(19)
(11) EP 3 048 401 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
27.07.2016  Patentblatt  2016/30

(21) Anmeldenummer: 15000145.1

(22) Anmeldetag:  20.01.2015
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F25J 3/04(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(71) Anmelder: Linde Aktiengesellschaft
80331 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Kirchner, Lars
    01279 Dresden (DE)

(74) Vertreter: Imhof, Dietmar 
Linde AG Legal Services Intellectual Property Dr.-Carl-von-Linde-Straße 6-14
82049 Pullach
82049 Pullach (DE)

   


(54) VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR VARIABLEN GEWINNUNG VON ARGON DURCH TIEFTEMPERTURZERLEGUNG VON LUFT


(57) Das Verfahren und die Vorrichtung dienen zur variablen Gewinnung von Argon durch Tieftemperaturzerlegung. Ein argonangereicherter Strom (80) aus einer Niederdrucksäule (11) zur Stickstoff-Sauerstoff-Trennung wird in eine Rohargonsäule (81, 82) eingeleitet. Eine Rohargonfraktion (71) vom Kopf der Rohargonsäule (81, 82) wird in eine Reinargonsäule (83) eingeleitet. Vom Sumpf der Reinargonsäule (83) wird ein flüssiger Reinargon-Produktstrom (72) entnommen. In einem ersten Betriebsmodus wird eine erste Reinargon-Produktmenge als Endprodukt abgeführt,
in einem zweiten Betriebsmodus eine zweite, geringere Reinargon-Produktmenge. In dem zweiten Betriebsmodus wird mindestens ein Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Rückstrom (32) aus der Niederdrucksäule (11) eingeleitet.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

[0002] Diese Art der Argongewinnung ist beispielsweise in EP 377117 B2 oder EP 628777 B1 bekannt. Im Anschluss an ein Zwei- oder Mehr-Säulen-Verfahren werden dabei in einer Rohargonsäule Argon und Sauerstoff getrennt und in einem weiteren Schritt, der Reinargonsäule Argon und Stickstoff. Das reine Argonprodukt fällt dann flüssig im Sumpf der Reinargonsäule an.

[0003] Als "argonangereichert" wird hier ein Strom bezeichnet, der eine höhere Argonkonzentration als Luft aufweist.

[0004] Die Rohargonsäule kann dabei einteilig oder mehrteilig (siehe EP 628777 B1) ausgeführt werden. Sie weist einen Kopfkondensator auf, der mit einer Flüssigkeit dem Luftzerlegungsverfahren im engeren Sinne gekühlt wird, insbesondere mit Sumpfflüssigkeit der Hochdrucksäule.

[0005] Üblicherweise wird der gesamte flüssige Reinargon-Produktstrom vom Sumpf der Reinargonsäule als Produkt abgezogen, als entweder in einen Flüssigtank eingeleitet oder direkt einem Verbraucher zugeführt. Bei bestimmten Anwendungen schwankt jedoch der Argonbedarf zyklisch oder unregelmäßig, wobei der Sauerstoff und/oder der Stickstoffbedarf gleich bleibt. Ein Beispiel für einen schwankenden Argonbedarf ist ein Stahlkonverter, der von einer Luftzerlegungsanlage mit Sauerstoff versorgt wird, der über Druckspeicher gepuffert wird. Gleichzeitig wird Argon als Schutzgas geliefert. Selbst wenn dieses in einem Flüssigtank gepuffert wird, kommt es vor, dass dieser voll ist, während nicht alles aktuell produzierte Argon in dem Stahlkonverter gebraucht wird. Das überschüssige Argon als Reinprodukt abzublasen oder die Last der gesamten Luftzerlegungsanlage zu verringern ist nicht zufriedenstellend. Um die geforderte 02-Ausbeute aufrecht zu erhalten, ist es notwendig, das Argon in Nennmenge aus der Luftzerlegungsanlage zu entnehmen.

[0006] Deshalb wurde schon in US 6269659 B1 vorgeschlagen, bei reduziertem Argonbedarf mindestens einen Teil der Rohargonfraktion vom Kopf der Rohargonsäule mit einem Restgasstrom aus einer der Säulen des Luftzerlegers im engeren Sinne zu vermischen und im Hauptwärmetauscher des Luftzerlegers anzuwärmen.

[0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine besonders hohe Effizienz der Sauerstoff-Stickstoff-Argon-Trennung bei schwankendem Argonbedarf zu erzielen.

[0008] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass in einem zweiten Betriebsmodus mit reduzierter Argonproduktion mindestens ein Teil des flüssigen Reinargon-Produktstroms in einen Rückstrom aus der Niederdrucksäule eingeleitet wird.

[0009] Im Rahmen der Erfindung kann auch die Reinargonsäule bei variabler Argonproduktion mit konstantem Durchsatz gefahren werden. Damit arbeitet die gesamte Argongewinnung stationär. Reinheitsschwankungen und damit Produktverluste durch variablen Umsatz können nicht mehr auftreten.

[0010] Im Allgemeinen wird in dem ersten Betriebsmodus die gesamte Reinargon-Produktmenge als Endprodukt abgeführt. Der "zweite Betriebsmodus" kann dann durch jede Betriebsart gebildet werden, bei der die Endproduktmenge kleiner als im ersten Betriebsmodus ist. Der überschüssige Teil des Reinargon-Produktstroms wird dann mit einem Rückstrom der Niederdrucksäule vermischt. Im Extremfall wird überhaupt kein Argon-Endprodukt erzeugt und der gesamte flüssige Reinargon-Produktstrom wird über die Vermischung mit dem Rückstrom verworfen.

[0011] Grundsätzlich kann der flüssige Reinargon-Produktstrom mit jedem Rückstrom aus der Niederdrucksäule vermischt werden. In einer ersten Variante wird in dem zweiten Betriebsmodus mindestens ein Teil des flüssigen Reinargon-Produktstroms in einen Unrein-Stickstoffstrom von einer Zwischenstelle der Niederdrucksäule eingeleitet. Hierdurch werden die Reinprodukte der Niederdrucksäule nicht verunreinigt und das Argonprodukt kann zur Regenerierung von Adsorbern oder in einem Verdunstungskühler sinnvoll genutzt werden.

[0012] In einer zweiten Variante der Erfindung kann alternativ oder zusätzlich in dem zweiten Betriebsmodus mindestens ein Teil des flüssigen Reinargon-Produktstroms in einen Stickstoffstrom vom Kopf der Niederdrucksäule eingeleitet werden. Diese Verfahrensweise ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es bei der Nutzung des Reinstickstoffprodukts vom Kopf der Niederdrucksäule nur auf einen geringen Sauerstoffgehalt ankommt. Dann kann mit Hilfe des an sich überflüssigen Argonprodukts die nutzbare Produktmenge an sauerstofffreiem Gas erhöht werden.

[0013] Vorzugsweise werden während des Übergangs vom ersten in den zweiten Betriebsmodus der Durchsatz der Rohargonsäule und der Durchsatz der Reinargonsäule im Wesentlichen konstant gehalten. Unter "im Wesentlichen konstant" wird hier eine maximale Abweichung von 2,5 mol-% verstanden.

[0014] Die Erfindung betrifft außerdem eine Vorrichtung gemäß den Patentansprüchen 5 bis 8. Die Vorrichtung enthält vorzugsweise außerdem Regelungsmittel für einen automatischen Übergang von ersten in den zweiten Betriebsmodus sowie gegebenenfalls zum Konstanthalten des Durchsatzes von Rohargonsäule und Reinargonsäule.

[0015] Die Erfindung sowie weitere Einzelheiten der Erfindung werden im Folgenden anhand eines in der Zeichnung schematisch dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Dabei ist der warme Teil der Anlage sehr schematisch dargestellt; Maschinen wie Turbinen und Nachverdichter wurden weggelassen.

[0016] Atmosphärische Luft wird durch ein Filter 2 von einem Luftverdichter angesaugt. Die Druckluft 4 aus dem Luftverdichter wird in einer Vorkühleinrichtung 5 gekühlt und in einer Reinigungsvorrichtung 6 gereinigt. Die gereinigte Luft 7 wird einem Hauptwärmetauscher 8 zugeführt. Ein erster Luftstrom 9 wird im Wesentlichen gasförmig in die Hochdrucksäule 10 eingeleitet. Die Hochdrucksäule 10 ist Teil einer Doppelsäule, die außerdem eine Niederdrucksäule 11 und einen Hauptkondensator 12 aufweist.

[0017] Ein zweiter Luftstrom 13 wird in einem Ventil 14 entspannt und zum großen Teil flüssig in die Hochdrucksäule 10 eingeleitet (15). Ein Teil 16 dieser Flüssigkeit wird gleich wieder abgezogen, in einem Unterkühlungs-Gegenströmer 17 abgekühlt und über Leitung 18 in die Niederdrucksäule 11 eingeleitet. Eine sauerstoffangereicherte Fraktion 19 aus dem Sumpf der Hockdrucksäule 10 wird im Unterkühlungs-Gegenströmer 17 abgekühlt. Die gekühlte sauerstoffreiche Fraktion 20 wird zu einem ersten Teil 21 durch die Sumpfheizung 91 der Reinargonsäule 83 und weiter in den Verdampfungsraum des Rohargonsäulen-Kopfkondensators 90 geleitet. Ein zweiter Teil 22 strömt direkt in den Verdampfungsraum des Reinargonsäulen-Kopfkondensators 91. Die flüssig verbliebenen und die gasförmigen Anteile aus den Kopfkondensatoren werden paarweise vereinigt und über die Leitungen 23 und 24 in die Niederdrucksäule 11 eingespeist.

[0018] Ein Teil des Kopfstickstoffs 25 der Hochdrucksäule 10 wird in dem Hauptkondensator 12 kondensiert und zu einem ersten Teil 26 auf die Hockdrucksäule aufgegeben. Ein zweiter Teil 27 des flüssigen Stickstoffs strömt durch den Unterkühlungs-Gegenströmer 17 und durch Leitung 28 zum Kopf der Niederdrucksäule.

[0019] Als Produkte verlassen die Doppelsäule die folgenden Ströme:
  • Flüssiger Stickstoff (LIN) vom Kopf der Niederdrucksäule
  • Gasförmiger außenverdichteter Stickstoff (GAN-EC) über die Leitungen 28, 29, 30
  • Gasförmiger Unreinstickstoff über die Leitungen 32, 34, 35
  • Innenverdichteter Sauerstoff (GOX-IC) über die Leitungen 35, 37, 38 und Pumpe 36
  • Flüssiger Sauerstoff (LOX) über Leitung 41
  • Druckstickstoff als Dichtgas (Sealgas) über die Leitungen 39, 40


[0020] Im Folgenden wird nun die Argongewinnung beschrieben. Ein argonangereicherter Strom 80 aus der Niederdrucksäule 11 wird in eine Rohargonsäule eingeleitet, die in dem Beispiel als geteilte Rohargonsäule mit zwei Abschnitten 81, 82 ausgebildet ist. Der Kopfdampf 70 des ersten Abschnitts 81 wird in den zweiten Abschnitt 82 eingeleitet. Im Kopfkondensator 90 wird Rücklaufflüssigkeit erzeugt. Die im Sumpf des zweiten Abschnitts 82 ankommende Flüssigkeit 87 wird mittels einer Pumpe 88 über Leitung 89 auf den Kopf des ersten Abschnitts 81 aufgegeben. Die Flüssigkeit 84, die sich im Sumpf des ersten Abschnitts 81 sammelt wird ebenfalls gepumpt und über Leitung 6 in die Niederdrucksäule 11 zurückgeleitet.

[0021] Vom Kopf des zweiten Abschnitts 82 der Rohargonsäule, genauer aus dem Verflüssigungsraum des Kopfkondensators 90 wird eine Rohargonfraktion 71 entnommen und in die Reinargonsäule 83 eingeleitet. Vom Sumpf der Reinargonsäule 83 wird ein flüssiger Reinargon-Produktstrom 72 entnommen. Vom Kopfkondensator 91 der Reinargonsäule wird ein Restgasstrom 73 abgezogen und in die Atmosphäre (ATM) abgeblasen.

[0022] Im ersten Betriebsmodus wird bei dem Ausführungsbeispiel wird der gesamte Reinargon-Produktstrom 72 als Endprodukt (LAR) entnommen. Die "erste Reinargonproduktmenge" ist also gleich der Menge an erzeugtem Reinargon-Produktstrom 72.

[0023] In einem zweiten Betriebsmodus mit verringertem Argonproduktbedarf wird die Leitung 100 geöffnet und 20 bis 100 % des Reinargon-Produktstroms 72 werden in die Restgasleitung 33 geführt, also in das Unreinstickstoffprodukt der Niederdrucksäule 11. In einem konkreten Zahlenbeispiel beträgt die "zweite Reinargon-Produktmenge" die Hälfte des Reinargon-Produktstroms 72; die andere Hälfte wird dann weiter als Endprodukt (LAR) abgezogen.


Ansprüche

1. Verfahren zur variablen Gewinnung von Argon durch Tieftemperaturzerlegung, bei dem

- ein argonangereicherter Strom (80) aus einer Niederdrucksäule (11) zur Stickstoff-Sauerstoff-Trennung in eine Rohargonsäule (81, 82) eingeleitet wird,

- eine Rohargonfraktion (71) vom Kopf der Rohargonsäule (81, 82) in eine Reinargonsäule (83) eingeleitet wird,

- vom Sumpf der Reinargonsäule (83) ein flüssiger Reinargon-Produktstrom (72) entnommen wird,

- in einem ersten Betriebsmodus eine erste Reinargon-Produktmenge als Endprodukt abgeführt wird und

- in einem zweiten Betriebsmodus eine zweite Reinargon-Produktmenge als Endproduktmenge abgeführt wird, die kleiner ist als die erste Reinargon-Produktmenge,

dadurch gekennzeichnet, dass in dem zweiten Betriebsmodus mindestens ein Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Rückstrom (32) aus der Niederdrucksäule (11) eingeleitet wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in dem zweiten Betriebsmodus mindestens ein Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Unrein-Stickstoffstrom (32) von einer Zwischenstelle der Niederdrucksäule (11) eingeleitet wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass in dem zweiten Betriebsmodus mindestens ein Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Stickstoffstrom (29, 30) vom Kopf der Niederdrucksäule (11) eingeleitet wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass während des Übergangs vom ersten in den zweiten Betriebsmodus der Durchsatz der Rohargonsäule (81, 82) und der Durchsatz der Reinargonsäule (83) im Wesentlichen konstant gehalten werden.
 
5. Vorrichtung zur variablen Gewinnung von Argon durch Tieftemperaturzerlegung mit

- einer Niederdrucksäule (11) zur Stickstoff-Sauerstoff-Trennung,

- einer Rohargonsäule (81, 82),

- einer Reinargonsäule (83),

- Mitteln zum Einleiten eines argonangereicherten Stroms (80) aus der Niederdrucksäule (11) in die Rohargonsäule (81, 82),

- Mitteln zum Einleiten einer Rohargonfraktion (71) vom Kopf der Rohargonsäule (81, 82) in die Reinargonsäule (83),

- Mitteln zum Entnehmen eines flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) vom Sumpf der Reinargonsäule (83),

gekennzeichnet durch
Rückführmittel, um zeitweise mindestens einen Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Rückstrom (32) aus der Niederdrucksäule (11) einzuleiten.
 
6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Rückführmittel als Mittel ausgebildet sind, um zeitweise mindestens einen Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Unrein-Stickstoffstrom (32) von einer Zwischenstelle der Niederdrucksäule (11) einzuleiten.
 
7. Vorrichtung nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Rückführmittel als Mittel ausgebildet sind, um zeitweise mindestens einen Teil (100) des flüssigen Reinargon-Produktstroms (72) in einen Stickstoffstrom (29, 30) vom Kopf der Niederdrucksäule (11) einzuleiten.
 




Zeichnung







Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente