[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft einen Lenkflugkörper. Außerdem betrifft die Erfindung
ein Verfahren zum Lenken eines Lenkflugkörpers. Der Lenkflugkörper ist insbesondere
ein Integral-Flugkörper.
[0002] In der Regel wird ein Integral-Flugkörper in der unteren Abfangschicht, das bedeutet
unterhalb von vorzugsweise 30 Kilometern Flughöhe, zur Bekämpfung von Zielen benutzt,
in der die Luftdichte groß genug ist, um den Flugkörper aerodynamisch zu steuern und
die geforderte Querbeschleunigung mit aerodynamischen Auftrieb zu gewährleisten.
[0003] In der oberen Abfangschicht werden zweistufige oder auch mehrstufige Flugkörper verwendet,
die eine Antriebsstufe und eine Wirkstufe, auch Kill Vehicle genannt, umfassen. Hierbei
wird nach dem Abwurf der Antriebsstufe das Kill Vehicle mit Querschubdüsen (DACS =
Divert Attitude Control System) in ein vorgegebenes Ziel gelenkt. Ein DACS setzt sich
zusammen aus vier Düsen im Schwerpunkt des Flugkörpers, die die geforderte Querbeschleunigung
aufbringen, und aus mindestens vier Düsen am Heck oder auch an der Spitze des Kill
Vehicles, die die Lage des Kill Vehicles kontrollieren.
[0004] Ein Integral-Flugkörper, der verzugsweise in der unteren Abfangschicht eingesetzt
wird, benutzt in der Regel die aerodynamischen Steuerflächen, um den Flugkörper relativ
zur Anströmung anzustellen und zu trimmen. Durch diese Anstellung des Flugkörpers
wird ein Auftrieb erzeugt, so dass der Flugkörper gelenkt werden kann. Ein anderer
Lenkflugkörper gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ist aus der
FR 2 684 723 A1 bekannt.
[0005] Bei größeren Abfanghöhen nimmt mit abnehmender Luftdichte die aerodynamische Wirksamkeit
immer weiter ab, und der Flugkörper kann die geforderte Querbeschleunigung nicht mehr
aufbringen und trifft nicht mehr. Unter günstigen Bedingungen sind Treffer mit Querschubtrimmung
und aerodynamischem Auftrieb bis zu 30 km Höhe möglich, was somit auch den Einsatzbereich
für einen Integral-Flugkörper in der Höhe begrenzt.
[0006] Es ist daher Aufgabe der Erfindung, einen Lenkflugkörper bereitzustellen, der bei
einfacher und kostengünstiger Herstellung einen großen Einsatzbereich aufweist.
[0007] Die Lösung der Aufgabe erfolgt durch die Merkmale des unabhängigen Anspruchs 1. Somit
erfolgt die Lösung durch einen Lenkflugkörper, aufweisend eine Längsachse und umfassend
zumindest einen ersten Antrieb und einen zweiten Antrieb. Mit dem ersten Antrieb ist
ein erster Schub entlang der Längsachse erzeugbar, während mit dem zweiten Antrieb
ein zweiter Schub senkrecht zu der Längsachse erzeugbar ist. Der Lenkflugkörper ist
eingerichtet, den zweiten Antrieb derart anzusteuern, dass bei aktiviertem ersten
Antrieb der Lenkflugkörper lenkbar ist. Bevorzugt ist der Lenkflugkörper ein Integral-Flugkörper
oder ein einstufiger Flugkörper. Der erste Antrieb ist bevorzugt ein Triebwerk, insbesondere
ein Doppelimpulstriebwerk. Der zweite Antrieb wiederum ist vorteilhafterweise eine
Querschubeinheit, die eine Vielzahl von Querschubdüsen aufweist.
[0008] Weiterhin betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Steuern eines Lenkflugkörpers,
wobei der Lenkflugkörper eine Längsachse aufweist und einen ersten Antrieb sowie einen
zweiten Antrieb umfasst. Durch den ersten Antrieb ist ein erster Schub entlang der
Längsachse und durch den zweiten Antrieb ein zweiter Schub senkrecht zu der Längsachse
erzeugbar. Das Verfahren umfasst erfindungsgemäß die folgenden Schritte: Zunächst
wird der erste Antrieb aktiviert. Dabei ist insbesondere vorgesehen, dass der erste
Antrieb ein Triebwerk ist, das mehrmals aktivierbar ist. Besonders bevorzugt ist der
erste Antrieb ein Doppelimpulstriebwerk. Der erfindungsgemäße Schritt des Aktivierens
des ersten Antriebs ist insbesondere ein letztmaliges Aktivieren des Triebwerks oder
des Doppelimpulstriebwerks. Anschließend wird der Lenkflugkörper durch zumindest partielles
Aktivieren des zweiten Antriebs ausgerichtet. Das Ausrichten folgt bevorzugt einer
vorgegebenen Lenkvorschrift, die eine Richtung vorgibt, in die der Lenkflugkörper
zu fliegen hat. Durch das Ausrichten wird insbesondere eine Wirkrichtung des ersten
Antriebs verändert, so dass der Lenkflugkörper eine Richtungsänderung vollführt.
[0009] Die Unteransprüche haben vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung zum Inhalt.
[0010] Bevorzugt ist der Lenkflugkörper ausschließlich durch den ersten Antrieb und den
zweiten Antrieb lenkbar. Somit ist bevorzugt vorgesehen, dass der Lenkflugkörper lediglich
mit dem ersten Schub und dem zweiten Schub lenkbar ist. Dabei ist der zweite Schub
insbesondere für eine Rotation des Lenkflugkörpers um den Schwerpunkt des Lenkflugkörpers
verwendbar. Der erste Schub wiederum ist insbesondere für eine translatorische Beschleunigung
des Schwerpunktes des Lenkflugkörpers verwendbar.
[0011] Vorteilhafterweise weist der zweite Antrieb einen vordefinierten Abstand zu einem
Schwerpunkt des Lenkflugkörpers auf. Außerdem ist bevorzugt vorgesehen, dass der zweite
Antrieb eine Wirkrichtung innehat, die einen vordefinierten Winkel zu der Längsachse
des Lenkflugkörpers einnimmt, wobei der vordefinierte Winkel insbesondere 90° oder
im Wesentlichen 90° beträgt. Dies erlaubt, mit dem zweiten Antrieb eine Rotation des
Lenkflugkörpers um den Schwerpunkt auszuführen. Somit ist der Lenkflugkörper ausrichtbar.
Für eine optimale Lenkbarkeit des Lenkflugkörpers ist der vordefinierte Abstand möglichst
groß, insbesondere so groß wie möglich, zu wählen.
[0012] In einer bevorzugten Ausführungsform umfasst der zweite Antrieb Schubdüsen, die insbesondere
kartesisch angeordnet sind. Vorzugsweise umfasst der zweite Antrieb vier Schubdüsen,
die kranzförmig um die Längsachse orientiert sind. Besonders bevorzugt sind die Querschubdüsen
regelmäßig um den Umfang des Lenkflugkörpers angeordnet.
[0013] Bevorzugt ist weiterhin vorgesehen, dass eine minimale Betriebsdauer des zweiten
Antriebs zumindest einer maximalen Betriebsdauer des ersten Antriebs entspricht. Somit
ist sichergestellt, dass der zweite Antrieb während einer gesamten Betriebsdauer des
ersten Antriebs aktivierbar ist. Da der zweite Antrieb bevorzugt zum Ausrichten und
damit Lenken des Lenkflugkörpers verwendet wird, ist somit sichergestellt, dass der
Lenkflugkörper während der Betriebsdauer des ersten Antriebs lenkbar ist. Die Betriebsdauer
des ersten Antriebs ist insbesondere eine Betriebsdauer zwischen einem letztmaligen
Aktivieren und einem letztmaligen Deaktivieren des ersten Antriebs.
[0014] Der erste Antrieb ist insbesondere ein Doppelimpulstriebwerk. Die minimale Betriebsdauer
des zweiten Antriebs entspricht daher zumindest einer maximalen Betriebsdauer eines
zweiten Impulses des Doppelimpulstriebwerks.
[0015] Schließlich ist vorteilhafterweise vorgesehen, dass durch Ansteuerung des zweiten
Antriebs die Längsachse derart zu einem Geschwindigkeitsvektor des Lenkflugkörpers
ausrichtbar ist, dass der erste Schub des ersten Antriebs eine vordefinierte Querbeschleunigung
senkrecht zu dem Geschwindigkeitsvektor erzeugt. Da durch das Ausrichten des Lenkflugkörpers
eine Richtung des ersten Schubs von der Richtung einer aktuellen Geschwindigkeit des
Lenkflugkörpers abweicht, ist der erste Schub in eine Längsschubkomponente und in
eine Querschubkomponente zerlegbar.
[0016] Für das erfindungsgemäße Verfahren ist insbesondere vorgesehen, dass die folgenden
Schritte zusätzlich zu den bereits genannten Schritten ausgeführt werden. Zunächst
wird eine Querbeschleunigung senkrecht zu einem Geschwindigkeitsvektor des Lenkflugkörpers
festgelegt. Dabei ist vorgesehen, dass der Lenkflugkörper die festgelegte Querbeschleunigung
einnehmen soll. Die Querbeschleunigung wird bevorzugt von einem übergeordneten Navigationssystem
festgelegt, wobei das Navigationssystem den Lenkflugkörper insbesondere zu einem zu
bekämpfenden Ziel lenkt. Anschließend wird die Längsachse des Lenkflugkörpers relativ
zu dem Geschwindigkeitsvektor des Lenkflugkörpers ausgerichtete, indem der zweite
Antrieb zumindest partiell aktiviert wird. Als Ergebnis der Ausrichtung erzeugt der
erste Antrieb den ersten Schub derart, dass die festgelegte Querbeschleunigung erreicht
wird. Ob der erste Schub die festgelegte Querbeschleunigung erzeugt, ist insbesondere
durch Zerlegung eines den ersten Schub darstellenden Vektors in eine Längsschubbeschleunigung
und in eine Querschubbeschleunigung feststellbar. Außerdem ist besonders bevorzugt
vorgesehen, dass das Verfahren mit folgenden zusätzlichen Schritten ausgeführt wird:
Zunächst wird ein Anstellwinkel zwischen Längsachse und Geschwindigkeitsvektor bestimmt,
der notwendig ist, damit der erste Schub des ersten Antriebs die festgelegte Querbeschleunigung
erzeugt. Dies ist insbesondere durch trigonometrische Berechnung möglich, da der erste
Schub des ersten Antriebs und die Querbeschleunigung bekannt sind. Anschließend wird
der zweite Antrieb zumindest partiell aktiviert, so dass der Lenkflugkörper den bestimmten
Anstellwinkel einnimmt. Dies erfolgt insbesondere durch eine passende Regelung des
zweiten Antriebs.
[0017] Der Lenkflugkörper ist insbesondere zusätzlich derart ausgestaltet, dass dieser eine
aerodynamische Steuereinheit aufweist. Daher ist es dem Lenkflugkörper insbesondere
möglich, zwischen aerodynamischer Lenkung und Lenkung durch Zusammenspiel von erstem
Antrieb und zweitem Antrieb zu wechseln.
[0018] Bei der Bekämpfung von TBMs (Tactical Ballistic Missiles) versucht man das Ziel mit
einem Direkttreffer zu zerstören, um die notwendige Zerstörungsenergie aufzubringen.
Ein Direkttreffer gegen schnelle und/oder manövrierende TBMs setzt eine hohe Agilität
des Flugkörpers voraus. Diese wird erreicht durch die Verwendung einer Querschubeinheit
vor dem Schwerpunkt (ACS = Attitude Control System) - für das neue Lenkkonzept vorzugsweise
4 kartesisch angeordnete Querschubdüsen. Durch die hohe Dynamik der Querschubdüsen
und die Vermeidung des Allpassverhaltens (Einbau der Düsen vor dem Schwerpunkt) kann
die Zeitkonstante des Flugkörpers soweit verbessert werden, dass ein Direkttreffer
möglich ist. Die notwendige Querbeschleunigung, um den Flugkörper zum Direkttreffer
zu führen, wird jedoch auch beim Einsatz der Querschubdüsen (ACS) größtenteils durch
den aerodynamischen Auftrieb des Flugköpers erzielt (im Gegensatz zu einem Kill Vehicle
mit einem DACS).
[0019] Die Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen unter Zuhilfenahme der beigefügten
Zeichnungen detailliert beschrieben. In den Zeichnungen ist:
- Figur 1
- eine schematische Darstellung eines Lenkflugkörpers gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel
der Erfindung,
- Figur 2
- eine schematische Darstellung des Lenkflugkörpers gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel
der Erfindung während eines ersten Lenkvorgangs,
- Figur 3
- eine schematische Darstellung des Lenkflugkörpers gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel
der Erfindung während eines zweiten Lenkvorgangs, und
- Figur 4
- eine schematische Darstellung wirkenden Kräfte bei Ausführen des zweiten Lenkvorgangs.
[0020] Figur 1 zeigt schematisch einen Lenkflugkörper 1 gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel
der Erfindung. Der Lenkflugkörper 1 weist eine Längsachse 2 auf, um die sich der Lenkflugkörper
zylinderförmig erstreckt. Durch einen ersten Antrieb 3 und einen zweiten Antrieb 4
ist der Lenkflugkörper 1 antreibbar und/oder lenkbar.
[0021] Der erste Antrieb 3 ist bevorzugt ein Triebwerk, insbesondere ein Raketentriebwerk.
Auch ist vorgesehen, dass der erste Antrieb 3 ein Doppelimpulstriebwerk ist, das mehrmals
aktivierbar und deaktivierbar ist. Der zweite Antrieb 4 umfasst eine Vielzahl von
Querschubdüsen, die kranzförmig um die Längsachse 2 angeordnet sind. Dabei weisen
die Querschubdüsen des zweiten Antriebs 4 einen vordefinierten Abstand zu dem Schwerpunkt
5 des Lenkflugkörpers 1 auf. Eine Wirkrichtung der Querschubdüsen ist jeweils senkrecht
zu der Längsachse 2 orientiert, wobei die Wirkrichtung insbesondere von der Längsachse
2 weg weist. Dadurch ist mit dem zweiten Antrieb 4 eine Rotationsbewegung des Lenkflugkörpers
1 um den Schwerpunkt 5 erzeugbar.
[0022] Insbesondere ist der erste Antrieb 3 an einem Ende des Lenkflugkörpers 1 angebracht.
An einem gegenüberliegenden Ende ist bevorzugt eine Wirkeinheit 7 des Lenkflugkörpers
1 vorgesehen. Der Schwerpunkt 5 liegt insbesondere zwischen dem zweiten Antrieb 4
und dem ersten Antrieb 3.
[0023] Zur aerodynamischen Steuerung weist der Lenkflugkörper 1 aerodynamische Steuereinheiten
6 auf, die ebenfalls bevorzugt kranzförmig um die Längsachse 2 orientiert sind. Die
aerodynamischen Steuereinheiten 6 sind vorteilhafterweise Steuerflächen, die an dem
Ende des Lenkflugkörpers 1 angebracht sind, an dem auch der erste Antrieb 3 vorgesehen
ist.
[0024] Insgesamt ist der Lenkflugkörper 1 daher auf unterschiedliche Arten steuerbar. Dabei
ist vorgesehen, dass ein Steuerkonzept ab Erreichen einer vordefinierten Flughöhe
geändert wird. So ist insbesondere vorgesehen, den Lenkflugkörper 1 unterhalb der
vordefinierten Flughöhe aerodynamisch zu steuern, wie dies in Figur 2 gezeigt ist.
Oberhalb der vordefinierten Flughöhe wird der Lenkflugkörper 1 insbesondere durch
ein Zusammenspiel von erstem Antrieb 3 und zweitem Antrieb 4 gesteuert. Dies ist in
den Figuren 3 und 4 gezeigt.
[0025] Figur 2 zeigt den Lenkflugkörper 1 aus Figur 1 während eines Fluges mit aerodynamischer
Lenkung. Durch die aerodynamischen Steuereinheiten 6 ist der Lenkflugkörper 1 derart
steuerbar, dass die Längsachse 2 um einen Anstellwinkel 10 aus der horizontalen Ebene
verdrehbar ist. Auf diese Weise wird eine Auftriebskraft 20 erzeugt, die eine Lenkung
des Lenkflugkörpers 1 erlaubt. Der Auftriebskraft 20 wirkt eine Gewichtskraft 30 des
Lenkflugkörpers 1 entgegen. Weiterhin wirkt eine Vortriebskraft 40 auf den Schwerpunkt
5 des Lenkflugkörpers 1 ein, der eine Widerstandskraft 50 entgegenwirkt. Solange der
erste Antrieb 3 abgeschaltet ist, sind alle genannten Kräfte nahezu gleich groß, so
dass sich der Lenkflugkörper 1 in einem nahezu stationären Flug befindet. Der stationäre
Flug wird dabei lediglich durch den Luftwiderstand abgebremst. Jedoch ist der Lenkflugkörper
auch ohne aktiven ersten Antrieb 3 lenkbar.
[0026] Figur 3 zeigt den Lenkflugkörper 1 aus Figur 1 während eines Fluges mit Lenkung durch
Aktivierung des ersten Antriebs 3 und des zweiten Antriebs 4. Eine solche Lenkung
erfolgt insbesondere dann, wenn die aerodynamische Wirkung der aerodynamischen Steuereinheiten
6 für eine Lenkung des Lenkflugkörpers 1 nicht mehr ausreicht. Zur Lenkung wird der
Anstellwinkel 10 durch Aktivieren des zweiten Antriebs 4 erzeugt. Dies geschieht dadurch,
dass der durch den zweiten Antrieb 4 erzeugte zweite Schub 200 eine Rotationsbewegung
des Lenkflugkörpers 1 um den Schwerpunkt 5 bewirkt. Die Rotation bedingt daher eine
Verdrehung der Längsachse 2 des Lenkflugkörpers 1 gegenüber einem aktuellen Geschwindigkeitsvektor
300 des Lenkflugkörpers 1 um den Anstellwinkel 10.
[0027] Gleichzeigt ist vorgesehen, dass der erste Antrieb 3 einen ersten Schub 100 erzeugt.
Da der erste Schub 100 durch das beschriebene Ausrichten des Lenkflugkörpers 1 mittels
des zweiten Antriebs 4 nun von der Richtung des Geschwindigkeitsvektors 300 abweicht,
wird eine auf den Schwerpunkt 5 wirkende Querbeschleunigung 400 erzeugt, die den Lenkflugkörper
1 lenkt. Die Querbeschleunigung 400 wird insbesondere derart erzeugt, dass diese gleich
groß wie eine Soll-Querbeschleunigung ist. Die Soll-Querbeschleunigung ist eine Querbeschleunigung,
die der Lenkflugkörper 1 einnehmen soll und wird insbesondere von einem Navigationssystem
vorgegeben, das den Lenkflugkörper 1 zu einem Ziel lenkt. Ein beispielhafter Lenkvorgang
ist in Figur 4 gezeigt.
[0028] Figur 4 zeigt schematisch das Zustandekommen der Lenkung aus Figur 3. Durch das Aufbringen
des Anstellwinkels 10 wird ein Vektor des ersten Schubs 100 um den Anstellwinkel 10
relativ zu dem Geschwindigkeitsvektor 300 gedreht. Daher lässt sich der erste Schub
100 in die Querbeschleunigung 400 und in eine Längsbeschleunigung 500 zerlegen. Die
Längsbeschleunigung 500 erfolgt in Richtung des Geschwindigkeitsvektors 300, dient
also dazu, die Fluggeschwindigkeit des Lenkflugkörpers 1 zu erhöhen. Die Querbeschleunigung
400 hingegen erfolgt senkrecht zu dem Geschwindigkeitsvektor 300 und dient daher zur
Richtungsänderung des Lenkflugkörpers 1. Somit ist der Lenkflugkörper 1 auch ohne
aerodynamische Steuereinheiten 6 vollständig lenkbar.
[0029] Nachfolgend wird ein zweites Ausführungsbeispiel erklärt. Das zweite Ausführungsbeispiel
umfasst bevorzugt sämtliche zuvor beschriebenen Eigenschaften des ersten Ausführungsbeispiels,
wobei der Lenkflugkörper 1 ein Integral-Flugkörper ist und durch ein Triebwerk als
erster Antrieb 3 und eine Querschubeinheit als zweiter Antrieb 4 angetrieben wird.
Durch die Verwendung eines neuen Lenkkonzepts kombiniert mit Auslegungsanpassungen
für das Triebwerk, d.h. den ersten Antrieb 3, und die Querschubeinheit, d.h. den zweiten
Antrieb 4, kann die Abfanghöhe erheblich gesteigert werden. Die technischen Voraussetzungen,
die der Lenkflugkörper 1 für das neue Lenkkonzept erfüllen muss, sind:
- Der Lenkflugkörper 1 muss im Endgame, d.h. im Endanflug auf das Ziel, bis zum Treffer
angetrieben fliegen. Der Antrieb erfolgt insbesondere durch das Triebwerk, d.h. durch
den ersten Antrieb 3.
- Die Querschubeinheit, d.h. der zweite Antrieb 4, muss eine Betriebsdauer haben, die
der Antriebsdauer des Triebwerks im Endgame entspricht.
[0030] Bekannte Integral-Flugkörper der unteren Abfangschicht besitzen in der Regel ein
Doppelimpulstriebwerk, dessen zweiter Impuls variabel gezündet werden kann. Ein derartiges
Doppelimpulstriebwerk ist auch in dem Lenkflugkörper 1 gemäß dem zweiten Ausführungsbeispiel
als erster Antrieb 3 vorhanden. Simulationstechnische Untersuchungen haben ergeben,
dass der zweite Impuls mindestens fünf Sekunden lang sein soll, und auch die Querschubeinheit
eine entsprechende Betriebsdauer haben soll. Mit diesen Voraussetzungen kann der Integral-Flugkörper
auch in großer Höhe, in denen die aerodynamische Wirksamkeit verschwindend gering
ist, noch gelenkt und gesteuert werden.
[0031] Für den als Integral-Flugkörper ausgebildeten Lenkflugkörper 1 gemäß dem zweiten
Ausführungsbeispiel ist vorgesehen, dass dieser mittels der aerodynamischen Steuereinheiten
6 lenkbar ist. Dabei wird bevorzugt eine aerodynamische Wirksamkeit der aerodynamischen
Steuereinheiten 6 wiederholend überprüft. Die Überprüfung ist beispielsweise eine
Abschätzung der Luftdichte anhand einer erfassten Flughöhe des Integral-Flugkörpers.
[0032] Wird im Endgame die aerodynamische Wirksamkeit zu klein, so wird die Regelung, insbesondere
die der Lenkung des Integral-Flugkörpers, dahin gehend geändert, dass mit den Querschubdüsen
nur noch die Lage des Flugkörpers geregelt wird. Dadurch, dass der Flugkörper angetrieben
fliegt, kann er gegenüber dem Geschwindigkeitsvektor so ausgerichtet werden, dass
die Schubkomponente senkrecht zu dem Geschwindigkeitsvektor der geforderten Querbeschleunigung
entspricht.
[0033] Für dieses neue Lenkkonzept muss das eigentliche Lenkgesetz nicht geändert werden,
solange es eine Soll-Querbeschleunigung, d.h. insbesondere eine vom Integral-Flugkörper
einzunehmende Querbeschleunigung, liefert. Aus der geforderten Soll-Querbeschleunigung
asoll, der Masse des Integral-Flugkörpers und des Schubs des Triebwerks wird im Geschwindigkeitskoordinatensystem
der notwendige Anstellwinkel beispielsweise wie folgt bestimmt:

[0034] Mit einer Lageregelung mit entsprechender Dynamik wird der Schubbedarf der Querschubeinheit,
d.h. insbesondere der Querschubdüsen, bestimmt. Durch die erzeugte Kraft der Querschubdüsen
wird der Flugkörper so ausgerichtet, dass die Querkomponente des Schubes der geforderten
Querbeschleunigung entspricht.
Bezugszeichenliste
[0035]
- 1
- Lenkflugkörper
- 2
- Längsachse des Lenkflugkörpers
- 3
- erster Antrieb
- 4
- zweiter Antrieb
- 5
- Schwerpunkt des Lenkflugkörpers
- 6
- aerodynamische Steuereinheit
- 7
- Wirkeinheit
- 10
- Anstellwinkel
- 20
- Auftriebskraft
- 30
- Gewichtskraft
- 40
- Vortriebskraft
- 50
- Widerstandskraft
- 100
- erster Schub des ersten Antriebs
- 200
- zweiter Schub des zweiten Antriebs
- 300
- Geschwindigkeitsvektor des Lenkflugkörpers
- 400
- Querbeschleunigung
- 500
- Längsbeschleunigung
1. Lenkflugkörper (1), aufweisend eine Längsachse (2) und umfassend zumindest einen ersten
Antrieb (3), mit dem ein erster Schub (100) entlang der Längsachse (2) erzeugbar ist,
und einen zweiten Antrieb (4), mit dem ein zweiter Schub (200) senkrecht zu der Längsachse
(2) erzeugbar ist, wobei der Lenkflugkörper (1) eingerichtet ist, den zweiten Antrieb
(4) bei aktiviertem ersten Antrieb (3) derart anzusteuern, dass der Lenkflugkörper
(1) lenkbar ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schwerpunkt (5) des Lenkflugkörpers (1) zwischen dem ersten Antrieb (3) und dem
zweiten Antrieb (4) liegt und dass durch Ansteuerung des zweiten Antriebs (4) die
Längsachse (2) derart zu einem Geschwindigkeitsvektor (300) des Lenkflugkörpers (1)
ausrichtbar ist, dass der erste Schub (100) des ersten Antriebs (3) eine vordefinierte
Querbeschleunigung (400) senkrecht zu dem Geschwindigkeitsvektor (300) erzeugt.
2. Lenkflugkörper (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Lenkflugkörper (1) allein durch den ersten Antrieb (3) und den zweiten Antrieb
(4) lenkbar ist.
3. Lenkflugkörper (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der zweite Antrieb (3) einen vordefinierten Abstand zu dem Schwerpunkt (5) des Lenkflugkörpers
aufweist.
4. Lenkflugkörper (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der zweite Antrieb (4) Schubdüsen umfasst, die bevorzugt kartesisch angeordnet sind.
5. Lenkflugkörper (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass eine minimale Betriebsdauer des zweiten Antriebs (4) zumindest einer maximalen Betriebsdauer
des ersten Antriebs (3) entspricht, insbesondere entspricht die Betriebsdauer des
zweiten Antriebs (4) der des ersten Antriebs (3).
6. Lenkflugkörper (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Antrieb (3) ein Doppelimpulstriebwerk ist, wobei eine minimale Betriebsdauer
des zweiten Antriebs (4) zumindest einer maximalen Betriebsdauer eines zweiten Impulses
des Doppelimpulstriebwerks entspricht, insbesondere entspricht die Betriebsdauer des
zweiten Antriebs (4) der Betriebsdauer des zweiten Impulses des Doppelimpulstriebwerks.
7. Lenkflugkörper (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass durch Ansteuerung des zweiten Antriebs (4) die Längsachse (2) derart zu einem Geschwindigkeitsvektor
(300) des Lenkflugkörpers ausrichtbar ist, dass der erste Schub (100) des ersten Antriebs
(3) eine vordefinierte Querbeschleunigung (400) senkrecht zu dem Geschwindigkeitsvektor
(300) erzeugt.
8. Verfahren zum Steuern eines Lenkflugkörpers (1), wobei der Lenkflugkörper eine Längsachse
(2) aufweist und einen ersten Antrieb (3) umfasst, durch den eine erster Schub (100)
entlang der Längsachse (2) erzeugbar ist und einen zweiten Antrieb (4) umfasst, durch
den ein zweiter Schub (200) senkrecht zu der Längsachse (2) erzeugbar ist, wobei der
Schwerpunkt (5) des Lenkflugkörpers (1) zwischen dem ersten Antrieb (3) und dem zweiten
Antrieb (4) liegt, umfassend die Schritte:
- Aktivieren des ersten Antriebs (3), und
- Ausrichten des Lenkflugkörpers (1) durch zumindest partielles Aktivieren des zweiten
Antriebs (4), insbesondere parallel zum Betrieb des ersten Antriebs (3)
gekennzeichnet durch die zusätzlichen Schritte:
- Festlegen einer Querbeschleunigung (400) senkrecht zu einem Geschwindigkeitsvektor
(300) des Lenkflugkörpers (1), die der Lenkflugkörper (1) einnehmen soll, und
- Ausrichten der Längsachse (2) des Lenkflugkörpers (1) relativ zu dem Geschwindigkeitsvektor
(300) des Lenkflugkörpers (1) durch zumindest partielles Aktivieren des zweiten Antriebs (4), insbesondere parallel zum
Betrieb des ersten Antriebs (3), so dass der erste Schub (100) des ersten Antriebs
die festgelegte Querbeschleunigung (400) erzeugt.
9. Verfahren nach Anspruch 8, umfassend die zusätzlichen Schritte:
- Bestimmen eines Anstellwinkels (10) zwischen Längsachse (2) und Geschwindigkeitsvektor
(300), der notwendig ist, damit der erste Schub (100) des ersten Antriebs (3) die
festgelegte Querbeschleunigung (400) erzeugt, und
- zumindest partielles Aktivieren des zweiten Antriebs (4), insbesondere parallel
zum Betrieb des ersten Antriebs (3), derart, dass der Lenkflugkörper (1) den bestimmten
Anstellwinkel (10) einnimmt.