[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung und anschliessender
Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes aus Gusseisen mit Kugelgraphit in einer Sandform
gemäss dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 und eine hierfür ausgelegte Gussform
nach dem Oberbegriff des Patentanspruches 4, sowie ein damit hergestelltes Gusswerkstück.
[0002] Aus Gusseisen mit Kugelgraphit (kurz: GJS) hergestellte Gusswerkstücke sind in der
Industrie weit verbreitet und haben in der globalen Produktion einen hohen Stellenwert
eingenommen. Unter anderem wird dieser Werkstoff auch in der Automobilindustrie für
die Herstellung verschiedener Fahrzeugbauteile (insbesondere für Sicherheitsbauteile
im Fahrwerk bzw. der Radaufhängung) eingesetzt. Gusseisen mit Kugelgraphit, auch Sphäroguss
genannt, weist für solche Anwendungen besonders gute mechanische Materialeigenschaften
auf in Bezug auf Zugfestigkeit und Bruchdehnung. Im Gusseisen mit Kugelgraphit liegt
der Kohlenstoff überwiegend in Form von kugeligen Graphitpartikeln vor. Die Form der
Graphitkugeln ist das charakteristische Merkmal, welches GJS von den weiteren Grauguss-Werkstoffen
- Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL) oder Gusseisen mit Vermikulargraphit (GJV) -
unterscheidet. Die Form, welche der Kohlenstoff bzw. der Grafit bei seiner Ausscheidung
aus dem erstarrenden Gusseisengefüge annimmt, beeinflusst die mechanischen Eigenschaften
der Legierung wesentlich. Die Graphiteinschlüsse sind ausschlaggebend für die mechanisch-technologischen
Eigenschaften. Die verschiedenen Graphitformen schwächen die Eisenmatrix in unterschiedlicher
Weise. Die kugelige Form des Graphits in GJS stellt dabei die kompakteste Form dar,
in der die Matrix die geringste Schwächung erfährt. Hieraus resultiert, dass GJS den
beiden anderen Formen GJL oder GJV in Bezug auf die mechanischen Eigenschaften überlegen
ist.
[0003] Das Herstellverfahren für die Erzeugung von Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) ist
allgemein bekannt. Die wichtigsten Punkte des Herstellverfahrens, welche die Qualität
des hergestellten GJS bezüglich Werkstoffeigenschaften beeinflussen sind die Folgenden:
- Die Werkstoffzusammensetzung mit Legierungselementen wie z.B. Si, Mg, Cu, Ni, Cr oder
Mo, welche einen wichtigen Einfluss auf die Gefügebildung und auf die resultierenden
mechanischen Eigenschaften haben.
- Das Aufschmelzen des Rohmaterials (Roheisen, Stahlschrott) im Schmelzofen. (z.B. Induktionsofen,
Kupol- oder Lichtbogenofen).
- Die Magnesiumbehandlung der Schmelze, z.B. mit dem bekannten Konverterverfahren.
- Das Impfen der Schmelze mit Si, Ca, Al, Bi, Zr, Fe oder seltene Erden, welche die
Keimbildung bei der Erstarrung beeinflussen.
- Und schliesslich die Beeinflussung der Erstarrungs- und Abkühlgeschwindigkeit, wodurch
das gewünschte Grundgefüge erzeugt und die Graphitausbildung gezielt gesteuert werden
kann.
[0004] Die mechanischen Gussteileigenschaften werden wesentlich beeinflusst durch die Form,
welche der Kohlenstoff bzw. der Grafit bei seiner Ausscheidung aus dem erstarrenden
Gusseisengefüge annimmt. Um die mechanischen Eigenschaften von hergestelltem Gusseisen
mit Kugelgraphit (GJS) weiter zu verbessern, kann der GJS-Werkstoff aber auch mittels
nachgeschaltetem Wärmebehandlungsverfahren weiter vergütet werden. Man unterscheidet
im Stand der Technik:
- Spannungsarmglühen
- Weichglühen
- Carbidzerfallsglühen
- Härten und Vergüten
- Perlitglühen (Normalisieren)
- ADI-Wärmebehandlung (ADI: Austempered Ductile Iron)
[0005] Das ADI-Wärmebehandlungsverfahren erzeugt ein ausferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit,
das durch seine Wärmebehandlung verbesserte mechanische Eigenschaften gegenüber dem
Ausgangswerkstoff GJS erhält. Mit höheren Festigkeitswerten, bei guten Zähigkeitswerten,
kann der sogenannte ADI-Werkstoff eine Alternative zu Schmiedestahl sein. Der Werkstoff
ADI bietet dank seiner Materialeigenschaften viele Anwendungsmöglichkeiten. Die Figur
1 zeigt, dass der ADI-Werkstoff bzw. das ausferritisches Gusseisen mit Kugelgraphit
spezifische Festigkeiten besitzt, die Stahl oder auch den typischen Leichtbaulegierungen
auf Aluminium- oder Magnesiumbasis nahekommen. Speziell im Automobilbereich ergeben
sich dadurch zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, zumal dieser Industriezweig ein wichtiger
Abnehmer von Gussteilen ist und die Automobilindustrie heute grossen Wert auf die
Reduzierung des Fahrzeuggewichts legt.
[0006] Die Herstellung von ADI ist bekannt und erfolgt durch das thermische Verfahren einer
Wärmebehandlung. Der Ablauf für die Herstellung von ADI erfolgt anhand der folgenden
Schritte, welche in der Figur 2 dargestellt werden:
- 1. Austenitisierung des Bauteils (A-B),
- 2. Abschrecken im Kühlmedium (C-D) und isothermes Halten (D-E),
- 3. Abkühlen auf Raumtemperatur (E-F).
[0007] Für die vollständige Austenitisierung wird das Gusswerkstück von Raumtemperatur auf
eine Austenitisierungstemperatur im Bereich zwischen 850° und 950°C erwärmt. Bei der
Austenitisierung ändert das Eisen seine Gitterstruktur. Das kubischraumzentrierte
α-Eisen klappt in das kubischflächenzentrierte γ-Eisen um und reichert sich mit Kohlenstoff
bis zur Sättigungslinie an. Das Bauteil wird auf Austenitisierungstemperatur gehalten
bis sich ein gleichmäßiger Kohlenstoffgehalt im gesamten Bauteil eingestellt hat.
In einem Kühlmittel wird das austenitisierte Bauteil anschliessend bis auf Umwandlungstemperatur
abgeschreckt. Dazu dienen meist Öl- oder Salzbäder, die auf Umwandlungstemperatur
temperiert sind. Während des raschen Temperaturverlusts klappt der Austenit lokal
in Ferrit um. Da Ferrit nur eine geringe C-Löslichkeit besitzt, entstehen örtlich
hohe Kohlenstoffkonzentrationen, die den Austenit stabilisieren. Die Austenitisierungszeit
ist abhängig von der jeweils gewählten Austenitisierungstemperatur. Je höher diese
Temperatur gewählt ist, desto schneller ist die Kohlenstoffsättigung erreicht. Weitere
Einflussgrößen, welche die Dauer der Austenitisierung bestimmen, sind unter anderem
die Graphitkugelgröße, der Graphitkugelabstand und die Gefügeart des Gusswerkstückes
(Perlit oder Ferrit) vor dem ADI-Prozess.
[0008] Wie aus der Figur 2 ersichtlich, wird von der Austenitisierungstemperatur das Bauteil
auf die Umwandlungstemperatur abgeschreckt. Diese liegt im Bereich zwischen 230° und
450°C. Die Umwandlungstemperatur ist ein entscheidender Parameter für die Einstellung
der ADI-Gefügematrix und damit auch für die Eigenschaften des ADI-Werkstoffes. Das
Abschrecken erfolgt oft durch ein Eintauchen des wärmebehandelten Gusswerkstückes
in das auf die Umwandlungstemperatur temperierte Öl- oder Salzbad. Bei niedrigen Haltetemperaturen
im Bereich zwischen 230° und 320°C des Bades wird der Austenit stark unterkühlt und
damit eine Ferritbildung gegenüber dem Ferritwachstum begünstigt. Weiterhin ist die
Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs aus dem durch die Umwandlung verzerrten
krz-Gitters des Ferrits so niedrig, dass es zu Karbidausscheidungen innerhalb der
Ferritnadeln kommt. Durch die Diffusionssperre kann nur der angrenzende Austenit stabilisiert
werden, der restliche, instabile Austenit klappt bei Abkühlung auf Raumtemperatur
zu Martensit um. Dieses Mischgefüge aus Ferrit, Martensit und Austenit erzeugt die
hochfesten ADI-Sorten. Zähe ADI-Sorten entstehen dagegen bei höheren Auslagerungstemperaturen.
Der Austenit wird dabei vollständig stabilisiert und es kommt zu keiner Martensitbildung.
Der höhere Restaustenitanteil zusammen mit dem Ferrit ermöglichen die guten Dehnungen
bei hohen Festigkeiten.
[0009] Die Umwandlungsdauer erfüllt bei der Erzeugung von ADI zwei Funktionen. Zum einen
sorgt sie dafür, dass das durch Abschreckung erzeugte ausferritische Gefüge nicht
durch Überschreiten der Martensitstartlinie umklappt und zum anderen ermöglicht sie
dem Kohlenstoff zu diffundieren bzw. den Ferritnadeln zu wachsen. Die Bildung des
Ferrits erfolgt in den ersten 30 Minuten erfolgt. Auch die Entspannung des Ferritgitters
läuft in kurzer Zeit ab. Die Aufweitung des Austenitgitters durch die Aufnahme des
Kohlenstoffs erfordert mehr Zeit und ist erst nach etwa einer Stunde abgeschlossen.
[0010] Das durch die Wärmebehandlung erzeugte ausferritische Gefüge des ADI-Werkstoffes
zeichnet sich durch eine gute Kombination von Festigkeit und Zähigkeit aus. Die Festigkeiten
von ADI können im Vergleich zu GJS annähernd doppelt so hoch liegen. Diese mechanischen
Eigenschaften ermöglichen eine Anwendung in Bereichen, die bisher den Schmiedestählen
vorbehalten waren. Die hohen Festigkeiten resultieren aus den Mikro-Eigenspannungen
im Gefüge, die durch den im Austenit zwangsgelösten Kohlen-stoff entstehen. Gleitende
Versetzungen verursachen unter Belastung eine weitere Verfestigung des Werkstoffs,
wodurch sich die Verschleißbeständigkeit während der Anwendung verbessert. Neben den
hohen Festigkeiten weist ADI auch eine hohe Zähigkeit und Verschleissfestigkeit auf
und die Bruchzähigkeit KIC, die den Widerstand gegenüber der kritischen Rissausbreitung
beschreibt, ist bei ADI vergleichbar mit den Werten von Stählen. Durch den Kugelgraphit
lässt sich ADI jedoch besser bearbeiten als hochfeste Stähle gleicher Festigkeit.
Der Kohlenstoff sorgt für eine selbstschmierende Wirkung und senkt dadurch die Belastung
auf die Werkzeuge. Das ADI-Verfahren wird u.a. in den Patentschriften
US 4 880 477 und
US 7 497 915 B2 beschrieben.
[0011] Das ADI-Verfahren hat leider auch seine Nachteile. Das Abschrecken des wärmebehandelten
Gussteiles in einem Salzbad ist aus umwelttechnischer Sicht problematisch (Salzdämpfe,
Entsorgung, hochkorrosives Umfeld für Anlagen und Maschinen). In der kanadischen Patentschrift
CA 2 218 788 wird vorgeschlagen, anstelle von Salzbädern Wasser mit einer wässrigen Polymer-Lösung
zu verwenden.
[0012] Ein weiterer Nachteil des ADI-Verfahrens liegt in dessen hohen Energieverbrauch:
Das GJS-Gussteil muss für die Anwendung des ADI-Verfahrens wieder von Raumtemperatur
auf die Austenitisierungstemperatur erwärmt werden damit das Wärmebehandlungsverfahren
vollzogen werden kann.
[0013] Die Patentanmeldung
US 2005/0189043 A1 schlägt eine Wärmebehandlung eines GJS-Werkstoffes vor, bei welcher das erstarrte
aber noch sehr heisse GJS-Rohteil in einem Temperaturbereich von 980 bis 950 °C aus
der Gussform entfernt, einer plastischen Umformung und anschliessend einer Wärmebehandlung
unterzogen wird. Die Patentanmeldung
US 2005/0189043 A1 macht sich daher die im Gussteil verbleibende Giesswärme für dessen Wärmebehandlung
zunutze.
[0014] In einem Artikel aus dem Jahre 1984 (
Janovak, J.F und Gundlach, R.B., "Entwicklung eines für Zwischenstufenvergüten geeigneten
Gusseisens mit Kugelgraphit"; Giesserei-Praxis, S. 317 - 330, Heft 19, 1984; Fachverlag
Schiele & Schön GmbH, Berlin) wird ein Verfahren zum Zwischenvergüten von GJS vorgeschlagen, bei welchem das
Gussstück direkt aus der Form und ohne die Verwendung von Salz- oder Ölbäder eine
ADI-Wärmebehandlung erfährt. Siehe hierzu das Zeit-Temperatur-Schaubild in Figur 3:
Das gegossene Gussstück wird in der Gussform bis auf eine definierte Temperatur im
Austenitbereich abgekühlt (das Gefüge ist daher austenitisch) und wird dann aus der
Gussform ausgeleert bzw. ausgeschlagen und an der Luft abgekühlt (sog. Heissausleeren).
Sobald das Gussteil auf die gewünschte Zwischenstufenvergütungstemperatur (ca. 370
°C) abgekühlt ist, wird es z.B. in einem Luftumwälzofen gelegt und eine angemessene
Zeitdauer darin belassen, so dass die Zwischenstufenvergütung - eine bainitische Reaktion
- auf der gewünschten Zwischenstufenvergütungstemperatur stattfinden kann. Danach
wird das Gussstück aus dem Ofen entnommen und an der Luft bis Raumtemperatur abgekühlt.
Dadurch entsteht ein Gussgefüge mit Martensit und Restaustenit. Das Verfahren sieht
im Weiteren ein zweistufiges Vergüten durch Anlassen des zwischenvergüteten GJS-Gussteiles
im ausferritischen Umwandlungsbereich vor, so dass aus dem Austenit ein ausferritisches
Ferritgefüge entsteht.
[0015] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde ein wirtschaftlicheres Wärmebehandlungsverfahren
zu schaffen, welches gegenüber dem Stand der Technik weniger Energie benötigt, geringere
Anforderungen an die technische Einrichtung und Handhabung stellt, umwelttechnisch
unproblematisch ist und dabei ein GJS-Gusswerkstück mit verbesserter Gefügeausbildung
und damit auch verbesserter mechanischer Bauteileigenschaften erzielt.
[0016] Diese Aufgabe wird durch das Verfahren und der Gussform zur Herstellung und Wärmebehandlung
von Gusswerkstücken aus GJS-Gusseisen gemäss den Merkmalen von Anspruch 1 beziehungsweise
Anspruch 4 gelöst.
[0017] Dank des erfindungsgemässen Herstell- und Wärmebehandlungsverfahrens von Gusswerkstücken
aus Gusseisen mit Kugelgraphit wird durch eine gezielte Abkühlung der Gussteile in
der Giessform und direkt nach dem Abguss, den hergestellten Gusswerkstücken eine lokal
verbesserte mechanischen Eigenschaften verschafft, welche normalerweise nur über eine
nachträgliche Wärmebehandlung eingestellt werden könnte.
[0018] Erfindungsgemäss wird das Gusswerkstück bzw. ein partieller Gusswerkstückbereich
bei einer definierten Temperatur oberhalb der eutektoiden Umwandlung gezielt mit Wasser
bzw. Wasserdampf gekühlt. Dadurch wird der eutektoide Umwandlungsbereich schneller
durchlaufen bzw. die Abkühlung erfolgt an der Perlitnase vorbei, ohne dass die Martensitstarttemperatur
erreicht wird. Im Anschluss wird in der Sandform das Gusswerkstück oder auch nur der
partielle, wärmebehandelte Gusswerkstückbereich für eine bestimmte Zeitdauer in einem
definierten Temperaturbereich gehalten. Dies erfolgt durch die Regulation der zugeführten
Kühlmittelmenge (z.B. Wasser bzw. Wasserdampf). Als Resultat erfolgt die Formation
des erfindungsgemässen Gefüges und damit die verbesserten Bauteileigenschaften. Der
mit diesem hier beschriebenen Prozess hergestellt Werkstoff wird als High-Performance-Iron
(HPI) bezeichnet.
[0019] Mittels des erfindungsgemässen Verfahrens können Gusswerkstücke hergestellt werden,
welche sich durch verbesserte Bauteileigenschaften am ganzen oder nur an lokalen Bereichen
des Gusswerkstückes auszeichnen. Damit kann das Bauteil lokal oder insgesamt höher
belastet werden, oder bei gleicher Belastung kann die Geometrie des Gusswerkstückes
schlanker gestaltet werden. Mit der Anwendung dieses erfindungsgemässen Verfahrens
und der Erzeugung des erfindungsgemässen HPI (High-Performance-Iron) wird die Möglichkeit
zur Herstellung von Leichtbau-Eisenguss-Bauteilen bei hohen Anforderungen an die Bauteilfestigkeit
bzw. Lebensdauer gewährt.
[0020] Die Erfindung benötigt keine zusätzliche, energieverbrauchende Erwärmung des Gusswerkstückes.
Die Wärmebehandlung erfolgt ausschliesslich durch Nutzung der im unmittelbar gegossenen
Bauteil ohnehin enthaltenen Wärmeenergie. Durch die Wärmebehandlung direkt in der
Gussform, kann man dank der Erfindung auf zusätzliche technische Gerätschaften (z.B.
Wärmebehandlungsöfen) verzichten. Die Handhabung wird ebenfalls wesentlich vereinfacht:
Das erfindungsgemässe Wärmebehandlungsverfahren benötigt kein Heissausleeren und manuelles
Umpacken des Gusswerkstückes, die Wärmebehandlung erfolgt ja direkt in der Gussform.
Manuelle und damit vergleichsweise teure Handhabungsschritte entfallen damit. Das
erfindungsgemässe Wärmebehandlungsverfahren lässt sich zudem auch automatisieren und
z.B. in automatisierten Fertigungsanlagen integrieren. Die Erfindung lässt sich zudem
vergleichsweise leicht umsetzen, ohne grosse technische Investitionen.
[0021] In der vorliegenden Erfindung wird der Temperaturhaushalt des Bauteils in der Giessform
so gesteuert, dass eine sehr schnelle Abkühlung nach der Erstarrung aus dem Austenitbereich
erfolgt, ohne dass die Martensitbildung stattfinden kann. Dazu ist es hilfreich, die
Wasserzuleitung bis zu einem definierten Abstand vor dem Bauteil zu gewährleisten,
am Bauteil selbst dient der durch die Hitze entstandene Wasserdampf zur Kühlung. Der
Wasserdampf muss entsprechend abgeleitet werden. Hat das Bauteil bzw. der Bereich
mit den Ziel-HPI-Eigenschaften eine bestimmte Temperatur erreicht, wird die Temperatur
in einem Fenster zwischen 350 und 600°C für eine definierte Zeit gehalten, um das
erfindungsgemässe HPI-Gefüge zu erhalten. Die Haltezeit ist abhängig von dem Bauteilvolumen,
sprich der zu behandelnden Wandstärke. Anschliessend wird das Bauteil abgekühlt und
aus der Form ausgepackt.
[0022] Ein zum erfindungsgemässen Wärmebehandlungsverfahren vergleichbares Verfahren ist
die Wärmebehandlung zur Herstellung von ADI-Gusswerkstoffen (Ausferritic Ductile Iron),
wie weiter vorne beschrieben. Die Herstellung des ADI-Werkstoffes weist jedoch die
weiter oben erwähnten Nachteile auf. Die Erfindung erlaubt jedoch die sehr wirtschaftliche
Herstellung des neuen, erfindungsgemässen HPI-Werkstoffes, welcher den mechanischen
Eigenschaften des ADI-Sphärogusses sehr nahekommt und dabei die Nachteile der ADI-Behandlung
vermeidet. Vergleiche hierzu das Zugfestigkeits-Dehnungs-Diagramm in Figur 4.
[0023] Beim erfindungsgemässen Herstell- und Wärmebehandlungsverfahren eines HPI-Gusswerkstückes
erfolgt die Herstellung beispielsweise nach den folgenden Schritten (vergleiche Figuren
5 und 6):
- Bereitstellung einer Gussform 7 mit einer Sandform 2.
- Bereitstellung mindestens eines Kernes 3 aus organisch oder anorganisch gebundenem
Sand mit integrierter Kühlmittelzuführung 4, z.B. durch Integration eines oder mehrerer
im oder zum Kern oder Kernpaket 3 hin verlegter Rohre, welche der Kühlmittelführung
dienen und zu gegebener Zeit während der Wärmebehandlung die Versetzung des Kernes
oder Kernpaketes 3 mit dem Kühlmittel 5 (z.B. Wasser) gewährleisten können.
- Je nach Bedarf eventuelle Integration einer Wasserdampfabführung in der Gussform 7,
z.B. in der Form einer dampfdurchlässigen Kernstütze 12 oder als zusätzlich anzufertigende
Bohrung 12 (sog. Luftpfeife) oder auch als eingelegte Schnur.
[0024] Nach erfolgter Bereitstellung der Gussform erfolgt das eigentliche Wärmebehandlungsverfahren
anhand der folgenden Schritte (vergleiche weiterhin mit Figuren 5 und 6):
- 1. Giessen der flüssigen Gusseisenschmelze 6 in die Sandform 2,
- 2. Abkühlung der Gusseisenschmelze 6 in der Sandform 2 auf eine Temperatur TA, vorzugsweise in einem Bereich von 800 - 1000 °C,
- 3. Beaufschlagung der Kühlmittelzuführung 4 mit Kühlmittel 5 und Abschreckung des
erstarrenden Gusswerkstückes 1 auf eine Temperatur TB, vorzugsweise in einem Bereich von 350 - 600 °C, besonders bevorzugt über eine Abschreckgeschwindigkeit
von ≥ 5 [K/s],
- 4. Halten der Temperatur TB über eine Zeitspanne tS, vorzugsweise über eine Zeitspanne tS von 15 bis 120 min., besonders bevorzugt durch Regulierung der über die Kühlmittelzuführung
4 zugeführten Kühlmittelmenge 5,
- 5. weitere Abkühlung des erstarrten Gusswerkstückes 1, vorzugsweise durch Verbleib
in der Sandgussform 2, z.B. bis auf Raumtemperatur oder Auspacktemperatur.
[0025] Im Folgenden werden die Erfindung und der Erfindungsgedanke anhand verschiedener
Beispiele erläutert (siehe Figuren 6 bis 8). Es soll an dieser Stelle ausdrücklich
darauf hingewiesen werden, dass diese lediglich denkbare Ausführungsformen zeigen,
wobei die Erfindung und der Erfindungsgedanke sich nicht auf diese Formen beschränken.
[0026] So kann gemäss Figur 8 die Kühlmittelzuführung 9 das Kühlmittel 10 beispielsweise
direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes 1 führen. Bei einer derartig direkten
Kühlmittelbeaufschlagung wird vorzugsweise ein gasförmiges Kühlmittel 10 benutzt,
z.B. Wasserdampf.
[0027] Für das erfindungsgemässe Herstell- und Wärmebehandlungsverfahren wird bevorzugt
eine Gusseisenschmelze einen Kohlenstoffgehalt von 2.8 bis 3.8 Gewichtsprozent, einem
Siliziumanteil von 2.1 bis 4.5 Gewichtsprozent und einen Magnesiumanteil von 0.025
bis 0.05 Gewichtsprozent verwendet.
[0028] Wie u.a. in der Figur 6 dargestellt ist, wird für das erfindungsgemässe Herstell-
und Wärmebehandlungsverfahren im Weiteren vorzugsweise eine Gussform 7 mit einem Formkasten
8 benutzt in welchem eine Sandform 2 liegt, wobei in der Sandform 2 mindestens ein
Kern 3 oder ein Kernpaket aus organisch oder anorganisch gebundenem Sand eingesetzt
ist. Die Sandform kann hierbei ein-, zwei- oder mehrteilig ausgeführt sein. Erfindungsgemäss
weist die Gussform 7 eine oder mehrere Kühlmittelzuführungen 4 auf, welche dem oder
den Kernen 3 das Kühlmittel 5 zuführen. Vorzugsweise ist die Kühlmittelzuführung 4
derart gestaltet, dass der Kern 3 oder das Kernpaket mit einem Kühlmittel 5 versetzt
werden kann.
[0029] Für die Versetzung des Kernes oder des Kernpaketes mit einem Kühlmittel können diese
eine poröse Struktur aufweisen (Kühlmittel befindet sich in den Poren des Kernes bzw.
Kernpaketes). Wie in der Figur 6 dargestellt ist, kann die Kühlmittelzuführung 4 hierfür
an der Kernoberfläche enden. In der Figur 7 hingegen, endet die Kühlmittelzuführung
4 im Kern, d.h. das Kühlmittel 5 wird direkt in den Kern hineinbefördert. Wie bereits
erwähnt, besteht erfindungsgemäss auch die Möglichkeit, dass über die Kühlmittelzuführung
9 das Kühlmittel 10 direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes führt (siehe Figur
8), dies eignet sich besonders für dampfförmige Kühlmittel (z.B. Wasserdampf 10).
[0030] Die Kühlmittelzuführung 4 kann in der Form eines oder mehrerer verlegter Rohre ausgeführt
sein. Vorzugsweise verlaufen die Rohre entsprechend den gezeigten Figuren 6 bis 8
bis in oder an den mit Kühlmittel 5 zu versetzenden Kern 3 oder bis zur Oberfläche
des Gusswerkstückes 1. Bevorzugt verlaufen die Rohre hierbei auch durch die Sandform
2. In einer weiteren bevorzugten Variante sind enthält die Kühlmittelzuführung Rohre
aus Metall.
[0031] Da das Kühlmittel verdampft, weisen die erfindungsgemässen Gussformen vorzugsweise
eine Dampfabführung auf. Die Dampfabführung kann in der Sandform und/oder im Kern
bzw. Kernpaket vorgesehen sein. Die Dampfabführung für das zu verdampfende Kühlmittel
5 kann mittels einer (porösen) Kernstütze 11, über eine eingelegte Schnur oder mittels
einer Bohrung 12 gewährleistet werden.
[0032] In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform sind in der Sandform 2 oder im Kern
3 Temperatursensoren eingelegt. Diese dienen zur Erfassung der Temperatur im Kern
3, an der Kernoberfläche oder an der Gussteiloberfläche bzw. im Gussteil selber. Diese
Ausführungsform ist insbesondere für Versuche und Messungen geeignet oder zum Einstellen
einer erfindungsgemässen Gussform.
[0033] Die vorliegende Erfindung ist nicht auf die explizit genannten Möglichkeiten und
Ausführungsformen beschränkt. Diese Varianten sind vielmehr als Anregung für den Fachmann
gedacht, um die Erfindungsidee möglichst günstig umzusetzen.
Bezugszeichenliste
[0034]
- 1
- Gusswerkstück
- 2
- Sandform
- 3
- Kern
- 4
- Kühlmittelzuführung
- 5
- Kühlmittel
- 6
- Gusseisenschmelze
- 7
- Gussform
- 8
- Formkasten
- 9
- Kühlmittelzuführung direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes
- 10
- Wasserdampf als Kühlmittel
- 11
- Kernstütze
- 12
- Bohrung beziehungsweise sogenannte Luftpfeife
1. Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit in einer Sandform (2), wobei die Sandform mindestens einen Kern (3)
aus organisch oder anorganisch gebundenem Sand enthält, welcher eine Kühlmittelzuführung
(4) aufweist, vorzugsweise in Form eines oder mehrerer im oder zum Kern (3) hin verlegter
Rohre, mittels welcher der Kern (3) mit einem Kühlmittel (5), vorzugweise Wasser,
versetzt werden kann, wobei das Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung folgende
Schritte enthält:
- Giessen der flüssigen Gusseisenschmelze (6) in die Sandform (2),
- Abkühlung der Gusseisenschmelze (6) in der Sandform (2) auf eine Temperatur TA, vorzugsweise in einem Bereich von 800 - 1000 °C,
- Beaufschlagung der Kühlmittelzuführung (4) mit Kühlmittel (5) und Abschreckung des
erstarrenden Gusswerkstückes (1) auf eine Temperatur TB, vorzugsweise in einem Bereich von 350 - 600 °C, besonders bevorzugt über eine Abschreckgeschwindigkeit
von ≥ 5 [K/s],
- Halten der Temperatur TB über eine Zeitspanne tS, vorzugsweise über eine Zeitspanne tS von 15 bis 120 min., besonders bevorzugt durch Regulierung der über die Kühlmittelzuführung
(4) zugeführten Kühlmittelmenge (5),
- wobei anschliessend das erstarrte Gusswerkstück (1) weiter abgekühlt wird, vorzugsweise
durch Verbleib in der Sandgussform (2).
2. Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (9) das Kühlmittel (10) direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes
(1) führt, wobei als Kühlmittel Wasserdampf (10) verwendet wird.
3. Verfahren zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Gusseisenschmelze (6) einen Kohlenstoffgehalt von 2.8 bis 3.8 Gewichtsprozent,
einem Siliziumanteil von 2.1 bis 4.5 Gewichtsprozent und einen Magnesiumanteil von
0.025 bis 0.05 Gewichtsprozent aufweist.
4. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit, wobei die Gussform (7) einen Formkasten (8) besitzt, in welchem
eine Sandform (2) liegt, wobei in der Sandform (2) mindestens ein Kern (3) aus organisch
oder anorganisch gebundenem Sand eingesetzt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Gussform (7) eine oder mehrere Kühlmittelzuführungen (4) aufweist, welche dem
oder den Kernen (3) Kühlmittel (5) zuführen, vorzugsweise ist die Kühlmittelzuführung
(4) derart, dass der oder die Kerne (3) mit Kühlmittel (5) versetzt werden.
5. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (9) das Kühlmittel (10) direkt an die Oberfläche des Gusswerkstückes
(1) führt, wobei als Kühlmittel Wasserdampf (10) verwendet wird.
6. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (4) in Form eines oder mehrerer verlegter Rohre ausgeführt
ist, vorzugsweise verlaufen die Rohre bis in oder an den mit Kühlmittel (5) zu versetzenden
Kern (3) oder bis zur Oberfläche des Gusswerkstückes (1), besonders bevorzugt verlaufen
die Rohre auch durch die Sandform (2).
7. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (4) im Innern des Kernes (3) endet.
8. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kühlmittelzuführung (4) Rohre aus Metall enthalten.
9. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass in der Sandform (2) und/oder im Kern (3) eine Dampfabführung für das verdampfende
Kühlmittel (5) vorgesehen ist, vorzugsweise wird die Dampfabführung über eine Kernstütze
(11), über eine eingelegte Schnur oder über eine Bohrung (12) gewährleistet.
10. Gussform (7) zur Herstellung und Wärmebehandlung eines Gusswerkstückes (1) aus Gusseisen
mit Kugelgraphit gemäss einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass in der Sandform (2) oder im Kern (3) Temperatursensoren eingelegt sind zur Erfassung
der Temperatur im Kern (3), an der Kernoberfläche, an der Gussteiloberfläche oder
im Gussteil selber.
11. Gusswerkstück (1) hergestellt mit einem Verfahren oder mit einer Gussform (7) gemäss
einem der vorangehenden Ansprüche.