[0001] Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Erzeugung von thermischen Neutronen für
Neutronenstreuexperimente und weitere Anwendungen von thermischen Neutronenstrahlen,
z.B. Bor-Neutroneneinfangtherapie zur Tumorbehandlung und ein Verfahren zur Herstellung
der Vorrichtung.
[0002] Zur Untersuchung von Stoffeigenschaften wie zum Beispiel der Struktur eines Materials
werden u.a. Neutronenstrahlen, eingesetzt. Wenn Neutronen auf Atome treffen, werden
sie von diesen gestreut. Die Richtungsverteilung der gestreuten Neutronen ist die
gesuchte Messgröße, anhand der Materialstruktur oder Stoffeigenschaften bestimmt werden
können. Die Erzeugung von Neutronenstrahlen für Streuexperimente mit hoher Intensität
und definierter Richtung stellt eine Herausforderung dar.
[0003] In den meisten heutigen Forschungsneutronenquellen basiert die Neutronenerzeugung
auf Kernspaltung in thermischen Kernreaktoren, wie dies auf der Internetseite http://de.wikipedia.org/wiki/Neutron
beschrieben wird. Die derart erzeugten Primärneutronen mit Energien im MeV-Bereich
müssen im Moderatorbereich des Reaktors auf Energien im Bereich von 1 eV (thermische
Neutronen) abgebremst und anschließend in Strahlrohre für die Neutronenstreuexperimente
eingespeist werden.
[0004] Im thermischen Kernreaktor ist ein ausgedehnter Moderator (meist leichtes oder schweres
Wasser) ein integraler Bestandteil des Kernreaktors, da die nukleare Kettenreaktion
nur durch thermische Neutronen aufrechterhalten wird. In modernen Forschungsreaktoren,
wie z.B. dem FRM II in Garching, werden die Neutronen für die Streuinstrumente durch
tangentiale Strahlrohre aus dem Moderatorvolumen extrahiert. Diese Strahlrohre sind
Sackrohre aus einem neutronentransparenten Material, die in den Moderator hineinreichen
und die biologische Abschirmung des Reaktors durchdringen. Ihre Orientierung ist so,
dass durch die Öffnung in der Reaktorabschirmung der Reaktorkern nicht sichtbar ist,
so dass hochenergetische Primärneutronen nicht direkt durch das Strahlrohr zu den
Experimenten gelangen können.
[0005] Die Öffnungen der Strahlrohre und der Winkelbereich, unter dem Neutronen austreten
können, sind so groß, dass mehrere Instrumente aus einem Strahlrohr versorgt werden
können, indem der Neutronenstrahl im Winkelbereich zwischen den Instrumenten mit einem
Neutronenabsorber abgeschirmt wird.
[0006] Alternativ werden Primärneutronen durch Kernreaktionen erzeugt, die durch geladene
Teilchen (z.B. Elektronen, Protonen oder Deuteronen) ausgelöst werden, welche in einem
Beschleuniger auf hohe Energien beschleunigt wurden. In solchen beschleunigergetriebenen
Neutronenquellen gibt es ein Target, auch Konverter genannt, welches mit hochenergetischen
geladenen Teilchen aus dem Beschleuniger beschossen wird. Dort entstehen hochenergetische
Neutronen, welche anschließend in einem nachgeschalteten Moderator moderiert werden.
Ein solcher Moderator ist nach heutigem Stand der Technik ein massiver Block aus Wasser
oder Polyethylen, der in vielen Fällen von einem Grafit- oder Berylliumreflektor umgeben
ist, um die Neutronenverluste am Rand des Moderators zu reduzieren. Die Strahlrohre
werden üblicherweise an der Oberfläche des Moderatorblocks angeschlossen. Sie durchdringen
den Reflektor durch eine vorgesehene Öffnung und nehmen an der Moderatoroberfläche
die gesamte Divergenz auf, die die Neutronen bei ihrem Weg durch das gesamte Moderatorvolumen
erfahren. Daraus ergibt sich ein gleichmäßiger Neutronenfluss auf der gesamten Moderatoroberfläche.
[0007] Dadurch, dass die Neutronenstrahlen im Fall von beschleunigergetriebenen Neutronenquellen
an der Peripherie des Moderators abgenommen werden, befindet sich so viel Moderatorvolumen
auf dem Neutronenpfad, dass viele bereits moderierte Neutronen, die sich eigentlich
in Richtung des gewünschten Strahls bewegen, wieder aus dieser Richtung herausgestreut
werden. Die Neutronen, die die Stelle erreichen, an denen ein Strahl extrahiert werden
soll, kommen statistisch zufällig aus allen Richtungen, so dass der abgegriffene Strahl
eine starke Isotropie aufweist. Darüber hinaus wird der Neutronenfluss über die gesamte
Moderatoroberfläche verteilt. Es gibt daher keine ausgezeichneten Stellen, an denen
mehr Neutronen extrahiert werden können, als an anderen und es gibt keine ausgezeichneten
Richtungen, in die vorzugsweise viele Neutronen aus dem Moderatorvolumen emittiert
werden. Die derart erzeugten Neutronenstrahlen haben daher keine Vorzugsrichtung und
damit eine niedrige Intensität (Strahldichte pro Flächeneinheit) und eine niedrige
Brillanz (Intensität pro Raumwinkeleinheit).
[0008] Um den dem Experiment bereitgestellten thermischen Neutronenfluss zu erhöhen, ist
man nach dem Stand der Technik dazu gezwungen, die Leistung des Beschleunigers zu
erhöhen. Für kommerzielle Beschleuniger sind verschiedene Technologien im Einsatz.
[0009] Jede dieser Technologien ist auf einen bestimmten Leistungsbereich limitiert, wobei
der Sprung von einem Leistungsbereich in einen höheren mit einem überproportional
hohen technischen Aufwand verbunden ist. Mit der Steigerung der Beschleunigerleistung
geht ein Zuwachs der durch den Primärionenstrahl im Target deponierten Wärmemenge
einher. Eine daher notwendige Erhöhung der Kühlleistung am Target ist mit einem weiteren
technischen Aufwand verbunden.
[0010] Für die meisten Untersuchungsmethoden muss die Richtung des Neutronenstrahls im Streuinstrument
besser als 2° genau definiert sein. Daher werden durch Kollimationssysteme alle Neutronen
aus dem Strahl entfernt, die außerhalb des akzeptierten Winkelbereichs liegen.
[0011] Die Erfindung hat die Aufgabe, möglichst viele geeignete und möglichst wenige ungeeignete
Neutronen aus einem Moderator in Strahlrohre, auch Neutronenleiter genannt, zu den
Neutronenstreuinstrumenten zu extrahieren.
[0012] Die Aufgabe der Erfindung wird durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs
1 gelöst. Zur Lösung der Aufgabe umfasst ein Verfahren die Merkmale des Nebenanspruchs.
Vorteilhafte Ausgestaltungen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen.
[0013] Die Aufgabe der Erfindung wird gelöst durch eine Vorrichtung umfassend eine beschleuniger-
oder lasergetriebene Neutronenquelle und einen Moderator zur Moderierung von Neutronen
der Neutronenquelle, dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere Kanäle im Moderator
vorhanden sind, der bzw. die von einem mittleren Bereich im Inneren des Moderators
zur Oberfläche des Moderators führen.
[0014] Ein Kanal im Sinne der vorliegenden Erfindung ist wesentlich transparenter, d. h.
durchlässiger, für thermische Neutronen im Vergleich zum angrenzenden Material des
Moderators. Ein Kanal im Sinne der vorliegenden Erfindung kann in das Moderatormaterial
gebohrt sein, wenn das Material des Moderators ein Feststoff ist. Handelt es sich
beim Material des Moderators um eine Flüssigkeit, so kann ein metallisches Rohr wie
zum Beispiel ein Aluminiumrohr als Kanal im Sinne der vorliegenden Erfindung dienen.
[0015] Schnelle Neutronen verlieren durch elastische Streuung mit den Atomkernen des Moderators
ihre Energie und gelangen so nach einigen Stößen in den thermischen Energiebereich.
Thermische Neutronen verlieren im Mittel keine weitere Energie bei elastischen Stößen,
sondern werden auf ihrer Flugbahn abgelenkt. Ein als Moderator geeignetes Material
fungiert daher auch als Reflektor für thermische Neutronen. Thermische Neutronen,
die sich von einem inneren, mittleren Bereich des Moderators zur Oberfläche des Moderators
bewegen, verfügen grundsätzlich über eine geeignete Richtung, nachfolgend auch Vorwärtsrichtung
genannt, um geeignet aus der Oberfläche des Moderators austreten zu können. Von einem
solchen mittleren Bereich aus betrachtet nimmt die Neutronenintensität in Vorwärtsrichtung
nach außen hin ab, da die thermischen Neutronen auf ihrem Weg zum Extraktionsort gestreut
oder absorbiert werden können. Durch den Einsatz eines Kanals vom mittleren Bereich
des Moderators bis zur Moderatoroberfläche bleibt die Neutronenintensität in Vorwärtsrichtung
vollständig erhalten. Es gelingt daher eine Steigerung der Intensität von thermischen
Neutronen in Vorwärtsrichtung, die über jeweils einen Kanal aus dem Moderator herausgeführt
werden. Dadurch wird der den Experimenten zur Verfügung gestellte Neutronenfluss erhöht,
was einerseits der aufzuwendenden Messzeit als auch der durch die Neutronenfluss limitierten
Messgenauigkeit zugutekommt.
[0016] In einer Ausgestaltung der Erfindung befindet sich der innere Bereich des Moderators
benachbart zum Konverter der Neutronenquelle oder allgemein benachbart zur Quelle
der Primärneutronen. Diese Quelle von Primärneutronen wird von Moderatormaterial umgeben.
Benachbart zu dieser Quelle gibt es grundsätzlich einen hohen Fluss an thermischen
Neutronen und zwar insbesondere im Vergleich zu oberflächennahen Bereichen innerhalb
des Moderators, so dass eine solche Anordnung weiter verbessert die Ausbeute an thermischen
Neutronen steigert. Benachbart meint, dass der Abstand zwischen dem inneren Bereich
und der Neutronenquelle geringer ist als der Abstand von dem inneren Bereich zu einer
Oberfläche des Moderators. Vorzugsweise ist der Abstand von dem mittleren Bereich
zu der Neutronenquelle mindestens halb so gering wie der geringste Abstand zwischen
dem mittleren Bereich und einer Oberfläche des Moderators.
[0017] In einer vorteilhaften Ausgestaltung ist der innere Bereich ein ermittelter Bereich
mit einem Flussmaximum thermischer Neutronen. Das Zentrum wird insbesondere durch
Computersimulation ermittelt, wodurch eine weitere Steigerung der Intensität der thermischen
Neutronen erreicht werden kann. Computersimulationsprogramme, mit denen die räumliche
Verteilung thermischer Neutronen und damit ein Flussmaximum im Inneren eines Moderators
ermittelt werden kann, sind kommerziell erhältlich, so dass dies ein einfacher und
zuverlässiger Weg ist, um einen solchen Bereich mit einem Flussmaximum, auch Zentrum
genannt, zu bestimmen.
[0018] Mit zunehmendem Moderatorvolumen nimmt der thermische Fluss im Moderatormaterial
bis zu einem bestimmten Sättigungswert zu, da bereits thermalisierte Neutronen (also
thermische Neutronen) von den äußeren Schichten des Moderators wieder zurückreflektiert
werden können. An der Oberfläche des Moderators, an dem üblicherweise die Neutronen
zum Experiment extrahiert werden, nimmt der thermische Fluss allerdings ab einem bestimmten
Moderatorvolumen wieder ab. In einer Ausgestaltung der Erfindung beträgt das Volumen
des Moderators daher 50-200 Liter, vorzugsweise 100-150 Liter, um einerseits primäre
Neutronen geeignet moderieren zu können und andererseits mit geeigneten Kanallängen
auskommen zu können. Der Moderator liegt vorzugsweise in Form eines Blocks vor, der
kugelförmig, würfelförmig, quaderförmig, kegelförmig oder ellipsoidförmig sein kann.
Besonders bevorzugt ist der Moderator zylinderförmig, da mit dieser Form eine besonders
geeignete räumliche Verteilung der thermischen Neutronen erreicht wird und damit besonders
gut eine Mehrzahl von thermisch brillanten Neutronenstrahlen erhalten werden. Eine
Seitenlänge des Blocks ist grundsätzlich nicht um ein Mehrfaches länger als andere
Seitenlängen, so dass also die Form kompakt ist. Ein Durchmesser übersteigt die Höhe
im Fall einer Zylinderform grundsätzlich nicht um ein Mehrfaches, um so eine kompakte
Form zu erhalten. Der Moderator weist also nicht eine besonders langgestreckte Form
auf.
[0019] In einer Ausgestaltung der Erfindung sind wenigstens vier, vorzugsweise wenigstens
sechs Kanäle vorhanden, die von einem inneren Bereich des Moderators zur Oberfläche
führen und zwar insbesondere sternförmig. Vorzugsweise sind nicht mehr als 10, besonders
bevorzugt nicht mehr als 8 Kanäle vorhanden, die von einem inneren Bereich des Moderators
zur Oberfläche führen. Es kann so weiter verbessert die Ausbeute an thermischen Neutronen
gesteigert werden, in dem z. B. mehrere Neutronenstreuinstrumente von je einem Kanal
mit thermischen Neutronen versorgt werden. Zunächst führt eine zunehmende Anzahl an
Kanälen zu einer verbesserten Ausbeute an thermischen Neutronen. Sind allerdings zu
viele Kanäle vorhanden, so können primäre Neutronen bzw. Primärneutronen nicht mehr
hinreichend moderiert werden, sodass sich die Ausbeute nicht durch Steigerung der
Zahl der Kanäle immer weiter verbessern lässt, sondern im Gegenteil die Intensität
in jedem einzelnen Kanal abnimmt.
[0020] In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung beträgt der Abstand zwischen Kanälen
auf der Oberfläche des Moderators wenigstens die doppelte freie Weglänge thermischer
Neutronen im Moderatormaterial, um die Ausbeute weiter verbessert zu steigern.
[0021] Als Neutronenquelle dient insbesondere ein Linearbeschleuniger mit einem Konverter,
der mit relativ geringem technischem Aufwand hergestellt werden kann und der keine
thermischen Neutronen für eine Kettenreaktion erfordert, sodass ein erheblich geringeres
Moderatorvolumen als in einem thermischen Kernreaktor möglich ist.
[0022] Als besonders geeignetes Material für den Moderator hat sich insbesondere Beryllium
herausgestellt. Das Material des Moderators ist dann ein Feststoff, in den die ein
oder mehreren Kanäle hineingebohrt werden.
[0023] Vorzugsweise werden Kanäle innen poliert, um eine weiter verbesserte Ausbeute an
thermischen Neutronen zu erhalten, indem diese auf dem Weg durch den Kanal vom inneren
Bereich des Moderators zur Oberfläche an den Wänden des Kanals reflektiert werden
können. Ein mechanisches Polieren genügt insbesondere im Fall von Beryllium, um dadurch
weiter verbessert die Ausbeute an thermischen Neutronen zu steigern. Im Fall von Aluminium
wird die Innenseite des Kanals vorzugsweise darüber hinaus beschichtet, umso weiter
verbessert thermische Neutronen aus dem Moderator in geeigneter Weise heraus leiten
zu können. Durch das Polieren werden Oberflächenrauigkeiten reduziert, die durch die
Herstellung des Kanals erzeugt wurden. Es wird also in einem ersten Schritt der Kanal
hergestellt, so zum Beispiel durch Bohren. Anschließend findet ein zweiter Bearbeitungsschritt
statt, durch den die Oberflächenrauigkeiten reduziert werden. In einem dritten Bearbeitungsschritt
wird in einer Ausführungsform die polierte Oberfläche beschichtet und zwar insbesondere
im Fall von Aluminiumrohren, um weiter verbesserte Ergebnisse zu erhalten. Als Material
für die Beschichtung eignet sich insbesondere Nickel, das einen hohen Reflexionskoeffizienten
für Neutronen aufweist. Auch Mehrfachschichten (sogenannte Superspiegel) sind als
Beschichtung der Innenwände der Kanäle geeignet. Diese Beschichtungen werden z. B.
mittels Sputtern oder galvanisch auf die bereits polierten Innenwände der Flusskanäle
aufgebracht.
[0024] Um eine Ausbeute weiter zu verbessern, ist der Durchmesser eines jeden Kanals kleiner
als die mittlere freie Weglänge von thermischen Neutronen im Moderatormaterial. Ein
solcher Kanal vermag thermische Neutronen geeignet aus dem Moderator herauszuführen.
Auch wird so vermieden, einen Kanal unnötig zu dimensionieren, was nachteilhaft zu
Lasten der Effizienz des Moderatormaterials gehen würde.
[0025] Der Durchmesser eines jeden Kanals richtet sich nach den Erfordernissen des angeschlossenen
Experiments und kann auf das technisch Machbare reduziert sein. Das Verhältnis von
Durchmesser zu Länge des Kanals bestimmt Austrittswinkel von thermischen Neutronen
aus dem Kanal. Je länger der Kanal im Vergleich zum Durchmesser ist, umso kleiner
ist der Austrittswinkel von thermischen Neutronen.
[0026] In einer Ausgestaltung der Erfindung können im Inneren eines jeden Kanals Filter
vorhanden sein, um primäre Neutronen herauszufiltern bzw. davon abzuhalten, aus dem
jeweiligen Kanal auszutreten. Geeignete Filtermaterialien sind zum Beispiel Blei und
Saphir-Einkristalle. Hierdurch wird verbessert vermieden, dass Primärneutronen, also
Neutronen mit hoher Energie im MeV-Bereich, zu Instrumenten oder Proben gelangen,
ohne aber den Anteil an thermischen Neutronen im Strahl zu schwächen.
[0027] Vorzugsweise umfasst der Moderator eine äußere reflektierende Hülle zum Beispiel
aus Graphit oder Polyethylen. Hierdurch lässt sich die Ausbeute weiter verbessert
steigern.
[0028] Vor allem für Streuexperimente ist die Intensität der extrahierten thermischen Neutronen
in eine bestimmte Vorzugsrichtung, die Richtung des Experimentes, und damit die Brillanz
von besonderer Bedeutung. Es handelt sich dabei um die Vorwärtskomponente des thermischen
Neutronenflusses auf der Achse der Neutroneninstrumentierung in Richtung des Experimentes.
[0029] Im Zentrum des Moderators ist nicht nur der Gesamtfluss thermischer Neutronen maximal
sondern auch dessen Vorwärtskomponente (bzw. Radialkomponente nach außen). Vom Zentrum
aus betrachtet nimmt sowohl der Gesamtfluss als auch die Vorwärtskomponente des Flusses
nach außen hin ab, da die thermischen Neutronen auf ihrem Weg zum Extraktionsort an
der Moderatoroberfläche gestreut oder absorbiert werden können. Durch den Einsatz
eines Kanals vom Zentrum des Moderators, dem Punkt des maximalen thermischen Flusses,
bis zur Moderatoroberfläche bleibt die Vorwärtskomponente des Flusses vollständig
erhalten und kann ohne Abschwächung zum Beispiel zum Anfang des Neutronenleiters des
angeschlossenen Neutronenstreuinstruments geleitet werden. Da die Vorwärtskomponente
an dieser Stelle unabhängig ist von der Größe des Moderators, kann das Volumen des
Moderators bzw. des Reflektors so gewählt werden, dass der thermische Fluss im Zentrum
und damit auch die Vorwärtskomponente gesteigert werden kann.
[0030] Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die thermische Intensität in Vorwärtsrichtung
(⊖≤2° bzgl. der Achse des Flusskanals) und damit die Brillanz um bis zu einen Faktor
6 steigern lässt, abhängig von der Position des Flusskanals im Moderator.
[0031] Verwendet wurde ein zylinderförmiger Moderator aus Beryllium mit einem Radius von
r=31cm einer Länge von I=41 cm, was einem Volumen von 125 Litern entspricht. Parameterstudien
haben gezeigt, dass dieses Volumen einen guten Kompromiss von maximalem thermischen
Fluss und technischem Aufwand darstellt. Der Moderator ist umgeben von einer 20 cm
dicken Schicht Grafit als Reflektor, wodurch der thermische Fluss an der Oberfläche
des Moderators um eine Größenordnung gesteigert werden kann. Die Achse des Zylinders
liegt auf der Strahlachse der Primärionen (z.B. Deuterium-Ionen im Energiebereich
von etwa 20 MeV Energie), wobei der Reflektor an der Eintrittsstelle der Ionen unterbrochen
ist, sodass die durch einen Linearbeschleuniger beschleunigten Ionen auf die Oberfläche
des Beryllium-Moderators treffen und in der ersten Schicht von ca. 0,4 cm in Neutronen
umgewandelt werden. Dieser Bereich, in dem die Ionen in Neutronen umgewandelt werden,
wird Konverter genannt. Im Prinzip kann der Konverter auch weiter in den Moderator
hineinverlegt werden. In diesem Fall ist der Konverter auch auf dessen Rückseite von
Moderator- und Reflektormaterial umgeben, sodass rückwärts gestreute Neutronen zugunsten
des thermischen Gesamtflusses mit größerer Wahrscheinlichkeit im Moderator zu verbleiben.
Diese Variante ist allerdings mit einem höheren Konstruktionsaufwand verbunden, da
der Konverter in den meisten Fällen aufwändig gekühlt werden muss.
[0032] Durch seinen kompakten Aufbau kann der Moderator mit vielen verschiedenen Quellen
schneller Neutronen betrieben werden, woraus sich eine hohe Flexibilität für den Einsatz
und die Nutzung ergibt. Im Niedrigpreissegment wären kommerzielle fusionsbasierte
Neutronengeneratoren zu nennen, die im Wesentlichen ein isotropes Neutronenfeld aufweisen.
Um höhere Neutronenintensitäten zu erzielen, kommen Linearbeschleuniger oder Zyklotrone
infrage. Sogar hochintensive Kurzpulslaser sind in der Lage, intensive Primärionenstrahlen
zu erzeugen, sodass mit solch einem Laser eine noch kompaktere Bauweise der gesamten
Anlage erzielt werden kann.
[0033] Der Zuwachs des thermischen Flusses in Vorwärtsrichtung an der Öffnung des Flusskanals
hängt von der zugrundeliegenden geometrischen Form und Anordnung des Flusskanals im
Moderator ab. Es sind verschiedene Anstellwinkel zwischen Flusskanal und Achse des
Primärionenstrahls möglich, je nach Einsatzzweck.
[0034] Mit einer Neigung von 40° bezüglich der Richtung des Primärionenstrahls lässt sich
die thermische Intensität an der Öffnung des Flusskanals in Vorwärtsrichtung um einen
Faktor 6 steigern, verglichen mit einer Anordnung ohne Kanal, wie Untersuchungen gezeigt
haben. Wenn ein geringerer Anteil schneller Neutronen gewünscht ist, wird der Kanal
in einer Ausgestaltung orthogonal zur Einstrahlrichtung der Primärionen positioniert.
Die Intensität thermischer Neutronen ist in diesem Fall um einen Faktor 3 stärker.
[0035] Der Neutronenfluss kann durch die Wahl des Moderatormaterials stark beeinflusst werden.
Infrage kommen Wasser, Grafit, Schwerwasser oder Beryllium, wobei diese Materialien
sowohl in der Moderationsfähigkeit wie auch hinsichtlich des Aufwands der Reihe nach
ansteigen. Unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen und radiologischen Aspektes,
Lebensdauer, Strahlenbelastung und des technischen Aufwandes stellt beispielsweise
eine Kombination aus Beryllium als Moderator umgeben von einer Schicht Grafit als
Reflektor eine bevorzugte Lösung dar.
[0036] Der Kanal kann mit einem Blei- oder Saphirfilter ausgestattet werden, um den Fluss
an schnellen Neutronen zu unterdrücken, ohne die Intensität thermischer Neutronen
in Vorwärtsrichtung wesentlich zu beeinträchtigen.
[0037] Untersuchungen haben gezeigt, dass sich mehrere Flusskanäle in einem thermischen
Moderator bis zu einer bestimmten Anzahl nicht gegenseitig beeinträchtigen müssen.
Aus diesem Grund ist es möglich, mehrere Flusskanäle für thermische Neutronen an einem
einzelnen Moderatorsystem zu betreiben. Die Kanäle können dabei beispielsweise sternförmig
angeordnet sein, sodass die Kanäle in verschiedene Richtungen zwei- oder dreidimensional
vom mittleren Bereich im Moderator wegführen können und die verschiedenen Experimente
sich in ihrem Platzbedarf nicht einschränken müssen.
[0038] Die Figur 1 zeigt einen Moderator 1 mit einem Linearbeschleuniger 2. Am Ende 3 des
Strahlrohrs für die Primärionen aus dem Linearbeschleuniger 2 entstehen in einem Konverter
Primärneutronen. Das durch den Konverter gebildete Ende 3 des Linearbeschleunigers
2 reicht in den Moderator 1 hinein. In Beschleunigungsrichtung des Linearbeschleunigers
befindet sich benachbart zum Ende 3 ein Flussmaximum 4 an thermischen Neutronen. Das
Flussmaximum wurde durch Computersimulationen ermittelt. Von diesem Flussmaximum 4
ausgehend erstrecken sich vier als Neutronenleiter ausgestaltete Kanäle 5 in etwa
sternförmig bis zur Oberfläche 6 des Moderators 1.
[0039] Die Figur 2 zeigt eine weitere Ausführungsform mit sechs Kanälen 5 und mit einer
äußeren Hülle 6 zum Beispiel aus Graphit oder Polyethylen.
In diesem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 besteht die Vorrichtung aus einem Linearbeschleuniger,
der Deuteronen auf 25 MeV beschleunigt und durch das Rohr 2 auf den Konverter 3 führt,
der hier aus einer 0,7 mm dicken Schicht Beryllium besteht. Der Moderator 1 ist ein
Zylinder aus Beryllium mit 62 cm Durchmesser und 41 cm Länge. Das Ende von Rohr 2
und der dort befindliche Konverter 3 ist 5 cm tief entlang der Zylinderachse in den
Moderator eingelassen. Der Moderator ist von einer 10 cm dicken Reflektorschicht 6
aus Grafit umgeben. Der thermische Neutronenfluss hat bei diesem Aufbau sein Maximum
4 in 15 cm Abstand vom Konverter entlang der Zylinderachse. An dieser Stelle beginnen
die sechs Flusskanäle 5, bei denen es sich jeweils um zylindrische Bohrungen mit einem
Durchmesser von 2 cm handelt.
[0040] In dieser Ausführung haben die Neutronenstrahlen aus den beiden rückwärts gerichteten
(zurück in Richtung des lonenstrahls gerichteten) Kanälen eine um den Faktor 1,5 höhere
Brillanz als die Neutronen an der Oberfläche des Moderators, die Neutronenstrahlen
aus den beiden Kanälen orthogonal zur Zylinderachse eine um den Faktor 3,5 höhere
Brillanz als die Neutronen an der Oberfläche des Moderators und die Neutronenstrahlen
aus den beiden vorwärts gerichteten Kanälen eine um den Faktor 6 höhere Brillanz als
die Neutronen an der Oberfläche eines Moderators gleicher Abmessungen ohne Flusskanäle.
1. Vorrichtung zur Erzeugung von thermischen Neutronen für Neutronenstreuexperimente
umfassend eine beschleuniger- oder lasergetriebene Neutronenquelle (3) und einen Moderator
(1) zur Moderation von Neutronen der Neutronenquelle (2, 3), dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere Kanäle (5) im Moderator (1) vorhanden sind, der bzw. die von einem
inneren Bereich (4) im Moderator (1) zur Oberfläche (6) des Moderators (1) führen.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sich der innere Bereich (4) beim oder im Flussmaximum thermischer Neutronen befindet.
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Moderator (1) aus einem Feststoff besteht und die Kanäle (5) in den Feststoff
hinein gebohrt sind.
4. Vorrichtung nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass der Feststoff aus Beryllium besteht.
5. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der innere Bereich (4) benachbart zur Neutronenquelle (3) angeordnet ist.
6. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Neutronenquelle ein Konverter (3) am Ende eines Linearbeschleunigers (2) ist.
7. Vorrichtung nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass sich der innere Bereich (4) in Beschleunigungsrichtung des Linearbeschleunigers (2)
gesehen hinter dem Linearbeschleuniger befindet.
8. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Neutronenquelle (3) im Moderator (1) befindet.
9. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Moderator ein Volumen von 100-150 Liter aufweist.
10. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass 4-10 Kanäle (5) im Moderator (1) vorhanden sind, die von einem inneren Bereich (4)
zur Oberfläche (6) des Moderators (1) führen.
11. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchmesser eines jeden Kanals (5) kleiner als das Doppelte der mittleren freien
Weglänge der thermischen Neutronen im Moderator ist.
12. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Moderator (1) mit einer äußeren Hülle aus Graphit oder Polyethylen umgeben ist.
13. Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Flussmaximum an thermischen Neutronen im Moderator ermittelt wird und Enden der
Kanäle (5) im Bereich des ermittelten Flussmaximums angeordnet werden.
14. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberflächen der Kanäle innen poliert bzw. mit einer polierten Beschichtung ausgekleidet
werden.
15. Vorrichtung nach den vorhergehenden Ansprüchen, dadurch gekennzeichnet, dass im Inneren eines oder mehrerer Kanäle ein Filter aus Blei oder Saphir-Einkristall
vorhanden ist, um primäre schnelle Neutronen herauszufiltern.