[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems sowie ein
Hörhilfesystem mit wenigstens zwei Hörhilfegeräten, zwischen denen ein Signalpfad
vorgesehen ist, und mit wenigstens einer Signalverarbeitungseinheit, die zur Verarbeitung
von Audiosignalen vorgesehen ist.
[0002] In vielen Fällen betrifft eine Schwerhörigkeit beide Ohren, der Hörgeschädigte sollte
beidohrig (binaural) mit Hörgeräten versorgt werden. Moderne Hörgeräte verfügen dabei
über Signalverarbeitungsalgorithmen, die abhängig von der Hörsituation die Parameter
der Hörgeräte automatisch variieren. Bei der binauralen Versorgung wird dabei die
Hörsituation an beiden Ohren bewertet.
[0003] Lärm und Störgeräusche sind im täglichen Leben allgegenwärtig und erschweren die
Sprachkommunikation, insbesondere wenn eine Beeinträchtigung des natürlichen Hörvermögens
vorliegt. Daher sind Techniken wünschenswert, die zwar Lärm und Störgeräusche unterdrücken,
aber die erwünschten Geräusche und Töne, im Folgenden auch als Nutzsignale bezeichnet,
möglichst wenig verändern. Eine mögliche Art der Unterdrückung von unerwünschten Störgeräuschen
ist die räumliche Filterung. Wenn die Störgeräusche und die Nutzgeräusche aus unterschiedlichen
Richtungen auf den Träger eines Hörhilfesystems einfallen, ist es möglich, durch eine
unterschiedliche Empfindlichkeit des Hörhilfesystems in verschiedene Richtung in Relation
zu dem Hörhilfesystem und dessen Träger unerwünschte Geräusche zu unterdrücken. Bei
binauralen Hörhilfesystemen bietet es sich insbesondere an, die Signale der beiden
Hörhilfegeräte des Hörhilfesystems zu kombinieren, um eine Richtwirkung zu erzielen.
[0004] Ist jedoch keine Quelle eines Nutzsignals in einer bestimmten Vorzugsrichtung lokalisiert,
sondern sind diese, wie beispielsweise in einer Gesprächsrunde, um den Träger verteilt,
so kann die Richtwirkung auch unerwünschter Weise Nutzsignale unterdrücken.
[0005] In der Vergangenheit war es deshalb beispielsweise üblich, dass der Träger manuell
zwischen verschiedenen Betriebsmodi umschaltet, die entweder eine Richtcharakteristik
aufweisen oder eine omnidirektionale Empfindlichkeit.
[0006] Auch ist es bekannt, die Stärke der Richtcharakteristik anhand eines abgeschätzten
Störgeräuschpegels zu steuern, was zu einem höheren Rechenaufwand führt und nicht
unmittelbar mit dem Auftreten eines Nutzsignals in der Vorzugsrichtung korreliert.
Ungünstige Einstellungen können daher in bestimmten Situationen auftreten.
[0007] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren zum Betrieb eines
Hörgerätesystems sowie ein Hörgerätesystem zu schaffen, durch welche eine räumliche
Störgeräuschunterdrückung besser und effektiver erfolgt.
[0008] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1.
Der das Hörhilfesystem betreffende Teil der Aufgabe wird gelöst durch die Merkmale
des Anspruchs 11.
[0009] Das erfindungsgemäße Verfahren betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems
mit mindestens zwei Hörhilfegeräten zur anwendungsgemäßen Anordnung an beiden Seiten
eines Kopfes eines Trägers. Die Hörhilfegeräte weisen einen Wandler zur Aufnahme eines
akustischen Signals und Wandlung in ein jeweils erstes Audiosignal auf. Weiterhin
weist das Hörhilfesystem eine Signalverarbeitungsvorrichtung zur Verarbeitung von
Audiosignalen sowie eine Signalverbindung zur Übertragung eines ersten Audiosignals
von jedem Hörhilfegerät zu der Signalverarbeitungseinrichtung auf. Die Signalverarbeitungsvorrichtung
bewertet einen Signalanteil aus einer Vorzugsrichtung in Bezug auf den Kopf in den
ersten Audiosignalen und erzeugt mit den ersten Audiosignalen ein erstes binaurales
direktionales Mikrofonsignal und stellt dessen Richtcharakteristik in Abhängigkeit
von der Bewertung ein.
[0010] Indem das Hörhilfesystem Signalanteile aus der Vorzugsrichtung bewertet, kann sicher
festgestellt werden, ob in der Vorzugsrichtung auch wirklich eine Signalquelle vorhanden
ist. Es wird dadurch auf vorteilhafte Weise vermieden, eine Richtcharakteristik zu
aktivieren, wenn keine Signalquelle in der Vorzugsrichtung vorhanden ist.
[0011] Das erfindungsgemäße Hörhilfesystem zur Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens
teilt dessen Vorzüge.
[0012] Vorteilhafte Weiterbildungen des Verfahrens und des Hörgerätesystems sind in den
Unteransprüchen angegeben.
[0013] So wird in einer Ausführungsform durch eine Vorverarbeitung der ersten Audiosignale
die Vorzugsrichtung in eine Symmetrieebene der beiden Hörhilfegeräte abgebildet. Für
die nachfolgenden Schritte ist durch diese Transformation die Vorzugsrichtung in Blickrichtung
des Kopfes des Trägers ausgerichtet.
[0014] Auf vorteilhafte Weise können deshalb die nachfolgenden Schritte auf die Vorzugsrichtung
in Blickrichtung ausgelegt werden und müssen nicht einer jeweils sich ändernden Vorzugsrichtung
angepasst werden. Insbesondere ist es so auch möglich, Symmetrieeigenschaften dieser
Vorzugsrichtung zu nutzen.
[0015] In einer möglichen Ausführungsform ermittelt die Signalverarbeitungseinrichtung ein
Minimum des Pegels der ersten Audiosignale oder ein Minimum des Pegels der ersten
vorverarbeiteten Audiosignale. Aus dem Minimum und einem zweiten Bezugssignal mit
einer reduzierten Empfindlichkeit in der Vorzugsrichtung bildet die Signalverarbeitungseinrichtung
zur Bewertung des Signalanteils dann einen Quotienten.
[0016] Die Bestimmung des Minimums der Pegel und des Quotienten erlaubt auf eine einfache
Weise, ein Maß für Geräusche aus einer Richtung ungleich der Vorzugsrichtung zu ermitteln
und so in der Folge die Richtwirkung der Hörsituation anzupassen.
[0017] In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung ermittelt die Signalverarbeitungseinrichtung
zur Bewertung des Signalanteils aus einer Vorzugsrichtung einen Quotienten aus einem
ersten Bezugssignal mit Richtcharakteristik in die Vorzugsrichtung und einem zweiten
Bezugssignal mit einer reduzierten Empfindlichkeit in der Vorzugsrichtung.
[0018] Die Bildung eines Quotienten aus einem ersten Bezugssignal mit Richtcharakteristik
in Vorzugsrichtung und einem zweiten Bezugssignal mit einer reduzierten Empfindlichkeit
in der Vorzugsrichtung ermöglicht es in vorteilhafter Weise auch den Fall zu berücksichtigen,
dass ein hoher Geräuschpegel aus allen Richtungen, auch aus der Vorzugsrichtung, einfällt.
Da sowohl der Nenner als auch der Zähler gleichermaßen zunimmt, kann anhand des Quotienten
die Situation erkannt werden und eine Erhöhung der Richtcharakteristik vermieden werden,
die die Verständlichkeit nicht verbessern würde.
[0019] In einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist das erste Bezugssignal
eine gewichtete Summe der ersten Audiosignale beider Hörhilfegeräte.
[0020] Die Bildung einer gewichteten Summe der ersten Audiosignale der beiden Hörhilfegeräte
ermöglicht mit geringem rechnerischem Aufwand die Bereitstellung eines Signals, dass
beispielsweise eine Richtcharakteristik mit einem Maximum an Empfindlichkeit in Blickrichtung
des Trägers der Hörhilfegeräte aufweist.
[0021] In einer möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt eine
Gewichtung der ersten Audiosignale adaptiv derart, dass eine Energie der gewichteten
Summe minimiert wird.
[0022] Durch die adaptive Anpassung der Koeffizienten wird bereits der Anteil der Störgeräusche
verringert, indem eine Kombination mit der geringsten Energie der Störgeräusche ausgewählt
wird.
[0023] In einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist das zweite Bezugssignal
eine gewichtete Differenz der ersten Audiosignale beider Hörhilfegeräte.
[0024] Die Bildung einer gewichteten Differenz der ersten Audiosignale der beiden Hörhilfegeräte
ermöglicht mit geringem rechnerischem Aufwand die Bereitstellung eines Signals, dass
beispielsweise eine Richtcharakteristik mit einem Minimum an Empfindlichkeit in Blickrichtung
des Trägers der Hörhilfegeräte aufweist.
[0025] In einer möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist das zweite
Bezugssignal ein Signal einer binauralen Acht, die ein Minimum in Richtung der Vorzugsrichtung
aufweist. Eine binaurale Acht ist ein Signal, das aus der Differenz der Signale zweier
beabstandeter omnidirektionaler oder monauraler Richtmikrofone erzeugt wird.
[0026] Das Signal einer binauralen Acht ist besonders leicht zu erzeugen und zeigt auf vorteilhafte
Weise ein ausgeprägtes Minimum der Empfindlichkeit in einer Ebene, die mittig zwischen
den Hörhilfegeräten und parallel zur Blickrichtung ausgerichtet ist. Dies ist besonders
von Vorteil, wenn die Vorzugsrichtung in dieser Ebene liegt.
[0027] In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens erhöht die Signalverarbeitungsvorrichtung
die Richtcharakteristik des binauralen direktionalen Mikrofons mit einem steigenden
Wert des Quotienten.
[0028] Ein steigender Wert des Quotienten zeigt an, dass in der Vorzugsrichtung ein Signal
vorliegt, das gegenüber den Umgebungsgeräuschen herausgehoben ist. Eine Erhöhung der
Richtcharakteristik betont dann auf vorteilhafte Weise dieses Signal gegenüber den
Umgebungsgeräuschen, die gleichzeitig durch die stärkere Richtcharakteristik gedämpft
werden.
[0029] In einer anderen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens bestimmt die Signalverarbeitungseinrichtung
zur Bewertung des Signalanteils eine Kreuzkorrelation der ersten Audiosignale beider
Hörhilfegeräte.
[0030] Mittels der Kreuzkorrelation kann ermittelt werden, in welchem Grade die beiden Signale
ähnlich zueinander sind und daher aus einer gemeinsamen Quelle stammen. Ist die Kreuzkorrelation
besonders hoch, so sind die beiden Signale fast identisch und können daher einer Quelle
mit gleichem Abstand von beiden Mikrofonen zugordnet werden, welche bei einer Vorzugsrichtung
in Blickrichtung des Trägers vorteilhafterweise in dieser Vorzugsrichtung liegen.
[0031] In einer möglichen Ausführungsform erhöht die Signalverarbeitungsvorrichtung die
Richtcharakteristik des binauralen direktionalen Mikrofons mit zunehmender Kreuzkorrelation.
[0032] Ein steigender Wert der Kreuzkorrelation zeigt an, dass in der Vorzugsrichtung eine
Signalquelle vorliegt. Eine Erhöhung der Richtcharakteristik betont dann auf vorteilhafte
Weise diese Signalquelle gegenüber den Umgebungsgeräuschen, die gleichzeitig durch
die stärkere Richtcharakteristik gedämpft werden.
[0033] In einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es auch denkbar, dass
die Bewertung der Signalanteile aus der Vorzugsrichtung in den ersten Audiosignalen
für mindestens zwei verschiedene Frequenzbereiche einzeln erfolgt und die Richtcharakteristik
des ersten binauralen direktionalen Mikrofonsignals für jeden Frequenzbereich einzeln
in Abhängigkeit von der Bewertung eingestellt wird.
[0034] Eine unterschiedliche Bewertung und Richtcharakteristik für unterschiedliche Frequenzbereiche
ermöglicht es vorteilhafter Weise, unterschiedliche Ausbreitungsbedingungen für verschiedene
Frequenzen zu berücksichtigen oder auch unterschiedliche Signalquellen in verschiedenen
Frequenzbereichen unterschiedlich zu behandeln.
[0035] Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie
die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich
im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele, die im Zusammenhang
mit den Zeichnungen näher erläutert werden.
[0036] Es zeigen:
- Fig. 1
- eine schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Hörhilfesystems;
- Fig. 2
- eine Anordnung von Hörhilfesystem und Signalquellen;
- Fig. 3
- ein Ablaufdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens und
- Fig. 4
- eine schematische Darstellung von Funktionsblöcken einer Quotientenbildung in einer
Ausführungsform des binauralen Hörhilfesystems.
[0037] Fig. 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines erfindungsgemäßen Hörhilfesystems 100.
Das Hörhilfesystem 100 weist zwei Hörhilfegeräte 110, 110' auf. In ein Hörgerätegehäuse
1, 1' zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2, 2' zur Aufnahme
des Schalls bzw. akustischer Signale aus der Umgebung eingebaut. Die Mikrofone 2,
2' sind Wandler 2, 2' zur Umwandlung des Schalls in erste Audiosignale. Die ersten
akustischen Signale sind beispielsweise analoge oder digitale elektrische Signale.
Eine Signalverarbeitungseinheit 3, 3', die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1, 1'
integriert ist, verarbeitet die ersten Audiosignale. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit
3, 3' wird an einen Lautsprecher bzw. Hörer 4, 4' übertragen, der ein akustisches
Signal ausgibt. Der Schall wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit
einer Otoplastik im Gehörgang fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen.
Die Energieversorgung des Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit
3, 3' erfolgt durch eine ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1, 1' integrierte Batterie
5, 5'.
[0038] Weiterhin weist das Hörhilfesystem 100 eine Signalverbindung 6 auf, die ausgelegt
ist, ein erstes akustisches Signal von der Signalverarbeitungseinrichtung 3 zu der
Signalverarbeitungseinrichtung 3' zu übertragen. Dabei ist es in der bevorzugten Ausführungsform
vorgesehen, dass auch Signalverarbeitungseinrichtung 3' ein erstes akustisches Signal
zu der Signalverarbeitungseinrichtung 3 in Gegenrichtung überträgt. Weiterhin ist
es denkbar, dass die Signale mehrerer oder aller Mikrofone 2, 2' jeweils zu dem anderen
Hörhilfegerät 110, 110' zu übertragen.
[0039] Als Signalverbindung 6 sind drahtgebundene, optische oder auch drahtlose Verbindungen
wie z.B. Bluetooth denkbar.
[0040] Neben den dargestellten HDO- (Hinter-dem-Ohr-) Hörhilfegeräten ist das erfindungsgemäße
Verfahren auch in anderen Hörhilfegeräten wie zum Beispiel einem IDO- (In-dem-Ohr-)
Hörhilfegerät anwendbar.
[0041] Fig. 2 zeigt eine schematische Anordnung von einem erfindungsgemäßen Hörhilfesystem,
seinem Träger und den Signalquellen in einer Aufsicht von oben an.
[0042] Der Träger 201 der Hörhilfegeräte 110, 110' ist in der Mitte eines Polarkoordinatensystems
200 angeordnet. Der Träger 201 trägt die Hörhilfegeräte 110, 110' anwendungsgemäß,
beispielsweise bei HDO-Hörhilfegeräte hinter dem jeweiligen Ohr oder bei IDO-Hörhilfegeräte
in dem jeweiligen Gehörgang. Die Blickrichtung des Trägers 201 ist nach vorne, was
im Polardiagramm in Richtung 0 Grad entspricht. In dem folgenden Beispiel ist die
Vorzugsrichtung parallel zur Blickrichtung angenommen. Es ist aber auch denkbar, dass
die Vorzugsrichtung in einem Winkel zur Blickrichtung angeordnet ist. Es wäre auch
denkbar, dass die Vorzugsrichtung durch ein adaptives Verfahren jeweils vorab ermittelt
wird und die ersten Audiosignale derart vorverarbeitet werden, dass die Vorzugsrichtung
auf die Richtung 0 Grad abgebildet bzw. transformiert wird. Eine Vorverarbeitung könnte
beispielsweise durch eine Anpassung der Amplitude und Phase der ersten Audiosignale
erfolgen. Nachfolgende Verarbeitungsschritte können dann die vorverarbeiteten ersten
Audiosignale so verarbeiten, als wäre deren Ursprung in der 0 Grad Richtung gelegen.
Dabei können beispielsweise Symmetrieeigenschaften oder Kopfabschattungen von Audiosignalen
mit diesem Ursprung genutzt werden.
[0043] In der Vorzugsrichtung befindet sich ein Sprecher 202, der im Folgenden als die Quelle
eines Nutzsignals in Vorzugsrichtung angenommen wird. In anderen Winkeln zu dem Träger
201 sind weitere Personen 203, 204, 205 und 206 angeordnet. Es ist weiterhin eine
binaurale Acht 210 eingezeichnet, die eine Richtcharakteristik eines Differenzsignals
der ersten Audiosignale der beiden Wandler der beiden Hörhilfegeräte des binauralen
Hörhilfesystems angibt. Weiterhin ist eine direktionale Richtcharakteristik 220 angegeben,
die sich beispielsweise durch eine gewichtete Summenbildung der ersten Audiosignale
der beiden Wandler der beiden Hörhilfegeräte des binauralen Hörhilfesystems ergibt.
Die Richtcharakteristik 220 weist ein Maximum der Empfindlichkeit in der Vorzugsrichtung
0 Grad auf.
[0044] Fig. 3 zeigt ein schematisches Ablaufdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens
in der Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3'.
[0045] In Schritt S10 bildet die Signalverarbeitungseinrichtung 3 ein Summensignal der ersten
Audiosignale der Wandler 2, 2'. Das Summensignal zeigt ein Maximum der Empfindlichkeit
in der Vorzugsrichtung, in der auch Sprecher 202 angeordnet ist. Die Richtcharakteristik
kann beispielsweise der Richtcharakteristik 220 in Fig. 2 gleichen. In der einfachsten
Form werden die ersten Audiosignale unmittelbar addiert. Es ist aber auch denkbar,
dass die ersten Audiosignale zunächst in ihrer Amplitude und Phase korrigiert werden,
um beispielsweise eine andere Vorzugsrichtung zu wählen oder Toleranzen zwischen den
Wandlern 2, 2' auszugleichen. Es ist dabei möglich, dass die Korrektur im Sinne eines
adaptiven Filters erfolgt. Dies könnte beispielsweise ein Wiener Filter sein. Die
Koeffizienten können so gewählt werden, dass der Energiegehalt des Summensignals minimal
ist, sodass nicht aus der Vorzugsrichtung stammende akustische Signale bereits gedämpft
werden. Hiermit wäre es auch möglich, Kopfschatteneffekte gezielt zu nutzen um ein
Signal mit größtmöglichem Anteil aus der Vorzugsrichtung zu erreichen.
[0046] Weiterhin ist es auch denkbar, dass nicht nur zwei, sondern die Signale mehrerer
Mikrofone kombiniert werden. So kann beispielsweise jedes Hörhilfegerät ein monaurales
direktionales Mikrofon aufweisen, dass aus je zwei omnidirektionalen Mikrofonen kombiniert
ist. Die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' kann dann diese ersten Audiosignale
zu Audiosignalen mit Richtwirkung höherer Ordnung kombinieren.
[0047] In Schritt S20 bildet die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' ein Differenzsignal
der ersten Audiosignale der Wandler 2, 2'. Eine mögliche Richtcharakteristik 210 des
Differenzsignals ist in Form einer binauralen Acht in Fig. 2 dargestellt. Das Differenzsignal
zeigt ein Minimum der Empfindlichkeit in der Vorzugsrichtung des Sprechers 202. Andererseits
weist die Richtcharakteristik 210 in Richtungen ungleich der Vorzugsrichtung eine
erhöhte Empfindlichkeit auf, sodass akustische Signale der Sprecher 203, 204 205 oder
206 relativ zu akustischen Signalen des Sprechers 202 zu stärkeren ersten akustischen
Signalen führen. Wie bereits zu S10 angegeben, kann das Differenzsignal auch aus einer
Mehrzahl von ersten Audiosignalen gebildet werden, um Richtcharakteristiken höherer
Ordnung zu realisieren.
[0048] In Schritt S30 bildet die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' einen Quotienten aus
dem Summensignal und dem Differenzsignal. In der folgenden Diskussion wird der Einfachheit
halber davon ausgegangen, dass die Wandler 2, 2' erste Audiosignale mit Pegelwert
1 für den Sprecher 202 liefern und die Faktoren bei der Summation und der Differenzbildung
jeweils gleich 1 sind, d.h. die Signale normiert sind. Für andere Voraussetzungen
sind die diskutierten Werte entsprechend zu skalieren, wodurch jedoch der Erfindungsgedanke
nicht verändert wird und diese Ausführungsformen unter den Schutz der Erfindung fallen.
[0049] Für einen Sprecher 202 als Signalquelle nimmt der Quotient einen Wert wesentlich
größer als 1 an, denn wegen des Minimums der Richtcharakteristik 210 in der Vorzugsrichtung
ist das Differenzsignal klein und geht im theoretischen Extremfall sogar gegen Null.
Gleichzeitig ist das Summensignal maximal, für normierte Empfindlichkeit wäre dies
ein Wert 2. Der Quotient steigt entsprechend zu großen positiven Werten an.
[0050] Für einen Sprecher 203 als Signalquelle geht der Signalwert des Differenzsignals
gegen einen Wert, der dem des Summensignals gleicht, da sich die beiden Richtcharakteristiken
201, 220 in Richtung des Sprechers 203 schneiden. Der Quotient selbst geht gegen den
Wert 1.
[0051] Für einen Sprecher 204 als Signalquelle geht der Signalwert des Differenzsignals
gegen ein Maximum, während das Summensignal gegen einen Wert kleiner als 1 und größer
als 0 in Richtung 0 geht. Der Quotient selbst geht ebenfalls gegen einen Wert kleiner
als 1 und größer als 0 in Richtung 0. Vergleichbares gilt für Sprecher 206. Typische
Werte für den Quotienten liegen dann zwischen 0,5 und 0,25.
[0052] In einem Schritt S40 erhöht die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' erfindungsgemäß
die Richtcharakteristik des binauralen direktionalen Mikrofonsignals, wenn der Quotient
steigt bzw. einen vorbestimmten Wert überschreitet. Dieser Wert kann bezogen auf ein
Normiertes Audiosignal beispielsweise 0, 5 oder 1 sein. Für Signalquellen in der Vorzugsrichtung,
in der sich beispielsweise der Sprecher 202 befindet, weist das binaurale direktionale
Mikrofonsignal dann einen größeren Signalpegel auf, während beispielsweise für Signalquellen
wie Sprecher 203, 204, 205 oder 206 in anderen Richtungen in einem Winkel zur Vorzugsrichtung
das Signal einen geringeren Signalpegel aufweist. Eine Anhebung der Richtcharakteristik
kann in einer Ausführungsform erfolgen, indem das binaurale direktionale Mikrofonsignal
durch eine gewichtete Überlagerung des Summensignals und eines omnidirektionalen Mikrofonsignals
gewonnen wird, wobei zur Erhöhung der Richtcharakteristik das Summensignal gegenüber
dem omnidirektionalen Signal stärker gewichtet wird. Es sind aber auch andere Kombinationen
von binauralen direktionalen Mikrofonen höherer Ordnung mit einem omnidirektionalen
Mikrofonsignal denkbar.
[0053] Umgekehrt senkt die erfindungsgemäße Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' in Schritt
S40 die Richtcharakteristik des binauralen direktionalen Mikrofonsignals, wenn der
Quotient sinkt. Dies ist, wie bereits dargestellt, beispielsweise für Sprecher 204
der Fall. Bei einem Senken der Richtcharakteristik steigt die Empfindlichkeit des
binauralen direktionalen Mikrofons für Richtungen unter einem Winkel zur Vorzugsrichtung,
während sie in der Vorzugsrichtung abnimmt. Für die beispielsweise in Bezug auf Sprecher
204 zu Schritt S30 diskutierten kleinen Werte des Quotienten hat das binaurale direktionale
Mikrofon keine Richtcharakteristik mehr, weist also eine omnidirektionale Richtcharakteristik
auf. Damit ist für Signalquellen in der Vorzugsrichtung, in der sich beispielsweise
der Sprecher 202 befindet, der Signalpegel des binauralen direktionalen Mikrofons
gleich dem für Signalquellen wie Sprecher 203, 204, 205 oder 206 in anderen Richtungen
in einem Winkel zur Vorzugsrichtung.
[0054] In einer alternativen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird in Schritt
S10 anstelle der Summe das Minimum aus den ersten Audiosignalen bzw. den ersten vorverarbeiteten
Audiosignalen bestimmt. In Schritt S30 wird dann entsprechend der Quotient aus dem
bestimmten Minimum und der Differenz der ersten Audiosignale bzw. der ersten vorverarbeiteten
Audiosignale gebildet. Im Übrigen entspricht das alternative Verfahren dem bereits
dargestellten Verfahren.
[0055] In einer weiteren alternativen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ermittelt
die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' in Schritt S10' anstelle des Quotienten einen
Wert für die Kreuzkorrelation der ersten Audiosignale. Ist der Ursprung eines Audiosignals
in der Symmetrieebene zwischen den beiden Hörhilfegeräten 110, 110', so sind die ersten
Audiosignale im Idealfall identisch und weisen einen hohen Wert für die Kreuzkorrelation
auf. Für Werte außerhalb nimmt entsprechend die Kreuzkorrelation ab. Gleiches gilt,
wenn die ersten Audiosignale aus einer Vielzahl von unabhängigen räumlich verteilten
Quellen entstammen.
[0056] In einem Schritt S40' der weiteren alternativen Ausführungsform des Verfahrens erhöht
die Signalverarbeitungseinrichtung 3, 3' entsprechend zu S40 die Richtcharakteristik
des binauralen direktionalen Mikrofonsignals, wenn der Wert der Kreuzkorrelation steigt
bzw. einen Wert größer null annimmt und senkt die die Richtcharakteristik des binauralen
direktionalen Mikrofonsignals, wenn der Wert für die Kreuzkorrelation sinkt.
[0057] Die Schritte der Quotientenbildung S20 und S30 entfallen sinngemäß in der alternativen
Ausführungsform des Verfahrens.
[0058] Es ist in den erfindungsgemäßen Verfahren auch denkbar, dass die Vorzugsrichtung
nicht in der Symmetrieebene zwischen den Hörhilfegeräten liegt. So kann beispielsweise
durch unterschiedliche Wandler 2, 2' oder durch unterschiedliche Vorverarbeitung der
Signale ersten Audiosignale vor einer Summen- oder Differenzbildung die Vorzugsrichtung
in eine andere Richtung außerhalb der Symmetrieebene der beiden Hörhilfegeräte 110,
110' gerichtet werden. Gleiches gilt, wenn erfindungsgemäß anstelle der Summe der
ersten Audiosignale das Minimum von dem ersten vorverarbeiteten Audiosignal und dem
zweiten vorverarbeiteten Audiosignal in den Quotienten als Zähler eingeht. Die Vorverarbeitung
der ersten Audiosignale kann permanent oder auch adaptiv anhand eines Verfahrens erfolgen,
dass eine Raumrichtung einer Schallquelle ermittelt und geeignete Amplituden- und
Phasenkorrekturen bestimmt, um die Raumrichtung in die Symmetrieebene zwischen den
Hörhilfegeräten in die Blickrichtung des Trägers abzubilden. Entsprechend kann bei
der Ausführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens der Sprecher 202 in Fig. 2 auch
in einer anderen als der angezeigten Vorzugsrichtung 0 Grad in Bezug zu dem Träger
201 angeordnet sein.
[0059] Fig. 4 zeigt schematisch die Funktionsblöcke zur Erzeugung eines Quotienten gemäß
dem erfindungsgemäßen Verfahren.
[0060] Die Wandler 2, 2' liefern ein Signal, dass dem am linken und rechten Hörhilfegerät
110, 110' eintreffenden Schall entspricht. Die ersten akustischen Signale der Wandler
werden in Addierer 301 addiert bzw. in Addierer 302 subtrahiert, nachdem der Inverter
303 das erste akustische Signal des Wandlers 2 invertiert hat. Zur Bestimmung eines
Pegels werden die Summen- und Differenzsignale zunächst in Gleichrichter 305, 306
in Beträge umgewandelt bzw. gleichgerichtet und in den Tiefpässen 307, 308 gemittelt,
bevor in dem Dividierer 309 der Quotient gebildet wird.
[0061] Die in Fig. 4 dargestellten Funktionen lassen sich erfindungsgemäß durch analoge
Bausteine, digitale diskrete oder integrierten Einheiten wie beispielsweise ASICS
oder FPGA oder auch als Software in einem Digitalen Signalprozessor Prozessor oder
einem allgemeinen Prozessor abbilden.
[0062] Obwohl die Erfindung im Detail durch das bevorzugte Ausführungsbeispiel näher illustriert
und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele
eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden,
ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.
1. Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfesystems (100) mit mindestens zwei Hörhilfegeräten
(110, 110') zur Anordnung an beiden Seiten eines Kopfes eines Trägers (201), wobei
die Hörhilfegeräte (110, 110') einen Wandler (2, 2') zur Aufnahme eines akustischen
Signals und Wandlung in ein jeweils erstes Audiosignal aufweisen, wobei das Hörhilfesystem
(100) eine Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') zur Verarbeitung von Audiosignalen
und eine Signalverbindung zur Übertragung eines ersten Audiosignals von jedem Hörhilfegerät
zu der Signalverarbeitungseinrichtung (3, 3') aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Signalverarbeitungsvorrichtung 3, 3') einen Signalanteil aus einer Vorzugsrichtung
in Bezug auf den Kopf des Trägers (201) in den ersten Audiosignalen bewertet und die
Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') mit den ersten Audiosignalen ein erstes binaurales
direktionales Mikrofonsignal erzeugt und dessen Richtcharakteristik (220) in Abhängigkeit
von der Bewertung einstellt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei durch eine Vorverarbeitung der ersten Audiosignale
die Vorzugsrichtung in eine Symmetrieebene der beiden Hörhilfegeräte (110, 110') abgebildet
wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Signalverarbeitungseinrichtung (3, 3')
zur Bewertung des Signalanteils aus der Vorzugsrichtung einen Quotienten aus einem
Minimum des Pegels der ersten Audiosignale oder aus einem Minimum des Pegels der ersten
vorverarbeiteten Audiosignale und einem zweiten Bezugssignal mit einer reduzierten
Empfindlichkeit in der Vorzugsrichtung bildet.
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Signalverarbeitungseinrichtung (3, 3')
zur Bewertung des Signalanteils aus der Vorzugsrichtung einen Quotienten aus einem
ersten Bezugssignal mit Richtcharakteristik (220) in die Vorzugsrichtung und einem
zweiten Bezugssignal mit einer reduzierten Empfindlichkeit in der Vorzugsrichtung
bildet.
5. Verfahren nach Anspruch 4, wobei das erste Bezugssignal eine gewichtete Summe der
ersten Audiosignale beider Hörhilfegeräte (110, 110') ist.
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei eine Gewichtung der ersten Audiosignale adaptiv derart
erfolgt, dass eine Energie der gewichteten Summe minimiert wird.
7. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei das zweite Bezugssignal eine
gewichtete Differenz der ersten Audiosignale beider Hörhilfegeräte (110, 110') ist.
8. Verfahren nach Anspruch 7, wobei das zweite Bezugssignal ein Signal einer binauralen
Acht (210) ist, wobei die binaurale Acht (210) ein Minimum an Empfindlichkeit in Richtung
der Vorzugsrichtung aufweist.
9. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei die Signalverarbeitungsvorrichtung
die Richtcharakteristik (220) des binauralen direktionalen Mikrofons mit einem steigenden
Wert des Quotienten erhöht.
10. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Signalverarbeitungseinrichtung (3, 3')
zur Bewertung des Signalanteils eine Kreuzkorrelation der ersten Audiosignale oder
der vorverarbeiteten ersten Audiosignale beider Hörhilfegeräte bestimmt.
11. Verfahren nach Anspruch 10, wobei die Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') die Richtcharakteristik
(220) des binauralen direktionalen Mikrofons mit zunehmender Kreuzkorrelation erhöht.
12. Verfahren nach einem der vorangehenden Schritte, wobei die Bewertung der Signalanteile
aus der Vorzugsrichtung in den ersten Audiosignalen für mindestens zwei verschiedene
Frequenzbereiche einzeln erfolgt und die Richtcharakteristik (220) des ersten binauralen
direktionalen Mikrofonsignals für jeden Frequenzbereich einzeln in Abhängigkeit von
der Bewertung eingestellt wird.
13. Hörhilfesystems mit mindestens zwei Hörhilfegeräten (110, 110') zur anwendungsgemäßen
Anordnung an beiden Seiten eines Kopfes eines Trägers (201), wobei die Hörhilfegeräte
(110, 110') einen Wandler (2, 2') zur Aufnahme eines akustischen Signals und Wandlung
in ein jeweils erstes Audiosignal aufweisen, wobei das Hörhilfesystem (100) eine Signalverarbeitungsvorrichtung
(3, 3') zur Verarbeitung von Audiosignalen und eine Signalverbindung zur Übertragung
eines ersten Audiosignals von jedem Hörhilfegerät (110, 110') zu der Signalverarbeitungseinrichtung
(3, 3') aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') ausgelegt ist, einen Signalanteil aus
einer Vorzugsrichtung in Bezug auf den Kopf in den ersten Audiosignalen zu bewerten
und die Signalverarbeitungsvorrichtung (3, 3') ausgelegt ist, mit den ersten Audiosignalen
ein erstes binaurales direktionales Mikrofonsignal zu erzeugen und dessen Richtcharakteristik
(220) in Abhängigkeit von der Bewertung einzustellen.
14. Hörhilfesystem nach Anspruch 13, wobei das Hörhilfesystem (100) dazu ausgelegt ist,
das Verfahren nach den Ansprüchen 2 bis 12 auszuführen.