[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Reduktion des Gefahrenbereichs gelenkter
Übungsmunition. Die Erfindung betrifft ferner eine zur Durchführung dieses Verfahrens
geeignete Übungsmunition und ein zur Durchführung des Verfahrens geeignetes System.
[0002] Bisher war die Durchführung von Übungsschießen gelenkter Artillerieraketen oder Lenkmunitionen
nur auf flächenmäßig großen Übungsplätzen möglich, da neben dem unvermeidlichen ballistischen
Fehler insbesondere ein Fehlverhalten des Stellsystems zu einem erheblichen Abweichen
der Ablage vom ursprünglich geplanten Ziel führen kann. So ist z. B. beim Blockieren
eines aerodynamischen Stellsystems mit beweglichen Rudern (Canards, Leitwerk) in einer
extremen Ruderstelllage in einer frühen Flugphase der Lenkmunition eine Abweichung
vom geplanten Zielpunkt in Größenordnung der ballistischen Reichweite der Lenkmunition
zu befürchten. Wollte man also bisher gelenkte Artillerieraketen oder Lenkmunitionen
zu Übungszwecken abschießen, so konnte dies bisher nur auf großflächigen Übungsplätzen
geschehen, die den sehr großen Gefahrenbereichen solcher Munitionen Rechnung tragen.
[0003] Aufgabe der Erfindung ist es daher, einen Weg aufzuzeigen, wie auch auf kleineren
Übungsplätzen zu Übungszwecken ein Lenkkonzept zum Ausgleich des ballistischen Fehlers
einer ungelenkten Munition eingesetzt werden kann. Diese Aufgabe wird zum einen durch
das Verfahren nach Anspruch 1, zum anderen durch die Übungsmunition nach Anspruch
6, deren Verwendung nach Anspruch 8 und ferner durch das System nach Anspruch 10 gelöst.
Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
[0004] Erfindungsgemäß wird die Reduktion des Gefahrenbereichs gelenkter Übungsmunition
dadurch erreicht, dass die im nicht-aerodynamischen Stellsystem bereitgestellte Stellenergie
derart begrenzt wird, dass sie die Stellenergie, die zur Korrektur des innerhalb eines
vorbestimmten Fehlerbereichs liegenden ballistischen Fehlers der Übungsmunition notwendig
ist, nicht übersteigt. Durch die Mitnahme einer begrenzten Stellenergie bei Abschuss
der Übungsmunition wird eine gegrenzte Wegänderung der Raketentrajektorie bewirkt.
Diese Begrenzung wird unter Festlegung der Korrekturfähigkeit der Fehlerstreuung bezogen
auf eine vorgegebene Trefferkoordinate so bemessen, dass gerade die entstehenden ballistischen
Abweichungen kompensiert werden können. Geht man bei der Verteilung der Fehlerstreuungen
der ballistischen Flugbahn von einer Normalverteilung aus, so bestimmt die Standardabweichung
Sigma (σ) maßgeblich den notwendigen Korrekturbedarf des Stellsystems. Damit ist die
Zunahme des Gefahrenbereichs bei gelenkten Raketen durch die Wahl des Kompensationsgrades
auftretender Fehlerstreuung beeinflussbar.
[0005] Durch den Einsatz eines nicht-aerodynamischen Stellsystems wird die Korrektur der
Trajektorie nicht über eine Änderung der Aerodynamik der Rakete mittels Änderung der
Außenkontur der Rakete (z. B. bewegliche Ruder oder Canards) erreicht, sondern durch
eine limitierte Anzahl von Kraftstößen. Diese können beispielsweise durch Quer- und
Längsschubeinrichtungen (sogenannte Thruster), welche am Umfang der zu lenkenden Übungsmunition
angeordnet sind, auf die Übungsmunition übertragen werden.
[0006] Die Quer-/Längsschubeinrichtungen erzeugen vorzugsweise durch chemische Umsetzung
eines pyrotechnischen Materials ein Gas mit hohem Druck, welches über Öffnungen am
Umfang der Übungsmunition ausgestoßen wird und somit der Übungsmunition nach dem Rückstoßprinzip
flugbahnkorrigierende Impulsänderungen erteilt. Dabei wird der durch das Stellsystem
maximal abgebbare Gesamtkorrekturimpuls, welcher durch die begrenzt bereitgestellte
Stellenergie bewirkbar ist, so bemessen, dass gerade der maximal auftretende ballistische
Fehler kompensiert werden kann. Dies bedeutet, dass im Fehlerfall der Raketenlenkung
im schlimmsten Fall ein doppelt so großer ballistischer Fehler beim Flug auftreten
kann. Bei Annahme einer Fehlerkorrektur von 6 Sigma (Fehlerwahrscheinlichkeit < 10
-7) würde die notwendige Stellenergie zu einer Verdoppelung des Gefahrenbereichs im
Fehlerfall führen. Da bei einem Übungsschießen eine Korrektur des auftretenden ballistischen
Fehlers von 2 Sigma (die Korrektur beinhaltet 94,45 % aller Fehler) ausreichend ist,
wird die notwendig zu korrigierende Ablage deutlich verringert und führt damit zu
einer Reduktion des Zuwachses des Gefahrenbereichs im Fehlerfall. Dieses Verfahren
benötigt damit einen lediglich um diesen Zuwachs höheren Gefahrenbereich als eine
rein ballistisch fliegende Rakete.
[0007] Gelenkte Übungsraketen oder auch gelenkte Übungsmunitionen können durch das erfindungsgemäße
Konzept auf Übungsplätzen verschossen werden, die für die operationelle Variante (ohne
angepasst begrenzte Stellenergie und/oder mit aerodynamischem Stellsystem) nicht infrage
kommen. Kostspielige Transporte zu weiter entfernten großen Übungsplätzen können damit
entfallen.
[0008] Durch Variation und Wahl der zeitlichen Aktivierung der möglichen Kompensation des
ballistischen Fehlers und Änderungen zu kleineren ballistischen Reichweiten kann der
so entstehende Gefahrenbereich an den zulässigen Schussbereich des Übungsplatzes angepasst
werden. Demzufolge bezieht sich die Erfindung insbesondere auch auf ein System umfassend
einen Übungsplatz und mindestens eine auf diesen Übungsplatz abgestimmte gelenkte
Übungsmunition, wobei die Übungsmunition ein nicht-aerodynamisches Stellsystem in
Form von pyrotechnischen Quer-/ Längsschubeinrichtungen aufweist, welche eingerichtet
sind, der Übungsmunition eine oder mehrere flugbahnkorrigierende Impulsänderungen
zu erteilen, wobei die im Stellsystem bevorratete pyrotechnische Stellenergie derart
begrenzt ist, dass sie die Energie, die zur Korrektur des innerhalb eines vorbestimmten
Fehlerbereichs liegenden ballistischen Fehlers der Übungsmunition notwendig ist, nicht
übersteigt, wobei der Übungsplatz eine Längsausdehnung aufweist, welche mindestens
der ballistischen Reichweite der Übungsmunition entspricht, wobei dessen Querausdehnung
wesentlich geringer als die Längsausdehnung ist, wobei die Querausdehnung des Übungsplatzes
mindestens das Doppelte der Breite des maximalen lateralen ballistischen Fehlerbereichs
der Übungsmunition beträgt.
[0009] Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus dem im
Folgenden beschriebenen Ausführungsbeispiel sowie anhand der Zeichnung.
[0010] Die Zeichnung Figur 1 illustriert das erfindungsgemäße Konzept des Einsatzes eines
nicht-aerodynamischen Stellsystems in Verbindung mit der Nutzung limitierter Stellenergie
bei Berücksichtigung von begrenzter Fehlerkorrektur der ballistischen Flugbahn.
[0011] Figur 1 zeigt schematisch den Verschuss einer erfindungsgemäßen Übungsmunition mit
einem nicht-aerodynamischen Stellsystem in Form von pyrotechnischen Schubeinrichtungen,
welche eingerichtet sind, der Übungsmunition eine oder mehrere flugbahnkorrigierende
Impulsänderungen zu erteilen, wobei die im Stellsystem bevorratete pyrotechnische
Stellenergie derart begrenzt ist, dass sie die Energie, die zur Korrektur des innerhalb
eines vorbestimmten Fehlerbereichs liegenden ballistischen Fehlers der Übungsmunition
notwendig ist, nicht übersteigt.
[0012] Falls eine operationelle Variante der Munition (mit aerodynamischem Stellsystem)
für das Übungsschießen verwendet werden soll, kann die operationelle Munition durch
Demontieren oder unwirksam Machen des aerodynamischen Stellsystems der Munition für
das erfindungsgemäße Verfahren zur gefahrenbereichsreduzierten Übungsmunition umgerüstet
werden.
[0013] Die in Figur 1 auf das Ziel Z verschossene Übungsmunition weist die vorbestimmte
ballistische Reichweite Δx
B auf. Der ballistische Gefahrenbereich G
B wird durch den maximal zu erwartenden ballistischen Fehler Δx
B und Δy
B definiert (im Allgemeinen unter Annahme eines maximalen ballistischen Fehlers von
6 Sigma). Dieser rein ballistische Gefahrenbereich G
B vergrößert sich durch den Einsatz des erfindungsgemäßen nicht-aerodynamischen Stellsystems
um den Betrag Δy
K auf den gelenkten Gefahrenbereich G
G.
[0014] Bei einem Übungsschießen ist eine Korrekturmöglichkeit bis zu einem auftretenden
ballistischen Fehler von 2 Sigma ausreichend. In Figur 1 ist dieser 2-Sigma-Bereich
durch den ellipsoidförmigen Korrekturbereich K gekennzeichnet. Erfindungsgemäß ist
nun die im nicht-aerodynamischen Stellsystem bereitgestellte Stellenergie gleich der
zur Korrektur des innerhalb des vorbestimmten Fehlerbereichs von 2 Sigma liegenden
ballistischen Fehlers der Übungsmunition notwendigen Stellenergie. Das bedeutet, dass
eine Übungsrakete mit einem lateralen ballistischen Fehler von 2 Sigma gerade noch
mit der maximal erreichbaren Fehlerkorrektur Δy
K auf das Ziel Z abgelegt werden kann.
[0015] Dies hat zwar den Nachteil, dass ballistische Abweichungen von mehr als 2 Sigma nicht
mehr vollständig korrigiert werden können (kein direkter Zieltreffer mehr möglich),
dies wird aber mehr als aufgewogen durch den Vorteil, dass sich der ballistische Gefahrenbereich
G
B nur um einen vergleichsweise geringen Betrag Δy
K auf den gelenkten Gefahrenbereich G
G vergrößert (unter Annahme einer totalen Fehlfunktion des Stellsystems, bei der eine
maximale ballistische Abweichung Δy
B genau in die falsche Richtung vom Ziel Z weg "korrigiert" wird).
[0016] Beispiele für typische Werte bei einem Übungsschießen gemäß obiger Beschreibung sind
x
B = 10.000 m, Δx
B = 900 m, Δy
B = 800 m, Δy
K = 500 m.
[0017] Neben der Begrenzung der im nicht-aerodynamischen Stellsystem bereitgestellten Stellenergie
kann der gelenkte Gefahrenbereich G
G auch noch durch die Vorwahl der ballistischen Reichweite x
B und durch die verzögerte Aktivierung A des Stellsystems gering gehalten und an den
zulässigen Schussbereich des Übungsplatzes angepasst werden.
Bezugszeichenliste
[0018]
- GB
- Ballistischer Gefahrenbereich
- GG
- Gelenkter Gefahrenbereich
- ΔxB
- maximale longitudinale ballistische Abweichung
- ΔyB
- maximale laterale ballistische Abweichung
- ΔyK
- maximal erreichbare laterale Fehlerkorrektur
- K
- Korrekturbereich (vorbestimmter Fehlerbereich in Vielfachen von Sigma)
- A
- Aktivierungspunkt des nicht-aerodynamischen Stellsystems
- Z
- Ziel
1. Verfahren zur Reduktion des Gefahrenbereichs (G
G) gelenkter Übungsmunition, umfassend folgende Schritte:
Ausrüsten der Übungsmunition mit einem nicht-aerodynamischen Stellsystem, und
Begrenzen der im nicht-aerodynamischen Stellsystem bereitgestellten Stellenergie derart,
dass sie die Stellenergie, die zur Korrektur (ΔyK) des innerhalb eines vorbestimmten Fehlerbereichs (n Sigma) liegenden ballistischen
Fehlers (K) der Übungsmunition notwendig ist, nicht übersteigt.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
wobei die im nicht-aerodynamischen Stellsystem bereitgestellte Stellenergie gleich
der zur Korrektur (ΔyK) des innerhalb des vorbestimmten Fehlerbereichs (n Sigma) liegenden ballistischen
Fehlers (K) der Übungsmunition notwendigen Stellenergie ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
wobei das nicht-aerodynamische Stellsystem mittels Quer- und Längsschubeinrichtungen
Kraftstöße auf die Übungsmunition überträgt.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
ferner umfassend den Schritt des Demontierens oder unwirksam Machens eines aerodynamischen
Stellsystems der Munition, welche für das Verfahren zur gefahrenbereichsreduzierten
Übungsmunition umgerüstet werden soll.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die Begrenzung der Stellenergie und damit die Reduktion des Gefahrenbereichs
(GG) in Abhängigkeit der Querausdehnung des Übungsplatzes erfolgt, auf dem die Übungsmunition
verschossen wird.
6. Übungsmunition mit einem nicht-aerodynamischen Stellsystem in Form von pyrotechnischen
Quer- und Längsschubeinrichtungen, welche eingerichtet sind, der Übungsmunition eine
oder mehrere flugbahnkorrigierende Impulsänderungen zu erteilen,
wobei die im Stellsystem bevorratete pyrotechnische Stellenergie derart begrenzt ist,
dass sie die Energie, die zur Korrektur (ΔyK) des innerhalb eines vorbestimmten Fehlerbereichs (n Sigma) liegenden ballistischen
Fehlers (K) der Übungsmunition notwendig ist, nicht übersteigt.
7. Übungsmunition nach Anspruch 6,
wobei die im Stellsystem bevorratete pyrotechnische Stellenergie gleich der zur Korrektur
(ΔyK) des innerhalb des vorbestimmten Fehlerbereichs (n Sigma) liegenden ballistischen
Fehlers (K) der Übungsmunition notwendigen Energie ist.
8. Verwendung einer Übungsmunition gemäß Anspruch 6 oder 7 auf einem Übungsplatz, dessen
Längsausdehnung mindestens der ballistischen Reichweite (xB) der Übungsmunition entspricht, wobei dessen Querausdehnung wesentlich geringer als
die Längsausdehnung ist, wobei die Querausdehnung des Übungsplatzes mindestens das
Doppelte der Breite (2ΔyB) des maximalen lateralen ballistischen Fehlerbereichs der Übungsmunition beträgt.
9. Verwendung nach Anspruch 8,
wobei die Querausdehnung des Übungsplatzes höchstens das Dreifache der Breite (2ΔyB) des maximalen lateralen ballistischen Fehlerbereichs der Übungsmunition beträgt.
10. System umfassend einen Übungsplatz und mindestens eine auf diesen Übungsplatz abgestimmte
gelenkte Übungsmunition,
wobei die Übungsmunition ein nicht-aerodynamisches Stellsystem in Form von pyrotechnischen
Quer- und Längsschubeinrichtungen aufweist, welche eingerichtet sind, der Übungsmunition
eine oder mehrere flugbahnkorrigierende Impulsänderungen zu erteilen,
wobei die im Stellsystem bevorratete pyrotechnische Stellenergie derart begrenzt ist,
dass sie die Energie, die zur Korrektur des innerhalb eines vorbestimmten Fehlerbereichs
liegenden ballistischen Fehlers der Übungsmunition notwendig ist, nicht übersteigt,
wobei der Übungsplatz eine Längsausdehnung aufweist, welche mindestens der ballistischen
Reichweite der Übungsmunition entspricht, wobei dessen Querausdehnung wesentlich geringer
als die Längsausdehnung ist, wobei die Querausdehnung des Übungsplatzes mindestens
das Doppelte der Breite des maximalen lateralen ballistischen Fehlerbereichs der Übungsmunition
beträgt.