[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft eine Vorspannlenkvorrichtung für einen Rollstuhl
mit einem elektrischen Antriebsmittel und ein Rollstuhlgespann mit einer derartigen
Vorspannlenkvorrichtung.
[0002] Rollstühle für Menschen mit Behinderung verfügen üblicherweise über zwei große, in
Vorwärtsfahrtrichtung hinten angeordnete Antriebsräder und zwei kleine, frei schwenkbare
und in Vorwärtsfahrtrichtung vorne angeordnete Laufräder, die auch Castoren genannt
werden. Die Antriebsräder können elektrisch antreibbare beziehungsweise angetriebene
Antriebsräder sein und sind dann elektrische Antriebsmittel des Rollstuhls im Sinne
dieser Erfindung. Zudem sind, beispielsweise aus der
DE 198 57 786 A1, Antriebsräder bekannt, die als Hilfsantriebsvorrichtung konzipiert sind, sowohl
einen elektrischen Antriebsmotor als auch einen Greifring für manuellen Antrieb aufweisen
und zusätzlich einen Sensor, der eine manuell in den Greifring eingeleitete Antriebskraft
erfasst, sowie eine Steuereinrichtung, die den elektrischen Antriebsmotor in Abhängigkeit
von Größe und Richtung der manuell in den Greifring eingeleiteten Antriebskraft und
einem einstellbaren Unterstützungsgrad zur Abgabe eines entsprechenden Drehmoments
ansteuert. Auch derartige Hilfsantriebsvorrichtungen sind elektrische Antriebsmittel
des Rollstuhls im Sinne dieser Erfindung, wobei jedoch auch andere Antriebsmittel
von diesem Begriff umfasst sind.
[0003] Die frei schwenkbaren Castoren gewährleisten eine hohe Manövrierfähigkeit, die insbesondere
bei sogenanntem Indoor-Betrieb, das heißt bei einer Verwendung des Rollstuhls in geschlossenen
Räumen, unabdingbar ist. Bei Outdoor-Betrieb, das heißt bei Betrieb außerhalb geschlossener
Räume und insbesondere auf unebenen Wegen, sind die kleinen Castoren hingegen nachteilig
und machen schon bei relativ geringen Unebenheiten einen Betrieb des Rollstuhls unmöglich.
Beispielsweise würden kleine Vorderräder in Vertiefungen eintauchen, aus denen sie
wegen ihrer durch den kleinen Durchmesser deutlich eingeschränkten Fähigkeit zum Überwinden
eines Hindernisses nicht herauskommen könnten, was dann ein Weiterfahren unmöglich
macht.
[0004] Für den sogenannten Outdoor-Betrieb sind daher spezielle Kleinfahrzeuge mit elektrischem
Antrieb und größeren, meist nicht frei schwenkbaren, sondern gelenkten Vorderrädern
entwickelt worden. Derartige Kleinfahrzeuge werden auch als Scooter bezeichnet, sind
jedoch, insbesondere wegen ihrer unzureichenden Wendigkeit für Indoor-Betrieb ungeeignet
und kommen daher für Menschen mit Behinderung, die auf einen Rollstuhl angewiesen
sind, nur als Zweitrollstuhl, das heißt zusätzlich zu einem für Indoor-Betrieb geeigneten
Rollstuhl, in Betracht.
[0005] Vor diesem Hintergrund sind seit langem Versuche unternommen worden, einen herkömmlichen,
für den Indoor-Betrieb geeigneten Rollstuhl mit einer abnehmbaren Zusatzeinrichtung
zu versehen, die es ermöglicht, den für den Indoor-Betrieb ausgelegten Rollstuhl funktional
so zu ergänzen und zu verändern, dass er für den Outdoor-Betrieb geeignet ist.
[0006] Bereits 1974 schlug die
DE 24 46 573 eine Zug- und Leitvorrichtung vor, die an einen Rollstuhl so ankoppelbar ist, dass
in angekoppeltem Zustand die vorderen, als frei schwenkbare Castoren ausgebildeten
kleinen Räder des Rollstuhls angehoben sind. Diese bekannte Zug- und Leitvorrichtung
weist ein motorisch angetriebenes Rad auf, das über eine Lenkstange lenkbar ist. Das
aus einer derartigen angekoppelten Leitvorrichtung und dem Rollstuhl gebildete Gefährt
wird Rollstuhlgespann genannt.
[0007] Das vorstehend skizzierte technische Konzept wird in der Praxis seit mehr als vier
Jahrzehnten genutzt und bis heute weiterentwickelt. Vergleichbare Zugmittel für Rollstühle
und dementsprechende Einrad-Rollstuhlgespanne sind beispielsweise aus der
GB 2 124 985 A aus dem Jahre 1982, der
DE 200 07 793 U1 aus dem Jahre 2000 und der
DE 10 2007 015 851 A1 aus dem Jahre 2007 bekannt.
[0008] Nachteilig bei diesem technischen Konzept ist, dass die Radlast und damit der Anpressdruck
des Antriebsrades des Zugmittels im Vergleich zur Betriebsgesamtmasse des Einrad-Rollstuhlgespanns
nur gering sind, da der Hauptanteil dieser Betriebsgesamtmasse durch die im Rollstuhl
sitzende Person eingebracht wird, deren Schwerpunkt im Betrieb wesentlich näher an
den hinteren großen Laufrädern liegt als an dem angetriebenen vorderen Zugrad. Dies
hat zur Folge, dass über das Zugrad nur ein geringes Antriebsmoment übertragen werden
kann und das Zugrad schon bei mäßigen Steigungen und moderater Beschleunigung durchdreht.
[0009] Dieses Problem besteht auch bei solchen Zugmitteln, bei denen das lenkbare Rad mittels
einer Handkurbelanordnung antreibbar ist. Ein derartiges Zugmittel für einen Rollstuhl
ist beispielsweise aus der
DE 93 03 981.6 U1 bekannt.
[0010] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine verbesserte Vorspannlenkvorrichtung
für einen Rollstuhl und ein Rollstuhlgespann mit einer derartigen Vorspannlenkvorrichtung
bereitzustellen, um insbesondere das vorstehend dargelegte technische Problem zu lösen.
[0011] Zur Lösung dieser Aufgabe werden erfindungsgemäß die Vorspannlenkvorrichtung für
einen Rollstuhl gemäß Patentanspruch 1 und ein Rollstuhlgespann mit einer derartigen
Vorspannlenkvorrichtung bereitgestellt.
[0012] Die erfindungsgemäße Vorspannlenkvorrichtung ist so ausgelegt, dass der Antrieb des
erfindungsgemäßen Rollstuhlgespanns, gebildet aus der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung
und einem daran angekoppelten handelsüblichen Rollstuhl mit mindestens einem, vorzugsweise
zwei elektrisch antreibbaren Antriebsrädern, nicht nur über das per Handkurbelanordnung
von Hand antreibbare beziehungsweise angetriebene lenkbare Rad der Vorspannlenkvorrichtung
erfolgt, sondern zusätzlich auch über die elektrisch antreibbaren beziehungsweise
angetriebenen Antriebsräder des Rollstuhls, die üblicherweise die großen Hinterräder
des Rollstuhls sind. Die erfindungsgemäße Vorspannlenkvorrichtung weist hierzu eine
Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung auf, die dazu ausgelegt ist, eine an
dem Rollstuhl angebrachte elektrische Antriebseinrichtung, das heißt ein elektrisches
Antriebsmittel, beispielsweise elektrisch antreibbare beziehungsweise angetriebene
Hinterräder des Rollstuhls, entsprechend einer in die Handkurbelanordnung eingeleiteten
Kraft anzusteuern.
[0013] Es werden somit die elektrischen Antriebsräder des Rollstuhls, das heißt, wenn die
erfindungsgemäße Vorspannlenkvorrichtung an einen Rollstuhl angekoppelt ist, des aus
der Vorspannlenkvorrichtung und dem angekoppelten Rollstuhl gebildeten Rollstuhlgespanns,
in Abhängigkeit von Betrag und Richtung der in die Handkurbelanordnung eingeleiteten
mechanischen Kraft angesteuert und zusätzlich wird durch die Drehung der Handkurbelanordnung
das lenkbare Rad der Vorspannlenkvorrichtung angetrieben. Ein aus der Vorspannlenkvorrichtung
und einem Rollstuhl mit zwei elektrisch angetriebenen Rädern gebildetes Rollstuhlgespann
weist damit dann drei Antriebsräder auf. Der Anteil, mit dem die beiden angetriebenen
Räder des Rollstuhls am Gesamtvortrieb des Rollstuhlgespanns teilhaben, das heißt
der Unterstützungsgrad des elektrischen Antriebs, kann variabel und durch die im Rollstuhl
sitzende Person einstellbar sein.
[0014] Die erfindungsgemäße Vorspannlenkvorrichtung weist eine Handkurbelanordnung auf,
die vorzugsweise auch die Funktion einer Lenkeinrichtung erfüllt, wie dies aus der
DE 93 03 981.6 U1 bekannt ist, und verwendet eine in diese Handkurbelanordnung eingeleitete menschliche
Kraft im Zusammenhang mit der Ansteuerung der elektrischen Antriebseinrichtung des
Rollstuhls. Die in die Handkurbelanordnung eingeleitete menschliche Kraft führt zu
einer bestimmten Drehzahl der Handkurbelanordnung. Diese Drehzahl und die Drehrichtung
der Handkurbelanordnung, aber auch ein Drehmoment oder eine für das Drehmoment charakteristische
Größe, beispielsweise die Verformung eines Bauteils, können Steuergrößen bei der Ansteuerung
der elektrischen Antriebseinrichtung des Rollstuhls sein beziehungsweise zur Bildung
von Steuergrößen dienen und/oder dazu beitragen.
[0015] Erfindungsgemäß kann somit ein Rollstuhlgespann aus einem handelsüblichen Indoor-Rollstuhl
und der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung gebildet werden, das hervorragende
Fahreigenschaften hat. Dieses Rollstuhlgespann verleiht dem Indoor-Rollstuhl Outdoor-Eigenschaften,
macht die Anschaffung eines separaten Outdoor-Rollstuhls überflüssig, bietet gegenüber
dem Stand der Technik eine erheblich bessere Traktion der Antriebsräder und ermöglicht
dadurch deutlich bessere Fahreigenschaften auch auf unbefestigten Wegen. Das lenkbare
und über die Handkurbelanordnung antreibbare Rad kann so groß ausgeführt werden, dass
es die gewünschte Geländegängigkeit sicherstellt, nicht bereits in kleinere Vertiefungen
so einsinkt, dass aus diesen nicht mehr herausgefahren werden kann, und auch größere
Unebenheiten wie grobes Geröll oder Bordsteine überwunden werden können. Zudem gewährleistet
der Betrieb, da nur relativ große Räder, insbesondere nicht die kleinen Castoren,
Bodenkontakt haben, einen guten Fahrkomfort. Gleichzeitig gewährleistet der Antrieb
durch die elektrisch angetriebenen Räder des Rollstuhls, insbesondere dann, wenn die
elektrisch angetriebenen Räder die Hinterräder sind, eine ausgezeichnete Traktion,
da der auf den Hinterrädern lastende Anteil der Gesamtbetriebsmasse des Rollstuhlgespanns,
bestehend aus dem Rollstuhl, der Vorspannlenkvorrichtung und der in dem Rollstuhl
sitzenden Person, erheblich größer ist als derjenige Anteil der Gesamtbetriebsmasse
des Rollstuhlgespanns, der auf dem lenkbaren und über die Handkurbelanordnung antreibbaren
Rad der Vorspannlenkvorrichtung lastet.
[0016] Durch die Handkurbelanordnung wird die Möglichkeit gegeben, den wertvollen Aspekt
des körperlichen Trainings bei der Fahrt mit dem Rollstuhlgespann durch die Betätigung
der Handkurbelanordnung beizubehalten. Der Vortrieb des erfindungsgemäßen Rollstuhlgespanns,
bestehend aus einem handelsüblichen Rollstuhl und der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung,
wird jedoch ergänzt durch den zusätzlichen Beitrag der elektrisch angetriebenen Hinterräder
des Rollstuhls.
[0017] Wie bereits ausgeführt, kann dieser Beitrag variabel sein, wobei die Unterstützung
des Vortriebs eines erfindungsgemäßen Rollstuhlgespanns, bestehend aus einem handelsüblichen
Rollstuhl und der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung, durch den elektrischen
Antrieb des Rollstuhls, insbesondere durch die elektrisch angetriebenen Hinterräder
des Rollstuhls, einstellbar sein kann. Wahlweise kann die Unterstützung auch in der
Art einer Hilfsantriebsvorrichtung erfolgen, wie diese beispielsweise in der
DE 198 57 786 A1 beschrieben ist. Während bei der Hilfsantriebsvorrichtungen gemäß der
DE 198 57 786 A1 die menschliche Kraft der in dem Rollstuhl sitzenden Person von Hand in Greifringe
der hinteren Antriebsräder des Rollstuhls eingeleitet und die Nabenmotoren der Antriebsräder
in Abhängigkeit von dieser Kraft, detektiert durch entsprechende Sensoren, durch eine
Steuereinrichtung so angesteuert werden, dass ein die manuell eingeleitete Drehrichtung
unterstützendes Drehmoment erzeugt wird, wird die menschliche Kraft bei einer derartigen
Ausführungsform der vorliegenden Erfindung von der in dem Rollstuhlgespann sitzenden
Person in die Handkurbelanordnung eingeleitet. Dort, das heißt im Bereich der Handkurbelanordnung,
im Bereich einer Kraftübertragungseinrichtung, mit der die Drehung der Handkurbelanordnung
auf das lenkbare Rad übertragen werden kann, oder im Bereich des lenkbaren Rades werden
entsprechende Kenngrößen durch geeignete Sensoren ermittelt. All diese Sensoren, die
erforderlich sind, um die in die Handkurbelanordnung eingeleitete menschliche Kraft
zu erfassen, werden hier zusammenfassend als Handkurbelanordnungsensoren bezeichnet,
unabhängig davon, wo exakt sie bei einem Ausführungsbeispiel der Erfindung angeordnet
sind. Die Signale der Handkurbelanordnungsensoren werden der Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
zugeleitet, dort verarbeitet und entsprechende Steuersignale werden an die elektrische
Antriebseinrichtung des Rollstuhls, beispielsweise elektrisch antreibbare beziehungsweise
angetriebene Hinterräder des Rollstuhls, abgegeben.
[0018] Die elektrische Antriebseinrichtung des Rollstuhls kann einen oder mehrere elektrische
Antriebsmotoren aufweisen, wobei im Falle mehrerer Antriebsmotoren auch mehrere Motor-Steuereinrichtungen
an dem Rollstuhl vorgesehen sein können. Es versteht sich zudem, dass die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
eine Ansteuerung der an dem Rollstuhl angebrachten elektrischen Antriebseinrichtung
beziehungsweise Antriebseinrichtungen je nach Ausführungsform sowohl direkt und eigenständig
als auch im Zusammenwirken mit entsprechenden Motor-Steuereinrichtungen des Rollstuhls
bewirken kann.
[0019] Die elektrische Antriebseinrichtung des Rollstuhls kann auf vielfältige Weise bereitgestellt
sein. Ein Rollstuhl, der mit der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung zur Bereitstellung
des erfindungsgemäßen Rollstuhlgespanns verbunden werden kann, kann beispielsweise
sowohl ein bereits von der Konzeption her als Elektrorollstuhl ausgelegter Rollstuhl
sein als auch ein prinzipiell manueller, das heißt nicht elektromotorisch angetriebener
Rollstuhl, der erst durch Austausch der rein manuell antreibbaren Laufräder mit solchen
Laufrädern, die mit einem elektrischen Nabenmotor versehen sind, zu einem elektromotorisch
angetriebenen Rollstuhl wird. Ein derartiges elektromotorisch angetriebenes Antriebsrad
mit einem Nabenmotor, das nicht nur an einem starr ausgeführten, sondern auch an einem
faltbaren Rollstuhl angebracht werden kann, ist beispielsweise in der
DE 41 27 257 A1 offenbart. Ein anderes derartiges elektromotorisch angetriebenes Antriebsrad mit
einem Nabenmotor ist beispielsweise in der
DE 199 49 405 C1 offenbart. Alle derartigen Antriebsräder mit Nabenmotor einschließlich solcher wie
die in der vorstehend genannten
DE 198 57 786 A1 beschriebenen Hilfsantriebsvorrichtung sind Antriebsräder, die einen Rollstuhl zu
einem elektromotorisch angetriebenen Rollstuhl im Sinne der vorliegenden Erfindung
machen, das heißt zu einem Rollstuhl mit einer elektrischen Antriebseinrichtung, der
durch Ankopplung der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung zu einem erfindungsgemäßen
Rollstuhlgespann gemacht werden kann.
[0020] Es versteht sich für den Fachmann, dass die vorstehend beispielhaft aufgezählten
Antriebsarten keine abschließende Aufzählung darstellen und dass die erfindungsgemäße
Vorspannlenkvorrichtung mit Rollstühlen verwendet und an diese zur Bildung eines erfindungsgemäßen
Rollstuhlgespanns angekoppelt werden kann, die andere Arten eines elektrischen Antriebs
aufweisen.
[0021] Bei elektrisch angetriebenen Rollstühlen werden häufig Antriebsräder mit Nabenmotoren
verwendet, beispielsweise solche, wie sie in den vorstehend angegebenen Druckschriften
offenbart sind. Eine elektronische Steuerungseinrichtung zur Ansteuerung der Nabenmotoren
muss daher bei zwei Antriebsrädern und somit zwei Nabenmotoren eine Ansteuerung beider
Motoren bewirken. Die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung der erfindungsgemäßen
Vorspannlenkvorrichtung kommuniziert in einem solchen Fall mit zwei Motor-Steuereinrichtungen,
nämlich je einer Motor-Steuereinrichtung für einen Nabenmotor.
[0022] Hinsichtlich der Ansteuerung beziehungsweise Steuerung derartiger elektrischer Antriebsräder
eines Rollstuhls sind insbesondere zwei Steuerungsarten bekannt, nämlich eine sogenannte
Drehmomentsteuerung und eine sogenannte Drehzahlsteuerung.
[0023] Bei der üblichen Konstellation mit zwei jeweils über Nabenmotoren angetriebenen Hinterrädern
eines Rollstuhls bewirkt eine Drehmomentsteuerung, dass beide Motoren das gleiche
Antriebsmoment abgeben. Eine derartige Drehmomentsteuerung ist insbesondere bei sogenannten
Bürstenmotoren weit verbreitet. Sie hat zur Folge, dass beide Antriebsräder, nämlich
ein linkes und ein rechtes Antriebsrad, das gleiche Drehmoment aufbauen. Tritt allerdings
bei einer solchen Drehmomentsteuerung eine einseitige Störgröße auf, insbesondere
in Form eines einseitigen Hindernisses, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn
eines der Antriebsräder über einen Stein fährt oder wenn auf einem Quergefälle gefahren
wird, dann führt das gleiche Drehmoment auf beiden Seiten aufgrund der einseitigen
Störgröße zu einer unterschiedlichen Drehzahl. Der Rollstuhl würde somit nicht geradeaus,
sondern auf einer Kurve fahren. Eine diesbezügliche Korrektur muss durch einen veränderten
Fahrbefehl erfolgen.
[0024] Eine Drehzahlsteuerung gibt demgegenüber eine bestimmte Solldrehzahl vor, der die
Raddrehfrequenz folgt. Störgrößen der vorstehend erläuterten Art werden somit bereits
im Wege dieser Steuerung kompensiert. Ein entsprechender Regler erhöht bei Auftreten
eines einseitigen Hindernisses das Drehmoment des betroffenen Motors so, dass die
Solldrehzahl beibehalten wird.
[0025] Bei der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung kann der Art der Steuerung der
Elektromotoren des Rollstuhls, mit dem die Vorspannlenkvorrichtung zur Bereitstellung
des erfindungsgemäßen Rollstuhlgespanns verbunden werden kann, Rechnung getragen werden.
[0026] Eine Drehzahlsteuerung hat dann, wenn die Vorspannlenkvorrichtung angekoppelt wird,
zur Folge, dass das Rollstuhlgespann die Tendenz hat, unabhängig von dem Lenkvorgang
geradeaus fahren zu wollen, da die Antriebsräder auf beiden Seiten mit der gleichen
Raddrehfrequenz drehen, während bei einer Kurvenfahrt das kurvenäußere Rad gegenüber
dem kurveninneren Rad eine größere Raddrehfrequenz haben muss, wenn Schlupf vermieden
werden soll. Einer derartigen Tendenz zum Untersteuern des Rollstuhlgespanns kann
dadurch begegnet werden, dass beim Ankoppeln der Vorspannlenkvorrichtung an einen
Rollstuhl und dem hierbei stattfindenden Anschluss der Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
der Vorspannlenkvorrichtung an eine Motor-Steuereinrichtung des Rollstuhls der Betriebsmodus
der Motor-Steuereinrichtung des Rollstuhls geändert wird von einem Drehzahlsteuerungsmodus
in einen Drehmomentsteuerungsmodus, die Ansteuerung der Antriebsräder des Rollstuhls
somit nicht mehr als Drehzahlsteuerung erfolgt, sondern als Drehmomentsteuerung. Dies
kann beispielsweise dadurch verwirklicht werden, dass die Motor-Steuereinrichtung
des Rollstuhls bei dem Anschluss der Vorspannlenkvorrichtung diese als neuen Teilnehmer
des Systems erkennt, beispielsweise über einen RS-485 Bus, und in den Drehmomentsteuerungsmodus
umschaltet. Die Drehmomentsteuerung wirkt dann wie ein elektrisches Differenzial und
ermöglicht ohne Schlupf die bei Kurvenfahrt zwischen kurveninnerem und kurvenäußerem
Rad entstehenden Drehzahlunterschiede.
[0027] Verfügt der Rollstuhl demgegenüber über eine Drehmomentsteuerung, so kann diese Steuerung
grundsätzlich beibehalten werden.
[0028] Bei bestimmten Ausführungsformen der erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung und
des erfindungsgemäßen Rollstuhlgespanns kann jedoch im angekoppelten Zustand der Vorspannlenkvorrichtung
an dem Rollstuhl für die Steuerung der Antriebsräder des Rollstuhls eine Drehzahlsteuerung
vorgesehen sein. Ein derartiger Drehzahlmodus der Steuerung kann beispielsweise dann
gewählt werden, wenn die Vorspannlenkvorrichtung mit einem Lenkwinkelsensor versehen
ist, der einen Lenkwinkel erfasst und entsprechende Signale an die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
übermittelt, so dass, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit einer oder mehreren entsprechenden
Motor-Steuereinrichtungen des Rollstuhls, bei Kurvenfahrt das kurvenäußere Antriebsrad
so angesteuert wird, dass es mit einer gezielt höheren Drehgeschwindigkeit dreht als
das kurveninnere Antriebsrad. Hierdurch kann eine besonders gute Fahrstabilität erreicht
werden.
[0029] Bei allen Ausführungsformen kann, gegebenenfalls neben einer oder mehrerer von außen
auf die Räder wirkender Bremsen, eine aktive Motorbremse vorgesehen sein.
[0030] Es kann zudem eine Bedieneinrichtung mit einem oder mehreren zusätzlichen Bedienelementen
vorgesehen sein, die an der Vorspannlenkvorrichtung selbst oder beispielsweise seitlich
am Rollstuhl angebracht sein kann. Die Bedieneinrichtung kann eine Anzeigeeinrichtung
aufweisen, die Informationen über Geschwindigkeit, Betriebsmodus, Ladezustand der
Batterien und dergleichen anzeigt, und sie kann Schalter und Bedienelemente aufweisen,
beispielsweise EIN/AUS-Schalter, Betriebsmodus-Schalter, einen stufenlosen oder mit
Stufen versehenen Schalter zum Einstellen eines Unterstützungsgrades und dergleichen.
Hierbei können variable oder fest vorprogrammierte Unterstützungsgrade vorgesehen
sein.
[0031] Die Variabilität des Unterstützungsgrades kann beispielsweise so genutzt werden,
dass zu Beginn einer Fahrt, wenn die in dem Rollstuhlgespann sitzende Person noch
frisch und ausgeruht ist, und/oder dann, wenn die grundsätzlich geringe Traktion des
lenkbaren und durch die Handkurbelanordnung antreibbaren Rades der Vorspannlenkvorrichtung
unproblematisch ist, ein nur geringer, gegebenenfalls bis auf Null reduzierter Unterstüzungsgrad
durch die elektrischen Antriebsräder des Rollstuhls gewählt wird. Die Kapazität der
Batterie kann hierdurch geschont werden. Wenn nach einer gewissen Fahrtdauer und Fahrtstrecke
die Kräfte der im Rollstuhl sitzenden Person nachlassen, oder wenn eine gute Traktion
der Antriebsräder mehr Bedeutung erlangt, kann der Unterstützungsgrad erhöht werden.
Dies ermöglicht eine Weiterfahrt auch bei Ermüdung.
[0032] Es besteht zudem die Möglichkeit, dass auch das lenkbare Rad der Vorspannlenkvorrichtung,
das über die Handkurbelanordnung mechanisch antreibbar ist, einen elektrischen Antriebsmotor
aufweist, der, vorzugsweise als Nabenmotor, als Hilfsantriebsvorrichtung entsprechend
dem aus der
DE 198 57 786 A1 bekannten Prinzip konfiguriert ist. Dieser elektrische Antriebsmotor des lenkbaren
Rades der Vorspannlenkvorrichtung kann dann ebenfalls, mit gegebenenfalls variablem
Unterstützungsgrad, in Abhängigkeit von der in die Handkurbelanordnung eingeleiteten
Kraft der im Rollstuhl sitzenden Person angesteuert werden. Es wird hierdurch ein
durch eine Handkurbelanordnung bedienbares Rollstuhlgespann bereitgestellt, das drei
elektrisch antreibbare Räder aufweist, wobei eines der Räder, nämlich das lenkbare
Rad der Vorspannlenkvorrichtung, als groß ausgelegtes Rad gute Outdoor-Eigenschaften
sicherstellt, und die beiden anderen Antriebsräder relativ nahe am Schwerpunkt der
Gesamtbetriebsmasse des Rollstuhlgespanns angeordnet sind und entsprechend gute Traktion
aufweisen, und das aufgrund bekannter Schnellkoppelvorrichtungen durch Entkoppeln
der Vorspannlenkvorrichtung zudem leicht wieder in einen für den Indoor-Gebrauch geeigneten
Rollstuhl zurückverwandelt werden kann.
[0033] Die elektrische Verbindung zwischen der Vorspannlenkvorrichtung und deren Komponenten
einerseits und dem Rollstuhl und dessen Komponenten, insbesondere dem elektromotorischen
Antrieb und der diesbezüglichen Motor-Steuereinrichtungen des Rollstuhls, andererseits
kann je nach Ausführungsform drahtlos, beispielsweise über Bluetooth, oder über Kabel,
beispielsweise mit Magnetsteckern oder anderen Steckerbauarten, erfolgen.
[0034] Mechanisch erfolgt die Ankoppelung zwischen einem Vorspannrahmen der Vorspannlenkvorrichtung
und dem Rollstuhl vorzugsweise über eine Schnellkupplung.
[0035] Die Erfindung wird nachfolgend weiter erläutert anhand von Ausführungsbeispielen
unter Bezug auf die Zeichnungen.
In den Zeichnungen ist
[0036]
Fig. 1 eine perspektivische Darstellung einer Ausführungsform eines erfindungsgemäßen
Rollstuhlgespanns, zusammengestellt durch einen Rollstuhl mit elektrisch angetriebenen
Hinterrädern und eine angekoppelte Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Vorspannlenkvorrichtung
mit einer Handkurbelanordnung,
Fig. 2 eine vergrößerte Teilansicht der Ausführungsform der Vorspannlenkvorrichtung
mit Handkurbelanordnung gemäß Fig. 1 von vorne,
Fig. 3 eine vergrößerte Teilansicht der Ausführungsform der Vorspannlenkvorrichtung
mit Handkurbelanordnung gemäß Fig. 1 von der Seite und
Fig. 4 ein schematisches Funktionsschaltbild einer Ausführungsform eines erfindungsgemäßen
Rollstuhlgespanns.
[0037] Das in Fig. 1 dargestellte Rollstuhlgespann 1 ist zusammengestellt durch Ankopplung
einer Vorspannlenkvorrichtung 10 an einen Rollstuhl 100. Der Rollstuhl 100 weist eine
Sitzfläche 101, eine Rückenlehne 102, einen Rollstuhlrahmen 103, zwei große, in Vorwärtsfahrtrichtung
hinten angeordnete Antriebsräder 104 und zwei kleine, frei schwenkbare und in Vorwärtsfahrtrichtung
vorne angeordnete Laufräder 105, die auch Castoren genannt werden, auf. Die Antriebsräder
104 sind jeweils mit einer als Nabenmotor ausgeführten elektromotorischen Antriebseinrichtung
106L, 106R versehen. Die Antriebsräder 104 sind über Steckachsen und Drehmomentabstützungen
(nicht gezeigt) lösbar an dem Rollstuhlrahmen befestigt. In Vorwärtsfahrtrichtung
gesehen verfügt der Rollstuhl 100 somit über eine linke Antriebseinrichtung 106L und
eine rechte Antriebseinrichtung 106R. In dem dargestellten Ausführungsbeispiel verfügen
die linke Antriebseinrichtung 106L und die rechte Antriebseinrichtung 106R jeweils
über einen Elektromotor (nicht gezeigt), eine Akkumulatoreinrichtung (nicht gezeigt)
und eine Motor-Steuereinrichtung 120L, 120R, wobei diese Komponenten in den jeweiligen
Nabeneinheiten zusammengefasst sind.
[0038] Es versteht sich, dass der Fachmann zahlreiche andere Motorkonfigurationen und Motoranordnungen
wählen kann.
[0039] Wenn der Rollstuhl 100 alleine, das heißt ohne eine angekoppelte Vorspannlenkvorrichtung
betrieben wird, kann er dadurch gelenkt werden, dass der Elektromotor der linken Antriebseinrichtung
106L und der Elektromotor der rechten Antriebseinrichtung 106R so angesteuert werden,
dass die jeweiligen Antriebsräder 104 mit unterschiedlichen Drehzahlen drehen. Die
in diesem Betriebszustand den Boden berührenden Castoren 105 folgen der Fahrt infolge
ihrer freien Schwenkbarkeit. Entsprechende Fahrbefehle kann die im Rollstuhl sitzende
Person über ein Rollstuhl-Bedienelement 140 geben. Das Rollstuhl-Bedienelement 140
kann, fakultativ, einen Joystick 141 aufweisen, dessen Verschwenkung aus einer mittigen
Nulllage heraus durch die jeweilige Richtung und das Ausmaß der Verschwenkung eine
Fahrt des Rollstuhls mit entsprechender Richtung und Geschwindigkeit zur Folge hat,
sowie verschiedene weitere Schalter und Tasten für weitere denkbare Funktionen wie
Betriebsmodi und dergleichen. Informationen bezüglich Betriebsmodi und Betriebsdaten
wie beispielsweise Fahrgeschwindigkeit, Ladezustand der Akkumulatoreinrichtungen und
dergleichen können über ein Rollstuhl-Anzeigeelement 150 angezeigt werden.
[0040] Die Vorspannlenkvorrichtung 10 weist einen Vorspannrahmen 13, ein in einer Gabel
geführtes Rad 14, das um eine Lenkachse lenkbar ist, eine Handkurbelanordnung 60 und
eine Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung 30 auf. In diesem Ausführungsbeispiel
ist die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung 30 in der Handkurbelanordnung
60 angeordnet. Es versteht sich, dass diese bauliche Einheit nicht zwingend ist und
dass die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung 30 alternativ separat und an
anderer Stelle angeordnet sein kann.
[0041] Die Handkurbelanordnung 60 weist Handgriffe 61, Kurbelarme 62 und eine Riemenscheibe
63 auf, die vergrößert in den Figuren 2 und 3 dargestellt ist und über die mittels
eines Riemens 64 eine Drehung des lenkbaren Rades 14 bewirkt werden kann. Die Riemenscheibe
63 und der Riemen 64 sind Bestandteile einer Kraftübertragungseinrichtung, mit der
die Drehung der Handkurbelanordnung 60 auf das lenkbare Rad 14 übertragen werden kann.
Es versteht sich, dass der Fachmann hierfür auch andere Kraftübertragungseinrichtungen
wählen kann.
[0042] Die Funktionen des Rollstuhl-Anzeigeelements 150 und des Rollstuhl-Bedienelements
140 können wahlweise ganz oder auch teilweise, ersatzweise oder zusätzlich, durch
ein Vorspannlenkvorrichtung-Anzeige-/Bedienelement 25 (in Fig. 1 nicht gezeigt) übernommen
werden.
[0043] Je nach Ausführungsform der Vorspannlenkvorrichtung 10 kann zudem ein Lenkwinkelsensor
40 vorgesehen sein. Der Lenkwinkelsensor 40 erfasst einen Lenkwinkel, beispielsweise
im Bereich der Lenkachse, und ist mit der Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
30 verbunden.
[0044] Die Drehgeschwindigkeit und/oder die Drehrichtung der Handkurbelanordnung 60 und/oder
der Kraftübertragungsanordnung, insbesondere der Riemenscheibe 63, und/oder des lenkbaren
Rades 14 und/oder das in die Handkurbelanordnung 60 und/oder die Kraftübertragungsanordnung,
insbesondere die Riemenscheibe 63, und/oder das lenkbare Rad 14 eingeleitete Drehmoment
werden durch einen oder mehrere Handkurbelanordnungsensoren 69 (in Fig. 1 nicht gezeigt)
erfasst und diesbezügliche Signale an die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
30 geleitet, die in Abhängigkeit dieser Signale die Motor-Steuereinrichtungen 120L,
120R der linken Antriebseinrichtung 106L und der rechten Antriebseinrichtung 106R
der Hinterräder 104 ansteuert.
[0045] Die Handkurbelanordnung 60 weist somit die Funktionalität einer Bedieneinrichtung
auf, da durch Drehen eine Ansteuerung und damit Bedienung der elektrischen Antriebseinrichtung
106L, 106R bewirkt werden kann, und gleichzeitig die Funktionalität einer Lenkeinrichtung,
da das lenkbare Rad 14 gelenkt werden kann, während eine in dem Rollstuhlgespann 1
sitzende Person mit ihren Händen an den Handgriffen 61 die Riemenscheibe 63 über die
Kurbelarme 62 dreht.
[0046] Der Vortrieb des Rollstuhlgespanns 1 kann gemäß einer, hier nicht dargestellten Ausführungsform
bewirkt werden zum einen durch die Drehung des lenkbaren Rades 14 infolge der mechanischen
Kraftübertragung von der Riemenscheibe 63 über den Riemen 64 und, infolge der Ansteuerung
durch die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung 30, zum anderen durch Drehung
der Hinterräder 104 infolge der Unterstützung durch die linke Antriebseinrichtung
106L und die rechte Antriebseinrichtung 106R in Abhängigkeit von der Drehung des lenkbaren
Rades 14 beziehungsweise der in die Handkurbelanordnung 60 eingeleiteten Kraft.
[0047] In der in Fig. 1 dargestellten Ausführungsform weist das lenkbare Rad 14 zusätzlich
einen elektrischen Antriebsmotor 70 auf, der in dieser Ausführungsform als Nabenmotor
70 ausgeführt und als Hilfsantriebsvorrichtung konzipiert ist, wie sie grundsätzlich
aus der
DE 198 57 786 A1 bekannt ist. Bei dieser Ausführungsform wird der Vortrieb des Rollstuhlgespanns 1
bewirkt durch die Drehung des lenkbaren Rades 14 sowohl infolge der mechanischen Kraftübertragung
von der Riemenscheibe 63 über den Riemen 64 als auch infolge der zusätzlichen Unterstützung
durch den als Hilfsantriebsvorrichtung konzipierten Nabenmotor 70 und durch Drehung
der Hinterräder 104 infolge der Unterstützung durch die linke Antriebseinrichtung
106L und die rechte Antriebseinrichtung 106R in Abhängigkeit von der Drehung des lenkbaren
Rades 14 beziehungsweise der in die Handkurbelanordnung 60 eingeleiteten Kraft.
[0048] Die Vorspannlenkvorrichtung 10 ist an dem Rollstuhl 100 angekoppelt. Hierzu sind
an dem Vorspannrahmen 13 und an dem Rollstuhlrahmen 103 entsprechende kompatible Elemente
einer Ankoppeleinrichtung (nicht gezeigt) vorgesehen.
[0049] Wenn, wie in Fig. 1 gezeigt, die Vorspannlenkvorrichtung 10 an dem Rollstuhl 100
angekoppelt ist, sind die ursprünglich den Boden berührenden Castoren 105 vom Boden
abgehoben. Das Rollstuhlgespann 1 ruht und fährt somit nur auf den Antriebsrädern
104 des Rollstuhls 100 und dem Rad 14 der Vorspannlenkvorrichtung 10. Ein Lenken des
Rollstuhlgespanns 1 ist damit über das Rad 14 möglich.
[0050] In diesem Zustand ist, wie in Fig. 4 gezeigt, die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
30 mit den Motor-Steuereinrichtungen 120L, 120R verbunden. Die Verbindung kann über
ein Kabel oder auch drahtlos, beispielsweise per Bluetooth, realisiert werden.
[0051] Eine Anzeige der Betriebsdaten kann erfolgen über ein Vorspannlenkvorrichtung-Anzeige-/Bedienelement
25 (in Fig. 1 nicht gezeigt) und/oder über beide Anzeigeelemente, das heißt das Rollstuhl-Anzeigeelement
150 und das Vorspannlenkvorrichtung-Anzeige-/Bedienelement 25. Zudem können Bedienbefehle
über das Vorspannlenkvorrichtung-Anzeige-/Bedienelement 25 und/oder das Rollstuhl-Bedienelement
140 eingegeben werden.
[0052] Wenn die Vorspannlenkvorrichtung 10 an dem Rollstuhl 100 angekoppelt ist, erfolgt
die Ansteuerung der Antriebseinrichtungen 106L und 106R über die beziehungsweise in
Verbindung mit der Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung 30. Hierbei sind
verschiedene Konfigurationen und Auslegungen möglich. Insbesondere kann die Ansteuerung
mit einem variablen Unterstützungsgrad erfolgen.
[0053] Da das Rad 14 im angekoppelten Zustand über die Handkurbelanordnung 60 gelenkt wird,
werden die Antriebseinrichtungen 106L, 106R vorzugsweise im Drehmomentmodus, das heißt
dem Betriebsmodus der Drehmomentsteuerung, betrieben, da dieser wie ein Differential
wirkt und eine durch das Rad 14 vorgegebene Kurvenfahrt ohne Schlupf ermöglicht. Waren
die Motor-Steuereinrichtungen 120L, 120R vor der Ankopplung der Vorspannlenkvorrichtung
10 so eingestellt, dass die Antriebseinrichtungen 106L, 106R im Drehzahlmodus, das
heißt dem Betriebsmodus der Drehzahlsteuerung, operieren, so erkennt die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung
30 dies beim Ankoppeln und bewirkt, dass auf den Drehmomentmodus umgeschaltet wird.
[0054] Alternativ besteht die Möglichkeit, dass der Drehzahlmodus beibehalten wird. In einem
solchen Fall kann mittels des Lenkwinkelsensors 40 der Lenkwinkel des Rades 14 erfasst
werden und, basierend hierauf, die Ansteuerung der Antriebseinrichtungen 106L, 106R
so vorgenommen werden, dass bei Kurvenfahrt dem Drehzahlunterschied zwischen dem kurveninneren
und dem kurvenäußeren Rad Rechnung getragen wird.
[0055] Die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung 30 besteht typischerweise aus einer
integrierten Halbleiterschaltung, die zum Beispiel eine zentrale Prozessoreinheit
(CPU), ein ROM, das ein Programm oder mehrere Programme speichert, und ein RAM, das
als Arbeitsfläche dient, aufweist. Als funktionales Element ist sie Bestandteil der
Vorspannlenkvorrichtung 10. Bestimmte Programme oder auch physikalische Element können
allerdings bereits am Rollstuhl 100 vorgesehen sein, werden jedoch erst dann aktiviert,
wenn die Vorspannlenkvorrichtung 10 an den Rollstuhl 100 zur Bildung des Rollstuhlgespanns
1 angekoppelt wird.
[0056] Es versteht sich, dass dem Fachmann geeignete Übertragungsmittel zur Übertragung
von Leistungsstrom und von Steuersignalen zur Verfügung stehen, insbesondere drahtlos,
beispielsweise per Bluetooth, oder über Kabel und geeignete Steckerverbindungen.
[0057] Es versteht sich zudem, dass Art und Anzahl des elektrischen Antriebsmittels des
Rollstuhls, insbesondere die Anzahl der angetriebenen Räder des Rollstuhls und damit
des Rollstuhlgespanns ebenso wie die Anzahl der gelenkten Räder der Vorspannlenkvorrichtung
nicht auf das in Fig. 1 gezeigte Ausführungsbeispiel beschränkt sind.
1. Vorspannlenkvorrichtung (10) für einen Rollstuhl (100), der mindestens ein elektrisches
Antriebsmittel (106L, 106R) aufweist, umfassend:
einen Vorspannrahmen (13), der dazu ausgelegt ist, an den Rollstuhl (100) angekoppelt
zu werden,
ein mittels einer Lenkeinrichtung (60) lenkbares Rad (14) und
eine Handkurbelanordnung (60), mittels derer das lenkbare Rad (14) über eine Kraftübertragungseinrichtung
(63, 64) antreibbar ist,
gekennzeichnet durch
eine Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung (30), die dazu ausgelegt ist, ein
an dem Rollstuhl angebrachtes elektrisches Antriebsmittel (106L, 106R) entsprechend
einer in die Handkurbelanordnung (60) eingeleiteten Kraft anzusteuern.
2. Vorspannlenkvorrichtung nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch mindestens einen Handkurbelanordnungsensor (69) zur Erfassung der Drehgeschwindigkeit
und/oder der Drehrichtung der Handkurbelanordnung (60) und/oder der Kraftübertragungseinrichtung
(63, 64) und/oder des lenkbaren Rades (14) und/oder des in die Handkurbelanordnung
(60) und/oder die Kraftübertragungseinrichtung (63, 64) und/oder das lenkbare Rad
(14) eingeleiteten Drehmoments und zur Ausgabe von Signalen bezüglich der in die Handkurbelanordnung
(60) eingeleiteten Kraft an die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung (30).
3. Vorspannlenkvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Handkurbelanordnung (60) Teil der Lenkeinrichtung (60) ist.
4. Vorspannlenkvorrichtung nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Lenkwinkelsensor (40) aufweist, der einen Lenkwinkel des lenkbaren Rades
(14) erfasst.
5. Vorspannlenkvorrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Handkurbelanordnung (60) ein Vorspannlenkvorrichtung-Anzeige-/Bedienelement (25)
aufweist.
6. Vorspannlenkvorrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das lenkbare Rad (14) einen elektrischen Antriebsmotor (70) aufweist.
7. Vorspannlenkvorrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung (30) den Betriebsmodus des elektrischen
Antriebsmittels (106L, 106R) des Rollstuhls (100) festlegt.
8. Rollstuhlgespann (1), umfassend einen Rollstuhl (100) mit einem elektrischen Antriebsmittel
(106L, 106R) und eine Vorspannlenkvorrichtung (10) nach einem der vorstehenden Ansprüche.
9. Rollstuhlgespann (1) nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass das elektrisch antreibbare Antriebsmittel (106L, 106R) eine elektrische Antriebseinrichtung
(106L, 106R) für ein Antriebsrad (104) ist und dass der Rollstuhl (100) zwei elektrisch
angetriebene Antriebsräder (104) aufweist.
10. Rollstuhlgespann (1) nach Anspruch 9, soweit dieser auf Anspruch 4 rückbezogen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass der Lenkwinkelsensor (40) dem Lenkwinkel des lenkbaren Rades (14) entsprechende Signale
an die Vorspannlenkvorrichtung-Steuerungseinrichtung (30) übermittelt, so dass bei
Kurvenfahrt die elektrische Antriebseinrichtung (106L, 106R) so angesteuert wird,
dass ein kurvenäußeres Antriebsrad (104) des Rollstuhls (100) mit einer gezielt höheren
Drehgeschwindigkeit dreht als ein kurveninneres Antriebsrad (104) des Rollstuhls (100).
11. Rollstuhlgespann (1) nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es ein Rollstuhl-Bedienelement (140) und/oder ein Rollstuhl-Anzeigeelement (150)
und/oder ein Vorspannlenkvorrichtung-Anzeige-/Bedienelement (25) aufweist.