(19)
(11) EP 3 088 537 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.11.2016  Patentblatt  2016/44

(21) Anmeldenummer: 15165216.1

(22) Anmeldetag:  27.04.2015
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C21D 5/00(2006.01)
B22D 27/04(2006.01)
C21D 1/20(2006.01)
C22C 37/10(2006.01)
B22C 9/02(2006.01)
C21D 6/00(2006.01)
C22C 37/04(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA

(71) Anmelder:
  • Georg Fischer GmbH
    40822 Mettmann (DE)
  • RWP GmbH
    52159 Roetgen (DE)
  • Simcast GmbH
    42329 Wuppertal (DE)

(72) Erfinder:
  • Weiss, Konrad
    52159 Roetgen (DE)
  • Hilger, Olof
    42329 Wuppertal (DE)
  • Stratmann, Christoph
    40822 Mettmann (DE)
  • Rieck, Torsten
    40878 Ratingen (DE)
  • Goertz, Fabian
    40822 Mettmann (DE)
  • Tunzini, Sabine
    8261 Hemishofen (CH)
  • Menk, Werner
    8203 Schaffhausen (CH)

(74) Vertreter: De Colle, Piergiacomo 
Georg Fischer AG Patentabteilung Amsler-Laffon-Strasse 9
8201 Schaffhausen
8201 Schaffhausen (CH)

   


(54) HERSTELLVERFAHREN HPI-GUSSEISEN


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit in einer Sandform (2). Die Sandform (2) enthält mindestens einen Kern (3), welcher eine Kühlmittelzuführung (4) aufweist, vorzugsweise in Form eines oder mehrerer im oder zum Kern (3) hin verlegter Rohre, mittels welcher der Kern (3) mit einem Kühlmittel (5), vorzugweise Wasser, versetzt werden kann. Das Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung enthält mehrere erfindungsgemässe Schritte.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung und anschliessender Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes aus Gusseisen mit Kugelgraphit in einer Sandform gemäss dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 und eine hierfür ausgelegte Gussform nach dem Oberbegriff des Patentanspruches 4, sowie ein damit hergestelltes Gusswerkstück.

[0002] Aus Gusseisen mit Kugelgraphit (kurz: GJS) hergestellte Gusswerkstücke sind in der Industrie weit verbreitet und haben in der globalen Produktion einen hohen Stellenwert eingenommen. Unter anderem wird dieser Werkstoff auch in der Automobilindustrie für die Herstellung verschiedener Fahrzeugbauteile (insbesondere für Sicherheitsbauteile im Fahrwerk bzw. der Radaufhängung) eingesetzt. Gusseisen mit Kugelgraphit, auch Sphäroguss genannt, weist für solche Anwendungen besonders gute mechanische Materialeigenschaften auf in Bezug auf Zugfestigkeit und Bruchdehnung. Im Gusseisen mit Kugelgraphit liegt der Kohlenstoff überwiegend in Form von kugeligen Graphitpartikeln vor. Die Form der Graphitkugeln ist das charakteristische Merkmal, welches GJS von den weiteren Grauguss-Werkstoffen - Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL) oder Gusseisen mit Vermikulargraphit (GJV) - unterscheidet. Die Form, welche der Kohlenstoff bzw. der Grafit bei seiner Ausscheidung aus dem erstarrenden Gusseisengefüge annimmt, beeinflusst die mechanischen Eigenschaften der Legierung wesentlich. Die Graphiteinschlüsse sind ausschlaggebend für die mechanisch-technologischen Eigenschaften. Die verschiedenen Graphitformen schwächen die Eisenmatrix in unterschiedlicher Weise. Die kugelige Form des Graphits in GJS stellt dabei die kompakteste Form dar, in der die Matrix die geringste Schwächung erfährt. Hieraus resultiert, dass GJS den beiden anderen Formen GJL oder GJV in Bezug auf die mechanischen Eigenschaften überlegen ist.

[0003] Das Herstellverfahren für die Erzeugung von Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) ist allgemein bekannt. Die wichtigsten Punkte des Herstellverfahrens, welche die Qualität des hergestellten GJS bezüglich Werkstoffeigenschaften beeinflussen sind die Folgenden:
  • Die Werkstoffzusammensetzung mit Legierungselementen wie z.B. Si, Mg, Cu, Ni, Cr oder Mo, welche einen wichtigen Einfluss auf die Gefügebildung und auf die resultierenden mechanischen Eigenschaften haben.
  • Das Aufschmelzen des Rohmaterials (Roheisen, Stahlschrott) im Schmelzofen. (z.B. Induktionsofen, Kupol- oder Lichtbogenofen).
  • Die Magnesiumbehandlung der Schmelze, z.B. mit dem bekannten Konverterverfahren.
  • Das Impfen der Schmelze mit Si, Ca, Al, Bi, Zr, Fe oder seltene Erden, welche die Keimbildung bei der Erstarrung beeinflussen.
  • Und schliesslich die Beeinflussung der Erstarrungs- und Abkühlgeschwindigkeit, wodurch das gewünschte Grundgefüge erzeugt und die Graphitausbildung gezielt gesteuert werden kann.


[0004] Die mechanischen Gussteileigenschaften werden wesentlich beeinflusst durch die Form, welche der Kohlenstoff bzw. der Grafit bei seiner Ausscheidung aus dem erstarrenden Gusseisengefüge annimmt. Um die mechanischen Eigenschaften von hergestelltem Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) weiter zu verbessern, kann der GJS-Werkstoff aber auch mittels nachgeschaltetem Wärmebehandlungsverfahren weiter vergütet werden. Man unterscheidet im Stand der Technik:
  • Spannungsarmglühen
  • Weichglühen
  • Carbidzerfallsglühen
  • Härten und Vergüten
  • Perlitglühen (Normalisieren)
  • ADI-Wärmebehandlung (ADI: Austempered Ductile Iron)


[0005] Das ADI-Wärmebehandlungsverfahren erzeugt ein ausferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit, das durch seine Wärmebehandlung verbesserte mechanische Eigenschaften gegenüber dem Ausgangswerkstoff GJS erhält. Mit höheren Festigkeitswerten, bei guten Zähigkeitswerten, kann der sogenannte ADI-Werkstoff eine Alternative zu Schmiedestahl sein. Der Werkstoff ADI bietet dank seiner Materialeigenschaften viele Anwendungsmöglichkeiten. Die Figur 1 zeigt, dass der ADI-Werkstoff bzw. das ausferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit spezifische Festigkeiten besitzt, die Stahl oder auch den typischen Leichtbaulegierungen auf Aluminium- oder Magnesiumbasis nahekommen. Speziell im Automobilbereich ergeben sich dadurch zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, zumal dieser Industriezweig ein wichtiger Abnehmer von Gussteilen ist und die Automobilindustrie heute grossen Wert auf die Reduzierung des Fahrzeuggewichts legt.

[0006] Die Herstellung von ADI ist bekannt und erfolgt durch das thermische Verfahren einer Wärmebehandlung. Der Ablauf für die Herstellung von ADI erfolgt anhand der folgenden Schritte, welche in der Figur 2 dargestellt werden:
  1. 1. Austenitisierung des Bauteils (A-B),
  2. 2. Abschrecken im Kühlmedium (C-D) und isothermes Halten (D-E),
  3. 3. Abkühlen auf Raumtemperatur (E-F).


[0007] Für die vollständige Austenitisierung wird das Gusswerkstück von Raumtemperatur auf eine Austenitisierungstemperatur im Bereich zwischen 850° und 950°C erwärmt. Bei der Austenitisierung ändert das Eisen seine Gitterstruktur. Das kubischraumzentrierte α-Eisen klappt in das kubischflächenzentrierte γ-Eisen um und reichert sich mit Kohlenstoff bis zur Sättigungslinie an. Das Bauteil wird auf Austenitisierungstemperatur gehalten bis sich ein gleichmäßiger Kohlenstoffgehalt im gesamten Bauteil eingestellt hat. In einem Kühlmittel wird das austenitisierte Bauteil anschliessend bis auf Umwandlungstemperatur abgeschreckt. Dazu dienen meist Öl- oder Salzbäder, die auf Umwandlungstemperatur temperiert sind. Während des raschen Temperaturverlusts klappt der Austenit lokal in Ferrit um. Da Ferrit nur eine geringe C-Löslichkeit besitzt, entstehen örtlich hohe Kohlenstoffkonzentrationen, die den Austenit stabilisieren. Die Austenitisierungszeit ist abhängig von der jeweils gewählten Austenitisierungstemperatur. Je höher diese Temperatur gewählt ist, desto schneller ist die Kohlenstoffsättigung erreicht. Weitere Einflussgrößen, welche die Dauer der Austenitisierung bestimmen, sind unter anderem die Graphitkugelgröße, der Graphitkugelabstand und die Gefügeart des Gusswerkstückes (Perlit oder Ferrit) vor dem ADI-Prozess.

[0008] Wie aus der Figur 2 ersichtlich, wird von der Austenitisierungstemperatur das Bauteil auf die Umwandlungstemperatur abgeschreckt. Diese liegt im Bereich zwischen 230° und 450°C. Die Umwandlungstemperatur ist ein entscheidender Parameter für die Einstellung der ADI-Gefügematrix und damit auch für die Eigenschaften des ADI-Werkstoffes. Das Abschrecken erfolgt oft durch ein Eintauchen des wärmebehandelten Gusswerkstückes in das auf die Umwandlungstemperatur temperierte Öl- oder Salzbad. Bei niedrigen Haltetemperaturen im Bereich zwischen 230° und 320°C des Bades wird der Austenit stark unterkühlt und damit eine Ferritbildung gegenüber dem Ferritwachstum begünstigt. Weiterhin ist die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs aus dem durch die Umwandlung verzerrten krz-Gitters des Ferrits so niedrig, dass es zu Karbidausscheidungen innerhalb der Ferritnadeln kommt. Durch die Diffusionssperre kann nur der angrenzende Austenit stabilisiert werden, der restliche, instabile Austenit klappt bei Abkühlung auf Raumtemperatur zu Martensit um. Dieses Mischgefüge aus Ferrit, Martensit und Austenit erzeugt die hochfesten ADI-Sorten. Zähe ADI-Sorten entstehen dagegen bei höheren Auslagerungstemperaturen. Der Austenit wird dabei vollständig stabilisiert und es kommt zu keiner Martensitbildung. Der höhere Restaustenitanteil zusammen mit dem Ferrit ermöglichen die guten Dehnungen bei hohen Festigkeiten.

[0009] Die Umwandlungsdauer erfüllt bei der Erzeugung von ADI zwei Funktionen. Zum einen sorgt sie dafür, dass das durch Abschreckung erzeugte ausferritische Gefüge nicht durch Überschreiten der Martensitstartlinie umklappt und zum anderen ermöglicht sie dem Kohlenstoff zu diffundieren bzw. den Ferritnadeln zu wachsen. Die Bildung des Ferrits erfolgt in den ersten 30 Minuten erfolgt. Auch die Entspannung des Ferritgitters läuft in kurzer Zeit ab. Die Aufweitung des Austenitgitters durch die Aufnahme des Kohlenstoffs erfordert mehr Zeit und ist erst nach etwa einer Stunde abgeschlossen.

[0010] Das durch die Wärmebehandlung erzeugte ausferritische Gefüge des ADI-Werkstoffes zeichnet sich durch eine gute Kombination von Festigkeit und Zähigkeit aus. Die Festigkeiten von ADI können im Vergleich zu GJS annähernd doppelt so hoch liegen. Diese mechanischen Eigenschaften ermöglichen eine Anwendung in Bereichen, die bisher den Schmiedestählen vorbehalten waren. Die hohen Festigkeiten resultieren aus den Mikro-Eigenspannungen im Gefüge, die durch den im Austenit zwangsgelösten Kohlen-stoff entstehen. Gleitende Versetzungen verursachen unter Belastung eine weitere Verfestigung des Werkstoffs, wodurch sich die Verschleißbeständigkeit während der Anwendung verbessert. Neben den hohen Festigkeiten weist ADI auch eine hohe Zähigkeit und Verschleissfestigkeit auf und die Bruchzähigkeit KIC, die den Widerstand gegenüber der kritischen Rissausbreitung beschreibt, ist bei ADI vergleichbar mit den Werten von Stählen. Durch den Kugelgraphit lässt sich ADI jedoch besser bearbeiten als hochfeste Stähle gleicher Festigkeit. Der Kohlenstoff sorgt für eine selbstschmierende Wirkung und senkt dadurch die Belastung auf die Werkzeuge. Das ADI-Verfahren wird u.a. in den Patentschriften US 4 880 477 und US 7 497 915 B2 beschrieben.

[0011] Das ADI-Verfahren hat leider auch seine Nachteile. Das Abschrecken des wärmebehandelten Gussteiles in einem Salzbad ist aus umwelttechnischer Sicht problematisch (Salzdämpfe, Entsorgung, hochkorrosives Umfeld für Anlagen und Maschinen). In der kanadischen Patentschrift CA 2 218 788 wird vorgeschlagen, anstelle von Salzbädern Wasser mit einer wässrigen Polymer-Lösung zu verwenden.

[0012] Ein weiterer Nachteil des ADI-Verfahrens liegt in dessen hohen Energieverbrauch: Das GJS-Gussteil muss für die Anwendung des ADI-Verfahrens wieder von Raumtemperatur auf die Austenitisierungstemperatur erwärmt werden damit das Wärmebehandlungsverfahren vollzogen werden kann.

[0013] Die Patentanmeldung US 2005/0189043 A1 schlägt eine Wärmebehandlung eines GJS-Werkstoffes vor, bei welcher das erstarrte aber noch sehr heisse GJS-Rohteil in einem Temperaturbereich von 980 bis 950 °C aus der Gussform entfernt, einer plastischen Umformung und anschliessend einer Wärmebehandlung unterzogen wird. Die Patentanmeldung US 2005/0189043 A1 macht sich daher die im Gussteil verbleibende Giesswärme für dessen Wärmebehandlung zunutze.

[0014] In einem Artikel aus dem Jahre 1984 (Janovak, J.F und Gundlach, R.B., "Entwicklung eines für Zwischenstufenvergüten geeigneten Gusseisens mit Kugelgraphit"; Giesserei-Praxis, S. 317 - 330, Heft 19, 1984; Fachverlag Schiele & Schön GmbH, Berlin) wird ein Verfahren zum Zwischenvergüten von GJS vorgeschlagen, bei welchem das Gussstück direkt aus der Form und ohne die Verwendung von Salz- oder Ölbäder eine ADI-Wärmebehandlung erfährt. Siehe hierzu das Zeit-Temperatur-Schaubild in Figur 3: Das gegossene Gussstück wird in der Gussform bis auf eine definierte Temperatur im Austenitbereich abgekühlt (das Gefüge ist daher austenitisch) und wird dann aus der Gussform ausgeleert bzw. ausgeschlagen und an der Luft abgekühlt (sog. Heissausleeren). Sobald das Gussteil auf die gewünschte Zwischenstufenvergütungstemperatur (ca. 370 °C) abgekühlt ist, wird es z.B. in einem Luftumwälzofen gelegt und eine angemessene Zeitdauer darin belassen, so dass die Zwischenstufenvergütung - eine bainitische Reaktion - auf der gewünschten Zwischenstufenvergütungstemperatur stattfinden kann. Danach wird das Gussstück aus dem Ofen entnommen und an der Luft bis Raumtemperatur abgekühlt. Dadurch entsteht ein Gussgefüge mit Martensit und Restaustenit. Das Verfahren sieht im Weiteren ein zweistufiges Vergüten durch Anlassen des zwischenvergüteten GJS-Gussteiles im ausferritischen Umwandlungsbereich vor, so dass aus dem Austenit ein ausferritisches Ferritgefüge entsteht.

[0015] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde ein wirtschaftlicheres Wärmebehandlungsverfahren zu schaffen, welches gegenüber dem Stand der Technik weniger Energie benötigt, geringere Anforderungen an die technische Einrichtung und Handhabung stellt, umwelttechnisch unproblematisch ist und dabei ein GJS-Gusswerkstück mit verbesserter Gefügeausbildung und damit auch verbesserter mechanischer Bauteileigenschaften erzielt.

[0016] Diese Aufgabe wird durch das Verfahren und der Gussform zur Herstellung und Wärmebehandlung von Gusswerkstücken aus GJS-Gusseisen gemäss den Merkmalen von Anspruch 1 beziehungsweise Anspruch 4 gelöst.

[0017] Dank des erfindungsgemässen Herstell- und Wärmebehandlungsverfahrens von Gusswerkstücken aus Gusseisen mit Kugelgraphit wird durch eine gezielte Abkühlung der Gussteile in der Giessform und direkt nach dem Abguss, den hergestellten Gusswerkstücken eine lokal verbesserte mechanischen Eigenschaften verschafft, welche normalerweise nur über eine nachträgliche Wärmebehandlung eingestellt werden könnte.

[0018] Erfindungsgemäss wird das Gusswerkstück bzw. ein partieller Gusswerkstückbereich bei einer definierten Temperatur oberhalb der eutektoiden Umwandlung gezielt mit Wasser bzw. Wasserdampf gekühlt. Dadurch wird der eutektoide Umwandlungsbereich schneller durchlaufen bzw. die Abkühlung erfolgt an der Perlitnase vorbei, ohne dass die Martensitstarttemperatur erreicht wird. Im Anschluss wird in der Sandform das Gusswerkstück oder auch nur der partielle, wärmebehandelte Gusswerkstückbereich für eine bestimmte Zeitdauer in einem definierten Temperaturbereich gehalten. Dies erfolgt durch die Regulation der zugeführten Kühlmittelmenge (z.B. Wasser bzw. Wasserdampf). Als Resultat erfolgt die Formation des erfindungsgemässen Gefüges und damit die verbesserten Bauteileigenschaften. Der mit diesem hier beschriebenen Prozess hergestellt Werkstoff wird als High-Performance-Iron (HPI) bezeichnet.

[0019] Mittels des erfindungsgemässen Verfahrens können Gusswerkstücke hergestellt werden, welche sich durch verbesserte Bauteileigenschaften am ganzen oder nur an lokalen Bereichen des Gusswerkstückes auszeichnen. Damit kann das Bauteil lokal oder insgesamt höher belastet werden, oder bei gleicher Belastung kann die Geometrie des Gusswerkstückes schlanker gestaltet werden. Mit der Anwendung dieses erfindungsgemässen Verfahrens und der Erzeugung des erfindungsgemässen HPI (High-Performance-Iron) wird die Möglichkeit zur Herstellung von Leichtbau-Eisenguss-Bauteilen bei hohen Anforderungen an die Bauteilfestigkeit bzw. Lebensdauer gewährt.

[0020] Die Erfindung benötigt keine zusätzliche, energieverbrauchende Erwärmung des Gusswerkstückes. Die Wärmebehandlung erfolgt ausschliesslich durch Nutzung der im unmittelbar gegossenen Bauteil ohnehin enthaltenen Wärmeenergie. Durch die Wärmebehandlung direkt in der Gussform, kann man dank der Erfindung auf zusätzliche technische Gerätschaften (z.B. Wärmebehandlungsöfen) verzichten. Die Handhabung wird ebenfalls wesentlich vereinfacht: Das erfindungsgemässe Wärmebehandlungsverfahren benötigt kein Heissausleeren und manuelles Umpacken des Gusswerkstückes, die Wärmebehandlung erfolgt ja direkt in der Gussform. Manuelle und damit vergleichsweise teure Handhabungsschritte entfallen damit. Das erfindungsgemässe Wärmebehandlungsverfahren lässt sich zudem auch automatisieren und z.B. in automatisierten Fertigungsanlagen integrieren. Die Erfindung lässt sich zudem vergleichsweise leicht umsetzen, ohne grosse technische Investitionen.

[0021] In der vorliegenden Erfindung wird der Temperaturhaushalt des Bauteils in der Giessform so gesteuert, dass eine sehr schnelle Abkühlung nach der Erstarrung aus dem Austenitbereich erfolgt, ohne dass die Martensitbildung stattfinden kann. Dazu ist es hilfreich, die Wasserzuleitung bis zu einem definierten Abstand vor dem Bauteil zu gewährleisten, am Bauteil selbst dient der durch die Hitze entstandene Wasserdampf zur Kühlung. Der Wasserdampf muss entsprechend abgeleitet werden. Hat das Bauteil bzw. der Bereich mit den Ziel-HPI-Eigenschaften eine bestimmte Temperatur erreicht, wird die Temperatur in einem Fenster zwischen 350 und 600°C für eine definierte Zeit gehalten, um das erfindungsgemässe HPI-Gefüge zu erhalten. Die Haltezeit ist abhängig von dem Bauteilvolumen, sprich der zu behandelnden Wandstärke. Anschliessend wird das Bauteil abgekühlt und aus der Form ausgepackt.

[0022] Ein zum erfindungsgemässen Wärmebehandlungsverfahren vergleichbares Verfahren ist die Wärmebehandlung zur Herstellung von ADI-Gusswerkstoffen (Ausferritic Ductile Iron), wie weiter vorne beschrieben. Die Herstellung des ADI-Werkstoffes weist jedoch die weiter oben erwähnten Nachteile auf. Die Erfindung erlaubt jedoch die sehr wirtschaftliche Herstellung des neuen, erfindungsgemässen HPI-Werkstoffes, welcher den mechanischen Eigenschaften des ADI-Sphärogusses sehr nahekommt und dabei die Nachteile der ADI-Behandlung vermeidet. Vergleiche hierzu das Zugfestigkeits-Dehnungs-Diagramm in Figur 4.

[0023] Beim erfindungsgemässen Herstell- und Wärmebehandlungsverfahren eines HPI-Gusswerkstückes erfolgt die Herstellung beispielsweise nach den folgenden Schritten (vergleiche Figuren 5 und 6):
  • Bereitstellung einer Gussform 7 mit einer Sandform 2.
  • Bereitstellung mindestens eines Kernes 3 aus organisch oder anorganisch gebundenem Sand mit integrierter Kühlmittelzuführung 4, z.B. durch Integration eines oder mehrerer im oder zum Kern oder Kernpaket 3 hin verlegter Rohre, welche der Kühlmittelführung dienen und zu gegebener Zeit während der Wärmebehandlung die Versetzung des Kernes oder Kernpaketes 3 mit dem Kühlmittel 5 (z.B. Wasser) gewährleisten können.
  • Je nach Bedarf eventuelle Integration einer Wasserdampfabführung in der Gussform 7, z.B. in der Form einer dampfdurchlässigen Kernstütze 12 oder als zusätzlich anzufertigende Bohrung 12 (sog. Luftpfeife) oder auch als eingelegte Schnur.


[0024] Nach erfolgter Bereitstellung der Gussform erfolgt das eigentliche Wärmebehandlungsverfahren anhand der folgenden Schritte (vergleiche weiterhin mit Figuren 5 und 6):
  1. 1. Giessen der flüssigen Gusseisenschmelze 6 in die Sandform 2,
  2. 2. Abkühlung der Gusseisenschmelze 6 in der Sandform 2 auf eine Temperatur TA, vorzugsweise in einem Bereich von 800 - 1000 °C,
  3. 3. Beaufschlagung der Kühlmittelzuführung 4 mit Kühlmittel 5 und Abschreckung des erstarrenden Gusswerkstückes 1 auf eine Temperatur TB, vorzugsweise in einem Bereich von 350 - 600 °C, besonders bevorzugt über eine Abschreckgeschwindigkeit von ≥ 5 [K/s],
  4. 4. Halten der Temperatur TB über eine Zeitspanne tS, vorzugsweise über eine Zeitspanne tS von 15 bis 120 min., besonders bevorzugt durch Regulierung der über die Kühlmittelzuführung 4 zugeführten Kühlmittelmenge 5,
  5. 5. weitere Abkühlung des erstarrten Gusswerkstückes 1, vorzugsweise durch Verbleib in der Sandgussform 2, z.B. bis auf Raumtemperatur oder Auspacktemperatur.


[0025] Im Folgenden werden die Erfindung und der Erfindungsgedanke anhand verschiedener Beispiele erläutert (siehe Figuren 6 bis 8). Es soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass diese lediglich denkbare Ausführungsformen zeigen, wobei die Erfindung und der Erfindungsgedanke sich nicht auf diese Formen beschränken.

[0026] So kann gemäss Figur 8 die Kühlmittelzuführung 9 das Kühlmittel 10 beispielsweise direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes 1 führen. Bei einer derartig direkten Kühlmittelbeaufschlagung wird vorzugsweise ein gasförmiges Kühlmittel 10 benutzt, z.B. Wasserdampf.

[0027] Für das erfindungsgemässe Herstell- und Wärmebehandlungsverfahren wird bevorzugt eine Gusseisenschmelze einen Kohlenstoffgehalt von 2.8 bis 3.8 Gewichtsprozent, einem Siliziumanteil von 2.1 bis 4.5 Gewichtsprozent und einen Magnesiumanteil von 0.025 bis 0.05 Gewichtsprozent verwendet.

[0028] Wie u.a. in der Figur 6 dargestellt ist, wird für das erfindungsgemässe Herstell- und Wärmebehandlungsverfahren im Weiteren vorzugsweise eine Gussform 7 mit einem Formkasten 8 benutzt in welchem eine Sandform 2 liegt, wobei in der Sandform 2 mindestens ein Kern 3 oder ein Kernpaket aus organisch oder anorganisch gebundenem Sand eingesetzt ist. Die Sandform kann hierbei ein-, zwei- oder mehrteilig ausgeführt sein. Erfindungsgemäss weist die Gussform 7 eine oder mehrere Kühlmittelzuführungen 4 auf, welche dem oder den Kernen 3 das Kühlmittel 5 zuführen. Vorzugsweise ist die Kühlmittelzuführung 4 derart gestaltet, dass der Kern 3 oder das Kernpaket mit einem Kühlmittel 5 versetzt werden kann.

[0029] Für die Versetzung des Kernes oder des Kernpaketes mit einem Kühlmittel können diese eine poröse Struktur aufweisen (Kühlmittel befindet sich in den Poren des Kernes bzw. Kernpaketes). Wie in der Figur 6 dargestellt ist, kann die Kühlmittelzuführung 4 hierfür an der Kernoberfläche enden. In der Figur 7 hingegen, endet die Kühlmittelzuführung 4 im Kern, d.h. das Kühlmittel 5 wird direkt in den Kern hineinbefördert. Wie bereits erwähnt, besteht erfindungsgemäss auch die Möglichkeit, dass über die Kühlmittelzuführung 9 das Kühlmittel 10 direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes führt (siehe Figur 8), dies eignet sich besonders für dampfförmige Kühlmittel (z.B. Wasserdampf 10).

[0030] Die Kühlmittelzuführung 4 kann in der Form eines oder mehrerer verlegter Rohre ausgeführt sein. Vorzugsweise verlaufen die Rohre entsprechend den gezeigten Figuren 6 bis 8 bis in oder an den mit Kühlmittel 5 zu versetzenden Kern 3 oder bis zur Oberfläche des Gusswerkstückes 1. Bevorzugt verlaufen die Rohre hierbei auch durch die Sandform 2. In einer weiteren bevorzugten Variante sind enthält die Kühlmittelzuführung Rohre aus Metall.

[0031] Da das Kühlmittel verdampft, weisen die erfindungsgemässen Gussformen vorzugsweise eine Dampfabführung auf. Die Dampfabführung kann in der Sandform und/oder im Kern bzw. Kernpaket vorgesehen sein. Die Dampfabführung für das zu verdampfende Kühlmittel 5 kann mittels einer (porösen) Kernstütze 11, über eine eingelegte Schnur oder mittels einer Bohrung 12 gewährleistet werden.

[0032] In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform sind in der Sandform 2 oder im Kern 3 Temperatursensoren eingelegt. Diese dienen zur Erfassung der Temperatur im Kern 3, an der Kernoberfläche oder an der Gussteiloberfläche bzw. im Gussteil selber. Diese Ausführungsform ist insbesondere für Versuche und Messungen geeignet oder zum Einstellen einer erfindungsgemässen Gussform.

[0033] Die vorliegende Erfindung ist nicht auf die explizit genannten Möglichkeiten und Ausführungsformen beschränkt. Diese Varianten sind vielmehr als Anregung für den Fachmann gedacht, um die Erfindungsidee möglichst günstig umzusetzen.

Bezugszeichenliste



[0034] 
1
Gusswerkstück
2
Sandform
3
Kern
4
Kühlmittelzuführung
5
Kühlmittel
6
Gusseisenschmelze
7
Gussform
8
Formkasten
9
Kühlmittelzuführung direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes
10
Wasserdampf als Kühlmittel
11
Kernstütze
12
Bohrung beziehungsweise sogenannte Luftpfeife



Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit in einer Sandform (2), wobei die Sandform mindestens einen Kern (3) aus organisch oder anorganisch gebundenem Sand enthält, welcher eine Kühlmittelzuführung (4) aufweist, vorzugsweise in Form eines oder mehrerer im oder zum Kern (3) hin verlegter Rohre, mittels welcher der Kern (3) mit einem Kühlmittel (5), vorzugweise Wasser, versetzt werden kann, wobei das Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung folgende Schritte enthält:

- Giessen der flüssigen Gusseisenschmelze (6) in die Sandform (2),

- Abkühlung der Gusseisenschmelze (6) in der Sandform (2) auf eine Temperatur TA, vorzugsweise in einem Bereich von 800 - 1000 °C,

- Beaufschlagung der Kühlmittelzuführung (4) mit Kühlmittel (5) und Abschreckung des erstarrenden Gusswerkstückes (1) auf eine Temperatur TB, vorzugsweise in einem Bereich von 350 - 600 °C, besonders bevorzugt über eine Abschreckgeschwindigkeit von ≥ 5 [K/s],

- Halten der Temperatur TB über eine Zeitspanne tS, vorzugsweise über eine Zeitspanne tS von 15 bis 120 min., besonders bevorzugt durch Regulierung der über die Kühlmittelzuführung (4) zugeführten Kühlmittelmenge (5),

- wobei anschliessend das erstarrte Gusswerkstück (1) weiter abgekühlt wird, vorzugsweise durch Verbleib in der Sandgussform (2).


 
2. Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (9) das Kühlmittel (10) direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes (1) führt, wobei als Kühlmittel Wasserdampf (10) verwendet wird.
 
3. Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Gusseisenschmelze (6) einen Kohlenstoffgehalt von 2.8 bis 3.8 Gewichtsprozent, einem Siliziumanteil von 2.1 bis 4.5 Gewichtsprozent und einen Magnesiumanteil von 0.025 bis 0.05 Gewichtsprozent aufweist.
 
4. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit, wobei die Gussform (7) einen Formkasten (8) besitzt, in welchem eine Sandform (2) liegt, wobei in der Sandform (2) mindestens ein Kern (3) aus organisch oder anorganisch gebundenem Sand eingesetzt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Gussform (7) eine oder mehrere Kühlmittelzuführungen (4) aufweist, welche dem oder den Kernen (3) Kühlmittel (5) zuführen, vorzugsweise ist die Kühlmittelzuführung (4) derart, dass der oder die Kerne (3) mit Kühlmittel (5) versetzt werden.
 
5. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (9) das Kühlmittel (10) direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes (1) führt, wobei als Kühlmittel Wasserdampf (10) verwendet wird.
 
6. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (4) in Form eines oder mehrerer verlegter Rohre ausgeführt ist, vorzugsweise verlaufen die Rohre bis in oder an den mit Kühlmittel (5) zu versetzenden Kern (3) oder bis zur Oberfläche des Gusswerkstückes (1), besonders bevorzugt verlaufen die Rohre auch durch die Sandform (2).
 
7. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (4) im Innern des Kernes (3) endet.
 
8. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (4) Rohre aus Metall enthalten.
 
9. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass in der Sandform (2) und/oder im Kern (3) eine Dampfabführung für das verdampfende Kühlmittel (5) vorgesehen ist, vorzugsweise wird die Dampfabführung über eine Kernstütze (11), über eine eingelegte Schnur oder über eine Bohrung (12) gewährleistet.
 
10. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen mit Kugelgraphit gemäss einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass in der Sandform (2) oder im Kern (3) Temperatursensoren eingelegt sind zur Erfassung der Temperatur im Kern (3), an der Kernoberfläche, an der Gussteiloberfläche oder im Gussteil selber.
 
11. Gusswerkstück (1) hergestellt mit einem Verfahren oder mit einer Gussform (7) gemäss einem der vorangehenden Ansprüche.
 




Zeichnung






















Recherchenbericht












Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur