(19)
(11) EP 3 061 838 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
31.08.2016  Patentblatt  2016/35

(21) Anmeldenummer: 16157945.3

(22) Anmeldetag:  29.02.2016
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C21D 9/46(2006.01)
C22C 38/04(2006.01)
C22C 38/38(2006.01)
C22C 38/02(2006.01)
C22C 38/18(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA MD

(30) Priorität: 27.02.2015 EP 15156898

(71) Anmelder: Swiss Steel AG
6020 Emmenbrücke (CH)

(72) Erfinder:
  • LEMBKE, Mirkka Ingrid
    6003 Luzern (CH)
  • OLSCHEWSKI, Guido
    6275 Ballwil (CH)
  • HAUPT-PETER, Heiko
    6020 Emmenbrücke (CH)
  • ROELOFS, Hans
    6285 Hitzkirch (CH)

(74) Vertreter: Schmauder & Partner AG Patent- & Markenanwälte VSP 
Zwängiweg 7
8038 Zürich
8038 Zürich (CH)

   


(54) BLANKES BAINITISCHES LANGPRODUKT UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG


(57) Ein blankes bainitisches Langprodukt weist einem Gewichtsanteil von 0.16 bis 0.26 % Kohlenstoff, 0.60 bis 1.20% Silizium, 1.20 bis 1.70% Mangan, 0.70 bis 1.60% Chrom, bis zu 0.20% Nickel, bis zu 0.30% Molybdän, bis zu 0.03% Schwefel, bis zu 0.01% Aluminium, bis zu 0.03% Phosphor, bis zu 0.25% Kupfer, bis zu 0.001% Bor, bis zu 0.01% Titan, bis zu 0.01% Vanadium. bis zu 0.01% Niob, bis zu 0.015% Stickstoff und bis zu 0.01% in oxidischen Einschlüssen gebundener Sauerstoff, der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen auf. Es liegen folgende Gefügebestandteile vor: 60 bis 80% Bainit, bis 30% Martensit, bis zu 8% Ferrit und bis 15% Restaustenit. Der Zugversuch nach ISO 6892-1 ergibt: Rp0.2 = 950 bis 1'400 MPa, Rm = 1'150 bis 1'400 MPa, 0.87 < Rp0.2/Rm < 0.99 und A5 = 9.0 bis 17.0%.




Beschreibung

Technisches Gebiet



[0001] Die Erfindung betrifft ein blankes bainitisches Langprodukt gemäss dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie Verwendungen davon und ein Verfahren zu dessen Herstellung.

Stand der Technik



[0002] Tendenzen zum Downsizing oder Forderungen nach höherer Leistung bei geringerer Umweltbelastung in der Automobilindustrie führen zum Einsatz neuer Werkstoffe mit höherer Festigkeit.

[0003] Kontinuierlich aus der Umformhitze abgekühlte bainitische Stähle bieten dabei unter statischer Last ähnliche Festigkeits-und Zähigkeitseigenschaften wie wärmebehandelte Stähle mit Vergütungsgefüge. Während sich Vergütungsstähle unter dynamischer Last jedoch entfestigen, findet man bei den bainitischen Stählen eine Verfestigung. Aufgrund des TRIP-Effekts (verformungsinduzierte Umwandlung von Austenit in Martensit) verhalten sich bainitische Stähle auch vorteilhafter bei Überlasten (Spannungsspitzen). Dies macht sich in einer höheren Zeitfestigkeit bemerkbar.

[0004] Bei gleicher Ausgangsfestigkeit sind die Ermüdungseigenschaften (Dauerfestigkeit, Zeitfestigkeit, Kerbempfindlichkeit, Lebensdauer) der bainitischen Stähle den Vergütungsstählen deshalb deutlich überlegen.

[0005] Durch den Einsatz von bainitischen Werkstoffen mit einer Zugfestigkeit von ca. 1'300 MPa liesse sich beispielsweise die Leistungsfähigkeit von Common-Rails oder Injektoren und damit des gesamten Verbrennungsmotors steigern. Die WO 2009/090155 A1 beschreibt eine solche Anwendung für einen bainitischferritischen Werkstoff ohne TRIP-Effekt.

[0006] Trotz der Vorteile haben sich diese innovativen Stähle bisher nur vereinzelt durchsetzen können. Die hohe Festigkeit bringt neue Herausforderungen für die Teilefertigung mit sich. In spanenden Prozessen erhöhen sich die Schnittkräfte und die Temperaturen am Werkzeug. Dies führt zu einer kürzeren Werkzeugstandzeit bzw. zu einer geringeren Produktivität. Durch Optimierung von Werkzeuggeometrie und Zerspanungsparametern können Produktivitätsverluste häufig teilweise wieder kompensiert werden (siehe z.B. Biermann, D.; Hartmann, H. Herausforderungen bei der Zerspanung höherfester Stähle. In: Stahl- und Gusszerspanung 2013 - Innovative Bearbeitungsverfahren für die wirtschaftliche Fertigung, 12.11.-13.11. 2013, Kassel, ISBN 978-3-942980-33-3, S. 129-138.) Die inverse Korrelation zwischen Zerspanbarkeit und Festigkeit bleibt dennoch bestehen.

[0007] Es gibt deshalb einen Bedarf an zerspanungsverbesserte hochfeste bainitische Stähle. Dies gilt insbesondere für Blankstahlprodukte, die in gezogener Ausführung für die spanende Bauteilfertigung eingesetzt werden.

[0008] EP 2103704 A1 beschreibt ein solches Produkt. Durch das dort beschriebene Herstellverfahren kann auf die Zugabe von Aluminium und Titan verzichtet werden. Dadurch wird die Bildung von abrasiv wirkenden Oxideinschlüssen vermieden. Ein hoher Schwefelgehalt von 0.04 bis 0.25% verbessert die Zerspanbarkeit zusätzlich. Der Schwefel bildet mit Mangan Sulfideinschlüsse, die einerseits den Spanbruch erleichtern und andererseits eine schützende Schicht auf dem Werkzeug bilden. Die Werkzeugstandzeit und die Produktivität werden dadurch erhöht. Gleichzeitig sind die Mangansulfide aber auch Materialschwachstellen, an denen unter dynamischer Last Risse entstehen können. Dies reduziert die Lebenserwartung von dynamisch belasteten Bauteilen. Für hoch beanspruchte Sicherheitsbauteile kann dieser Stahl deshalb nicht eingesetzt werden.

[0009] EP 1426453 A1 beschreibt ein Schmiedebauteil aus einem bainitischen Stahl, der für die spanende Bearbeitung geeignet sein soll. Die gute Zerspanbarkeit wird in diesem Fall ebenfalls erst durch Legieren mit Schwefel, Tellur, Selen, Wismut oder Blei erreicht (siehe dort Ansprüche 6 und 7). Sowohl die Umweltverträglichkeit als auch die Eignung für hochbeanspruchte Bauteile wird dadurch eingeschränkt.

[0010] WO 2011/124851 betrifft Bauteile, die durch Schmieden oder spanabhebende Bearbeitung von Langstahl hergestellt werden. Es handelt sich also um nicht gezogene Bauteile, die bekanntermassen ein vergleichsweise niedriges Streckgrenzenverhältnis aufweisen. Die darin beschriebenen Stähle weisen einen geringen Siliziumgehalt von höchstens 0.1 Gew.-% auf.

[0011] Ein in der Zerspanung gut bearbeitbares blankes bainitisches Langprodukt in einem Abmessungsbereich von 5.0 bis 70 mm mit bainitischer Gefügestruktur steht heute für die Anwendung in dynamisch stark beanspruchten Bauteilen noch nicht zur Verfügung.

Darstellung der Erfindung



[0012] Aufgabe der Erfindung ist es, ein blankes bainitisches Langprodukt bereitzustellen, mit dem insbesondere die obigen Nachteile vermieden werden. Weitere Aufgaben der Erfindung betreffen Verwendungen des erfindungsgemässen Langprodukts. Noch eine weitere Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung eines blanken bainitischen Langprodukts anzugeben.

[0013] Die Bezeichnung "blankes Langprodukt" bezieht sich auf ein gezogenes, kalt umgeformtes Langprodukt nach DIN EN 10'277-1.

[0014] Gelöst werden diese Aufgaben durch das im Anspruch 1 definierte blanke bainitische Langprodukt, die in den Ansprüchen 5 und 6 definierten Verwendungen sowie das im Anspruch 8 definierte Herstellverfahren.

[0015] Die nachfolgenden Gehaltsangaben in Prozent (%) bzw. in Teilen pro Million ("parts per million, ppm") beziehen sich - sofern nicht ausdrücklich anders angegeben - auf Gewichtsanteile.

[0016] Das erfindungsgemässe blanke bainitische Langprodukt weist einen Gewichtsanteil von

0.16 bis 0.26 % Kohlenstoff,

0.60 bis 1.20% Silizium,

1.20 bis 1.70% Mangan,

0.70 bis 1.60% Chrom,

bis zu 0.20% Nickel,

bis zu 0.30% Molybdän,

bis zu 0.03% Schwefel,

bis zu 0.01% Aluminium,

bis zu 0.03% Phosphor,

bis zu 0.25% Kupfer,

bis zu 0.001% Bor,

bis zu 0.01% Titan,

bis zu 0.01 % Vanadium

bis zu 0.01% Niob

bis zu 0.015% Stickstoff und

bis zu 0.01% in oxidischen Einschlüssen gebundener Sauerstoff

der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen,

wobei folgende Gefügebestandteile vorliegen

60 bis 80% Bainit,

5 bis 30% Martensit,

0.5 bis 8 % Ferrit und

3 bis 15% Restaustenit

und wobei der Zugversuch nach ISO 6892-1 ergibt:

Rp0.2 = 950 bis 1'400 MPa

Rm = 1'150 bis 1'400 MPa

0.87 < Rp0.2/Rm < 0.99

A5= 9.0 bis 17.0%.



[0017] Das erfindungsgemässe Herstellungsverfahren umfasst folgende Schritte:
  • Herstellen einer Stahllegierung mit einem Gewichtsanteil von

    0.16 bis 0.26 % Kohlenstoff,

    0.60 bis 1.20% Silizium,

    1.20 bis 1.70% Mangan,

    0.70 bis 1.60% Chrom,

    bis zu 0.20% Nickel,

    bis zu 0.30% Molybdän,

    bis zu 0.03% Schwefel,

    bis zu 0.01% Aluminium,

    bis zu 0.03% Phosphor,

    bis zu 0.25% Kupfer,

    bis zu 0.001% Bor,

    bis zu 0.01% Titan,

    bis zu 0.01 % Vanadium

    bis zu 0.01% Niob

    bis zu 0.015% Stickstoff und

    bis zu 0.01% in oxidischen Einschlüssen gebundener Sauerstoff,

    der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen,

    und Vergiessen zu einer Form vordefinierten Formates ("Stahlherstellung");
  • Wiedererwärmen des Einheitsformats, Warmwalzen zu Draht oder Stab und Abkühlen auf eine Temperatur unter 400°C mit einer Abkühlrate von 0.1 bis 8.0 K/s ("Walzen");
  • chemische oder mechanische Entfernung der äusseren Eisenoxidhaut ("Entzundern");
  • Ziehen des Walzstahls durch ein Werkzeug mit vordefiniertem Innenprofil ("Ziehen") bei einer Temperatur von 25 bis 600°C, wobei es sich vorzugsweise um ein Rund- oder Sechskantprofil handelt;
  • mechanisches Richten zur Erzeugung einer geeigneten Geradheit ("Richten");
  • Entspannen bei einer Temperatur von 250 bis 600°C ("Entspannen").


[0018] Bevorzugte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen definiert.

[0019] Der Zugversuch nach ISO 6892-1 ist ein Standardverfahren zur Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften eines Werkstoffs. Die zugehörigen Begriffe sind in der Norm ISO 6892-1 definiert. Die Dehngrenze Rp0.2 gibt an, welche Spannung bei einer plastischen Dehnung von 0.2% vorliegt. Diese Messgrösse wird dann verwendet, wenn kein scharfer Übergang zwischen elastischem und plastischem Werkstoffverhalten vorliegt. Die Zugfestigkeit Rm ist die maximale Spannung im gemessenen Spannungs-Dehnungsdiagramm. Die Zugfestigkeit wird in dem Moment erreicht, an dem die Probe anfängt einzuschnüren (lokale Verjüngung des Probenquerschnitts). Die Bruchdehnung A5 ist die Verlängerung der Probe beim Zeitpunkt des Bruchs, wobei sich der Index 5 auf das Verhältnis der Anfangsmesslänge L0 zum Anfangsdurchmesser d0 bezieht.

[0020] Während warmumgeformte bainitische Produkte (Schmiedebauteil, Stabstahl usw.) eine geringe Dehngrenze Rp0.2 und damit auch ein niedriges Rp0.2/Rm-Verhältnis aufweisen (in den Beispielen aus EP 1425453 liegt das Rp0.2/Rm-Verhältnis zwischen 0.6 und 0.7), können durch die Kombination von Ziehen und anschliessender Entspannungsbehandlung nahezu beliebige Rp0.2/Rm-Verhältnisse zwischen 0.6 und 1.0 eingestellt werden.

[0021] Es wurde überraschend gefunden, dass sich die erfindungsgemässe Stahlzusammensetzung bei konstant vorgegebener Zugfestigkeit deutlich besser zerspanbar ist, wenn das Streckgrenzenverhältnis Rp0.2/Rm über 0.87 liegt. Die deutlich verbesserte Zerspanbarkeit äussert sich in markant längere Werkzeugstandzeiten.

[0022] Bei dem erfindungsgemäss hergestellten blanken bainitischen Langprodukt sind die Legierungskomponenten so gewählt, dass bei üblichen Abkühlraten aus der Walzhitze von 0.1 bis 8.0 K/s immer ein bainitisch-martensitisches Gefüge mit Zugfestigkeitsniveau von 900 bis 1'200 MPa resultiert, ohne dass kostspielige Legierungselemente und/oder spezielle Einrichtungen zur beschleunigten Abkühlung aus der Walzhitze verwendet werden müssen. Damit die erfindungsgemässe Eigenschaften eingestellt werden können, muss das Produkt im Temperaturbereich zwischen Raumtemperatur und 600 °C gezogen und anschliessend in einem Temperaturbereich von 250 und 600°C angelassen werden.

[0023] Im Ziehprozess werden bei Abzügen über 10% (=Querschnittsreduktion) Streckgrenzenverhältnisse Rp0.2/Rm von 0.90 bis 1.00, insbesondere von 0.95 bis 1.00, eingestellt. Beim anschliessenden Anlassen sinkt das Streckgrenzenverhältnis Rp0.2/Rm, wobei es erfindungsgemäss auf über 0.87 zu halten ist. Bei Anlasstemperaturen über 600°C fällt das Streckgrenzenverhältnis Rp0.2/Rm in der Regel unter diesem Wert.

[0024] Gemäss einer vorteilhaften Ausführungsform (Anspruch 2) liegt das Streckgrenzenverhältnis Rp0.2/Rm im Bereich von 0.87 bis 0.94.

[0025] Durch die untere Begrenzung des Kohlenstoffgehalts auf 0.16% wird in Kombination mit Mangan und Chrom sichergestellt, dass nur noch geringe Ferritanteile von 0.1 bis höchstens 8%, typischerweise 3 bis 5% im Gefüge vorliegen. Zu hohe Ferritanteile beeinträchtigen sowohl das Festigkeitsniveau wie auch die Kerbschlagzähigkeit des Produkts.

[0026] Durch die obere Begrenzung des Kohlenstoffs auf 0.26% wird gewährleistet, dass die Zugfestigkeit nicht über 1'400 MPa ansteigt. Höhere Festigkeitswerte verschlechtern die Bearbeitbarkeit im nachgelagerten Ziehprozess oder Zerspanungsprozess. Höhere Kohlenstoffgehalte fördern ausserdem die Bildung von Karbiden, was die Duktilität nachteilig beeinflusst.

[0027] Silizium unterdrückt die Bildung von harten und in der Zerspanung abrasiven Fe3C-Ausscheidungen (Zementit). Die gewählte Siliziumkonzentration erlaubt eine einstündige Anlassbehandlung bei 400°C, ohne dass sich grobe Zementitaus-scheidungen bilden können (in Anlehnung an die Beschreibung des karbidfreien Bainits in WO 96/22396). Da Silizium ein effizienter Mischkristallverfestiger im Bainit ist, muss sein Gehalt auf höchstens 1.2 Gew.-% begrenzt werden, um die maximal gewünschte Zugfestigkeit von 1'400 MPa nicht zu überschreiten.

[0028] Durch die untere Begrenzung in Mangan auf 1.20 Gew.-% und Chrom auf 0.70 Gew.-% wird sichergestellt, dass bei Luftabkühlung ein bainitisches Gefüge aus der Umformhitze entstehen kann.

[0029] Bei einem zu hohen Mangangehalt werden die Manganseigerungen ausgeprägt und das Gefüge wird sehr inhomogen. Aus diesem Grund muss der Mangangehalt auf 1.70 Gew.-% begrenzt werden.

[0030] Chrom schnürt das Bainitgebiet ein, was die Bildung von Martensit begünstigt. Aus diesem Grund muss der Chromgehalt auf 1.60 Gew.-% begrenzt werden.

[0031] Falls der Stahl im Temperaturbereich zwischen 250 und 600°C angelassen werden soll, kann Molybdän legiert werden, um eine mögliche Anlassversprödung zu unterdrücken. Die Ausscheidung von Eisenkarbiden an den Primärkorngrenzen und einen damit verbundenen Zähigkeitsverlust kann so verhindert werden. Aus Kostengründen ist der Molybdängehalt so niedrig wie notwendig zu wählen und beträgt demnach höchstens 0.3 Gew.-%, insbesondere ungefähr 0.15 bis 0.28 Gew.-%.

[0032] Nickel verbessert die Kerbschlagzähigkeit und wirkt sich deshalb negativ auf die Zerspanbarkeit aus. Deshalb wird der Nickelgehalt auf 0.30 Gew.-% begrenzt und beträgt insbesondere ungefähr 0.05 bis 0.1 Gew.-%.

[0033] Schwefel ist ein Stahlschädling. Es bildet Mangansulfidausscheidungen und schwächt das Gefüge. Dies wirkt sich bei dynamisch belasteten Bauteilen negativ auf die Ermüdungsfestigkeit aus. Aus diesem Grund wurde der Schwefelgehalt auf 0.03 Gew.-% begrenzt. Vorzugsweise beträgt der Schwefelgehalt 0.010 bis 0.020 Gew.-% und insbesondere ungefähr 0.015 Gew.-%.

[0034] Die Zugabe von Aluminium ist für die erfindungsgemässe Herstellung des Produkts nicht zwingend und beträgt deshalb höchstens 0.01 Gew.-%, insbesondere 0.005 bis 0.009 Gew.-%.

[0035] Phosphor ist ein Stahlschädling. Es geht an die Austenitkorngrenzen und schwächt das Gefüge. Dies wirkt sich bei dynamisch belasteten Bauteilen negativ auf die Ermüdungsfestigkeit aus. Aus diesem Grund wurde der Phosphorgehalt auf 0.03 Gew.-% begrenzt und beträgt insbesondere 0.01 bis 0.02 Gew.-%.

[0036] Kupfer ist ein Stahlschädling. Bei hohen Kupfergehalten kommt es in der Warmumformung zu Rotbrüchigkeit. Aus diesem Grund ist der Kupfergehalt auf 0.25 Gew.-% begrenzt und beträgt insbesondere 0.1 bis 0.2 Gew.-%.

[0037] Es ist zu bemerken, dass die Elemente P, S, Mo, Ni, Al und Cu nicht zulegiert werden und deshalb auch in beliebig geringen Mengenanteilen vorhanden sein können.

[0038] Harte Oxid- oder Nitrideinschlüsse wirken sich ab einer gewissen Grösse negativ auf die Zerspanbarkeit aus. Insbesondere Titan (Titanoxide und grobe Titankarbonitride) und Aluminium (harte Al2O3-Verbindungen) verschlechtern sowohl die Zerspanbarkeit wie die Lebensdauer von dynamisch belasteten Bauteilen. Bei Niob und Vanadium muss ebenfalls von einer negativen Wirkung ausgegangen werden. Die Mikrolegierungselemente Titan, Niob und Vanadium werden deshalb auf 0.01 Gew.-% begrenzt.

[0039] Bor wird bei den bainitischen Stählen in der Regel legiert, um die Bildung von Ferrit zu unterdrücken. Damit das Bor in diesem Sinne wirksam ist, muss der im Stahl vorhandene Stickstoff mit Titan abgebunden werden. Da die Zugabe von Titan zu vermeiden ist, kann dieses Legierungskonzept hier nicht angewendet werden. Bor wird deshalb nur in Spuren bis 0.001 Gew.-% vorhanden sein.

[0040] Dem erfindungsgemäss hergestellten blanken bainitischen Langprodukt wird kein Aluminium zugegeben. In Kombination mit einem hohen Siliziumgehalt und einer geringen Kalziumzugabe am Ende der metallurgischen Behandlung sollen gemäss Anspruch 3 Oxideinschlüsse mit einem Al2O3-Gehalt von < 50 Gew.-% eingestellt werden. Vorzugsweise wird die metallurgische Behandlung gemäss Anspruch 4 so vorgenommen, dass weiche, glasartige Silikateinschlüsse mit folgenden relativen Gewichtsanteilen entstehen: 20 bis 50% CaO, 25 bis 65% SiO2 und weniger als 30% Al2O3. Die Werkzeugstandzeit der in der Zerspanung eingesetzten Werkzeuge wird dann deutlich verlängert.

[0041] Stickstoff geht an die Austenitkorngrenzen und schwächt das Gefüge. Dies wirkt sich bei dynamisch belasteten Bauteilen negativ auf die Ermüdungsfestigkeit aus Aus diesem Grund wurde der Stickstoffgehalt auf höchstens 0.0150 Gew.-% begrenzt. Ohne erheblichen Aufwand wird eine Untergrenze von 50 ppm nicht unterschritten.

[0042] Vor der weiteren Bearbeitung des blanken bainitischen Langprodukts kann eine Wärmebehandlung bis 2 Stunden bei 300 bis 600°C gemäss Anspruch 7 sinnvoll sein. Durch die Kaltverfestigung eingebrachte Spannungen werden dadurch abgebaut.

Wege zur Ausführung der Erfindung



[0043] Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnung näher beschrieben, dabei zeigt:
Fig. 1
die Ergebnisse für die Werkzeugstandzeit bei zwei Werten der Werkstofffestigkeit Rm in Abhängigkeit des Streckgrenzenverhältnisses Rp0.2/Rm.


[0044] Im Rahmen eines Ausführungsbeispiels wurde eine Stahlschmelze "Stahl 1" vergossen und anschliessend zu Stabstahl gewalzt. Die Herstellung der Stahlschmelze erfolgte nach dem Elektrostahl-Verfahren mit einer sekundärmetallurgischen Behandlung an einem Pfannenstand und anschliessendem Vergiessen zu 150x150 mm2-Knüppeln in einer kontinuierlichen Stranggussanlage. Die Knüppel wurden danach in einem Hubbalkenofen auf 1'150 bis 1'200°C wieder erwärmt und anschliessend zu Stabstahl in Durchmesser 043 mm gewalzt. Die Abkühlung der Stäbe nach der Walzung erfolgte an Luft (Kühlrate ca. 1.0 K/s).

[0045] In der Blankstahlfertigung wurden die Stäbe zur Entfernung der Eisenoxidhaut kugelgestrahlt. Danach wurden die Stäbe entweder bei Raumtemperatur oder im Temperaturbereich zwischen 350 und 450°C durch einen mehrstufigen Ziehstein auf das Endmass von 040 mm gezogen und in einer Zweiwalzen-Richtmaschine gerichtet. Die abschliessende konduktive Erwärmung bei 350 resp. 500°C diente zur Abbau von verformungsinduzierte Oberflächenspannungen.

[0046] Die Zerspanbarkeit der gefertigten Varianten wurde in einem Standardtest am ISF in Dortmund geprüft. Als Versuchsproben kamen beidseitig plangedrehte und einseitig zentriergebohrte Stäbe mit einer Länge von 190 mm zum Einsatz. Die Versuche liefen unter Emulsion vom Typ Bechern Avantin 3309 mit einer Konzentration von ca. 6-8%. Das Drehwerkzeug (CNMG120404-PF4215) wurde so ausgewählt, dass mit dem Standardstahl 42CrMo4+QT (bei Rm ≈ 1'000 MPa) eine industriell übliche Bearbeitungszeit von 18 min ermöglicht werden, ohne das ein Verschleissmarkenbreitekriterium von VBmax ≤ 300 µm verletzt wird. Bei einem Vorschub f von 0.3 mm/U und einer Schnitttiefe ap von 1 mm betrug die Schnittgeschwindigkeit 200 m/min

[0047] Da sich die Zerspanbarkeit mit steigender Werkstofffestigkeit Rm abnimmt (die Werkzeugstandzeit verkürzt sich), macht ein vergleichender Test nur bei konstanter Werkstofffestigkeit Sinn. Bei vorgegebener Stahlzusammensetzung lassen sich durch die Variation der Produktions- und Wärmebehandlungsparameter jedoch nicht beliebige Kombinationen von Zugfestigkeit Rm und Streckgrenzenverhältnis Rp0.2/Rm einstellen. Aus diesem Grund wurden die hergestellten Varianten mit dem Stahl 2 und mit aus der Literatur bekannten Referenzstählen Stahl 3 und Stahl 4 verglichen, die ebenfalls am ISF in Dortmund mit demselben Testverfahren charakterisiert worden waren.

[0048] Tabelle 1 zeigt die Stahlzusammensetzungen, die für diesen Vergleich verwendet wurden. Die Zusammensetzung der vorhandenen oxidischen Einschlüssen wurde im Rasterelektronenmikroskop mit EDX analysiert. Die mittlere Zusammensetzung (bei 2'222 gemessene Einschlüssen) im normierten Dreistoffsystem CaO-Al2O3-SiO2 war CaO = 46.3%, Al2O3 = 27.9%, SiO2 = 25.8%.

[0049] Die Gefügebestandteilen von Stahl 1 wurden quantitativ im Rasterelektronenmikroskop (für Bainit und Ferrit) und im Röntgendiffraktometer (für Restaustenit) bestimmt. Innerhalb der Messgenauigkeit sind die Unterschiede der drei Varianten gering. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 2 für die verschiedenen Wärmebehandlungen dargestellt. Bei Stahl 2 liegt ein 100%-iges Vergütungsgefüge (angelassener Martensit) vor. Die Stähle 3 und 4 weisen ähnlich wie Stahl 1 ein Mischgefüge aus Bainit, Martensit und Restaustenit auf.
Tabelle 1
  Stahl 1* Stahl2 Stahl3 Stahl4
Gew.-% Gew.-% Gew.-% Gew.-%
C 0.17 0.51 0.22 0.17
Si 1.20 0.26 0.49 1.46
Mn 1.49 0.67 1.72 1.52
P 0.015 0.016 0.019 0.013
S 0.015 0.007 0.013 0.017
Cr 1.21 1.06 1.58 1.32
Mo 0.28 0.20 0.30 0.06
Ni 0.07 0.18 0.19 0.16
Al 0.005 0.029 0.005 0.016
B - - - 0.0021
Cu 0.11 0.22 0.015 0.13
Nb - - 0.095 0.029
Ti - - 0.032 0.029
N 0.0099 0.0070 0.0258 0.0113
*erfindungsgemäss
Tabelle 2
  Bainit Martensit Restaustenit Ferrit
% % % %
Gezogen bei RT** 71 ±3 23±5 3±3 3±1
Entspannt bei 350°C
Gezogen bei 400°C 72±3 18±5 7±3 3±1
Entspannt bei 350°C
Gezogen bei 400°C 76±3 11±5 9±3 4±1
Entspannt bei 500°C
**RT=Raumtemperatur


[0050] Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse für die Werkzeugstandzeit bei einer ausgewählten Werkstofffestigkeit von Rm = 1'230 ± 30 MPa. Die Korrelation zwischen Streckgrenzenverhältnis Rp0.2/Rm und Werkzeugstandzeit wurde überraschend festgestellt. Durch Erhöhung des Rp0.2/Rm-Verhältnisses konnte die Werkzeugstandzeit mehr als verdoppelt werden.
Tabelle 3
  A5 Rm Rp0.2/Rm Standzeit (VB = 300 µm)
  % MPa MPa Min
Stahl 1* 11.6 1234 0.94* 12
Gezogen bei RT
Entspannt bei 350°C
Stahl 1* 10.5 1231 0.99* 20
Gezogen bei 400°C
Entspannt bei 350°C
Stahl 2 14.1 1202 0.85 8
Stahl 3 14.4 1253 0.7 6.5
*erfindungsgemäss


[0051] Für eine Überprüfung dieses Zusammenhangs bei Rm = 1'165 MPa standen nur zwei Stahlvarianten zur Verfügung (Tabelle 4). Da sich der Verschleiss aufgrund der tieferen Festigkeit langsamer einstellt, wurde das Kriterium für die Verschleissmarkenbreite auf 200 µm reduziert. Die Gegenüberstellung zeigt, dass bereits bei einem Rp0.2/Rm-Verhältnis von 0.88 deutlich besserer Werkzeugstandzeiten erreicht werden.
Tabelle 4
  A5 Rm Rp0.2/Rm Standzeit (VB = 200 µm)
  % MPa MPa Min
Stahl 1* 16.2 1163 0.88* 18
Gezogen bei 400°C
Entspannt bei 500°C
Stahl 4 12.5 1167 0.67 9
*erfindungsgemäss


[0052] Die Ergebnisse aus den Tabellen 2 und 3 sind in der Figur 1 zusammengefasst.


Ansprüche

1. Ein blankes bainitisches Langprodukt mit einem Gewichtsanteil von

0.16 bis 0.26 % Kohlenstoff,

0.60 bis 1.20% Silizium,

1.20 bis 1.70% Mangan,

0.70 bis 1.60% Chrom,

bis zu 0.20% Nickel,

bis zu 0.30% Molybdän,

bis zu 0.03% Schwefel,

bis zu 0.01% Aluminium,

bis zu 0.03% Phosphor,

bis zu 0.25% Kupfer,

bis zu 0.001% Bor,

bis zu 0.01% Titan,

bis zu 0.01 % Vanadium

bis zu 0.01% Niob

bis zu 0.015% Stickstoff und

bis zu 0.01% in oxidischen Einschlüssen gebundener Sauerstoff,

der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen,

wobei folgende Gefügebestandteile vorliegen:

60 bis 80% Bainit,

bis 30% Martensit,

bis zu 8% Ferrit und

bis 15% Restaustenit

und wobei der Zugversuch nach ISO 6892-1 ergibt:

Rp0.2 = 950 bis 1'400 MPa

Rm = 1'150 bis 1'400 MPa

0.87 < Rp0.2/Rm < 0.99

A5 = 9.0 bis 17.0%.


 
2. Das blanke bainitische Langprodukt nach Anspruch 1, wobei Rp0.2/Rm = 0.87 bis 0.94 beträgt.
 
3. Das blanke bainitisches Langprodukt nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass es oxidische Einschlüsse enthält mit weniger als 50 Gew.-% Al2O3.
 
4. Das blanke bainitisches Langprodukt nach Anspruch 3, wobei die oxydischen Einschlüsse folgende relative Gewichtsanteile: 20 bis 50% CaO, 25 bis 65% SiO2 und weniger als 30% Al2O3.
 
5. Verwendung eines blanken bainitsichen Langprodukts nach einem der Ansprüche 1 bis 4 für die spanabhebende Bearbeitung.
 
6. Verwendung eines blanken bainitischen Langprodukts nach einem der Ansprüche 1 bis 4 für die Herstellung von dynamisch belasteten Automobilkomponenten, insbesondere im Bereich der Dieselinjektion.
 
7. Verwendung nach Anspruch 5 oder 6, wobei das blanke bainitische Langprodukt vor der spanabhebenden Bearbeitung und/oder Komponentenherstellung einer Wärmebehandlung bis 2 Stunden bei 300 bis 600°C unterzogen wird.
 
8. Verfahren zur Herstellung eine blanken bainitischen Langprodukts nach einem der Ansprüche 1 bis 4, umfassend die folgenden Schritte:

- Herstellen einer Stahllegierung mit einem Gewichtsanteil von

0.16 bis 0.26 % Kohlenstoff,

0.60 bis 1.20% Silizium,

1.20 bis 1.70% Mangan,

0.70 bis 1.60% Chrom,

bis zu 0.20% Nickel,

bis zu 0.30% Molybdän,

bis zu 0.03% Schwefel,

bis zu 0.01% Aluminium,

bis zu 0.03% Phosphor,

bis zu 0.25% Kupfer,

bis zu 0.001% Bor,

bis zu 0.01% Titan,

bis zu 0.01 % Vanadium

bis zu 0.01% Niob

bis zu 0.015% Stickstoff und

bis zu 0.01% in oxidischen Einschlüssen gebundener Sauerstoff,

der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen,

und Vergiessen zu einer Form vordefinierten Formates;

- Wiedererwärmen des Einheitsformats, Warmwalzen zu Draht oder Stab und Abkühlen auf eine Temperatur unter 400°C mit einer Abkühlrate von 0.1 bis 8.0 K/s;

- chemische oder mechanische Entfernung der äusseren Eisenoxidhaut;

- Ziehen des Walzstahls durch ein Werkzeug mit vordefiniertem Innenprofil bei einer Temperatur von 25 bis 600°C;

- mechanisches Richten;

- Entspannen bei einer Temperatur von 250 bis 600°C.


 




Zeichnung







Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur