(19)
(11) EP 2 839 892 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
25.02.2015  Patentblatt  2015/09

(21) Anmeldenummer: 13181568.0

(22) Anmeldetag:  23.08.2013
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B21B 37/46(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(71) Anmelder: Siemens Aktiengesellschaft
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Weisshaar, Bernhard
    91074 Herzogenaurach (DE)

   


(54) Verfahren zur Bearbeitung von Walzgut in einer Walzstraße und Walzstraße


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bearbeitung von Walzgut (6) in einer Walzstraße (2), die mindestens einen mindestens zwei Walzgerüste (4) mit jeweils mindestens einer Walze (13) aufweisenden Walzblock (20, 20a, 20b) umfasst, wobei jedem Walzgerüst (4) ein separater Antrieb (8) mit Drehzahlregler (14) für die mindestens eine Walze (13) zugeordnet ist, bei dem zu einem Zeitpunkt (tZW) in Abhängigkeit des Zeitpunkts (tB) der Beaufschlagung des Antriebs (8) des ersten Walzgerüstes (4) des Walzblocks (20, 20a, 20b) mit einem realen Lastmoment zur Drehzahlregelung der Antriebe (8) dem Drehzahlregler (14) jedes Antriebes (8) in Abhängigkeit eines erwarteten realen Lastmomentes jeweils ein Zusatzwert (ZW) zugeführt wird.
Des Weiteren betrifft die Erfindung eine Walzstraße (2) zur Bearbeitung von Walzgut (6) mit mindestens einem mindestens zwei Walzgerüste (4) mit jeweils mindestens einer Walze (13) aufweisenden Walzblock (20, 20a, 20b), wobei jedem Walzgerüst (4) ein separater Antrieb (8) mit Drehzahlregler (14) für die mindestens eine Walze (13) zugeordnet ist, und mit einer Steuer-/Regeleinheit (24), in der eine Software zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche implementiert ist.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bearbeitung von Walzgut in einer Walzstraße mit mindestens zwei Walzgerüsten mit jeweils mindestens einer Walze, wobei jedem Walzgerüst ein separater Antrieb für die mindestens eine Walze zugeordnet ist und eine Walzstraße.

[0002] Bei der Bearbeitung von Walzgut, z.B. Stahl oder verschiedene Metalle in Form von sogenannten Brammen oder Knüppeln, durchläuft das Walzgut eine Walzstraße mit mehreren Walzblöcken, beispielsweise ein Vor-, ein Zwischen- und ein Fertigblock. Die Walzblöcke wiederum umfassen jeweils mehrere Walzgerüste, in denen das Walzgut in mehreren Stichen zu Bändern oder Drähten ausgewalzt wird. Beim Drahtwalzen werden Walzgerüste verwendet, die als Walzen je zwei übereinander befindliche Kaliberwalzringe mit abwechselnd rund und oval gestalteten Kalibern aufweisen, deren Querschnitt nach jedem Stich abnimmt. So wird aus Knüppeln mit annähernd quadratischem Querschnitt Runddraht hergestellt.

[0003] Um das Walzgut an jedem Walzgerüst auf die gewünschte Dicke bzw. den gewünschten Querschnitt zu walzen, müssen die Drehzahlen der Walzen der einzelnen Walzgerüste auf einen Sollwert für die Drehzahl geregelt werden. Die einzelnen Drehzahlsollwerte und somit auch ein Verhältnis der Drehzahlen der Walzen der aufeinanderfolgenden Walzgerüste zueinander werden in der Regel aus einem Stichplan vorgegeben. Um am Ende der Walzstraße die gewünschte Dicke oder den gewünschten Querschnitt des bearbeiteten Walzgutes zu erhalten, muss das vorgegebene Drehzahlverhältnis während der Bearbeitung möglichst genau eingehalten werden, d.h. auch die Istwerte für die Drehzahlen der Walzen der aufeinanderfolgenden Walzgerüste müssen während der gesamten Bearbeitung stets dem vorgegebenen Drehzahlverhältnis entsprechen.

[0004] Insbesondere beim Drahtwalzen treten sehr hohe Walzgeschwindigkeiten auf, sodass die Stichabnahmen und das Verhältnis der Drehzahlen der Walzen der einzelnen Walzgerüste exakt aufeinander abgestimmt und konstant gehalten werden müssen, um Zug- und Druckbelastungen auf den Draht zwischen den Walzgerüsten zu vermeiden. Schon geringe Abweichungen können zu einem Reißen des Drahtes oder zu einer Schlingenbildung führen.

[0005] Eine Möglichkeit sicherzustellen, dass das Drehzahlverhältnis konstant gehalten wird, ist es, alle Walzgerüste eines Walzblockes über ein mechanisches Verteilergetriebe starr miteinander zu koppeln und mit einem gemeinsamen großen Motor anzutreiben. Ein großer Nachteil hierbei ist jedoch, dass beispielsweise bei Verschleiß einzelner Walzringe stets alle Walzringe ausgewechselt oder neu eingeschliffen werden müssen, da die Querschnitte bzw. Durchmesser der Kaliber aufeinander abgestimmt sein müssen, um ein gewünschtes Walzergebnis zu erzielen. Dadurch ist ein solches Vorgehen sehr zeitaufwendig und kostenintensiv.

[0006] Diese Nachteile können dadurch überwunden werden, dass jedes Walzgerüst des Walzblockes mit einem separaten Antrieb, also eigenem Motor und Getriebe, angetrieben wird. So lassen sich die Walzengeschwindigkeiten der Walzen für jedes Walzgerüst über Drehzahlsollwerte, die über eine für jeden Antrieb vorhandene Drehzahlregelung eingestellt werden, für die einzelnen Antriebe unabhängig voneinander einstellen. Ein Verschleiß einzelner Walzen bzw. Walzringpaare kann dann über eine Änderung des Drehzahlsollwertes zur Erreichung der geforderten Walzengeschwindigkeit des jeweiligen Antriebs ausgeglichen werden. Zudem wird kein in seinem Aufbau aufwändiges mechanisches Verteilergetriebe benötigt.

[0007] Eine große Herausforderung einer solchen Antriebslösung stellt jedoch die Drehzahlregelung der einzelnen Walzgerüste während der Bearbeitung von Walzgut dar. Beim Anstich eines Walzgerüsts, d.h. beim Auftreffen des Walzguts auf die Walzen, wirkt auf dieses ein reales Lastmoment, welches einen Einbruch der Drehzahl der Walzen an diesem Walzgerüst bewirkt. Die Walzen anderer Walzgerüste hingegen, auf die zum Anstichzeitpunkt kein oder ein abweichendes, z.B. ein kleineres reales Lastmoment wirkt, weisen eine unveränderte bzw. nur leicht veränderte Drehzahl auf. Dies hat zur Folge, dass die Drehzahlen der einzelnen Antriebe bzw. Walzen nicht mehr synchron, also nicht mehr in einem vorgegebenen Drehzahlverhältnis zueinander arbeiten. Dies kann zu Zug- oder Druckbelastungen und somit zu einem Reißen des Drahtes oder zu Schlingenbildung des Walzgutes zwischen einzelnen Walzgerüsten führen.

[0008] Es ist ein Verfahren bekannt, wie die Drehzahlen aller Gerüste innerhalb eines Fertigblockes nach Beaufschlagung durch reale Lastmomente, hervorgerufen durch in die Walzspalte eintretendes Material, relativ zueinander konstant gehalten werden können und so eine Zug- oder Druckbelastung im Draht vermieden wird.

[0009] Insbesondere dann, wenn aber auch zwischen dem Zwischenblock und dem Fertigblock keine Schlingenbildung auftreten darf, d.h. wenn die Drehzahlen der Gerüste im Fertigblock auch relativ gegenüber der Drehzahl des letzten Gerüsts im Zwischenblock konstant bleiben müssen, ist das oben angegebene Verfahren nicht ausreichend. Ein in das erste Gerüst des Fertigblocks eintretendes Material würde durch das reale Lastmoment die Drehzahl des ersten Gerüsts einbrechen lassen und die existierende Vorschrift würde dafür sorgen, dass die Drehzahlen der übrigen Gerüste des Fertigblocks diesen Drehzahleinbruch mitmachen, also synchron bleiben. Gegenüber dem letzten Gerüst des Zwischenblocks käme es so aber dennoch zu einer unzulässigen Asynchronität in den Drehzahlen. Das bestehende Verfahren muss deshalb durch ein weiteres erfindungsgemäßes Verfahren ergänzt werden.

[0010] Aufgabe der Erfindung ist es ein Verfahren zur Bearbeitung von Walzgut anzugeben, bei dem die oben genannten Nachteile vermieden werden. Ebenso ist es Aufgabe der Erfindung eine Walzstraße zur Durchführung des Verfahrens anzugeben.

[0011] Die erstgenannte Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Bearbeitung von Walzgut in einer Walzstraße, die mindestens einen mindestens zwei Walzgerüste mit jeweils mindestens einer Walze aufweisenden Walzblock umfasst, wobei jedem Walzgerüst ein separater Antrieb mit einem Drehzahlregler für die mindestens eine Walze zugeordnet ist, wird zu einem Zeitpunkt in Abhängigkeit des Zeitpunkts der Beaufschlagung des Antriebs des ersten Walzgerüstes des Walzblocks mit einem realen Lastmoment zur Drehzahlregelung der Antriebe dem Drehzahlregler jedes Antriebes in Abhängigkeit eines erwarteten realen Lastmomentes jeweils ein Zusatzwert zugeführt.

[0012] Mit anderen Worten: Zum Anstichzeitpunkt des ersten Walzgerüstes eines Walzblocks, also dem Zeitpunkt zu dem das Walzgut in das erste Walzgerüst eines Walzblockes, z.B. des Fertigblocks, eintritt, wird dieses erste Walzgerüst mit einem realen Lastmoment beaufschlagt. Der Zeitpunkt der Beaufschlagung ist also der Zeitpunkt des Eintritts des Walzgutes in das Walzgerüst, sodass auf dieses Walzgerüst ein reales Lastmoment ausgeübt wird. Zu einem weiteren, geeigneten Zeitpunkt, kurz vor, gleichzeitig oder kurz nach dem Zeitpunkt der Beaufschlagung des ersten Walzgerüstes mit einem realen Lastmoment, wird dem Drehzahlregler des Antriebs des ersten Walzgerüstes und den Drehzahlreglern der Antriebe der nachfolgenden Walzgerüste desselben Walzblocks, also z.B. alle weiteren Walzgerüste des Fertigblocks, gleichzeitig jeweils ein Zusatzwert, z.B. ein Drehmomentwert, zugeführt. Der Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Zusatzwert zugeführt wird, wird dabei in Abhängigkeit des Zeitpunkts der Beaufschlagung so gewählt, dass der Drehzahlregler des jeweiligen Walzgerüstes das reale Lastmoment ausgleicht und ein Drehzahleinbruch dort somit verhindert oder zumindest weitgehend kompensiert wird. Da in einer Walzstraße systembedingte Verzögerungen auftreten, wird der Zusatzwert idealerweise zu einem Zeitpunkt in Abhängigkeit des Zeitpunktes der Beaufschlagung zugeführt, dass ein durch den Zusatzwert verursachtes, entsprechendes Drehmoment der Antriebe zu dem Zeitpunkt erfolgt, in dem das reale Lastmoment auftritt. Der Zusatzwert wird dabei in Abhängigkeit des erwarteten realen Lastmomentes, also des realen Lastmomentes, welches voraussichtlich beim Eintritt des Walzgutes in das erste Walzgerüst an diesem auftreten wird, für jeden Drehzahlregler jedes Antriebes ermittelt und dem jeweiligen Drehzahlregler zum Zeitpunkt der Beaufschlagung zugeführt.

[0013] Es erfolgt also eine zeitgleiche Vorbesetzung aller Drehzahlregler aller Antriebe eines Walzblocks zum Anstichzeitpunkt im ersten Walzgerüst mit dem Zusatzwert, um eine gleichzeitige Vorsteuerung der Walzendrehzahlen aller Walzgerüste und damit einen Gleichlauf aller Antriebe zu gewährleisten. Unter Vorbesetzung ist dabei zu verstehen, dass der Ausgangswert des Drehzahlreglers auf einen von null verschiedenen Anfangswert gesetzt wird, um eine schnellere Reaktion des Drehzahlreglers auf einen Drehzahleinbruch zu erreichen. Es werden somit alle Drehzahlregler aller Antriebe des Walzblocks zeitgleich zu einem Zeitpunkt kurz vor, gleichzeitig oder kurz nach dem Zeitpunkt der Beaufschlagung des ersten Walgerüstes mit einem realen Lastmoment, also zu einem von dem Zeitpunkt der Beaufschlagung abhängigem Zeitpunkt, mit dem jeweiligen Zusatzwert beaufschlagt. Dadurch wird zum einen der durch die Beaufschlagung des Antriebs mit einem realen Lastmoment bedingte Drehzahleinbruch am ersten Walzgerüst weitgehend kompensiert oder zumindest verringert und eine Schlingenbildung vor dem ersten Walzgerüst eines Walzblockes verhindert.

[0014] Da gemäß der Erfindung jedoch nicht nur dem Drehzahlregler des mit einem realen Lastmoment beaufschlagten ersten Walzgerüstes bzw. ersten Antriebes der Zusatzwert zugeführt wird, sondern dem Drehzahlregler jedes Antriebs jedes Walzgerüstes des Walzblocks, wird nicht nur der Drehzahleinbruch an dem mit einem realen Lastmoment beaufschlagten Antrieb verringert, sondern auch das Drehzahlverhältnis der Walzgerüste eines Walzblockes zueinander bleibt erhalten. Durch Zuführung des jeweiligen Zusatzwertes in alle Drehzahlregler wird nämlich an allen Antrieben der Drehzahleinbruch verhindert bzw. eine kurzzeitige Änderung der Drehzahl bewirkt. Dies hat den Vorteil, dass sowohl eine Schlingenbildung vor dem ersten Walzgerüst verhindert, als auch eine Synchronität der einzelnen Walzgerüste zueinander, also das dem Stichplan entsprechende Drehzahlverhältnis, erhalten bleibt und damit eine Schlingenbildung oder ein Reißen des Drahtes zwischen den einzelnen Walzgerüsten des Walzblocks verhindert wird.

[0015] Die Drehzahlregler der Antriebe können verschiedene Regler, z.B. P- oder PI-Regler, umfassen, denen der Zusatzwert zugeführt werden kann. Bei einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird der jeweilige Zusatzwert jedoch dem Drehzahlregler, der einen PI-Regler umfasst, als Vorbesetzung eines I-Anteils zugeführt. Unter Vorbesetzung des I-Anteils ist dabei zu verstehen, dass der I-Anteil des Drehzahlreglers auf einen von null verschiedenen Anfangswert gesetzt wird, um eine schnellere Reaktion des Drehzahlreglers auf einen Drehzahleinbruch zu erreichen. Eine Vorbesetzung des I-Anteils des Drehzahlreglers hat im Gegensatz zu einem additiven Zusatzwert auf die Ausgangsgröße den Vorteil, dass der Zusatzwert nicht wieder "abgeschaltet" werden muss, sondern vom Drehzahlregler selbstständig abgebaut wird. Es erfolgt also eine selbstständige Korrektur des Drehzahlreglers, indem der Zusatzwert anhand eines Vergleichs von Soll- und Ist-Werten der Drehzahlen ausgeregelt wird.

[0016] Bei einer bevorzugten Ausführungsform werden das erwartete reale Lastmoment und der jeweilige Zusatzwert anhand eines Stichplans ermittelt. In einem solchen Stichplan wird z.B. festgelegt, auf welche Dicke das Walzgut in den einzelnen Walzgerüsten gewalzt werden soll, und welche Drehzahlsollwerte hierfür eingestellt werden müssen. Daraus lassen sich dann Lastmomente ermitteln, die für die einzelnen Walzgerüste erwartet werden. Um den Drehzahleinbruch bei Beaufschlagung eines Antriebs mit einem realen Lastmoment zu verringern, werden im Stichplan aus den ermittelten erwarteten realen Lastmomenten die jeweiligen Zusatzwerte ermittelt und dem jeweiligen Drehzahlregler zugeführt. Dies ist insbesondere von Vorteil, wenn noch keine Messwerte für auftretende reale Lastmomente vorhanden sind, also z.B. zu Beginn der Bearbeitung.

[0017] Prinzipiell ist es möglich, den Zeitpunkt der Beaufschlagung des ersten Walzgerüstes eines Walzblocks anhand verschiedener Messwerte zu ermitteln. Bei einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens wird der Zeitpunkt der Beaufschlagung des Antriebs des ersten Walzgerüstes mit dem realen Lastmoment anhand einer Messung einer Walzkraft ermittelt. Der Eintritt des Walzgutes in das erste Walzgerüst, also die Beaufschlagung des ersten Walzgerüsts mit einem realen Lastmoment, löst eine fast sprungartige Belastung des Antriebs des ersten Walzgerüstes aus, sodass der Zeitpunkt der Beaufschlagung, also der Anstichzeitpunkt, über eine Messung der Walzkraft am ersten Walzgerüst detektiert werden kann.

[0018] Eine solche Messung der Walzkraft erfolgt dabei insbesondere mit einem Dehnungsmessstreifen, welcher beispielsweise in eine Basisplatte des ersten Walzgerüstes integriert ist. Zwar erhält man dadurch keinen exakten Wert für die Walzkraft, zur Ermittlung des Zeitpunktes der Beaufschlagung ist jedoch ein zur Walzkraft proportionaler Wert ausreichend. Überschreitet dieser Wert einen Schwellwert, wird dies als Indikator für eine Beaufschlagung des Antriebs, also den Eintritt des Walzgutes in das Walzgerüst, gewertet. Der Zeitpunkt zu dem dieser Schwellwert überschritten wird, wird somit als Zeitpunkt der Beaufschlagung des ersten Walzgerüsts mit einem realen Lastmoment betrachtet. Die Zuführung des jeweiligen Zusatzwertes erfolgt somit kurz nach dem Zeitpunkt der Beaufschlagung und der Drehzahleinbruch wird verringert.

[0019] Eine weitere bevorzugte Möglichkeit besteht darin, den Zeitpunkt der Beaufschlagung des Antriebs des ersten Walzgerüstes mit dem realen Lastmoment anhand einer Materialverfolgung des Walzgutes zu ermitteln. Dies kann beispielsweise anhand einer modellgestützten Materialverfolgung erfolgen. Möglich ist auch die Verwendung sogenannter "hot metal detectors" zur Materialverfolgung, die z.B. vor dem ersten Walzgerüst eines Walzblocks angeordnet sind. Solche Detektoren umfassen u.a. eine Lichtschranke, mit der der Zeitpunkt erfasst werden kann, zu dem das vordere Ende des Walzgutes, also z.B. die Drahtspitze, den Detektor passiert. Ist die Position des Detektors in Bezug auf das erste Walzgerüst bzw. die Laufzeit des Walzgutes bis zum ersten Walzgerüst oder die Geschwindigkeit des Walzgutes bekannt, kann daraus der Zeitpunkt der Beaufschlagung ermittelt werden.

[0020] Um den Zeitpunkt, zu dem der Zusatzwert zugeführt werden soll, in Abhängigkeit des Zeitpunktes des Beaufschlagung des ersten realen Lastmomentes, möglichst exakt ermitteln zu können, werden beispielsweise bei der Ermittlung des Zeitpunktes der Beaufschlagung auftretende Verzögerungen berücksichtigt. Eine solche Verzögerung kann beispielsweise die Ansprechzeit der vorher erwähnten Lichtschranke sein, die dann bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Zuführung des Zusatzwertes mit einberechnet wird. So wird z.B. eine für die Funktion des Verfahrens nachteilige, zeitverzögerte Vorbesetzung des Drehzahlreglers vermieden.

[0021] Dabei ist es insbesondere von Vorteil, wenn zur Ermittlung des Zeitpunkts der Zuführung des Zusatzwertes Verzögerungen des Drehzahlreglers und der Antriebe berücksichtigt werden. Hierzu zählen beispielsweise Trägheitsmomente des Antriebs, wie z.B. die Stromanstiegszeit des Motors. Mit anderen Worten: Der Zeitpunkt der Zuführung wird entsprechend der Zeitspanne der Verzögerung korrigiert, sodass der Zusatzwert zu einem früheren, der Dauer der Verzögerung entsprechenden früheren Zeitpunkt zugeführt wird. Der Zusatzwert wird hier somit idealerweise zu einem Zeitpunkt in Abhängigkeit des Zeitpunktes der Beaufschlagung zugeführt, dass das durch den Zusatzwert verursachte, entsprechende Drehmoment der Antriebe genau zu dem Zeitpunkt erfolgt, in dem das reale Lastmoment auftritt.

[0022] Bei einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung wird der jeweilige Zusatzwert während der Bearbeitung des Walzgutes anhand von Korrekturfaktoren adaptiert. Zu Beginn der Bearbeitung sind die Korrekturfaktoren der einzelnen Zusatzwerte gleich eins. In weiteren Verfeinerungsschritten werden die einzelnen Korrekturfaktoren angepasst. Dadurch können die Setzwerte der I-Anteile für jeden Antrieb vertrimmbar gemacht werden. Durch die Anpassung der Korrekturfaktoren können beispielsweise unterschiedliche Abnutzungen von Walzgerüsten und Kalibern aber auch Ungenauigkeiten in der Stichplanberechnung kompensiert werden.

[0023] Die zweitgenannte Aufgabe wird gelöst mit einer Walzstraße mit den Merkmalen des Patentanspruchs 9. Die Walzstraße zur Bearbeitung von Walzgut umfasst mindestens einen mindestens zwei Walzgerüste mit jeweils mindestens einer Walze aufweisenden Walzblock, wobei jedem Walzgerüst ein separater Antrieb mit Drehzahlregler für die mindestens eine Walze zugeordnet ist, und eine Steuer-/Regeleinheit, in der eine Software zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche implementiert ist.

[0024] Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele, die im Zusammenhang mit den Zeichnungen näher erläutert werden.

[0025] Für eine weitere Beschreibung der Erfindung wird auf die Ausführungsbeispiele der Zeichnungen verwiesen. Es zeigt in einer schematischen Prinzipskizze:
FIG 1
einen Ausschnitt einer Walzstraße mit aufeinander-folgenden Walzgerüsten und mit einem separaten Antrieb für jedes Walzgerüst,
FIG 2
eine schematische Darstellung einer Drehzahlregelung der Antriebe der Walzstraße.


[0026] FIG 1 zeigt einen Ausschnitt einer Walzstraße 2 mit zwei Walzblöcken 20, z.B. einem Zwischenblock 20a und einem Fertigblock 20b. Ein Walzblock 20 umfasst mindestens zwei Walzgerüste 4 mit jeweils mindestens einer Walze 13, z.B. zwei Walzen 13, zur Bearbeitung eines Walzgutes 6. In FIG 1 sind beispielhaft acht aufeinanderfolgende Walzgerüste 4 eines Walzblocks 20, aus Gründen der Übersichtlichkeit nur für den Fertigblock 20b, dargestellt, die das Walzgut 6, z.B. ein Knüppel der zu Draht gewalzt wird, durchläuft. Jedem Walzgerüst 4 ist ein separater Antrieb 8, umfassend einen Motor 10 und ein Getriebe 12, mit einem Drehzahlregler 14 zugeordnet, welcher in FIG 1 aus Gründen der Übersichtlichkeit nur für ein Walzgerüst 4 eingezeichnet ist. Der Drehzahlregler 14 regelt die Walze 13 des jeweiligen Antriebs 8 auf einen Sollwert für die Drehzahl nsoll. Hierfür wird vom Drehzahlregler 14 des Antriebs 8 ständig ein Istwert der Drehzahl nIst erfasst, mit dem Sollwert der Drehzahl nsoll, welcher z.B. anhand eines Stichplans ermittelt wird, verglichen und daran angepasst. Zur Steuerung und Regelung der Drehzahlregler 14 umfasst die Walzstraße 2 eine Steuer-/Regeleinheit 24 - ebenfalls nur für ein Walzgerüst 4 dargestellt - in der eine Software zur Durchführung des Verfahrens implementiert ist.

[0027] FIG 2 zeigt eine Drehzahlregelung 26 für einen Walzblock 20 mit mehreren Walzgerüsten 4 zur Regelung der Drehzahlen nIst,i aller Antriebe 8 und somit der Walzen 13 der Walzgerüste 4 des Walzblocks 20, z.B. des Fertigblocks 20b. Jedem Antrieb 8 ist ein Drehzahlregler 14 zugeordnet, welcher einen PI-Regler umfasst, welcher eine Regeldifferenz zwischen dem Istwert der Drehzahl nIst,i und dem Sollwert der Drehzahl nsoll,i erfasst und regelt. Des Weiteren umfasst die Drehzahlregelung 26 einen Strom- bzw. Drehmomentregelkreis 28 für jeden Antrieb 8, welcher den Motor 10 mit Strom versorgt und in einen gewünschten Betriebspunkt steuert und der die Trägheitsmomente des Antriebs 8 bei der Regelung berücksichtigt.

[0028] Das erste Walzgerüst 4 des Walzblocks 20 wird zu einem Zeitpunkt tB mit einem realen Lastmoment beaufschlagt. In Abhängigkeit dieses Zeitpunktes tB wird zu einem Zeitpunkt tZW zur Drehzahlregelung der Antriebe 8 dem Drehzahlregler 14 jedes Antriebs 8 in Abhängigkeit des zu erwartenden realen Lastmomentes ein Zusatzwert ZW zugeführt. Es werden also alle Antriebe 8 zu einem Zeitpunkt tZW, der in Abhängigkeit des Zeitpunktes tB ermittelt wurde und z.B. kurz vor, bei oder kurz nach diesem Zeitpunkt tB der Beaufschlagung liegt, mit einem Zusatzwert ZW vorbesetzt. Dieser wird dem jeweiligen PI-Regler des jeweiligen Antriebs 8 als Vorbesetzung des I-Anteils zugeführt. Jedem Antrieb 8 bzw. dem jeweiligen Drehzahlregler 14 wird also zu dem Zeitpunkt tZW der jeweilige Zusatzwert ZW zugeführt. Dadurch wird ein Drehzahleinbruch, also eine Verringerung der Ist-Drehzahl nIst,i, an allen Walzgerüsten 4 verringert bzw. weitgehend vermieden, sodass das Drehzahlverhältnis der einzelnen Walzgerüste 4 zueinander und zum letzten Walzgerüst des Walzblocks 20a konstant bleibt.

[0029] Das erwartete reale Lastmoment und der jeweilige Zusatzwert ZW werden dabei anhand eines Stichplans ermittelt und dem PI-Regler des jeweiligen Drehzahlreglers 14 zu einem Zeitpunkt tZW zugeführt. Nach der Vorbesetzung des I-Anteils mit dem Zusatzwert wird im nächsten Systemtakt der Drehzahlregler 14 wieder freigegeben und regelt die Regeldifferenz zwischen dem Istwert der Drehzahl nIst,i und dem Sollwert der Drehzahl nSoll, i .

[0030] Um den Zeitpunkt tB der Beaufschlagung zu ermitteln, ist gemäß FIG 1 eine Messeinrichtung 22 vorhanden. Mit der Messeinrichtung 22 wird der Zeitpunkt tB der Beaufschlagung des ersten Walzgerüstes 4 mit dem realen Lastmoment beispielsweise anhand einer Messung der Walzkraft M ermittelt. Die Messeinrichtung 22 zur Messung der Walzkraft ist als Dehnungsmessstreifen ausgebildet, welcher im ersten Walzgerüst 4 angeordnet ist.

[0031] Zudem wird der Zeitpunkt tB der Beaufschlagung des ersten Walzgerüstes 4 mit dem realen Lastmoment anhand einer Materialverfolgung ermittelt. Hierfür weist die Messeinrichtung 22 einen "hot metal detector" auf, der vor dem ersten Walzgerüst 4 angeordnet ist und den Zeitpunkt erfasst, zu dem das Walzgut 6 diesen passiert. Der Zeitpunkt tB der Beaufschlagung des ersten Walzgerüstes 4 mit dem realen Lastmoment wird also schon vor dem Eintritt des Walzgutes 6 in das erste Walzgerüst 4 des Walzblocks 20 ermittelt. In Abhängigkeit des Zeitpunktes tB der Beaufschlagung des ersten Walzgerüstes 4 mit dem realen Lastmoment wird anschließend der Zeitpunkt tZW ermittelt. Zu dem Zeitpunkt tZW befindet sich das Walzgut 6, wie in FIG 1 gestrichelt angedeutet, noch vor dem ersten Walzgerüst 4.

[0032] Bei der Bestimmung des Zeitpunktes tZW in Abhängigkeit des Zeitpunktes tB werden außerdem Verzögerungen, beispielsweise das Trägheitsmoment des sich aufbauenden Motordrehmomentes Mmot, i, welches typischerweise eine Verzögerung von 10 bis 50ms verursacht, berücksichtigt. Dementsprechend erfolgt die Zuführung des Zusatzwertes ZW zu einem Zeitpunkt tZW der kurz vor dem Zeitpunkt der Beaufschlagung tB liegt. Da allen Drehzahlreglern 14 ein jeweiliger Zusatzwert ZW zugeführt wird, wird an allen Antrieben 8 ein Drehzahleinbruch beim Eintritt des Walzgutes 6 in das erste Walzgerüst 4 eines Walzblockes 20 vermindert. Dadurch ist die Synchronität der einzelnen Walzgerüste 4 des Walzblocks 20b und des letzten Gerüsts des Walzblocks 20a, also deren Drehzahlverhältnis zueinander, beim Eintritt des Walzgutes 6 in den Walzblock 20b gewährleistet. Ein aus dem Stichplan vorgegebenes Drehzahlverhältnis der Walzgerüste 4 bleibt somit während der gesamten Bearbeitung des Walzgutes 6 konstant. Dadurch wird eine Schlingenbildung zwischen den einzelnen Walzgerüsten 4 eines Walzblockes 20 und zwischen den Walzblöcken 20a und 20b verhindert.

[0033] Des Weiteren wird der jeweilige Zusatzwert ZW während der Bearbeitung des Walzgutes 6 anhand von Korrekturfaktoren Ki adaptiert, wodurch die Zusatzwerte für jeden Antrieb noch vertrimmbar und dadurch passgenauer unter Ausschaltung nicht kalkulierbarer Dreckeffekte gemacht werden können.

[0034] Obwohl die Erfindung im Detail durch das bevorzugte Ausführungsbeispiel näher illustriert und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.


Ansprüche

1. Verfahren zur Bearbeitung von Walzgut (6) in einer Walzstraße (2), die mindestens einen mindestens zwei Walzgerüste (4) mit jeweils mindestens einer Walze (13) aufweisenden Walzblock (20, 20a, 20b) umfasst, wobei jedem Walzgerüst (4) ein separater Antrieb (8) mit einem Drehzahlregler (14) für die mindestens eine Walze (13) zugeordnet ist, bei dem zu einem Zeitpunkt (tZW) in Abhängigkeit des Zeitpunkts (tB) der Beaufschlagung des Antriebs (8) des ersten Walzgerüstes (4) des Walzblocks (20, 20a, 20b) mit einem realen Lastmoment zur Drehzahlregelung der Antriebe (8) dem Drehzahlregler (14) jedes Antriebes (8) in Abhängigkeit eines erwarteten realen Lastmomentes jeweils ein Zusatzwert (ZW) zugeführt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
bei dem der Drehzahlregler (14) einen PI-Regler umfasst, dem der jeweilige Zusatzwert (ZW) als Vorbesetzung eines I-Anteils zugeführt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
bei dem das erwartete reale Lastmoment und der jeweilige Zusatzwert (ZW) anhand eines Stichplans ermittelt werden.
 
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
bei dem der Zeitpunkt (tB) der Beaufschlagung des Antriebs (8) des ersten Walzgerüstes (4) mit dem realen Lastmoment anhand einer Messung einer Walzkraft ermittelt wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4,
bei dem die Messung der Walzkraft mit einem Dehnungsmessstreifen erfolgt.
 
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
bei dem der Zeitpunkt (tB) der Beaufschlagung des Antriebs (8) des ersten Walzgerüstes (4) mit dem realen Lastmoment anhand einer Materialverfolgung des Walzgutes (6) ermittelt wird.
 
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
bei dem zur Ermittlung des Zeitpunkts (tZW) Verzögerungen des Drehzahlreglers (14) und der Antriebe (8) berücksichtigt werden.
 
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
bei dem der jeweilige Zusatzwert (ZW) während der Bearbeitung des Walzgutes (6) anhand von Korrekturfaktoren (Ki) adaptiert wird.
 
9. Walzstraße (2) zur Bearbeitung von Walzgut (6) mit mindestens einem mindestens zwei Walzgerüste (4) mit jeweils mindestens einer Walze (13) aufweisenden Walzblock (20, 20a, 20b), wobei jedem Walzgerüst (4) ein separater Antrieb (8) mit einem Drehzahlregler (14) für die mindestens eine Walze (13) zugeordnet ist, und mit einer Steuer-/Regeleinheit (24), in der eine Software zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche implementiert ist.
 




Zeichnung










Recherchenbericht









Recherchenbericht