität (VAD, voice activity detection) eine sicherere Erkennung.

[0030] In einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist das vorbestimmte Filter ein Filter mit endlicher Impulsantwort (Finite Impulse Response, FIR).

[0031] Ein FIR-Filter weist vorteilhafter weise keine Schwingungsneigung auf und stellt daher unter allen Umständen eine Konvergenz eines bereitgestellten Signals sicher.

[0032] Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele, die im Zusammenhang mit den Zeichnungen näher erläutert werden.

[0033] Es zeigen:
Fig. 1
eine schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Hörhilfesystems;
Fig. 2
ein Ablaufdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens;
Fig. 3
eine schematische Darstellung der Funktionsaufteilung einer Ausführungsform des binauralen Hörhilfesystems;
Fig. 4
eine schematische Darstellung für einen Testaufbau zur Bestimmung der richtungsabhängigen vorbestimmten Filterkoeffizienten.


[0034] Fig. 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines erfindungsgemäßen Hörhilfesystems 100. Das Hörhilfesystem 100 weist zwei Hörhilfegeräte 110, 110'auf. In ein Hörgerätegehäuse 1, 1' zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2, 2' zur Aufnahme des Schalls bzw. akustischer Signale aus der Umgebung eingebaut. Die Mikrofone 2, 2' sind Wandler 2, 2' zur Umwandlung des Schalls in erste Audiosignale. Eine Signalverarbeitungseinheit 3, 3', die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1, 1' integriert ist, verarbeitet die ersten Audiosignale. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3, 3' wird an einen Lautsprecher bzw. Hörer 4, 4' übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3, 3' erfolgt durch eine ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1, 1' integrierte Batterie 5, 5'.

[0035] Weiterhin weist das Hörhilfesystem 100 eine Signalverbindung 6 auf, die ausgelegt ist, ein erstes akustisches Signal von der Signalverarbeitungseinrichtung 3 zu der Signalverarbeitungseinrichtung 3' zu übertragen. Dabei ist es in der bevorzugten Ausführungsform vorgesehen, dass auch Signalverarbeitungseinrichtung 3' ein erstes akustisches Signal zu der Signalverarbeitungseinrichtung 3 in Gegenrichtung überträgt. Weiterhin ist es denkbar, dass die Signale mehrerer oder aller Mikrofone 2, 2' jeweils zu dem anderen Hörhilfegerät 110, 110' zu übertragen.

[0036] Als Signalverbindung 6 sind drahtgebundene, optische oder auch drahtlose Verbindungen wie z.B. Bluetooth denkbar.

[0037] Fig. 2 zeigt ein schematisches Ablaufdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens in der Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3'.

[0038] In Schritt S10 wird eine Raumrichtung eines Nutzsignals von der Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' abgeschätzt. Dies kann beispielsweise durch Zeit- bzw. Phasenunterschiede für ein markantes Signal in den ersten Audiosignalen erfolgen. Denkbar ist auch eine Analyse der Amplitude dieses markanten Signals in den ersten Audiosignalen. Aus der geschätzten Raumrichtung des Nutzsignals wählt die Signalvorrichtung eine Raumrichtung aus einer Menge von vorgegebenen Raumrichtungen, die der geschätzten Raumrichtung des Nutzsignals am nächsten liegt. Ist kein markantes Signal vorhanden, wird eine Abschätzung der Raumrichtung zu einem früheren Zeitpunkt verwendet oder eine vorbestimmte Richtung, z.B. in gerader Richtung vor dem Gesicht des Trägers des Hörhilfesystems ausgewählt. Auch ist es denkbar, nur bei einem mehrfachen Auftreten eines markanten Signals mit gleichen Merkmalen eine neue Abschätzung der Raumrichtung zu übernehmen.

[0039] In Schritt S20 erfolgt eine Filterung der ersten Audiosignale durch das vorbestimmte Filter 31. Dabei nutzt das vorbestimmte Filter 31 vorbestimmte Filterkoeffizienten für die gegebene Raumrichtung des Nutzsignals. Beispielsweise kann für jedes Element aus der Menge der gegebenen Raumrichtungen ein Satz von vorbestimmten Filterkoeffizienten für das vorbestimmte Filter 31 in einer Look-Up-Tabelle hinterlegt sein. Als Ergebnis des Schrittes S20 stellt das vorbestimmte Filter 31 zweite Audiosignale bereit. In diesen zweiten Audiosignalen ist das Nutzsignal durch die Anwendung des vorbestimmten Filters 31 bereits als Signalanteil in erhöhtem Maß angeglichen (engl. equalize), das heißt, die Unterschiede in Amplitude und Phase des Nutzsignals sind zwischen den einzelnen zweiten Audiosignalen geringer als zwischen den entsprechenden ersten Audiosignalen. Unter realen Umgebungsbedingungen lässt sich damit ein Ausgleich im Bereich von 5 - 10dB erreichen.

[0040] In Schritt S30 filtert das adaptive Filter 32 die zweiten Audiosignale. Als adaptives Filter kann beispielsweise das von Teutsch und Elko beschriebene Least-Mean-Square- (LMS-) Verfahren zur Minimierung der Störgeräusche angewandt werden. Aufgrund der Vorfilterung durch das vorbestimmte Filter 31 kann der Filtereffekt durch das adaptive Filter 32 geringer ausfallen. Daher kann beispielsweise ein Filter mit weniger Koeffizienten angewandt werden, weshalb ein Algorithmus zur adaptiven Anpassung der Filterkoeffizienten auf die zweiten Audiosignale schneller konvergiert.

[0041] Als Ergebnis des Schrittes S30 stellt das adaptive Filter 32 dritte Audiosignale bereit. In diesen dritten Audiosignalen ist das Nutzsignal durch die Anwendung des adaptiven Filters 32 bereits als Signalanteil in erhöhtem Maß angeglichen, das heißt, die Unterschiede in Amplitude und Phase des Nutzsignals sind zwischen den einzelnen dritten Audiosignalen noch geringer als zwischen den entsprechenden zweiten Audiosignalen.

[0042] In einem Schritt S40 kann in einer denkbaren Ausführungsform durch Differenzbildung von dritten Audiosignale ein Referenzsignal für ein Störgeräusch gebildet werden, welches in einem Schritt S50 durch ein Störunterdrückungsverfahren genutzt wird, um Störgeräusche in den Audiosignalen zu unterdrücken, bevor diese über den Hörer 4 als akustische Signale ausgegeben werden. Durch die Filterung ist das Nutzsignal in den verschiedenen Anteilen des dritten Audiosignals nahezu identisch, sodass es sich bei der Differenzbildung fast vollständig auslöscht. Daher kommt es bei dem nachfolgenden Störunterdrückungsverfahren kaum zu Artefakten, die das Nutzsignal verzerren.

[0043] Es ist auch denkbar, dass in einem Schritt S60 durch Summenbildung von dritten Audiosignalen ein Referenzsignal für das Nutzsignal generiert wird. Da die Anteile des Nutzsignals durch das Filtern angeglichen sind, die Störungen aber statistisch verteilt sind, wird durch Addition das Nutzsignal gegenüber den Störungen weiter hervorgehoben. Daher weist das in Schritt S60 gewonnene Referenzsignal für das Nutzsignal ein besseres Signal-Rauschverhältnis auf und kann in einem weiteren Schritt S70 zur Erkennung einer Sprachaktivität (voice actvity detection) herangezogen werden.

[0044] Die Schritte S10 bis S70 können auf Audiosignale angewendet werden, die einen einzigen durchgehenden Frequenzbereich aufweisen. In einer bevorzugten Ausführungsform erfolgt jedoch erst eine Aufteilung der ersten Audiosignale in unterschiedliche Frequenzbereiche, bevor auf die einzelnen Frequenzbereiche alle oder einzelne der Schritte S10 bis S70 angewendet werden. Dies hat den Vorteil, dass es bei einer Hörhilfe zum Ausgleich einer Hörschwäche des Patienten für einzelne Frequenzbereiche eine unterschiedliche Verstärkung und anderweitige Signalverarbeitung, beispielsweise eine Dynamikkompression anzuwenden. Mittel zum Aufteilen der Audiosignale in Frequenzbereiche sind daher meist bereits vorhanden und die Schritte S10 bis S70 lassen sich leicht in den vorhandenen Verarbeitungsprozess einbinden. Es ist aber auch denkbar, dass einzelne Schritte, wie z.B. Schritt S10 zur Abschätzung einer gegebenen Raumrichtung, für alle Frequenzen gemeinsam erfolgt.

[0045] Fig. 3 zeigt eine entsprechende schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Hörhilfesystems 100 mit einer Frequenzaufteilung.

[0046] Auf der linken Seite ist in Fig. 3 der Kopf 200 eines Patienten mit einer Anordnung von je zwei Mikrofonen 2, 2' auf jeder Seite des Kopfes dargestellt. Die weiteren Funktionsblöcke sind dann nicht mehr in ihrer relativen Position zum Kopf angegeben.

[0047] Die ersten Audiosignale der Mikrofone 2, 2' werden über eine Signalverbindung 6 beiden Hörhilfegeräten 110, 110' und der Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3'zugeführt. In einer Analysefilterbank 10, 10', die in den Signalverarbeitungseinheiten 3, 3'realisiert ist, wird jedes der vier ersten Audiosignale in jedem Hörhilfegerät 110, 110' in eine Mehrzahl von Frequenzbändern aufgeteilt. Für die einzelnen Frequenzbereiche der ersten Audiosignale führt die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' den Schritt S20 aus, der durch den Funktionsblock des vorbestimmten Filters 31, 31' dargestellt ist. Die zweiten Audiosignale werden dem adaptiven Filter 32, 32'zugeführt, der den Schritt S30 auf die einzelnen Frequenzbereiche der zweiten Audiosignale ausführt und dritte Audiosignale bereitstellt. Vor einer Wandlung in akustische Signale, die über die Hörer 4, 4' ausgegeben werden, erfolgt in der Synthesefilterbank 33, 33'eine Synthese der einzelnen Frequenzbereiche der dritten Audiosignale, sodass wieder vier dritte Audiosignale mit jeweils einem einzigen, zumindest Teile des Hörbereichs umfassenden Frequenzbereich entstehen.

[0048] Die Analysefilterbank 10, 10', die die ersten Audiosignale in Frequenzbereiche aufteilt, kann beispielsweise durch eine Kurzzeit-Fouriertransformation realisiert sein. Die weitere Verarbeitung der zweiten und dritten Audiosignale erfolgt dann im Kurzzeit-Fourierbereich, bevor sie in der Synthesefilterbank 33, 33'wiederum durch beispielsweise eine inverse Kurzzeit-Fouriertransformation zu einem Audiosignal zusammengesetzt werden.

[0049] Die in Fig. 3 dargestellte Aufteilung der Funktionsblöcke ist dabei nur beispielhaft. So wäre es auch denkbar, dass die Signalverbindung 6 nicht der Signalverarbeitungseinheit 3, 3'vorgeschaltet ist, sondern die Signalverarbeitungseinheit 3, 3'selbst Protokolle, Signalisierung und Schnittstellen bereitstellt, sodass lediglich die physikalische Verbindungsebene der Signalverbindung 6 außerhalb der Signalverarbeitungseinheit 3, 3' stattfindet.

[0050] Ebenso wäre es möglich, dass lediglich ein Hörhilfegerät 110, 110' des Hörhilfesystems 100 die Signalverarbeitungseinheit 3 zur Durchführung der Schritte S10 bis S70 ausgelegt ist, während sich die andere Signalverarbeitungseinheit 3' auf eine Bereitstellung der ersten Audiosignale und die Übertragung der Audiosignale über die Signalverbindung 6 beschränkt. So könnte beispielsweise der Energieverbrauch für eine parallele Verarbeitung aller Signale in beiden Hörhilfegeräten 110, 110'vermieden werden. Auch andere Architekturen, beispielsweise mit einer zentralen, abgesetzten Signalverarbeitungseinheit 3 sind vorstellbar.

[0051] Fig. 4 zeigt noch eine schematische Darstellung für einen Testaufbau zur Bestimmung der richtungsabhängigen vorbestimmten Filterkoeffizienten. Die Filter 31 sind vorbestimmt, beispielsweise durch vorbestimmte Filterkoeffizienten. Diese Filterkoeffizienten können entweder durch eine Modellrechnung theoretisch bestimmt werden, oder durch Messungen und adaptive Verfahren im Labor bestimmt und in der Signalverarbeitungseinheit 3, 3'durch Tabellen abgelegt werden. In Fig. 4 ist ein künstlicher Kopf 200 (z.B. KEMAR) dargestellt, an dem Mikrofone 2, 2'angeordnet sind. Eine nicht dargestellte Messvorrichtung nimmt die Audiosignale der Mikrofone in Abhängigkeit von der durch den Winkel Φ angegebenen Raumrichtung einer Signalquelle 120 auf, die ein Nutzsignal als Schall emittiert. Durch Modellierungs- und Optimierungsverfahren kann dann ein Satz an Koeffizienten bestimmt werden, der für vorbestimmte Raumrichtungen unter den idealisierten Bedingungen der Messung die Anteile des Nutzsignals in den zweiten Audiosignalen angleicht. In dem Hörhilfesystem 100 kann später über den Schritt S10 eine Raumrichtung einer realen Nutzsignalquelle abgeschätzt und in dem vorbestimmten Filter 31 der entsprechende Koeffizientensatz für eine der geschätzten Raumrichtung am nächsten liegende vorbestimmte Raumrichtung ausgewählt und zur Filterung angewendet werden. Da die realen Bedingungen von den idealen Bedingungen der Messung abweichen, wird das Angleichen der Anteile des Nutzsignals in den zweiten Audiosignalen nicht vollständig erreicht, weshalb das erfindungsgemäße Verfahren ein nachfolgendes adaptives Filter 32, 32' vorsieht.

[0052] Obwohl die Erfindung im Detail durch das bevorzugte Ausführungsbeispiel näher illustriert und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.


Ansprüche

1. Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems (100) mit mindestens zwei Hörhilfegeräten (110, 110'), wobei die Hörhilfegeräte (110, 110') einen Wandler (2, 2') zur Aufnahme eines akustischen Signals und Wandlung in ein jeweils erstes Audiosignal aufweisen, wobei das Hörhilfesystem (110, 110') eine Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') zur Verarbeitung von Audiosignalen aufweist und das Hörhilfesystem eine Signalverbindung zur Übertragung eines ersten Audiosignals von jedem Hörhilfegerät (110, 110') zu der Signalverarbeitungseinrichtung (3, 3') aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') folgende Schritte zur Angleichung von Anteilen eines Nutzsignals in den aufgenommenen Audiosignalen des akustischen Signals in dritten Audiosignalen ausführt, wobei das Nutzsignal aus einer gegebenen Raumrichtung bezüglich des Hörhilfesystems eintrifft:

Filtern der ersten Audiosignale mit einem für die gegebene Raumrichtung vorbestimmten Filter (31, 31'), sodass zweite Audiosignale erzeugt werden, wobei das vorbestimmte Filter (31, 31') derart ausgelegt ist, dass die Anteile des Nutzsignals in den zweiten Audiosignalen in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind als in den ersten Audiosignalen; und

Filtern der zweiten Audiosignale mit einem adaptiven Filter (32, 32'), sodass dritte Audiosignale erzeugt werden, wobei das adaptive Filter (32, 32') derart ausgelegt ist, dass die Anteile des Nutzsignals in den dritten Audiosignalen in einem höheren Maß aneinander angeglichen sind als in den zweiten Audiosignalen.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Signalverarbeitungsvorrichtung Mittel (10, 10') zum Aufteilen der ersten Audiosignale in erste Audiosignale in vorgegebenen Frequenzbereiche aufweist und die Schritte des Anspruchs 1 für jedes Audiosignal in einem Frequenzbereich getrennt ausgeführt werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei das vorbestimmte Filter (31, 31') durch eine vorbestimmte Anzahl an vorbestimmten Koeffizienten definiert ist.
 
4. Verfahren nach Anspruch 2 und 3, wobei die vorbestimmte Anzahl der vorbestimmten Koeffizienten in unterschiedlichen Frequenzbereichen unterschiedlich ist.
 
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei vorbestimmte Koeffizienten für das vorbestimmte Filter für mindestens zwei vorbestimmte Raumrichtungen vorbestimmt sind.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei das Verfahren weiterhin einen Schritt zur Abschätzung einer Raumrichtung des Nutzsignals aufweist und in dem Schritt des Filterns der ersten Audiosignale das vorbestimmte Filter (31, 31') durch die Koeffizienten vorbestimmt wird, deren zugeordnete vorbestimmte Raumrichtung am nächsten bei der abgeschätzten Raumrichtung liegt.
 
7. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei aus den zweiten und/oder dritten Audiosignalen durch Differenzbildung ein Referenzsignal für ein Störgeräusch abgeleitet wird.
 
8. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei aus den zweiten und/oder dritten Audiosignalen durch Summenbildung ein Referenzsignal für ein Nutzsignal abgeleitet wird.
 
9. Verfahren nach Anspruch 8, wobei das Referenzsignal für ein Nutzsignal zur Erkennung einer Sprachaktivität genutzt wird.
 
10. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei das vorbestimmte Filter (31, 31') ein Filter mit endlicher Impulsantwort ist.
 
11. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei das adaptive Filter (32, 32') ein Least-Mean-Square- (LMS-) Verfahren zur Minimierung der Störgeräusche anwendet.
 
12. Hörhilfesystem (100) mit mindestens zwei Hörhilfegeräten (110, 110'), wobei die Hörhilfegeräte (110, 110') einen Wandler (2, 2') zur Aufnahme eines akustischen Signals und Wandlung in ein jeweils erstes Audiosignal aufweisen, wobei das Hörhilfesystem eine Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') zur Verarbeitung von Audiosignalen aufweist und das Hörhilfesystem eine Signalverbindung zur Übertragung eines ersten Audiosignals von jedem Hörhilfegerät (110, 110') zu der Signalverarbeitungseinrichtung (3, 3') aufweist,
wobei das Hörhilfesystem (100) ausgelegt ist, das Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11 auszuführen.
 




Zeichnung














Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur