(19)
(11) EP 2 827 094 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.01.2015  Patentblatt  2015/04

(21) Anmeldenummer: 14002294.8

(22) Anmeldetag:  04.07.2014
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F42C 19/08(2006.01)
F42C 19/02(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(30) Priorität: 15.07.2013 DE 102013011786

(71) Anmelder: TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme mbH
86529 Schrobenhausen (DE)

(72) Erfinder:
  • Graswald, Markus
    D-85051 Ingolstadt (DE)

   


(54) Vorrichtung zur gesteuerten Initiierung der Deflagration einer Sprengladung


(57) Eine Vorrichtung zur Auslösung einer Deflagration einer Sprengladung eines Wirksystems lässt sich durch Maßnahmen an die Konfiguration der Sprengladung und, sofern vorhanden, ihre Hülle soweit anpassen, dass eine sichere Deflagration der gesamten Sprengladung erreicht wird.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur gesteuerten Initiierung der Deflagration einer in einer Hülle angeordneten Sprengladung, umfassend wenigstens eine im Bereich der Längsachse der Sprengladung verlaufende Detonationsschnur.

[0002] Aus der DE 100 08 914 C2 ist eine dosierbare Sprengladung für einen Gefechtskopf mit zwei unterschiedlichen Zündeinrichtungen bekannt geworden. Während die erste Zündeinrichtung die Sprengladung detonativ initiiert, ist die weitere, gegenläufig ausgerichtete Zündeinrichtung so ausgelegt, dass höchstens eine subdetonative Initiierung erfolgen kann. Auch die Verwendung von wenigstens einer Detonationsschnur für diesen Zweck ist hieraus bekannt. In der Praxis haben sich einige Probleme ergeben, die im Extremfall zum Erlöschen der Initiierung oder zur komplett detonativen Initiierung führen können.

[0003] Die US 2012/0227609 A1 beschreibt ein Zündsystem mit zwei unterschiedlichen Zündeinrichtungen. Die erste Zündeinrichtung ist konventionell für die detonative Auslösung der Sprengladung ausgelegt. Die örtlich gegenüber liegende zweite Zündeinrichtung ist für eine deflagrative Initiierung der Sprengladung dimensioniert. Da in diesem Zündsystem das selbe Bauprinzip mit gegenüber liegenden Zündstellen verwendet wird, von denen aus die Detonationswellen gegeneinander laufen, treten auch hier die bereits bekannten Mängel auf.

[0004] Dem gegenüber liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Zündvorrichtung zu entwickeln, die in der Lage ist, eine deflagrative Initiierung über die gesamte Länge der Sprengladung aufrecht zu erhalten, ohne dass die Deflagrationsreaktion in axialer oder radialer Richtung in einen Abbrand übergeht, ausstirbt oder in eine Detonation umschlägt.

[0005] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass die Detonationsschnur als Sprengladungskern ausgeführt ist. Hieraus ergeben sich diverse Gestaltungsmöglichkeiten, die in den weiteren Ansprüchen beschrieben sind und die eine Anpassung dieser Initiierung an die örtlichen Gegebenheiten in der Sprengladung ermöglichen.

[0006] Der Sprengladungskern kann je nach den Erfordernissen von beiden Enden her gezündet werden.

[0007] Besonders vorteilhaft ist, dass die Querabmessung des Sprengladungskerns dem Verlauf der Hülle in Längsrichtung der Sprengladung anpassbar ist. Dies kann in Stufen erfolgen oder auch kontinuierlich, so dass damit der Sprengladungskern an jede Form der Hülle angeglichen werden kann.

[0008] Eine weitere Anpassungsmöglichkeit besteht darin, dass die Aufladung des Sprengladungskerns über die Länge des Sprengladungskerns hinsichtlich der Art des Sprengstoffes homogen oder örtlich unterschiedlich einstellbar ist. Es können somit bei Bedarf auch unterschiedliche Sprengstoffarten miteinander zu einem Sprengladungskern kombiniert werden.

[0009] Um den Übergang vom detonativ reagierenden Sprengstoffkern zur Sprengladung bewusst zu beeinflussen ist es hilfreich, wenn der Sprengladungskern von einem Mantel oder einem Rohr umgeben ist. Dieser Mantel oder das Rohr kann beispielsweise aus einer Kunststoffschicht oder einem Gewebe oder einer Kombination aus beiden bestehen. Als Material für eine Ummantelung (Mantel oder Rohr) kommen u. a. Textilfasern, Kunststoffe (Polymere) wie z. B. Polyethylen, Kvlar, Nylon, Polypropylen aber auch Wachs in Betracht.

[0010] Mit dem Deflagrator, der im Modus der kleinsten Wirkung allein initiiert wird, wird eine subdetonative Reaktion ausgelöst, die als Deflagration bezeichnet wird. Dies geschieht beispielsweise durch Detonation einer Detonationsschnur, wodurch die heißen Reaktionsgase noch nicht reagiertes energetisches Material konvektiv erhitzen. Dies setzt sich weiter über in der Sprengladung vorhandene Poren fort. Es bildet sich eine mehrphasige Reaktionszone heraus, bei der die Druck- und Flammfront im Gegensatz zur Detonation räumlich voneinander getrennt sind und sich durchaus mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fortpflanzen können. Die Reaktion führt letztlich zu einer Druckerhöhung, unter der der Sprengstoff auch mechanisch versagen kann und sich Risse bilden und weiter fortpflanzen. Die Reaktionsgeschwindigkeiten hängen auch vom Verdämmungszustand der Sprengladung, d.h. Wandstärke und Festigkeit der Hülle, ab. Die Geschwindigkeit der Druckfront liegt dabei im Bereich der Schallgeschwindigkeit des Sprengstoffs.

[0011] Eine stabile Deflagration ergibt sich aus der Rate der Energiedissipation im Vergleich zur Energieerzeugungsrate, die hier durch die Detonationsschnur kontrolliert wird. Nachfolgend werden einige Systemeinflussfaktoren beschrieben und konkrete Zahlen / Zahlenbereiche für einzelne Parameter angegeben, bei denen eine kontrollierte Deflagration abläuft.

[0012] Unempfindliche Sprengladungen enthalten einen Anteil des Kunststoffbinders von mindestens 10%. Der Anteil des Sprengstoffmoleküls, für das sich Hexogen, Oktogen, Fox-7 (1,1-Diamino-2,2-Dinitroethylen) u.a. anbieten, kann dabei zwischen 90 und 50% liegen. Als Binder eignet sich hierfür u. a. ein Zweikomponenten-Gießharz mit Hydroxyl-terminiertem Polybutadien (HTPB), aber auch Silikongummi, Polyurethangummi, Polystyren, Estan oder Nylon. Der Binder kapselt die Sprengstoffkristalle ein. Eine solche kunststoffgebundene Sprengladung verfügt grundsätzlich infolge des Herstellungsprozesses über mikroskopisch kleine Poren. Diese Poren bestimmen die Porosität der Sprengladung und stellen die für die Deflagrationsreaktion notwendige freie Oberfläche zu Verfügung. Die Porositäten liegen hierbei typischerweise im einstelligen Prozentbereich. Zur Steigerung der Blastdruckwirkung kann die Sprengladung zusätzlich über gecoatete oder nicht gecoatete Metallpulver mit Partikeln z.B. aus Aluminium, Magnesium, Titankarbid oder Zirkonkarbid verfügen. Hierbei wird ein Anteil von 15 bis 25 Masse-Prozenten angestrebt um den Blastdruck zu optimieren.

[0013] Für eine Detonationsschnur oder einen Sprengladungskern eignen sich vergleichsweise energiereiche (hochbrisante) und/oder sensitive Sprengstoffe wie z. B. hexogen- oder oktogenbasierte Sprengstoffmischungen, sowie RDX, PETN, HMX, HNS oder Sprengstoffmischungen hieraus.

[0014] Die Detonationsschnur oder der Sprengladungskern sollte zusätzlich über eine Gewebe- oder Kunststoffummantelung verfügen, die einen direkten Kontakt mit der Sprengladung unterbindet und zu einer Dämpfung der Schockwelle bei der Detonation der Detonationsschnur oder des Sprengladungskerns führt. Zudem kann der Durchmesser des Sprengladungskerns bei nicht konstantem Hüllendurchmesser variieren und direkt an diesen angepasst werden. Die Aufladung der Detonationsschnur ist dabei an Größe und Form der Sprengladung bzw. Ladungshülle anzupassen.

[0015] Bei Vorhandensein einer Ladungshülle sind die relevanten Parameter die Wandstärke, auch im Vergleich zum Ladungsdurchmesser, und die Materialfestigkeit. Diese werden über den statischen Versagensdruck zweckmäßig miteinander verknüpft. Oberhalb eines spezifischen Grenzdrucks werden mit höherer Wahrscheinlichkeit unerwünschte Übergänge in stärkere Reaktionen (Detonation-to-Deflagration-Transitions, DDTs) erwartet. Eine Verdämmung an den Ladungsenden kann durch die nachfolgend beschriebene Belüftung so reguliert werden, dass sich kaum Unterschiede zu an den Enden offenen Ladungen zeigen (d.h. durch die Aufweitungsgeschwindigkeit und damit der Druckrate).

[0016] Der Versagensdruck einer Verdämmung unter statischer Belastung wird berechnet anhand


mit k = di/da, di als Innendurchmesser, da als Außendurchmesser und σmax als Maximalspannung. Eine Verdämmung mit einem statischen Versagendruck kleiner als 2,6 kBar, typischerweise kleiner als 2,0 kBar, wird dabei, sofern die Initiierung optimal an die Ladungsabmessungen angepasst ist, als günstig angesehen, um eine kontrolliert ablaufende Deflagration zu gewährleisten. Im Gegensatz dazu können höhere Verdämmungswerte, insbesondere wenn keine ausreichende Belüftung vorhanden ist, Übergänge in stärkere Reaktionen (DDTs) begünstigen. Grundsätzlich kann die Belüftung durch Ladungsdeckel, Sollbruchstellen der Hülle und Bohrungen nachhaltig beeinflusst werden, sofern es sich um eine vollständig verdämmte Sprengladung handelt. Vorteilhaft ist die Belüftung insbesondere im Bereich der Initiierung, wo die Deflagrationsreaktion beginnt und hierdurch der Druck zuerst ansteigt. Eine permanente Entlüftung führt bei konstanter Initiierung über die Ladungslänge zu einer Druckrate, die zu einer stabilen Deflagrationsreaktion über den Ladungsradius führt. Diese Druckrate lässt sich indirekt über die Aufweitungsgeschwindigkeit der Ladungshülle messen. Als Hüllenmaterial eignen sich nicht nur Metalle wie Stahl, Aluminium, Titan oder entsprechende Legierungen, sondern auch Kunststoffe oder Komposit-Werkstoffe wie GFK oder CFK, sowie CRC oder CFRC. Damit wird eine geringere letale Wirkung erreicht, dagegen aber eine höhere Druckwelle.

[0017] Ein Ausführungsbeispiel ist in der Zeichnung dargestellt und wird im Folgenden näher beschrieben. Es zeigen:
Fig.1:
die Radiallänge einer Sprengladung in Relation zur Aufladung eines Sprengladungskerns;
Fig.2:
ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Vorrichtung bei der Verwendung in einem bekannten Wirksystem;
Fig.3:
Beispiele möglicher Querschnitte von Sprengladungskernen.


[0018] In der Figur 1 ist vertikal der Innenradius (Radiallänge) von der Mittelachse bis zur Innenwand der Hülle aufgetragen und horizontal die hierfür geeignete Aufladung eines Sprengstoffkerns. Innerhalb der gestrichelten Linien wird eine kontrolliert ablaufende Deflagration erreicht. Oberhalb der gestrichelten Linien erstirbt die Deflagration und unterhalb sie geht unkontrolliert in eine Detonation über.

[0019] In der Figur 2 ist ein Schnitt durch ein Wirksystem dargestellt, das innerhalb der Hülle HÜ bis auf einen schlanken Hohlraum im Bereich der Längsachse LA mit Sprengstoff SP gefüllt ist. Dieser nicht näher bezeichnete Hohlraum dient der Aufnahme des Sprengladungskerns SK. Der Sprengladungskern erstreckt sich von einer ersten Zündeinrichtung Z1 an der Spitze des Wirksystems bis zu einer weiteren Zündeinrichtung Z2 am Heck des Wirksystems. Beide Zündeinrichtungen können zur Initiierung des Sprengladungskerns herangezogen werden.

[0020] Erfindungsgemäß ist der Sprengladungskern SK in mehrere Abschnitte A1, A2, A3 aufgeteilt. Dabei kann die Aufteilung je nach den Erfordernissen des Wirksystems auch in weniger oder mehr Abschnitte sinnvoll sein. Diese Abschnitte entsprechen jeweils einer genau für diesen Abschnitt angepassten Aufladung des Sprengladungskerns SK. Es ist auch möglich den Verlauf der Aufladung entsprechend dem Verlauf der Hülle HÜ derart anzupassen, dass die Aufladung nach einem höheren Wert im mittleren Bereich zum Ende hin wieder abnimmt.

[0021] Es wurden bereits typische Werte für Aufladungen in den unterschiedlichen Bereichen ermittelt, die Erfolg versprechend sind. So kann eine Aufladung im Abschnitt A1 im Wertebereich 30 bis 50 g/m liegen, im zweiten Bereich A2 im Wertebereich 50 bis 70 g/m und schließlich im dritten Bereich A3 im Wertebereich 70 bis 100 g/m.

[0022] Eine weitere Anpassungsmöglichkeit besteht in der Wahl des Querschnitts des Sprengladungskerns SK. Dieser kann je nach Anpassungsbedarf beispielsweise eckig, rund oval, halbrund ausgeführt sein, wie dies in Figur 3 dargestellt ist.

[0023] Aufgrund der Anpassungsmöglichkeiten kann ein Sprengladungskern bei nahezu beliebigen Formen und Größen von Gefechtsköpfen und anderen Wirksystemen Anwendung finden. Ein weiterer Vorteil ist die signifikante Reduktion der

[0024] Anfangsgeschwindigkeit der aus der Hülle abgegebenen Splitter. Ebenso von Vorteil ist die erhebliche Verringerung des maximalen Blastdruckes.


Ansprüche

1. Vorrichtung zur gesteuerten Initiierung der Deflagration einer Sprengladung, die in einer Hülle angeordnet sein kann, umfassend wenigstens eine im Bereich der Längsachse der Sprengladung verlaufende Detonationsschnur, dadurch gekennzeichnet, dass die Detonationsschnur als Sprengladungskern ausgeführt ist.
 
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprengladungskern wahlweise an jedem Ende initiierbar ist.
 
3. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Querabmessung des Sprengladungskerns dem Verlauf der Hülle in Längsrichtung der Sprengladung anpassbar ist.
 
4. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufladung des Sprengladungskerns hinsichtlich ihrer Form dem Verlauf der Hülle in Längsrichtung der Sprengladung anpassbar ist.
 
5. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufladung des Sprengladungskerns über die Länge des Sprengladungskerns hinsichtlich der Art des Sprengstoffes homogen oder örtlich unterschiedlich einstellbar ist.
 
6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprengstoff insbesondere unter Berücksichtigung seiner Dichte und/oder seiner prozentualen Zusammensetzung im Sprengladungskern anordenbar ist.
 
7. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprengladungskern von einem Mantel umgeben ist.
 
8. Vorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Mantel aus einem Gewebe und/oder aus Kunststoff besteht.
 
9. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Sprengladungskern von einem Rohr umgeben ist.
 
10. Vorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohr aus einem Gewebe und/oder aus Kunststoff besteht.
 




Zeichnung







Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente