[0001] Die Erfindung richtet sich auf ein Verfahren zur Steuerung der Entkohlungsgeschwindigkeit
in einem Konverter beim Frischen einer kohlenstoffhaltigen Metallschmelze, insbesondere
Eisenschmelze, aus vorzugsweise einer FeCr- oder FeMn- Legierung mittels der Durchführung
eines kombinierten Sauerstoff-Inertgas-Blas- und Vakuumverfahrens, insbesondere eines
Vacuum-Oxygen-Decarburisation-Converter-Verfahrens.
[0002] Um den in den letzten Jahren gestiegenen Anforderungen bei der Stahlherstellung,
insbesondere der Herstellung von nicht rostenden, hitze- und säurebeständigen Stählen,
vorzugsweise hochchromhaltigen Stählen, genügen zu können, ist u.a. das Frischen von
Metallschmelzen, insbesondere von hochchromhaltigen Stählen, in einem evakuierten
oder evakuierbaren Konverter, einem sogenannten Vacuum-Oxygen-Decarburisation-Converter
entwickelt worden. Dieses Verfahren vereinigt die thermodynamischen Vorteile beim
Frischen nicht rostender, hitze- und säurebeständiger Stähle in der Pfanne bei Unterdruck
(VOD-[Vacuum-Oxygen-Decarburisation-]Verfahren) mit der einfachen Handhabung der Konverterverfahren
wie z.B. dem AOD-(Argon-Oxygen-Decarburisation-)Verfahren. Aber auch bei derartigen
kombinierten Blas- und Vakuumverfahren besteht die Notwendigkeit, den Entkohlungsprozess
einer kohlenstoffhaltigen Metallschmelze beim Frischen zu steuern.
[0003] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Lösung zu schaffen, die eine effiziente
und vorteilhafte Steuerung des Blas- und Vakuumverfahrens beim Frischen einer kohlenstoffhaltigen
Metallschmelze ermöglicht.
[0004] Bei einem Verfahren der eingangs näher bezeichneten Art wird diese Aufgabe erfindungsgemäß
dadurch gelöst, dass beim Frischen während des Entkohlungsvorganges in der Metallschmelze
parallel ein Inertgaseintrag, insbesondere die Inertgasflussrate, in die Metallschmelze
und ein Gefäßdruck eingestellt und eingeregelt werden und mittels dieser beiden Parameter
die Entkohlungsgeschwindigkeit der Metallschmelze indirekt über das sich jeweils ergebende
Entkohlungsreaktionspotential gesteuert wird.
[0005] Ein erster Aspekt der Erfindung liegt somit in der Steuerung der Entkohlungsprozesskinetik
mittels des Entkohlungsreaktionspotentials, d.h. mittels der Differenz zwischen dem
aktuellen Kohlenstoffgehalt in der Metallschmelze und dem von der Schmelztemperatur
und sowohl der chemischen Zusammensetzung der Schmelze als auch dem Partialdruck des
Kohlenmonoxids in dem Behälter abhängenden Gleichgewichtsgehalt an Kohlenstoff in
der Metallschmelze. Aus diesem Grund zeichnet sich die Erfindung in vorteilhafter
Ausgestaltung dadurch aus, dass das Entkohlungsreaktionspotential als die Differenz
zwischen dem aktuellen Kohlenstoffgehalt in der Metallschmelze und dem jeweiligen
Gleichgewichtsgehalt an Kohlenstoff in der Metallschmelze bestimmt wird.
[0006] Insbesondere wird daher zweckmäßigerweise das Kohlenstoffgleichgewicht in der Metallschmelze
gesteuert, was die Erfindung ebenfalls vorsieht.
[0007] Alle gängigen Aufzeichnungen der Entkohlungsrate in Abhängigkeit von der Zeit bestätigen
bei verschiedenen Vakuum- und Konverterprozessen die theoretische Annahme, dass der
Prozess aus zwei kontinuierlich ineinander übergehenden Zeitabschnitten oder Perioden
besteht, nämlich einer konstanten Entkohlungsperiode als Hauptperiode und einer quasi
exponentialen Periode als dynamische Periode. Beide Perioden sind durch ein kritisches
Moment voneinander getrennt, welches in den Darstellungen der Fig. 3 sowie 3a -3d
als kritisches Entkohlungsmoment gekennzeichnet ist. Die Fig. 3a -3d zeigen jeweils
die durch das kritische Entkohlungsmoment voneinander getrennte Hauptperiode und dynamische
Periode.
[0008] Die Dauer der Hauptperiode hängt von den Blasparametern und die Dauer der dynamischen
Periode hängt von dem thermodynamischen Potential der Kohlenstoffoxidation ab.
[0009] Die Sauerstoffblasraten in der Hauptperiode bestimmen den Level der Entkohlungsgeschwindigkeit
und verlieren diese Eigenschaft aber nach dem Überschreiten des kritischen Momentes.
In dieser Hauptperiode bestimmt sich die Entkohlungsgeschwindigkeit nach folgender
Gleichung:

wobei in der Gleichung
QO2C die Sauerstoffdurchflussrate bedeutet, die mit dem Kohlenstoff reagiert und W das
Metallgewicht bedeutet.
[0010] Bei Erreichen des kritischen Momentes kann die Entkohlungsrate annähernd durch folgende
Gleichung ausgedrückt werden:

wobei in der Gleichung k
C den Stoffübergangskoeffizienten, A die Reaktionsoberfläche, V das Metallvolumen und
C, C* die aktuelle Kohlenstoffkonzentration (C) und die Gleichgewichtskohlenstoffkonzentration
(C*) in der Metallschmelze bedeuten.
[0012] Aus der Gleichung (5) kann das Prozessgleichgewicht ausgedrückt werden als

und die Kohlenstofifaktivität als

so dass das Kohlenstofifgleichgewicht ausgedrückt werden kann als

wobei Me die Hauptkomponente der Schmelze, V* eine komplexe Funktion, die von der
Metallchemie, der Temperatur und der Schlackenoxidaktivität abhängt, X die ergänzend
vorhandenen Elemente, wie Si, P, S, Mn, Cr etc., T die Schmelztemperatur,
aMenOm die Oxidaktivität der Hauptelemente und p
CO den Kohlenstoffmonoxidpartialdruck bedeuten.
[0013] Der Kohlenstoffmonoxidpartialdruck ist definiert als

wobei

ist, mit N
CO der Anzahl an aus der Metallschmelze entfernten CO-Molekülen und

ist, mit N
IG der Anzahl an Inertgasmolekülen, die bei einer Inertgasdurchflussrate Q
IG während des Frischens in die Metallschmelze eingeführt werden und p den Gefäßdruck
darstellt.
[0014] Aus der Kombination der Gleichungen (2) und (8) kann die Entkohlungssteuerung ausgedrückt
als

abgeleitet werden.
[0015] Daraus ist ersichtlich, dass in der dynamischen Entkohlungsperiode zwei Parameter
die Entkohlungsgeschwindigkeit beeinflussen und forcieren, der Außendruck p und die
Inertgasflussrate Q
IG. In Extremfällen, beispielsweise wenn der Außendruck oder der Gefäßdruck p gleich
dem Atmosphärendruck ist, besteht die einzige Möglichkeit die Entkohlung zu steuern
darin, die Inertgasflussrate Q
IG zu steuern, was typisch für einen reinen AOD-(Argon-Oxygen-Decarburisation-)Prozess
ist. Eine solche allein durch die Inertgasflussrate gesteuertes C-Gleichgewicht ist
in der Figur 1 dargestellt. Die Entkohlungsgeschwindigkeit wird damit durch folgende
Gleichung ausgedrückt:

[0016] Dieses Diagramm zeigt die Gleichgewichtskohlenstoffkonzentration C* in Gewichtsprozent
aufgetragen über der Inertgasdurchflussrate Q
IG in Nm
3/min für eine Stahlschmelze bei einer Temperatur von 1700 °C und einem Gefäßdruck
von 1 bar sowie einer kritischen Kohlenstoffkonzentration von 0,68 Gew.-% für eine
18 Gew.-% Chrom und 8 Gew.-% Nickel enthaltende Schmelze bei einem Schmelzbad mit
einem Gewicht von 100 t.
[0017] In anderen Fällen, wenn die Inertgasdurchflussrate auf eine reine Rührrate reduziert
ist, die relativ gering ist im Vergleich zu der CO-Flussrate, die durch den Term
k
1(-dC/dt) ausgedrückt ist, kann die Entkohlung, d.h. die Entkohlungsgeschwindigkeit,
durch den Vakuumdruck im Gefäß, also den Gefäßdruck p, gesteuert werden, wie dies
in der Figur 2 gezeigt ist. In diesem Fall lässt sich die Entkohlungsgeschwindigkeit
ausdrücken als

[0018] Die Figur 2 zeigt die Gleichgewichtskohlenstoffkonzentration C* als Funktion des
Behälterdruckes. Hier ist die Gleichgewichtskohlenstoffkonzentration C* in Gewichtsprozent
über dem Gefäßdruck in bar aufgetragen. Der dargestellte Fall betrifft ebenfalls eine
Stahlschmelze mit einem Gewicht von 100 t bei einer Temperatur von 1700 °C, wobei
diese Metallschmelze ebenfalls wiederum eine Schmelze mit einem Anteil von 18 Gew.-%
Chrom und 8 Gew.-% Nickel betrifft und die kritische Kohlenstoffkonzentration in der
Metallschmelze wiederum bei 0,68 Gew.-% liegt. In diesem Fall ist eine Inertgasdurchflussrate
Q
IG von 20 Nm
3/min zugrunde gelegt.
[0019] Durch Kombination dieser beiden Parameter Inertgasdurchflussrate Q
IG und Gefäßdruck p lässt sich ein extrem niedriges Kohlenstoffgleichgewicht und als
Konsequenz daraus ein niedriger Kohlenstoffgehalt in der Metallschmelze einstellen.
Neben diesem Effekt kann bei Standardentkohlungsvorgängen in Metallschmelzen der Inertgasverbrauch
signifikant reduziert werden, wenn das Druckniveau in dem Vakuumsystem gesenkt wird.
Die Steuerung umfasst somit eine zweidimensionale Form bei einer konstanten Temperatur
und diese Kombination stellt dann bei der jeweiligen Temperatur eine optimale Lösung
zur Erreichung der maximalen Entkohlungsgeschwindigkeit dar. Die Tabelle 1 zeigt die
zweidimensionale Abhängigkeit des Kohlenstoffgleichgewichtes C* einer Metallschmelze
beispielhaft.
Tabelle 1
p |
QIG |
C* (p, QIG) |
bar |
Nm3/min |
% |
0,890 |
5 |
0,3 |
0,899 |
7 |
0,3 |
0,909 |
9 |
0,3 |
0,918 |
11 |
0,3 |
0,927 |
13 |
0,3 |
0,937 |
15 |
0,3 |
0,946 |
17 |
0,3 |
0,955 |
19 |
0,3 |
0,964 |
21 |
0,3 |
0,974 |
23 |
0,3 |
0,983 |
25 |
0,3 |
[0020] Aus der Tabelle 1 ist ersichtlich, dass das Kohlenstoffgleichgewicht C* in der Metallschmelze
derart gesteuert einstellbar ist, dass bei unterschiedlichen Inertgasflussraten und
Gefäßdrücken immer dasselbe Kohlenstoffgleichgewicht von 0,3 % in der Metallschmelze
eingestellt wird.
[0021] Wenn man die Gleichung (12) nach (-dC/dt) auflöst, erhält man die Entkohlungsrate
oder Entkohlungsgeschwindigkeit explizit in der Form der Gleichung

[0022] Die Erfindung zeichnet sich daher in weiterer Ausgestaltung auch dadurch aus, dass
die Entkohlungsgeschwindigkeit in der Metallschmelze auf Basis der Gleichung

gesteuert wird.
[0023] Dies erlaubt die Darstellung einer komplexen Entkohlungssimulation und bietet die
Basis für eine optimale Prozesssteuerung. Diese optimale Prozesssteuerung lässt sich
als maximale Entkohlungsgeschwindigkeit bei gegebenen metallurgischen Bedingungen
ausdrücken und beschrieben als

als Lösung des Gleichgewichtssystems

ausdrücken.
[0024] Die Erfindung zeichnet sich daher in weiterer Ausgestaltung auch dadurch aus, dass
die maximale Entkohlungsgeschwindigkeit der Metallschmelze auf Basis und mittels der
Lösung des Gleichungssystems

gesteuert wird.
[0025] Schließlich sieht die Erfindung auch noch vor, dass das erfindungsgemäße Verfahren
beim Frischen eines Kohlenstofifstahls oder eines unlegierten Stahls oder eines legierten
Stahls verwendet wird.
1. Verfahren zur Steuerung der Entkohlungsgeschwindigkeit in einem Konverter beim Frischen
einer kohlenstoffhaltigen Metallschmelze, insbesondere Eisenschmelze, aus vorzugsweise
einer FeCr- oder FeMn- Legierung mittels der Durchführung eines kombinierten Sauerstoff-Inertgas-Blas-
und Vakuumverfahrens, insbesondere eines Vacuum-Oxygen-Decarburisation-Converter-Verfahrens,
dadurch gekennzeichnet,
dass beim Frischen während des Entkohlungsvorgangs in der Metallschmelze parallel ein
Inertgaseintrag, insbesondere die Inertgasdurchflussrate (QIG), in die Metallschmelze und ein Gefäßdruck (p) eingestellt und eingeregelt werden
und mittels dieser beiden Parameter die Entkohlungsgeschwindigkeit der Metallschmelze
indirekt über das sich jeweils ergebende Entkohlungsreaktionspotential gesteuert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Entkohlungsreaktionspotential als die Differenz zwischen dem aktuellen Kohlenstoffgehalt
in der Metallschmelze und dem jeweiligen Gleichgewichtsgehalt an Kohlenstoff in der
Metallschmelze bestimmt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Kohlenstoffgleichgewicht in der Metallschmelze gesteuert wird.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Entkohlungsgeschwindigkeit in der Metallschmelze auf Basis der Gleichung

gesteuert wird.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die maximale Entkohlungsgeschwindigkeit der Metallschmelze auf Basis und mittels
der Lösung des Gleichungssystems

gesteuert wird.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es beim Sauerstofffrischen eines Stahls verwendet wird.