[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt,
das aus einem Mangan-Stahl besteht, bei dem das Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug
eingelegt und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt wird.
[0002] Wenn hier von Stahlflachprodukten die Rede ist, sind damit Stahlbänder, -bleche oder
daraus gewonnene Blechzuschnitte, wie Platinen, gemeint.
[0003] Sofern nicht ausdrücklich anders erwähnt, sind im vorliegenden Text und in den Ansprüchen
die Gehalte an bestimmten Legierungselementen jeweils in Gew.-% und die Anteile an
bestimmten Gefügebestandteilen in Flächen-% angegeben.
[0004] Stahlflachprodukte lassen sich besonders wirtschaftlich durch Tiefziehen zu Bauteilen
formen. Zum Tiefziehen werden Umformwerkzeuge eingesetzt, die üblicherweise einen
Stempel, auch Oberform oder Patrize genannt, und eine Gegenform, auch Matrize oder
Ziehring genannt, sowie einen Niederhalter umfassen. Zum Öffnen des Umformwerkzeugs
werden der Stempel und der Niederhalter in eine Ausgangsstellung gefahren, so dass
der umzuformende Blechzuschnitt in den dann zugänglichen Raum zwischen dem Stempel
und der Matrize eingelegt werden kann. Anschließend verspannt der Niederhalter den
Blechzuschnitt an seinem Randbereich. Dann wird der Stempel abgesenkt, so dass der
Blechzuschnitt in die Matrize gedrückt wird.
[0005] Dem Niederhalter kommt während des Tiefziehvorgangs die Aufgabe zu, den Randbereich
so eingespannt zu halten, dass sich im Zuge des Einpressens des Blechzuschnitts in
die Matrize in Folge des dabei einsetzenden Materialflusses keine Risse oder Falten
bilden.
[0006] Während des Tiefziehvorgangs wird der Blechwerkstoff bezogen auf die Bewegungsachse
des Stempels in radialer und axialer Richtung belastet. Die Ziehtiefe ist der Verfahrweg
des Stempels vom ersten Kontakt mit der Blechronde in Höhe des Niederhalters bis zum
Ende des Tiefziehvorgangs an der Kontaktfläche zwischen Ziehteilboden und Stempel
(
Doege, E., Behrens, B.-A.: Handbuch Umformtechnik, Hannover, Springer Verlag, 2010,
S. 319 ff.). Das maximale Formänderungsvermögen des Blechwerkstoffs wird dabei als "maximales
Grenzziehverhältnis (ß
max)" oder "maximales Tiefziehverhältnis" bezeichnet. Dieses ist eingegrenzt durch die
Bildung von Falten bei zu niedrigem Niederhalterdruck und die Bildung von Rissen bei
zu hohem Niederhalterdruck. Dieses Grenzziehverhältnis (ß
max) ist bei genau einer exakten Niederhalterkraft erreichbar. Technologisch ist dieses
Verhältnis mit vertretbarem Aufwand nur in Näherung ermittelbar. Als Näherungswert
wird dafür das maximale Ziehverhältnis ß bestimmt.
[0007] Ferritische Werkstoffe höherer Festigkeit, insbesondere mikrolegierte Feinkornbaustähle
mit Zugfestigkeiten Rm von mindestens 650 MPa eignen sich nur bedingt für hochkomplexe
Tiefziehoperationen, da solche Werkstoffe das für die jeweilige Umformoperation erforderliche
Ziehverhältnis in der Regel nicht leisten. Infolgedessen besteht beim Tiefziehen von
Blechen aus hochfesten Stählen in der Regel die Gefahr von Rissbildung und sonstigen
Fehlern, die zur Unbrauchbarkeit der jeweils erhaltenen Bauteile führen.
[0008] Stähle mit hohen Legierungsanteilen an Mangan, nachfolgend auch "Hoch-Mangan-Stähle"
genannt, bei denen die hohen Mn-Gehalte mit hohen Al- und C-Gehalten kombiniert sein
können, weisen eine Stapelfehlerenergie von 20 - 60 mJ/m
2 auf und besitzen ein stabiles austenitisches Gefüge. Dieses Gefüge erfährt bei einer
Verformung des Werkstoffs auch dann keine oder nur eine vernachlässigbar geringfügige
Umwandlung in eine andere Gefügephase, wenn die Umformung bei Temperaturen von maximal
400 °C durchgeführt wird. Stattdessen tritt bei Verformung des Werkstoffs der so genannte
"TWIP-Effekt" (TWIP =
Twinning
Induced
Plasticity) ein, wodurch die Formbarkeit primär durch die Bildung transkristalliner
Verformungszwillinge ermöglicht wird und nur sekundär durch die Bildung von Versetzungen
oder die Umwandlung von Austenit in Martensit.
[0009] Durch das Zulegieren von Mn und C kann bei Stählen der in Rede stehenden Art gezielt
die Stapelfehlerenergie eingestellt werden. Hierdurch lässt sich ein Bereich stabilen
Austenits einstellen. Durch die Zugabe von Al lässt sich der Austenit weiter stabilisieren,
weshalb auch bei Raumtemperatur und darunter die Bildung von Martensit durch eine
Umformung unterbunden werden kann. Der dynamische Hall-Petch-Effekt führt zur Entstehung
mechanischer Zwillinge in den Austenit-Körnern, welche wie Korngrenzen das Versetzungsgleiten
verhindern. Hierdurch erfahren Werkstoffe mit TWIP-Eigenschaften ihre starke Verfestigung
bei einer Kaltumformung. Infolgedessen zeigen konventionelle Hoch-Mangan-Stähle ein
maximales Ziehverhältnis, das zu gering ist für die Erzeugung von komplex geformten
Bauteilen durch Tiefziehen.
[0010] Aus der
DE 10 2008 020 757 A1 ist ein Verfahren zur Umformung von Blechwerkstücken aus Eisen-Mangan-Stahl mit bis
zu 40 Gew.-% Mn, bis zu 15 Gew.-% Al, bis zu 2 Gew.-% C, bis zu 6 Gew.-% Si und optionalen
Gehalten an Ti, W, Nb, Cr, Ni und V bekannt, bei dem das jeweilige Blechwerkstück
mit einer Temperatur von 50 - 1000 °C in ein Formwerkzeug eingelegt wird und von diesem
Formwerkzeug umgeformt wird, wobei die Verweildauer des Werkstücks im Formwerkzeug
1 bis 20 s beträgt. Als entscheidend wird hier angesehen, dass das Werkstück eine
in dem genannten Temperaturbereich liegende Temperatur besitzt, wenn es mit dem formgebenden
Werkzeug in Berührung kommt. Als für die Praxis relevant angesehen sollen dabei Blechwerkstücktemperaturen
von 700 - 1000 °C sein, wobei sich Temperaturen von bis zu 950 °C als besonders praxisgerecht
herausgestellt haben sollen. Durch den Kontakt mit dem kalten Umformwerkzeug wird
dem Blechwerkstück dann so viel Wärme entzogen, dass es das Formwerkzeug mit einer
Temperatur von 20 - 600 °C verlässt. Dies soll zu optimierten Festigkeitswerten führen.
[0011] Aus der
DE 10 2011 121 679 B4 ist des Weiteren ein Verfahren zur Herstellung von Bauteilen aus einem im Ausgangszustand
austenitischen Leichtbaustahl bekannt, bei dem ein Blechmaterial in einer oder in
mehreren Stufen umgeformt wird, das einen temperaturabhängigen TRIP- und/oder TWIP-Effekt
während der Umformung aufweist. Das bekannte Verfahren sieht dabei vor, das jeweilige
Blechmaterial abhängig vom angestrebten Eigenschaftsprofil in zwei Varianten umzuformen.
Und zwar soll zur Erzielung einer insbesondere hohen Zähigkeit des Bauteils die Umformung
bei einer den TRIP-/TWIP-Effekt vermeidenden Temperatur oberhalb der Raumtemperatur
durchgeführt werden, wogegen die Umformung bei einer unterhalb der Raumtemperatur
liegenden Temperatur vorgenommen wird, um den TRIP-/TWIP-Effekt zu verstärken, wenn
eine hohe Bauteilfestigkeit gewünscht wird. Als Beispiel für einen Leichtbaustahl,
aus dem die derart zu verformenden Bleche bestehen können, ist dabei ein Stahl genannt,
der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%) 0,04 bis 1,0 % C,
0,05 bis weniger als 4,0 % Al, 0,05 bis 6,0 % Si und 9,0 bis weniger als 18,0 % Mn
enthält und zusätzlich optional je nach Anforderung Gehalte an Cr, Cu, Ti, Zr, V und
Nb aufweisen kann. Ein solcher Stahl ist in der
DE 10 2004 061 284 A1 beschrieben.
[0012] Vor dem Hintergrund des Standes der Technik hat sich die Aufgabe ergeben, ein Verfahren
zu schaffen, welches mit geringem Aufwand hohe Ziehtiefen für die betriebssichere
Herstellung von Bauteilen auch aus Blechen ermöglicht, die aus einem Hoch-Mangan-Stahl
mit per se zu niedrigem maximalen Ziehverhältnis bestehen.
[0013] Die Erfindung hat diese Aufgabe dadurch gelöst, dass bei der Herstellung von Bauteilen
aus einem
[0014] Stahlflachprodukt, das aus einem Stahl mit hohem Mn-Gehalt besteht, die in Anspruch
1 angegebenen Arbeitsschritte durchlaufen werden.
[0015] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben
und werden nachfolgend wie der allgemeine Erfindungsgedanke im Einzelnen erläutert.
[0016] Bei den nachfolgenden Erläuterungen wird zur Veranschaulichung auf Figuren Bezug
genommen, die folgendes zeigen:
- Fig. 1
- Diagramm, in dem das für einen Hoch-Mangan-Stahl der erfindungsgemäß umgeformten Art
ermittelte maximale Ziehverhältnis ß über die Umformtemperatur Tu aufgetragen ist;
- Fig. 2
- das Schema eines Versuchsaufbaus zur Ermittlung des maximalen Ziehverhältnisses ß.
[0017] Bei einem erfindungsgemäßen Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt,
das aus einem Mangan-Stahl besteht, wird folglich in Übereinstimmung mit dem eingangs
dargelegten Stand der Technik das umzuformende Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug
eingelegt und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt.
[0018] Erfindungsgemäß entspricht nun die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts beim
Einlegen in das Umformwerkzeug der Umgebungstemperatur, liegt also im Bereich von
15 - 35 °C. Nach dem Einlegen wird die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts erst
im Umformwerkzeug auf eine 100 - 350 °C betragende Umformtemperatur erhöht. Anschließend
wird das so erwärmte Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug zu dem Bauteil umgeformt
und schließlich das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug entnommen.
[0019] Die Erfindung geht dabei von der Erkenntnis aus, dass durch Erwärmung des Stahlflachprodukts
auf eine gegenüber der Umgebungstemperatur erhöhte, jedoch 350 °C, insbesondere 300
°C, nicht überschreitende Erwärmung sich das maximale Ziehverhältnis proportional
zur Temperaturerhöhung verbessert. Auf diesem Wege lässt das maximale Ziehverhältnis
auch bei Hoch-Mangan-Stählen, die bei Raumtemperatur nur unzureichend verformbar sind,
auf Werte von 2,20 und mehr steigern, bei denen auch komplexe Bauteilformen durch
Tiefziehen von Stahlflachprodukten zuverlässig fehlerfrei erzeugt werden können, die
aus Stählen mit hohen Mn-Gehalten bestehen. Überraschend hat sich hier gezeigt, dass
dies bei erfindungsgemäßer Vorgehensweise auch im Umformtemperaturbereich von bis
zu 150 °C gelingt, in dem die Hoch-Mangan-Stähle der jeweils zu verformenden Stahlflachprodukte
üblicherweise noch ausgeprägte TWIP-Eigenschaften besitzen.
[0020] Entscheidend für den technologischen und wirtschaftlichen Erfolg der Erfindung ist
dabei, dass die Erwärmung des umzuformenden Stahlflachprodukts erst im Umformwerkzeug
erfolgt. Durch die erst im Werkzeug erfolgende Erwärmung erfährt das umzuformende
Stahlflachprodukt im Werkzeug keine Abkühlung, wie es bei den bekannten Verfahren,
bei denen die jeweils zu verformende Blechplatine vor dem Einlegen ins Werkzeug erwärmt
wird, unvermeidbar der Fall ist, sondern ausschließlich eine Erwärmung. Dies fördert
die adiabatische Erwärmung des Werkstücks während der Umformung. Die Verweildauer
im Werkzeug kann dabei sehr kurz und die Umformung sehr schnell durchgeführt werden,
was die Wirtschaftlichkeit des Prozesses erhöht.
[0021] Zu der Erwärmung auf die jeweilige Umformtemperatur kommt es erfindungsgemäß durch
den Kontakt des Stahlflachprodukts mit den Bauteilen des Umformwerkzeugs, über die
die eigentliche Formgebung erfolgt, also den Niederhalter, den Stempel oder die Matrize.
Die Methode der konduktiven Erwärmung wird bevorzugt verwendet für Bauteile mit einem
hohen Flächenanteil im Niederhalter von größer oder gleich 50 %. Alternativ dazu kann
das Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug auch induktiv erwärmt werden. Die Methode
der induktiven Erwärmung wird bevorzugt verwendet für Bauteile mit einem geringen
Flächenanteil im Niederhalterbereich von kleiner 50 %.
[0022] Die betreffenden Bauteile werden gezielt auf die jeweilige Umformtemperatur gebracht,
wobei der dazu erforderliche Energieaufwand gering ist, da auch beim Umformvorgang
selbst Wärme entsteht, die zur erfindungsgemäßen Temperierung des Umformwerkzeugs
beiträgt. Eine aufwändige Kühlung des Umformwerkzeugs, wie sie bei Prozessen erforderlich
ist, bei denen die umzuformenden Platinen vor dem Umformwerkzeug auf Temperaturen
von weit über 350 °C erwärmt und dann im Umformwerkzeug abgekühlt werden, können bei
erfindungsgemäßer Vorgehensweise entfallen.
[0023] Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich insbesondere auch durch extrem kurze
Prozesszeiten aus. So ist die Verweilzeit die Zeit, die zwischen dem mit dem Ende
des Einlegens übereinstimmendem Beginn des Erwärmungsvorgangs und der Entnahme des
erhaltenen Bauteils vergeht, wobei zwischen dem Erwärmungsvorgang und der Entnahme
des erhaltenen Bauteils der Umformvorgang stattfindet. Dabei setzt sich die Verweilzeit
aus einer Zeit, die für den Erwärmungsprozess benötigt wird, einer Zeit, die für den
Umformprozess benötigt wird, und einer Haltezeit, in der das umgeformte Bauteil nach
der Umformung im Umformwerkzeug ruht, zusammen. Haltezeiten, die bei der konventionellen
Hochtemperaturumformung vergehen müssen, bevor das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug
entnommen werden kann, werden so verkürzt. Tatsächlich erlaubt es die erfindungsgemäße
Vorgehensweise, die Haltezeiten auf weniger als eine Sekunde zu reduzieren, wodurch
Verweilzeiten von unter 6s realisiert werden können. Dies lässt sich dadurch erreichen,
dass das Bauteil unmittelbar nach Abschluss des Umformvorgangs aus dem Umformwerkzeug
entnommen werden kann.
[0024] Dass der Stahl des umzuformenden Stahlflachprodukts während des Umformvorgangs ein
maximales Ziehverhältnis ß von mindestens 2,20 aufweist, kann mit erhöhter Zuverlässigkeit
dadurch gewährleistet werden, dass die Umformtemperatur, auf die das Stahlflachprodukt
im Umformwerkzeug gebracht wird, mindestens 100 °C beträgt. Schon im Temperaturbereich
von 100 - 180 °C weisen Hoch-Mangan-Stähle gemäß den Erkenntnissen der Erfindung deutlich
verbesserte maximale Ziehverhältnisse ß auf, wobei Umformtemperaturen von 150 - 180
°C bei einem optimalen Verhältnis von Wärmeenergieeinsatz und Verformbarkeit bereits
zu einem sehr guten Umformverhalten führen.
[0025] Eine weiter optimierte Tiefzieheignung, die eine prozesssichere Formgebung auch bei
besonders aufwändig und komplex gestalteten Bauteilen durch Tiefziehen ermöglicht,
stellt sich nach den Erkenntnissen der Erfindung dann ein, wenn die Umformtemperatur
mindestens 180 °C beträgt, insbesondere auf 260 °C begrenzt ist, wobei sich in der
Praxis ein Umformtemperaturbereich von 180 - 250 °C als besonders günstig herausgestellt
hat. Bei oberhalb von 180 °C liegenden Umformtemperaturen T
u werden, wie anhand der beigefügten Fig. 1 dargestellt, regelmäßig maximale Ziehverhältnisse
ß von mehr als 2,26 erreicht.
[0026] Wenn hier im Zusammenhang mit der Erfindung von Hoch-Mangan-haltigen Stählen die
Rede ist, dann sind damit insbesondere Stähle mit einem Mn-Gehalt von mindestens 18
Gew.-% Mn gemeint.
[0027] Die Legierung eines als Werkstoff für die erfindungsgemäß umzuformenden Stahlflachprodukte
besonders geeigneten Stahlwerkstoffs kann demzufolge folgende Zusammensetzung aufweisen
(in Gew.-%):
C: 0,37 - 0,43 %,
Mn: 18 - 20 %,
Si: 0,2 - 0,5 %,
Al: 1 - 1,35 %,
Cr: 1,4 - 2,4 %,
Ti: bis zu 0,05 %,
Nb: bis zu 0,05 %,
V: bis zu 0,15 %,
N: bis zu 0,015 %,
B: bis zu 0,005 %,
Ni: bis zu 0,7 %,
P: bis zu 0,03 %,
S: bis zu 0,005 %,
Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen.
[0028] Kohlenstoff ist im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt
bestehen kann, in Gehalten von mindestens 0,37 Gew.-% vorhanden, um den Austenit zu
stabilisieren und die entsprechende Stapelfehlerenergie einzustellen. Die Anwesenheit
von C trägt so zur Festigkeit des Werkstoffs bei. Bei zu geringen C-Gehalten ergibt
sich vor und während der Umformung eine unzureichende Austenitstabilität und ein damit
einhergehend unzureichendes maximales Ziehverhältnis. Die unzureichende Austenitstabilität
würde zur Martensitbildung und einer damit einhergehend erhöhten Gefahr der verzögerten
Rissbildung führen. Bei Anwesenheit von zu viel Kohlenstoff können sich feine und
grobe Carbide bilden, die die Duktilität vermindern und damit auch das maximale Ziehverhältnis
ß reduzieren. Der Maximalgehalt an C ist deswegen auf 0,43 Gew.-% beschränkt.
[0029] Mangan wird dem Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt
bestehen kann, zulegiert, um im Gefüge den Austenitgehalt im Ausgangszustand ausreichend
zu stabilisieren. Mn erhöht dabei gemeinsam mit Kohlenstoff, Aluminium und Silicium
die Stapelfehlerenergie. Diese muss auf einen Mindestwert von 15 mJ/m
2 gebracht werden, um den Austenit bei Raumtemperatur und darüber während einer Verformung
ausreichend zu stabilisieren. Durch die Stabilisierung des Austenits bleibt dieser
auch nach einer Verformung bestehen und es bilden sich "Zwillinge", wodurch der Stahl
ein optimiertes Verfestigungs- und Dehnungsverhalten bei plastischer Verformung im
kalten Zustand aufweist. Dieser Effekt ist als TWIP Effekt (Twinning induced plasticity)
bekannt und macht Stahlflachprodukte der zu verformenden Art insbesondere zur Herstellung
von Karosseriebauteilen, Fahrwerksbauteilen, Antriebskomponenten, Strukturbauteilen
und desgleichen bekannt, die im Fall eines Crashs hohe kinetische Energien aufnehmen
und in Verformungsenergie ableiten müssen. Da Austenit mehr Gleitliniensysteme besitzt
als eine kubischraumzentrierte Phase, bietet dieser ein viel höheres Umformvermögen.
Das maximale Ziehverhältnis ß ist direkt vom Umformvermögen abhängig. Der Austenit
muss daher auch bei erhöhten Temperaturen stabil sein, da sonst eine zweite Phase
bei der Umformung gebildet werden kann und das maximale Ziehverhältnis ß niedriger
ausfallen würde. Indem der Mn-Gehalt von erfindungsgemäß zu verarbeitenden Stahlflachprodukten
auf mindestens 18 Gew.-% gesetzt wird, ist eine ausreichende Austenitstabilität und
damit ein ausreichendes Ziehverhältnis gesichert. Gleichzeitig kann der Mn-Gehalt
auf höchstens 20 Gew.-% begrenzt werden, um eine betriebssichere Herstellung bei gleichzeitig
optimierten Gebrauchseigenschaften zu gewährleisten. Dies lässt sich insbesondere
dadurch erzielen, dass der Mn-Gehalt auf maximal 19,2 Gew.-% beschränkt wird, wobei
sich Mn-Gehalte von mindestens 18,8 Gew.-% im Hinblick auf die positiven Einflüsse
dieses Legierungselements als besonders vorteilhaft herausgestellt haben.
[0030] Silicium ist im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt
bestehen kann, in Gehalten von 0,2 - 0,5 Gew.-% vorhanden, um die Stapelfehlerenergie
zu erhöhen und stabilen Austenit auch nach der Umformung im Gefüge des Stahlflachprodukts
zu erhalten, welches zu einem guten maximalen Ziehverhältnis des Stahlflachprodukts
beiträgt. Hierzu sind mindestens 0,2 Gew.-% Si erforderlich. Liegt der Si-Gehalt oberhalb
von 0,5 Gew.-%, können dagegen Unreinheiten im Gefüge entstehen, durch die das maximale
Ziehverhältnis verschlechtert würde. Um diesen Effekt sicher zu vermeiden, kann der
Si-Gehalt auf max. 0,45 Gew.-% begrenzt werden.
[0031] Aluminium ist im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt
bestehen kann, in Gehalten von 1,1 - 1,35 Gew.-% vorhanden, wobei sich Gehalte von
höchstens 1,3 Gew.-% als in der Praxis besonders zweckmäßig herausgestellt haben.
Die Wirkung von Aluminium besteht dabei ebenfalls in der Stabilisierung des Austenits
im Gefüge des Stahls vor und während der Umformung. Gleichzeitig dient Al als Wasserstoffsenke,
um die Neigung des Stahls zu einer wasserstoffinduzierten verzögerten Rissbildung
zu vermindern. Bei zu geringen Al-Gehalten werden diese Effekte nicht erreicht. Beim
Tiefziehen, also bei der Ausnutzung des maximalen Ziehverhältnisses ß, ist die Gefahr
der verzögerten Rissbildung durch Anlagerung von Wasserstoff am höchsten. Die Obergrenze
des Al-Gehalts ist auf 1,35 Gew.-%, insbesondere 1,3 Gew.-% beschränkt, um eine betriebssichere
Stahlerzeugung zu ermöglichen.
[0032] Chrom ist im Stahl eines erfindungsgemäß zu verformenden Stahlflachprodukts in Gehalten
von 1,4 - 2,4 Gew.-% vorhanden, um wiederum den Austenit im Gefüge des Stahls bei
Raumtemperatur zu stabilisieren. Dieser Effekt wird bei Gehalten von mindestens 1,4
Gew.-%, insbesondere mindestens 1,5 Gew.-%, erreicht. Um einen negativen Einfluss
von Cr auf die Stapelfehlerenergie zu vermeiden, ist gleichzeitig der Cr-Gehalt des
Stahls auf höchstens 2,4 Gew.-% beschränkt, wobei sich negative Auswirkungen der im
Hinblick auf die Austenitstabilisierung gewünschten Anwesenheit von Cr dadurch besonders
sicher vermeiden lassen, dass der Cr-Gehalt auf höchstens 1,7 Gew.-% beschränkt wird.
[0033] Titian und Niob können in dem Stahl, aus dem die erfindungsgemäß umzuformenden Stahlflachprodukte
bestehen können, in Gehalten von bis zu 0,05 Gew.-% vorhanden sein. Titan und Niob
tragen zur Kornfeinung durch Nitrid-, Karbid- und Karbonitridbildung bei, was zur
Festigkeitssteigerung beiträgt. Ein Niob-Gehalt oberhalb von 0,05 Gew.-% zeigt keine
weiteren Vorteile hinsichtlich der Festigkeitssteigerung. Aus Kostengründen ist der
Niob-Gehalt auf 0,05 Gew.-% eingeschränkt. Titan-Gehalte oberhalb von 0,05 Gew.-%
führen zu groben Titankarbiden, was die Bruchdehnung negativ beeinflusst, weshalb
der Titan-Gehalt auf 0,05 Gew.-% begrenzt ist. Der positive Einfluss von Ti auf die
Festigkeit des Stahls lässt sich dabei insbesondere dann nutzen, wenn der Ti-Gehalt
mindestens 0,018 Gew.-% beträgt, wobei sich hier optimale Wirkungen bei einem auf
0,022 Gew.-% beschränkten Ti-Gehalt ergeben.
[0034] Ebenso kann Vanadium im Stahl, aus dem die erfindungsgemäß umzuformenden Stahlflachprodukte
bestehen können, in Gehalten von bis zu 0,15 Gew.-% vorhanden sein. Vanadium bildet
nach dem Warmwalzen auf der Kühlstrecke und auch in einer Glühbehandlung feinste Karbide,
die stark festigkeitssteigernd wirken, ohne die Dehnung des Stahls maßgeblich herabzusetzen,
da sie vor allem kornfeinend wirken. Die Streckgrenze steigt durch diese Karbide ebenfalls
stark an, was besonders nützlich für Fahrwerksanwendungen ist. Besonders geeignet
für die Herstellung von Stahlflachprodukten, die im warmgewalzten Zustand in erfindungsgemäßer
Weise umgeformt werden sollen, sind Stähle, bei denen der V-Gehalt auf 0,05 Gew.-%
beschränkt ist. Soll dagegen aus einem erfindungsgemäß vorgeschlagenen Stahl ein kaltgewalztes
Stahlflachprodukt hergestellt werden, das anschließend in erfindungsgemäßer Weise
umgeformt wird, so haben sich V-Gehalte von
0,05 - 0,15 Gew.-% als vorteilhaft erwiesen. Hier wirkt sich der positive Einfluss
der Anwesenheit von V dann besonders aus, wenn der V-Gehalt des Stahls mindestens
0,11 Gew.-% beträgt. Ein optimales Verhältnis aus Legierungskosten zur Wirkung ergibt
sich dabei dann, wenn der V-Gehalt auf höchstens 0,13 Gew.-% beschränkt ist.
[0035] Stickstoff führt im Stahl, aus dem die erfindungsgemäß zu verarbeitenden Stahlflachprodukte
erfindungsgemäß bestehen können, zu einer Reduzierung des freien V-Gehalts sowie zur
Bildung von Aluminiumnitriden. Aluminiumnitride beeinflussen den Werkstoff dahingehend,
dass der Werkstoff zu Sprödbruchverhalten neigt und das maximal erreichbare maximale
Ziehverhältnis ß herabgesetzt wird. Um dies zu vermeiden, ist der N-Gehalt des Stahls
auf höchstens 0,03 Gew.-%, insbesondere höchstens 0,015 Gew.-% beschränkt.
[0036] Das optional im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verarbeitendes Stahlflachprodukt
bestehen kann, vorhandene Bor bewirkt eine Erhöhung der Duktilität bei erhöhten Temperaturen
von z.B. 800 - 1100 °C, wie sie beim Warmwalzen gegeben sind. Dadurch ist die Gefahr
der Kantenrissbildung im Warmband reduziert. Zudem wirkt Bor kornfeinend, was zur
Festigkeitssteigerung beiträgt. Um diese positive Wirkung von B nutzen zu können,
sollte der erfindungsgemäß vorgesehene Stahl mindestens 0,001 Gew.-% B enthalten.
Bei Gehalten von mehr als 0,005 Gew.-% kann dagegen keine Steigerung der positiven
Wirkung von B mehr festgestellt werden.
[0037] Gehalte an P, S und sonstigen Elementen, wie Mo, Cu, As und Sn, werden im gemäß der
Erfindung für ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt vorgesehenen Stahl
den unvermeidbaren Verunreinigungen zugerechnet, die im Zuge der Stahlerzeugung unvermeidbar
in den Stahl gelangen oder aufgrund des gewählten Ausgangsmaterials (Schrott) unvermeidbar
in ihm erhalten bleiben. Phosphor wirkt sich dabei ungünstig auf die Schweißbarkeit
eines erfindungsgemäß zu verarbeitenden Stahlflachprodukts aus.
[0038] Zudem begünstigt Phosphor die Bildung unerwünschter Seigerungen in der Stahlschmelze,
was zu Materialinnenfehlern führen kann. Der P-Gehalt soll daher so gering wie möglich
sein, jedenfalls 0,03 Gew.-% nicht überschreiten. Schwefel wirkt sich ebenfalls negativ
auf die Gebrauchseigenschaften des Stahlflachprodukts aus. Sein Maximalgehalt ist
daher auf 0,005 Gew.-% beschränkt. Die Gehalte an anderen unvermeidbaren Verunreinigungen,
auch solchen, die hier nicht explizit genannt sind, sollten so gering wie möglich
sein, jedenfalls unterhalb der Gehaltsgrenze liegen, ab der sie bezogen auf die hier
betrachtete Stahlzusammensetzung legierungstechnisch wirksam werden könnten. Vorteilhafterweise
wird in dieser Hinsicht bei der Legierung eines erfindungsgemäß vorgesehenen Stahls
der Mo-, As- und Sn-Gehalt jeweils auf höchstens 0,05 Gew.-%, der Cu-Gehalt auf höchstens
0,2 Gew.-% und der Ni-Gehalt auf höchstens 0,7 Gew.-% beschränkt.
[0039] Der erfindungsgemäß als Werkstoff für die erfindungsgemäß zu verformenden Stahlflachprodukte
vorgesehene und in der voranstehend erläuterten Weise zusammengesetzte Stahl weist
bei einer Verformung im Temperaturbereich von 20 - 400 °C einen temperaturunabhängigen
TWIP-Effekt auf, derart, dass mindestens 95 % des Verformungsgrades durch Zwillingsbildung
geprägt ist. In dem für die erfindungsgemäß zu verformenden Stahlflachprodukte vorgesehenen
Stahl, bestehend aus den erfindungsgemäßen Werkstoffen, tritt kein nachweisbarer TRIP-Effekt
auf, d.h. es findet keine verformungsinduzierte Umwandlung des Austenits in den Martensit
statt. Der Stahl erreicht im Zugversuch nach DIN EN ISO 6892 eine Streckgrenze R
p0,2 von typischerweise 370 - 600 MPa, eine Zugfestigkeit Rm von typischerweise 700 -
900 MPa und eine Bruchdehnung A5 von mehr als 50 %.
[0040] Die Stapelfehlerenergie liegt bei erfindungsgemäß zusammengesetzten Stahlflachprodukten
im für Stähle mit TWIP-Eigenschaften typischen Bereich von 20 - 60 [mJ/m
2]. Dabei weisen die Stahlflachprodukte bei Raumtemperatur ein stabiles austenitisches
Gefüge auf.
[0041] Das maximale Ziehverhältnis ß von in der voranstehend erläuterten Weise zusammengesetzten
Hoch-Mangan-Stählen beträgt bei Raumtemperatur, d.h. bei 15 - 35 °C, typischerweise
2,12 und liegt damit deutlich unter dem Mindestwert von 2,20, der üblicherweise für
das maximale Ziehverhältnis ß von für das Tiefziehen geeigneten Stählen gefordert
wird. Durch die erfindungsgemäß vorgesehene und im Umformwerkzeug vorgesehene Erwärmung
des jeweils zu verformenden Stahlflachprodukts erreicht der Stahl jedoch maximale
Ziehverhältnisse ß, die im Bereich von 2,24 - 2,28 und damit sicher oberhalb der kritischen
Grenze von 2,20 liegen.
[0042] Das durch derartige maximale Ziehverhältnisse ß im erfindungsgemäß vorgegebenen Umformtemperaturbereich
gekennzeichnete optimierte Umformverhalten von Hoch-Manganhaltigen Stählen der hier
in Rede stehenden Art erlaubt es, entsprechend erwärmte, aus solchen Stählen bestehende
Stahlflachprodukte im Napfziehversuch nach Swift (
Chung, S.Y., Swift, H.W. (1951), Cup drawing from a Flat Blank: Part I: Experimental
Investigations, Part II: Analytical Investigations. Proceedings of the Institution
of mechanical engineers, 165, 1951) mit Ziehgeschwindigkeiten von bis zu 150 mm/s umzuformen. Darüber liegende Ziehgeschwindigkeiten
sollten vermieden werden, da dies zu einer zu starken adiabaten Erwärmung des Werkstücks
und damit einhergehend zu einer zu starken Veränderung der Umformeigenschaften führen
könnte.
[0043] Zur Ermittlung des maximalen Ziehverhältnisses ß kann der in Fig. 2 dargestellte
Versuchsaufbau gemäß den nachfolgenden Erläuterungen verwendet werden, anhand derer
auch der Ablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens in der Praxis nachvollzogen werden
kann.
[0044] Als umzuformende Stahlflachprodukte werden aus dem jeweiligen Stahlflachprodukt herausgetrennte
Ronden R mit Ausgangsdurchmessern D
0 von 90, 100, 110 und 120 mm und einer Dicke von 2,0 mm bereitgestellt.
[0045] Die Ronden R werden entsprechend den unterschiedlichen Prüftemperaturen mit einem
Schmierstoffsystem präpariert. Dabei kommt im Temperaturbereich zwischen Raumtemperatur
bis einschließlich 150 °C Ziehfolie aus PVC in einer Dicke von 75 µm in Kombination
mit Öl, beidseitig auf der Probe aufgebracht, zur Anwendung. Oberhalb von 150 °C,
also bei den untersuchten Temperaturen 200 °C, 250 °C und 300 °C, wird die PVC-Folie
durch eine 100 µm dicke PTFE-Folie in Kombination mit Pflanzenöl ersetzt.
[0046] Für die als Napfziehversuche durchgeführten Umformversuche kann als Umformmaschine
eine Erichsen Universal-Blechprüfmaschine verwendet werden. Wie aus Fig. 2 ersichtlich,
hat der zylindrische Stempel 1 einer solchen Maschine einen Durchmesser d
p von 50 mm und einen Kantenradius von r
p = 5 mm. Der Stempel 1 wird mit einer Geschwindigkeit von 1 mm/s in die jeweilige
Ronde R gedrückt. Die Ronde R wird dazu zwischen einem beheizbaren Niederhalter 2
und einer beheizbaren Matrize 3 eingeklemmt, die einen Durchmesser d
d = 55,60 mm und einen Kantenradius r
d = 5 mm aufweist. Die Niederhalterkraft NK lässt sich mit einer Genauigkeit von 1
kN im Bereich zwischen 5 kN und 400 kN einstellen.
[0047] Für die Versuche werden die Umformwerkzeuge 1,2,3 in der Warmzugvorrichtung auf die
jeweilige Umformtemperatur T
u aufgeheizt. Ein Temperatursensor an der Warmzugvorrichtung ermöglicht die Temperaturmessung
bzw. -Steuerung der Temperatur der Warmzugvorrichtung. Nach Erreichen der Soll-Umformtemperatur
T
u wird die jeweils präparierte Ronden-Probe in die Warmzugvorrichtung eingelegt und
zentriert. Die Ronden-Probe hat dabei Raumtemperatur (20 °C). Anschließend wird der
Niederhalter auf den Rondenrand abgesenkt.
[0048] Durch den Kontakt mit der Matrize und dem Niederhalter wird die jeweilige Ronde nun
in der Umformeinrichtung auf die Umformtemperatur T
u aufgeheizt. Um die Probentemperatur exakt messen zu können, kann zwischen der jeweiligen
Ronden-Probe R und der Matrize 3 ein Thermoelement eingeklemmt werden.
[0049] Durch den Kontakt mit dem Niederhalter 2 und der Matrize 3 wird die Ronde R auf die
jeweilige Umformtemperatur T
u aufgeheizt. Die Steuerung der Maschine und Aufzeichnung der Messwerte erfolgt computergestützt
mittels einer geeigneten Software. Die Versuchsparameter Ziehkraft, Niederhalterkraft,
Stempelweg und Prüfzeit werden kontinuierlich aufgezeichnet.
[0050] Im Anschluss an die Versuche werden die aus den Ronden R erzeugten Näpfchen-Proben
in die drei möglichen Fälle "Bodenreißer", "Gutteil" und "Faltenbildung" kategorisiert.
Gutteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder Faltenbildung noch Bodenreißer
aufweisen. Dann wird für jedes der Gutteile das Ziehverhältnis ß = D
0/d
p bestimmt. Das maximale Ziehverhältnis ß entspricht dann dem Maximum der ermittelten
Ziehverhältnisse.
[0051] Zum Nachweis der Wirksamkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens sind in der voranstehend
allgemein für die Ermittlung des maximalen Ziehverhältnisses ß erläuterten Weise Näpfchen
aus warmgewalzten Ronden R gezogen worden, die aus dem in Tabelle 1 angegebenen Stahl
A bestehen, wobei hier zu den Verunreinigungen legierungstechnisch unwirksame Gehalte
an P, S, N, Cu, Mo, Ti, Nb, Ni, B und As zählen. Anhand der Ergebnisse dieser Versuche
ist das in Fig. 1 dargestellte Diagramm erstellt worden.
[0052] Eine weitere für die Herstellung von Stahlflachprodukten, die als Warmband in erfindungsgemäßer
Weise zu Bauteilen umgeformt werden, typische Stahllegierung ist der in Tabelle 1
ebenfalls angegebene Stahl B, wobei in diesem Fall zu den Verunreinigungen legierungstechnisch
unwirksame Gehalte an P, S, N, Cu, Mo, V, Ti, Nb, Ni, B und As zählen.
[0053] Hoch-Mangan-Stähle der hier in Rede stehenden Art werden üblicherweise in einem Elektrostahlwerk
erschmolzen, da hier der Reinheitsgrad der zugeführten Materialien am höchsten ist
und Pfannenöfen für die Sekundärmetallurgie benötigt werden. Die im Elektrolichtbogenofen
erzeugte Schmelze wird nach dem Abstechen und Abschlacken zwecks Zulegierung der hohen
Mangangehalte in Pfannenöfen verteilt, die sinnvoller Weise über eine Frischeinrichtung
verfügen. Optimaler Weise ist bei den Pfannenöfen auch eine Entgasungseinrichtung
vorgesehen, um die benötigten Kohlenstoff- und Schwefelanteile einzustellen.
[0054] Für die Weiterverarbeitung der Schmelze stehen verschiedene Routen zur Verfügung.
[0055] Gemäß der einen Route wird die Schmelze im ein- oder mehrsträngigen Strangguss zu
Brammen vergossen. Dabei wird die Schmelze durch eine Stranggusskokille geleitet.
Von den gegossenen Strängen werden durch Querteilen Brammen mit der gewünschten Einsatzlänge
abgeteilt.
[0056] Alternativ zu dieser Vorgehensweise können auch Warmbreitband-Brammen eingesetzt
werden. Diese werden ebenfalls durch Strangguss, wie voranstehend beschrieben, hergestellt,
und anschließend mittig oder vorzugsweise außermittig durch Brennschneiden längsgeteilt.
Durch ein außermittiges Brennschneiden kann der Anschnitt der Kernseigerung vermieden
werden. Anschließend müssen die durch das Brennschneiden entstandenen Brennbärte mittels
Schleifen entfernt werden. Bei starker Rissbildung auf der Brennfläche können ebenfalls
die gebrannten Flächen geschliffen werden.
[0057] Anstelle von Strangguss können auch Blockguss-Kokillen eingesetzt werden. Die gegossenen
Blöcke können nun mittels Vorblocken auf einer Block-Brammen-Straße auf ein rechteckiges
und an der Warmbandstraße einsetzbares Brammenmaß geblockt werden.
[0058] Die jeweils erhaltenen, aus dem jeweiligen Hoch-Mangan-Stahl bestehenden Brammen
werden für 2 - 5 Stunden in einen Hubbalken- oder anderweitigen Erwärmungsofen eingesetzt
und auf eine Temperatur von 1200 - 1300 °C erwärmt, wobei die typische Zielerwärmungstemperatur
bei 1280 °C liegt.
[0059] Nach dem Ofenaustrag werden die Brammen entzundert und in eine mit typischerweise
sieben Warmwalzgerüsten ausgestattete Warmwalzstraße eingefahren. Das Warmwalzen findet
dann in einem Temperaturbereich von 1150 °C bis 850 °C statt und liefert Warmband
mit einer Dicke von 1,5 - 16 mm. Die Breite des erhaltenen Warmbands liegt in der
Praxis typischerweise bei 300 - 690 mm.
[0060] Das aus der Warmwalzstraße austretende Warmband wird auf einer Kühlstrecke mittels
Wasserstrahlen auf Temperaturen von 350 °C bis 650 °C abgekühlt, um die Bildung gröberer
Ausscheidungen zu unterbinden und die durch das Walzen eingestellten Korngrößen zu
konservieren.
[0061] Nach der Abkühlung wird das warmgewalzte Band zu Coils aufgewickelt. Diese Coils
werden nun zur Steuerung des Zunderschichtaufbaus und zur Vermeidung von Ausscheidungswachstum
in ein Duschlager gestellt. Hier kühlen die Coils innerhalb von max. 2 Tagen auf Umgebungstemperatur
ab. Alternativ können die Coils auch an der Luft ohne Duschvorrichtung abkühlen, um
einen langsameren Abkühlverlauf darzustellen. Hierdurch kann die Entstehung von inneren
Spannungen, zu denen es bei einer zu schnellen Abkühlung kommen könnte, vermieden
werden.
[0062] Die Coils können bereits vor Erreichen der Raumtemperatur, spätestens aber zu diesem
Zeitpunkt in eine Salzsäurebeize überführt werden, um den auf der Bandoberfläche noch
vorhandenen Restzunder zu entfernen. Die Beizbadtemperatur wird auf 50 bis 89 °C eingestellt.
Der Einsatz von Inhibitoren ist zur Steuerung des Beizabtrags möglich.
[0063] Erforderlichenfalls kann aus dem so erhaltenen warmgewalzten Band in konventioneller
Weise in einem oder mehreren Kaltwalzschritten ein kaltgewalztes Band erzeugt werden,
wobei das erhaltene Band nach dem Kaltwalzen oder zwischen den einzelnen Kaltwalzstufen
eine Glühung durchläuft, um während des Kaltwalzens entstandene Verfestigungen abzubauen
und die Tiefzieheignung zu sichern.
[0064] In Tabelle 2 sind die Ergebnisse und Bedingungen von Versuchen aufgeführt, die an
aus der Schmelze A bestehenden Proben 1 - 10 vorgenommenen worden sind. Die Proben
1 und 2 sind demnach nicht erfindungsgemäß, weil der erfindungsgemäß für das maximale
Ziehverhältnis ß geforderte Mindestwert von 2,20 nicht erreicht wurde. Probe 10 weist
zwar ein sehr gutes maximales Ziehverhältnis ß auf. Allerdings kam es hier zu Problemen
bei der Versuchsdurchführung, weil sich bei der dort gewählten Umformtemperatur bereits
das als Ziehöl eingesetzte Pflanzenöl zersetzte.
[0065] Auf Grundlage der in Tabelle 2 wiedergegebenen Versuchsergebnisse ist das in Fig.
1 dargestellte Diagramm erstellt worden, in dem für den Stahl A das maximale Ziehverhältnis
ß über die Umformtemperatur Tu aufgetragen ist.
Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen Tabelle 1
Stahl |
C |
Si |
Mn |
P |
S |
Al |
Cr |
Cu |
V |
N |
Ni |
Ti |
A |
0,417 |
0,38 |
18,8 |
0,029 |
0,001 |
1,3 |
2,4 |
0,16 |
0,12 |
0,0077 |
0,68 |
0,02 |
B |
0,40 |
0,35 |
18,9 |
0,022 |
0,002 |
1,29 |
2,37 |
0,05 |
0,01 |
0,008 |
0,08 |
0,012 |
Tabelle
Probe Nr. |
Stahl |
Umformtemperatur |
Erreichtes maximales ZiehVerhältnis β |
Ziehtiefe |
Niederhalterkraft |
Haltezeit |
Verweilzeit |
Ziehöl |
Erfindungsgemäß ? |
|
|
[°C] |
[-] |
[mm] |
[kN] |
[s] |
[s] |
[-] |
|
1 |
A |
20 |
2,12 |
30,15 |
5-15 |
0,5 |
3 |
PVC-Folie 75 µm + mineralisches Öl |
nein |
2 |
A |
50 |
2,18 |
31,65 |
5-65 |
0,5 |
3 |
PVC-Folie 75 µm + mineralisches Öl |
nein |
3 |
A |
100 |
2,24 |
33,15 |
5-400 |
0,5 |
3 |
PVC-Folie 75 µm + mineralisches Öl |
ja |
4 |
A |
150 |
2,26 |
33,65 |
10-400 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
ja |
5 |
A |
180 |
2,28 |
34,15 |
10-400 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
ja |
6 |
A |
200 |
2,28 |
34,15 |
10-400 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
ja |
7 |
A |
250 |
2,28 |
34,15 |
200 - 225 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
ja |
8 |
A |
300 |
2,28 |
34,15 |
50 - 375 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
ja |
9 |
A |
350 |
2,30 |
34,65 |
25 - 350 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
Ja |
10 |
A |
370 |
2,34 |
35,65 |
10-400 |
0,5 |
3 |
PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl |
nein |
1. Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt, das aus einem
Mangan-Stahl besteht, bei dem das Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug eingelegt
und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts beim Einlegen in das Umformwerkzeug
der Umgebungstemperatur entspricht, dass die Produkttemperatur im Umformwerkzeug auf eine 100 - 350 °C betragende Umformtemperatur
erhöht wird, dass anschließend das so erwärmte Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug zu dem Bauteil umgeformt
wird und dass schließlich das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug entnommen wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil unmittelbar nach Abschluss des Umformvorgangs aus dem Umformwerkzeug
entnommen wird.
3. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Umformtemperatur mindestens 100 °C beträgt.
4. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Umformtemperatur mindestens 180 °C beträgt.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Umformtemperatur höchstens 250 °C beträgt.
6. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Haltezeit, die zwischen dem Ende der Umformung des Stahlflachprodukts und der
Entnahme des Bauteils aus dem Umformwerkzeug vergeht, höchstens eine Sekunde beträgt.
7. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Stahl, aus dem die umzuformenden Stahlflachprodukte bestehen, mindestens 18 Gew.-%
Mn enthält.
8. Verfahren nach Anspruch 7,
dadurch gekennzeichnet, dass der Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt bestehen
kann, folgende Zusammensetzung aufweist (in Gew.-%):
C: 0,37 - 0,43 %,
Mn: 18 - 20 %,
Si: 0,2 - 0,5 %,
Al: 1 - 1,35 %,
Cr: 1,4 - 2,4 %,
Ti: bis zu 0,05 %,
Nb: bis zu 0,05 %,
V: bis zu 0,15 %,
N: bis zu 0,015 %,
B: bis zu 0,005 %,
Ni: bis zu 0,7 %,
P: bis zu 0,03 %,
S: bis zu 0,005 %,
Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Mn-Gehalt des Stahls mindestens 18,8 Gew.-% oder höchstens 19,2 Gew.-% beträgt.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Cr-Gehalt des Stahls mindestens 1,5 Gew.-% oder höchstens 1,7 Gew.-% beträgt.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Ti-Gehalt mindestens 0,018 Gew.-% oder höchstens 0,022 Gew.-% beträgt.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der V-Gehalt mindestens 0,11 Gew.-% oder höchstens 0,13 Gew.-% beträgt.