(19)
(11) EP 2 921 813 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.09.2015  Patentblatt  2015/39

(21) Anmeldenummer: 15000787.0

(22) Anmeldetag:  17.03.2015
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F42B 12/22(2006.01)
F42C 19/095(2006.01)
F42C 19/08(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA

(30) Priorität: 19.03.2014 DE 102014003893

(71) Anmelder: TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme mbH
86529 Schrobenhausen (DE)

(72) Erfinder:
  • Arnold, Werner
    D-85051 Ingolstadt (DE)

(74) Vertreter: Binder, Karin Meta 
Airbus Defence and Space GmbH Patentabteilung
81663 München
81663 München (DE)

   


(54) Umschaltbare Ladungsvarianten mit Lochmuster-Einlagen


(57) Eine umschaltbare zylindrische Wirkladung eines Gefechtskopfes mit einer rohrförmigen Halterung ist so ausgeführt, dass sie Durchbrüche durch die Halterung aufweist, dass deren Vorzugsrichtung etwa senkrecht zur inneren oder äußeren Oberfläche der Halterung verläuft und die Durchbrüche eine Öffnungsweite im Bereich von 3 mm bis 10 mm aufweisen, wobei die Halterung zwischen einem inneren Teil und einem äußeren Teil der Sprengladung angeordnet ist.




Beschreibung

1. Stand der Technik



[0001] Aus früheren Anmeldungen sind bereits zielangepasst kontrollierbare und/oder umschaltbare Splitterladungen bekannt:
  1. 1. Umschaltbare Ladung (Pellet-Methode, EP 2312259, 19.04.2007)
  2. 2. Zylindrische Wirkladung (mehrere Zündketten, DE 102006048299, 12.10.2006)
  3. 3. Umschaltbare Wirkladung (Sintermaterialien, DE 102010048570, 18.10.2010)


[0002] Aufbauend auf diesen EMs werden neuartige Ideen und Konzepte vorgestellt, die in erweiterten Wirkladungen Eingang finden.

2. Problemstellung



[0003] Die bereits bekannten Methoden zur zielangepassten Umschaltbarkeit der Splitterwirkungen sollen erweitert werden, bzgl.:
  • "Pellet-Methode" mit vereinfachter Technologie
  • "Pellet-Methode" zur Splitter-Subzerlegung
  • Einbeziehung Reaktiver Struktur-Materialien (RSM)
  • Kombination: Umschaltbarkeit mit Skalierbarkeit


[0004] Diese neuen Möglichkeiten und Technologien eröffneten sich nicht durch "Nachdenken am Schreibtisch", sondern erforderten zusätzliche numerische Simulationen bzw. erneute Versuche zur Validation dieser Ideen.

3. Lösung



[0005] Die genannten Erweiterungen und Neuerungen werden im Folgenden vorgestellt und beschrieben.

3.1 "Luft-Pellet-Methode" zur kontrollierten Splitterbildung



[0006] Die oben in Punkt (1) erläuterte Pellet-Methode (sh. Abbildung 1) erfordert einen Kunststoff-Hohlzylinder mit Bohrungen (Löcher), welche mit Sprengladungs- (HE = High Explosive) Pellets gefüllt sind ("Standard-Technologie"). Wird eine mittige Zündkette gezündet (Abb. 1, nicht skizziert), so läuft die Detonationsfront durch diese HE-Pellets ungehindert hindurch. Im Kunststoffzylinder selbst, wird die Detonationswelle in eine langsamere Stoßwelle transformiert. Dies führt dazu, dass sich nach dem zylinderförmigen Pellethalter zahlreiche Detonationsquellen (in gleicher Anzahl der vorhandenen Pellets) erzeugt werden (Multi-Punkt-Initiierung, MPI). Diese multiplen Detonationsfronten überlagern sich und führen so zu hohen Spannungsspitzen, extrem lokalisiert am Ort der Überlagerungen. Auf diese Weise ergeben sich bestimmte Muster von Spannungskonzentrationen, durch die schließlich die äußere Ladungshülle gekerbt wird. Die Kerben wiederum wirken als Sollbruchstellen bei der nachfolgenden Expansion der metallischen Ladungshülle. Diese zerlegt infolgedessen in kontrollierte Splitter.

[0007] Numerische Simulationen und Versuche zeigten nun aber, das die Sprengladungsfüllung der Pellet alternativ auch weggelassen, d.h. stattdessen mit "Luft aufgefüllt" werden kann ("Neue Technologie"). Es war nicht von vorne herein klar, dass dies möglich ist. Die Funktionsweise ändert sich "global", also im Endeffekt nicht, "lokal" jedoch schon: Nun kann nämlich keine Detonationsfront mehr durch die HE-Pellets laufen. Stattdessen bilden sich am Ort der Löcher schnelle dichte Partikel-Strahlen aus den Sprengladungsschwaden, deren Geschwindigkeit in der gleichen Größenordnung wie die der Detonationsgeschwindigkeit liegt. Auf diese Weise gelingt es, die Sprengladung auf der gegenüber liegenden Seite des Loches zu initiieren. Es ergibt sich also ebenfalls eine Multi-Punkt-Initiierung mit den gleichen Folgen, als wären die Löcher mit HE gefüllt.

[0008] Natürlich müssen die Auslegungsparameter der neuen Situation angepasst werden. So geht die Funktionalität zurück, wenn die Lochgröße eine bestimmte kritische Schwelle unterschritten hat. Typische Lochgrößen liegen bei etwa 5 mm, dies hängt jedoch auch ab von der äußeren Sprengladung: Initiier-Empfindlichkeit und mechanische Festigkeit. Allgemein kann gesagt werden, dass, (wie bei den HE-Pellets) nun auch für die "Luft-Pellets" das ganze Initiier-System parametrisch aufeinander abgestimmt werden muss.

[0009] Der große Vorteil der neuen Methode ist nun, dass man die Löcher nicht mehr mit Sprengladung auffüllen muss, was Zeit und Kosten spart.

[0010] Abbildung 2 zeigt als Skizze (Querschnitt) eine mögliche Ladungsauslegung mit einer integrierten Lochmaske. Die zwei angedeuteten Zündketten (ZK1 und ZK2) erlauben die oben angesprochene Umschaltbarkeit. Die verschiedenen Sprengladungen (HE für Booster, Übertragerplatte, äußere Sprengladungsschicht und innere Hauptladung) können je nach Anforderung und Wahl der AuslegungsParameter identisch, oder aber auch (wie angedeutet) unterschiedlich sein.

[0011] Die prinzipielle Funktionalität mit den beiden Zündketten ist in Abbildung 3 skizziert. Wird die mittige Zündkette ZK2 initiiert (Abb. 3 links) läuft die Detonationsfront auf die Lochmaske zu. Es ergeben sich Partikelströmungen in den Löchern, mit einer nachfolgenden Multi-Punkt-Initiierung. Bei Zündung der stirnseitigen Zündkette ZK1 (Abb. 3 rechts) wird die Detonationsfront gezwungen, um den integrierten Detonationswellenlenker herum zu laufen. Es ergibt sich relativ zur Lochmaske eine streifende Detonationsfront. Diese ist nicht in der Lage, Partikelstrahlen aus zu bilden. Es kommt zu keiner Multi-Punkt-Initiierung. Man kann also mit dieser Lochmasken-Methode hin- und herschalten zwischen einer strukturieren Detonationsfront, mit einem Muster aus Spannungsspitzen, und einer glatten Detonationsfront, ohne solche Spannungsspitzen (in den Abbildungen strichliert angedeutet). Entsprechend lässt sich diese Splitter-Ladung zielangepasst umschalten zwischen den Splitter-Modi:
  • Kontrollierte vs. natürliche Splitter, bei einer kontinuierlichen Ladungs-Metallhülle
  • Große vs. kleine (zerlegte) Splitter, bei einer Ladungs-Belegung mit großen vorgeformten Splittern (Konstruktionssplitter)


[0012] Die Umschaltbarkeit lässt sich aber noch durch eine weitere Möglichkeit realisieren. Abbildung 4 zeigt Ausschnitte der Lochmaske und deutet gleichzeitig skizzenhaft die Rotation bzw. Verschiebung der beiden Hohlzylinder relativ zueinander an, deren Funktionalität nun beschrieben wird.

[0013] Der oben beschriebene Hohlzylinder mit den gebohrten Löchern wurde durch eine weiteren ergänzt. Einer der beiden Hohlzylinder ist mit einem Dreh- und/oder Schiebemechanismus versehen, so dass beide Zylinder relativ zueinander peripher verdreht bzw. axial verschoben werden können.

[0014] Die Lochmuster in den beiden Hohlzylindern bestimmen das spätere Muster der kontrollierten Splitterbildung. Diese Lochmuster können nun zwar beliebig ausgestaltet sein, sollen aber relativ zueinander dergestalt harmonisiert werden, dass (durch Rotation / Verschiebung) entweder alle Löcher geöffnet bzw. verschlossen werden können, oder nur ein Teil davon geschlossen werden kann, der Rest bleibt offen. Auf diese Weise lässt sich also (mechanisch) umschalten zwischen den Splitter-Modi:
  • Kontrollierte vs. natürliche Splitter, bei einer kontinuierlichen Ladungs-Metallhülle
  • Große vs. kleine kontrollierte Splitter, bei einer kontinuierlichen Ladungs-Metallhülle
  • Große vs. kleine (zerlegte) Splitter bei einer Ladungs-Belegung mit großen vorgeformten Konstruktions-Splitter


[0015] Versuche mit der Methode der "Luft-Pellets" haben gezeigt, dass je nach Wahl der Parameter für die äußere Sprengladung wie: Initiier-Empfindlichkeit / Festigkeit / mechanische Beschaffenheit etc., diese Sprengladung von der Schwadenströmung auch rein mechanisch perforiert werden kann, ohne das es zu einer unmittelbaren punktförmigen Initiierung kommt. Diese findet dann erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt statt (möglicherweise aber zu spät). Eine solche punktförmige initiierung ist in etwa vergleichbar mit der Initiierung durch einen Hohlladungsstachel. Man kann in einer solchen Situation dann entweder diese HE-Parameter anpassen (wenn nicht andere Anforderungen das verbieten), oder alternativ die Lochauslegung in der Lochmaske.

[0016] Abbildung 5 deutet eine solche Möglichkeit an. Die Löcher verjüngen sich vom größeren Durchmesser D in Richtung der äußeren Sprengladung, auf den geringeren Durchmesser d. Die Schwadenströmung wird nun abgebremst und gemildert. Je nach Durchmesserverhältnis D/d ist diese Reduzierung unterschiedlich und kann so auf die Empfindlichkeit der Sprengladung angepasst werden.

[0017] Eine weitere mögliche Ausgestaltung ist, wenn man die Löcher mit Stegen / "Pfropfen" am Ende des Kanals abschließt, wie in Abbildung 6 beispielhaft skizziert. Dann wird die Schwadenströmung gestoppt und in eine Stoßwelle durch diesen Steg transferiert. Auf der anderen Seite wird dann der Sprengstoff durch diese Stoßwelle initiiert. Der Steg kann direkt in den Pellethalter integriert sein und aus dem gleichen Material bestehen. Er kann aber auch aus dichterem Material (z.B. Metalle wie Stahl) ausgestaltet sein und dann durch die höhere Impedanz (Dichte multipliziert mit Stoßwellengeschwindigkeit) die punktförmige Initiierung erleichtern. Der "Pfropfen" kann auch als fliegende Platte ausgestaltet sein, wobei das Loch dann quasi als Beschleunigungsrohr dient. Weitere Ausgestaltungen dieser Methode sind denkbar, sollen aber hier nicht weiter ausgeführt werden.

[0018] Abbildung 7 zeigt schließlich eine Skizze (Querschnitt) einer weiteren Ladungsauslegung mit einer integrierten Lochmaske, diesmal aber mit asymmetrischen Löchern relativ zur Detonationsfront. Die zweite mittlere Zündkette wurde ersetzt durch eine zweite stirnseitige Zündkette. Die Richtung der Detonationsfront kann also nun über die Zündung von ZK1 bzw. ZK2 gewählt werden. Die unterschiedliche Funktionalität der Löcher je nach Richtung der Detonationsfront ist in Abbildung 8 diskutiert.

[0019] In Abbildung 8 links kommt die Detonationsfront von oben. Die Schwaden strömen in die asymmetrischen Löcher und initiieren punktförmig die äußere Sprengladung. Es bildet sich eine strukturierte Detonationsfront aus. Zündet man nun die andere ZK, so kommt die Detonationsfront von unten. Die Schwaden müssten nun um nahezu 180° um die Lochkanten strömen. Das Lochmaskenmaterial ist aber so gewählt, dass die Löcher durch die Druckfronten plastisch verformt (Pfeile) und dadurch verschlossen werden. Die Schwadenströmung wird also unterbunden und nur die Stoßwelle, die durch das Lochmaskenmaterial propagiert, initiiert eine unstrukturierte Detonationsfront in der äußeren Sprengladung.

[0020] Natürlich kann diese Methode mit den asymmetrischen Löchern auch kombiniert werden mit der oben diskutierten Verjüngung der Löcher bzw. mit der Steg-Methode.

[0021] Die Methoden mit den Lochmasken sind hier in radialen Ladungskonfigurationen mit zylindrischen Metallhüllen beschrieben. Sie können aber ebenfalls in axialen Ladungskonfigurationen mit Metallbelegungen (scheibenförmig) angewandt werden. Die Vorgehensweise bei den Auslegungen zur axialen Anwendung ist analog zur hier umfassend diskutierten radialen Anwendung und soll daher nicht weiter diskutiert werden.

3.2 "Luft-Pellet-Methode" zur Splitter-Subzerlegung



[0022] Statt, wie oben erläutert, die schnellen Partikelstrahlen zur Sprengladungsinitiierung zu nutzen, können sie auch zur Splitter-Subzerlegung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wird der Lochzylinder im Durchmesser vergrößert und direkt in Kontakt zur äußeren Metallhülle gebracht (Abbildung 9). Diese besteht nun nicht aus einem kontinuierlichen Metallmantel, sondern vielmehr aus einzelnen vorgeformten Splittern. Anzahl und Muster der vorgeformten Konstruktions-Splitter (K-Splitter) des Ladungsmantels harmonieren mit denjenigen der Löcher in der Lochmaske, so dass jeder einzelne Splitter von einem Partikelstrahl beaufschlagt wird.

[0023] Die Material-Qualität dieser K-Splitter ist auf die Intensität der Partikelstrahlen dergestalt abgestimmt, so dass eine direkte Beaufschlagung mit dem "harten" Partikelstrahl die K-Splitter völlig subzerlegt. Versuche haben gezeigt, dass dazu Sintermetalle besonders gut geeignet sind. Die Sinterung kann so ("schwach") eingestellt werden, dass der Zusammenhalt der Sinterteilchen nicht ausreicht, solch aggressive Strahlen zu überstehen (sh. Abb. 10 links: bei mittiger Initiierung mit ZK2).

[0024] Kommt die Detonationsfront allerdings nicht frontal, sondern streifend (sh. Abb. 10 rechts: bei stirnseitiger Zündung mit ZK1), so bilden sich keine Partikelstrahlen (oder zumindest nur solche, von geringerer Intensität) aus, die nicht ausreichen, die K-Splitter in ihrer Integrität zu verändern, sprich sie fliegen als ganze unzerlegte Splitter weg. Man kann also wieder zwei Splitter-Modi hin- und herschalten:
  • Intakte vs. subzerlegte vorgeformte Konstruktions-Splitter


[0025] Sehr kleine Splitter haben ein großes Oberflächen- / Volumenverhältnis und werden deshalb in der Luft sehr schnell abgebremst, wohingegen große K-Splitter weitgehend ungebremst und damit sehr weit fliegen. D.h. man kann den Wirkradius in großen Grenzen (z.B. 100 m vs. 2000 m) hin- und herschalten.

[0026] Eine weitere Ausgestaltung dieser Auslegung ist in Abbildung 11 skizziert. Diesmal ist die Gestaltung der Löcher in der Lochmaske nicht symmetrisch, sondern asymmetrisch bzgl. der Richtungen der beiden Detonationsfronten. Die mittige Zündkette wurde durch eine gegenüberliegende stirnseitige Zündkette ersetzt.

[0027] Abbildung 12 zeigt Ausschnitte der Lochmaske von Abbildung 11 und skizziert die unterschiedliche Wirkungsweise der Löcher, je nachdem welche ZK gezündet wurde, d.h. von welcher Richtung die Detonationsfronten kommen (strichliert, deren Propagation ist mit Zahlen angedeutet).

[0028] Wird ZK1 gezündet, können die Partikelstrahlen aus der Detonationsfront in die der Front zugewandten Löcher einströmen (Abb. 12 links). Das spröde und poröse Splittermaterial hält dieser Belastung nicht stand, es zerlegt. Bei Zündung von ZK2 hingegen (Abb. 12 rechts), müsste der Partikelstrahl um Ecken von fast 180° strömen, was nicht möglich ist. Vielmehr ist die Druckbelastung auf die Lochmaske im Bereich der Löcher so groß, dass das Maskenmaterial (Kunststoffe bzw. niederfeste Metalle) wegfließt und die Löcher verschließt. Es kommt zu keiner hohen Strahlungsbelastung durch die Schwaden-Partikel und der Splitter bleibt integer und fliegt als Ganzes weg.

[0029] Eine weitere Möglichkeit eine Umschaltung zu realisieren, besteht in der Anwendung der oben bereits erwähnten doppelten Lochmaske, bestehend aus relativ zueinander beweglichen Doppelzylindern (Ausschnitte der Doppel-Lochmaske und ihre Funktionalität in Abb. 13). Auch hier kann man durch relative Rotation und/oder Verschiebung der beiden Lochmasken zueinander (vorteilhafterweise die innere relativ zur äußeren), entweder alle, oder nur einen Teil der Löcher verschließen bzw. offen lassen, je nach Auslegung und Harmonisierung der beiden Lochmuster.

[0030] Man kann mit dieser Methode hin- und herschalten zwischen den Splitter-Modi:
  • Intakte vs. subzerlegte vorgeformte Konstruktions-Splitter
  • Teilweise intakte vs. teilweise subzerlegte vorgeformte Konstruktions-Splitter

3.3 "Luft-Pellet-Methode" mit Reaktiven Struktur-Materialien (RSM)



[0031] Neben Sprengladungen als schnelle Energielieferanten, haben zwar metallischinerte, aber chemisch reaktive Materialien zunehmend an Bedeutung für den Einsatz in Wirksystemen gewonnen. Diese Materialien können wegen ihrer zumeist hohen Festigkeit und Dichte auch als (reaktive) Strukturmaterialien (RSM, z.B. als Ladungshüllen) eingesetzt werden.

[0032] Man kann folgende Reaktive Materialien unterscheiden:
  • Inter-Metalle (z.B. Ni/Al)
  • Metastabile Intermolekulare Verbindungen oder Thermite (z.B. FeO2/Al)
  • Verbindungen von Metall-Halogeniden (z.B. Mo/Ti & Teflon)
  • Poröse, reaktive Sintermetalle (z.B. Mo, WSM)


[0033] Es handelt sich also zumeist um Metallverbindungen, die entweder, wie Sprengladungen, ihren Sauerstoff (allg. Oxidator) mittragen (zumindest Teile davon), oder aber um solche, die den Sauerstoff der Luft benötigen. Erstere müssen durch die Stoßwelle, die die Detonationsfront erzeugt, zur Reaktion getriggert werden (so genannte Schock-induzierte Reaktion). Letztere werden durch die Stoßwelle nur aufgeheizt und subzerlegt, um dann mit dem Sauerstoff der Luft zu reagieren.

[0034] Dies bietet mit den oben vorgestellten Technologien weitere VariationsMöglichkeiten:

Schock-induzierte Reaktion



[0035] Die oben genannten vielfältigen Technologien zur Umschaltbarkeit stellen Möglichkeiten zur Verfügung (sh. insbesondere Abschnitt 3.2), zwischen zwei Detonationsfronten hin und her zuschalten:
  • Streifende, unstrukturierte Detonationsfront, die Stoßwellen geringerer Amplituden erzeugt
  • Frontale, strukturierte und aggressive Detonationsfront, die entsprechend harte (zumeist lokal wirkende) Stoßwellen mit Spannungsspitzen hoher Amplituden erzeugt


[0036] Harmonisiert man nun das Reaktive Material entsprechend so, dass eine harte Stoßwelle die Reaktion triggert (stoßwellen-induziert), eine schwache streifende hingegen nicht, so kann man hin- und herschalten zwischen den Splitter-Modi:
  • Stoßwellen-induziert reagierender Splitter, der im Nahabstand Blast-Energie liefert, im Fernabstand keine Wirkung hat, da er abreagiert ist.
  • Nicht zur Reaktion getriggerter Splitter, der im Nah- und Fernabstand wie ein normaler mechanischer Splitter wirkt.

Subzerlegung und anschließende Nachreaktion mit Luftsauerstoff



[0037] Die oben genannten vielfältigen Technologien zur Umschaltbarkeit (sh. insbesondere Abschnitt 3.2) stellen Möglichkeiten zur Verfügung, gesinterte Splitter intakt zu lassen bzw. zu subzerlegen. Hier ist beispielsweise die oben diskutierte Möglichkeit mit Partikelstrahlen zu nennen. Der Splitter wird nun aus Reaktivem Material derart gesintert, dass er durch den aufgeschalteten Partikelstrahl subzerlegt, bzw. bei geschlossenem Lochmuster, diesem Partikelstrahl nicht ausgesetzt wird und daher intakt bleibt. Eine gründliche Subzerlegung ist notwendig, wen man die dabei erzeugten reaktiven Metallpartikel mit dem Luftsaurestoff abreagieren lassen möchte. Die Stoßwelle heizt das Material soweit auf, dass die Reaktion mit dem Sauerstoff getriggert wird.

[0038] Man kann also hin- und herschalten zwischen den Splitter-Modi:
  • Subzerlegung des Splitters mit anschließender Nachverbrennung mit Luftsauerstoff
  • Keine Subzerlegung; Splitter wirkt wie normaler inerter vorgeformter Splitter.


[0039] Zusammenfassend bieten also die Möglichkeiten der Kombination von Material einerseits:
  • Splitterhülle von ausschließlich inertem, ausschließlich reaktivem bzw. Mischungen zwischen beiden. Vorgeformte Splitter bzw. kontinuierliche Metallhülle
mit den Möglichkeiten der Sprengladungs-Beeinflussungen andererseits:
  • Detonationsfronten / Stoßwellenfronten mit oben genannten Technologien
eine enorme Erweiterung des Spektrums der Umschaltbarkeit der Splitterwirkungen.

[0040] Eine weitere Kombinationsmöglichkeit soll nun im letzten Punkt genannt werden.

3.4 Kombination von Umschaltbarkeit und Skalierbarkeit



[0041] Abbildung 14 skizziert (exemplarisch für alle weiteren möglichen Kombinationen) ein Wirksystem, das die Umschaltbarkeit mit der Lochmasken-Methode (wie unter Abschnitt 3.2 beschrieben), mit der aus der Technik bereits bekannten Skalierbarkeit, mit Hilfe einer integrierten Detonationsschnur, kombiniert.

[0042] Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, dass eine integrierte, beispielsweise mittige Detonationsschnur wie in Abbildung 14 angedeutet, eine Sprengladung deflagrativ mit geringer Energiefreisetzungsrate umsetzen kann, ohne dass es zu einer Detonation kommt. Die zweite hier skizzierte Technologie ist die umschaltbare Subzerlegung durch Partikelstrahlen.

[0043] Es kann aber genauso gut die oben beschriebene Lochmaske zur Multi-Punkt-Initiierung herangezogen werden, um so eine Überlagerung von Detonationsfronten mit kontrollierter Zerlegung der Hülle herbeizuführen. Dem findigen Konstrukteur bleibt es überlassen, jedwede weitere Kombinationen der vorgestellten Technologien zu benutzen, um so das Spektrum der Anpassbarkeit und Umschaltbarkeit zu erweitern.

[0044] An dieser Stelle sei nur eine Möglichkeit beschrieben, wie exemplarisch in Abbildung 14 gezeigt.

[0045] Man hat hier insgesamt drei Zündketten (ZK):
  • Die stirnseitige ZK1 initiiert eine streifende Detonationsfront. Sie bildet keine Partikelströmung in den Löchern und beschleunigt nur die vorgeformten Splitter
  • Die mittige ZK2 initiiert eine mittige Detonationsfront, die frontal zur Außenhülle läuft. In den Löchern entstehen Partikelströmungen, die die entsprechend schwach gesinterten vorgeformten Splitter subzerlegen.
  • Alternativ: Bei Einsatz einer inneren Lochmaske entsteht eine Multi-Punkt-Initiierung, welche eine kontinuierliche Metallhülle kontrolliert zerlegen würde.
  • Die gegenüberliegende ZK3 initiiert schließlich die Detonationsschnur, die die Sprengladung deflagrativ umsetzt, die vorgeformten Splitter integer lässt, und sie auf weitaus geringere Geschwindigkeit beschleunigt.
  • Weitere Kombinationsmöglichkeiten bieten sich durch den (optional gemischten) Einsatz von vorgeformten Splittern aus Reaktivem Material (optional gemischt mit Inertem Material).


[0046] Weitere Möglichkeiten ergeben sich bei Zündung zweier (oder aller) Zündketten mit entsprechenden relativen Zeitverzögerungen.

[0047] Beispiele:
  • Zündung von ZK3 und nach einer Zeitverzögerung von ZK1: Ein unterer Teil der Ladung deflagriert und der obere detoniert: Kombination von langsamen und schnellen vorgeformten Splittern. Die Zeitverzögerung bestimmt das Mischungsverhältnis.
  • Zündung von ZK3 und nach einer Zeitverzögerung von ZK2: Ein unterer Teil der Ladung deflagriert und der obere detoniert: Kombination von langsamen vorgeformten Splittern und schnellen subzerlegten Splittern (die nachreagieren könnten, bei Einsatz von RSM). Die Zeitverzögerung bestimmt das Mischungsverhältnis.

Bezugszeichen



[0048] 
A
Ausnehmung, Durchbruch
d, D
Querabmessung von A
H
Halterung
HE1, HE2
Teile der Sprengladung
HE3
Verteilerladung
HU
Hülle
L
Längsachse
O
Oberfläche der Halterung
T
Quersteg(e)
T1, T2
Teile der Halterung
ZK1, ZK2, ZK3
Zündeinrichtungen
α
Neigungswinkel der Durchbrüche



Ansprüche

1. Umschaltbare zylindrische Wirkladung eines Gefechtskopfes umfassend eine rohrförmige und zumindest aus einem Teil bestehende Halterung (H) mit einer Vielzahl von Ausnehmungen (A), wobei Halterung (H) innerhalb einer splitterbildenden Hülle (HU) des Gefechtskopfes angeordnet ist, wobei die Halterung aus einem die Detonationsfront stark dämpfenden Material besteht, und wobei in der Wirkladung wenigstens zwei Zündeinrichtungen (ZK1, ZK2) im Bereich der Längsachse (L) der Wirkladung angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Ausnehmungen (A) als Durchbrüche durch die Halterung (H) ausgeführt sind, deren Vorzugsrichtung etwa senkrecht zur inneren oder äußeren Oberfläche (O) der Halterung verläuft, und die eine Öffnungsweite im Bereich von 3 mm bis 10 mm aufweisen, und wobei die Halterung (H) zwischen einem inneren Teil (HE1) und einem äußeren Teil (HE2) der Sprengladung angeordnet ist.
 
2. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Durchbrüche (A) eine sich von der inneren zur äußeren Oberfläche der Halterung hin verjüngende Querabmessung (D, d)) aufweisen.
 
3. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Durchbrüche (A) im Bereich der äußeren Oberfläche (O) der Halterung (H) angeordnete Querstege (T) aufweisen.
 
4. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Querstege (T) aus Metall bestehen.
 
5. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorzugsrichtung der Durchbrüche (A) bezüglich der Senkrechten auf die innere oder äußere Oberfläche (O) der Halterung (H) einen spitzen Winkel (α) aufweist.
 
6. Umschaltbare zylindrische Wirkladung eines Gefechtskopfes umfassend eine rohrförmige und zumindest aus einem Teil bestehende Halterung (H) mit einer Vielzahl von Ausnehmungen (A), wobei Halterung (H) innerhalb einer splitterbildenden Hülle (HU) des Gefechtskopfes angeordnet ist, wobei die Halterung (H) aus einem die Detonationsfront stark dämpfenden Material besteht, und wobei in der Wirkladung wenigstens zwei Zündeinrichtungen (ZK1, ZK2) im Bereich der Längsachse (L) der Wirkladung angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Ausnehmungen (A) als Durchbrüche (A) durch die Halterung (H) ausgeführt sind, deren Vorzugsrichtung etwa senkrecht zur inneren oder äußeren Oberfläche (O) der Halterung verläuft, und die eine Öffnungsweite im Bereich von 3 mm bis 10 mm aufweisen, und wobei die Halterung (H) an der Innenseite der Hülle (HU) formschlüssig anliegt.
 
7. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Hülle (HU) aus Sintermaterial besteht.
 
8. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 1 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Halterung (H) aus zwei ineinander liegenden und gegeneinander umpositionierbaren Teilen (T1, T2) besteht und jedes der Teile (T1, T2) eine Vielzahl von Durchbrüchen (A) aufweist.
 
9. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass in zumindest einem Teil (T1, T2) der Halterung (H) die Durchbrüche (A) eine sich von der inneren zur äußeren Oberfläche der Halterung hin verjüngende Querabmessung (d, D) aufweisen.
 
10. Umschaltbare zylindrische Wirkladung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die örtliche Verteilung der Durchbrüche (A) auf den umpositionierbaren Teilen (T1, T2) der Halterung (H) gleich oder unterschiedlich ist.
 




Zeichnung

























Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente