(19)
(11) EP 3 147 393 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.03.2017  Patentblatt  2017/13

(21) Anmeldenummer: 16190540.1

(22) Anmeldetag:  26.09.2016
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
D02J 3/00(2006.01)
E04C 2/06(2006.01)
D06M 10/02(2006.01)
E04C 5/07(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA MD

(30) Priorität: 25.09.2015 DE 102015116222

(71) Anmelder:
  • Technische Universität
    01069 Dresden (DE)
  • Leibnitz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V.
    17489 Greifswald (DE)

(72) Erfinder:
  • Lieboldt, Matthias
    01217 Dresden (DE)
  • Schladitz, Frank
    04824 Beucha (DE)
  • Curbach, Manfred
    01187 Dresden (DE)
  • Mechtcherine, Viktor
    01069 Dresden (DE)
  • Fröhlich, Maik
    17489 Greifswald (DE)
  • Kellner, Urte
    17498 Wackerow (DE)

(74) Vertreter: Weissfloh, Ingo 
Prellerstrasse 26
01309 Dresden
01309 Dresden (DE)

   


(54) TEXTILE BEWEHRUNG MITTELS GARN UND VERFAHREN ZUR VORBEREITUNG EINES GARNS


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vorbereitung eines Garns, insbesondere ein Multifilamentgarn, für einen Einsatz als textile Bewehrung in einem Matrixmaterial, insbesondere einem mineralischen Matrixmaterial, eine textile Bewehrung und ein Bauteil, umfassend diese Bewehrung. Aufgabe der Erfindung ist es, die Benetzbarkeit von Multifilamentgarnen zu verbessern, vor allem für wässrige mineralische Beschichtungen. Zur Lösung wird die Oberfläche des Garns mittels eines plasmachemischen und/oder plasmaphysikalischen Prozesses in der Weise modifiziert wird, dass durch die resultierende Modifikation zumindest die Benetzbarkeit verbessert wird.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine textile Bewehrung mittels Garn, so dass ein ein Matrixmaterial und die Bewehrung umfassendes Bauteil gebildet wird. Als Matrixmaterial kommt auch ein wässriges, mineralisches Matrixmaterial, beispielsweise Beton, in Betracht. Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zur Vorbereitung eines Garns, insbesondere Multifilamentgarn, das als textile Bewehrung insbesondere in einem wässrigen, mineralischen Matrixmaterial zum Einsatz kommen kann.

[0002] Der Baustoff Beton ist sehr gut geeignet zur Aufnahme von Druckbelastungen. Er besitzt jedoch nur ein geringes Aufnahmevermögen hinsichtlich einer Zugbeanspruchung und zeigt ein ausgeprägt sprödes Materialversagen. Daher benötigen Betonbauteile zur Aufnahme von Zugspannungen, beispielsweise resultierend aus Biegemomenten oder aus Zwangsspannungen (z. B. Schwinden, Temperatur), eine Bewehrung. Durch die Kombination von Beton und zugkraftaufnehmender Bewehrung entsteht ein hochleistungsfähiger Baustoff. Die Bewehrung kann hierbei in verschiedenen geometrischen Anordnungen eingebaut werden, wobei meistens gitterförmige Strukturen oder Stäbe zur Anwendung kommen. Als Material wird bisher Baustahl eingesetzt, der in Abhängigkeit vorliegender Expositionen mit Betonüberdeckungen von bis zu 5,5 cm gegen Korrosion geschützt werden muss. Zur Reduzierungen der Betonüberdeckungen wird deshalb seit mehreren Jahren an korrosionsunempfindlichen Materialien wie Carbon oder alkaliresistentem Glas (AR-Glas) geforscht und es werden Bewehrungen aus diesen Materialien für eine breite baupraktische Anwendung vorbereitet. Ein erster Schritt wurde mit dem Verbundmaterial Textilbeton erreicht.

[0003] Textilbeton oder auch textilbewehrter Beton ist ein Verbundwerkstoff aus Beton und einem textilen Flächengebilde (Gelege). Das als Bewehrung dienende Textilgelege besteht bevorzugt aus Multifilamentgarnen, wobei als Werkstoffe AR-Glas, Carbon und/oder Basalt eingesetzt werden. Die einzelnen Multifilamentgarne, nachfolgend als Roving bezeichnet, sind aus mehreren tausend Filamenten zusammengesetzt. Die Filamentdurchmesser liegen in einem Bereich zwischen ca. 7 µm (Carbon) und 20 µm (AR-Glas). Würde man die Rovings unbeschichtet in den Beton einlegen, würden sich lediglich die äußeren Filamente der Rovings mit dem Beton verbinden. Die inneren Filamente haben regelmäßig keine Verbindung zur Betonmatrix. Somit werden sich in erster Linie nur die äußeren Filamente an der Lastabtragung beteiligen und die potenzielle Tragfähigkeit der Garne wird nicht ausgenutzt.

[0004] Zur gewünschten Beteiligung aller Filamente am Lastabtrag wird der Roving bzw. das Textil mit einer Polymerbeschichtung bezüglich der Filamente bzw. einer Imprägnierung des gesamten Rovings versehen, die in die Struktur infiltriert. Als Beschichtungsmaterialien kommen heute überwiegend Stryrolbutadien und Epoxidharz zum Einsatz. Das Verbundverhalten zwischen den inneren Filamenten der Garne wird verbessert und damit werden die Tragreserven des Garnmaterials stärker ausgenutzt. Gleichzeitig wird auch der Verbund zwischen Garn und umgebendem Feinbeton gesteigert. Die Tragfähigkeit der beschichteten Strukturen ist damit deutlich höher als die der unbeschichteten Rovings bzw. Textilien. In gleicher Weise erfolgt die Lastabtragung auch bei stabförmigen Bewehrungen aus faserverstärktem Kunststoff.

[0005] Die typischerweise verwendeten Bewehrungsmaterialien, wie beispielsweise Carbon, und auch der Beton als Matrixmaterial sind deutlich temperaturbeständiger und dauerhafter als die Kunststoffbeschichtung, die das Bewehrungsmaterial umhüllt und untereinander und mit dem Matrixmaterial verbindet. Die Beschichtung, die als Grenzschicht insbesondere für den entscheidenden Verbund zur umgebenden Matrix des Bauteils maßgebend ist, bestimmt daher wesentlich das Temperatur- bzw. Brandverhalten, das Dauerstandverhalten und das zeitabhängige Verformungsverhalten von Textilbeton unter Last (Kriechen). Deshalb kommt den Eigenschaften des Beschichtungsmaterials eine hohe Bedeutung zu.

[0006] Neben den vielen herstellungstechnologischen und gebrauchstechnischen Vorteilen besitzen die aktuellen Bewehrungen, vergleichbar mit faserverstärkten Kunststoffen, in flächiger oder stabförmiger Form eine Beschichtung bzw. eine Bindematrix, welche allerdings weder sehr temperaturbeständig noch dauerhaft ist. Das Problem der bisher verwendeten Kunststoffe ist, dass diese in Abhängigkeit des verwendeten Systems zumeist sehr temperaturanfällig sind. Ab Temperaturen zwischen 40 °C und 120 °C lässt die positive Wirkung der Beschichtung nach. Durch Erweichen wird ihre Funktion erheblich gemindert. Bei einem Bauteilnachweis für den Brandfall ist meist eine Temperaturbeständigkeit der Beschichtung von bis zu 600 °C erforderlich. Des Weiteren kann eine andauernde Belastung der Kunststoffe zum ausgeprägten Kriechen der Beschichtung und damit zur ungewollten, sehr deutlichen Verformungszunahme des Verbundbauteils führen. Die Dauerhaftigkeit, die bei Kunststoffen für eine begrenzte Zeit gegeben ist, kann insbesondere durch das alkalische Milieu im Beton zu einer Versprödungen und/oder Alterung führen.

[0007] Die zur Erhöhung der Ausnutzung der theoretischen Garnfestigkeit eingesetzten Polymerdispersionen lassen sich herstellungstechnologisch relativ günstig auf die Garnstrukturen auftragen und sind auch in der Lage, die Strukturen leichter zu infiltrieren. Durch Modifikation und Anpassung der Polymere können die Eigenschaften der beschichteten Bewehrungsstrukturen gezielt an die Erfordernisse des Handlings eingestellt werden. Dies betrifft beispielsweise die Verformbarkeit. Die Polymere werden meist in Form von Dispersionen über Beschichtungswalzen auf flächige textile Strukturen aufgetragen und mittels Infrarotstrahlung thermisch getrocknet und vernetzt. Stabförmige Faserbewehrungen werden durch Pultrudieren mit geeigneten Systemen aus thermoplastischen oder duroplastischen Harzen hergestellt. Ein solches Verfahren beschreibt beispielhaft die Druckschrift US 4 728 387 A.

[0008] Während die nach dem Stand der Technik genutzten Polymere eine gute Beschichtung auch von Rovings zulassen, ist dies bei alternativen Materialien, die sehr temperaturbeständig und dauerhaft sind und auch im alkalischen Milieu im Beton nicht zu einer Versprödungen oder Alterung, nicht der Fall. Hinsichtlich ihrer Eigenschaften im Beton gut geeignete Beschichtungsmaterialien sind beispielsweise wässrige Suspensionen mineralischer anorganischer Bindemittel.

[0009] Es wäre somit sinnvoll eine Methode zu entwickeln, mit der auf die polymere Kunststoffbeschichtung verzichtet werden kann und die Bindung der einzelnen Filamente durch temperaturbeständige Matrices, beispielsweise auf mineralischer Basis, erfolgt. Dies ist vor allem für die Sicherstellung des Hochtemperaturverhaltens (Feuerwiderstand) von hoher Bedeutung. Wenn dazu Multifilamentgarne in kompakter Form durch eine mineralische Bindemittelsuspension geführt werden, erfolgt aufgrund der Partikelgröße der Bindemittelbestandteile eine Infiltrierung nur im äußeren Bereich des Garns, so dass die inneren Filamente unbenetzt bleiben. Ein Lösungsversuch wird mit der Druckschrift US 6 174 5959 B1 angeboten, mit der eine nichtrostende Umhüllung von Stäben, Leitungen oder Rohren erreicht werden soll und die auch als mineralisches Matrixmaterial Zement (vgl. Sp. 8, Z. 63) vorsieht. Dabei kommt es nicht auf statische Aspekte, sondern auf die Dichtheit der Umhüllung an. Dafür werden die Filamentbündel jedoch verdrillt oder nochmals quer zur Hauptfaserrichtung umwickelt. Beides würde Carbonfasern angesichts der geringen Festigkeit quer zur Längsrichtung zerstören. Zweifel an der Ausführbarkeit bleiben daher bestehen, soweit die Offenbarung auf mineralisches Matrixmaterial bzw. auf Carbonfasern (vgl. Sp. 14, Z. 14 - 17) abstellt. Wie hingegen eine für statische Anwendungen wichtige sichere Anbindung zwischen den Fasern und der umgebenden Matrix erreicht werden soll, wird nicht dargelegt, sondern nur behauptet (vgl. Sp. 8, Z. 38 - 39; Sp. 10, Z. 16 - 17). Tatsächlich wird es bisher ungelöste Probleme damit geben, eine angemessene Benetzung der Fasern mit dem Matrixmaterial zu erreichen, sofern ein wässriges, mineralisches Matrix- bzw. Beschichtungsmaterial Verwendung finden soll.

[0010] Ein technologisches Problem bei dem zuvor genannten Lösungsansatz besteht folglich darin, dass die unbeschichteten Faseroberflächen von Multifilamentgarnen (beispielsweise Carbon) sich nicht affin gegenüber den wässrigen Suspensionen mineralischer anorganischer Bindemittel verhalten. Die bekannten Lösungen zum Auftrag der polymeren Beschichtungen können daher insbesondere nicht ohne Anpassungen und/oder Erweiterungen der Technologie auf wässrige mineralische Beschichtungen und Matrixsysteme übertragen werden. Auf Grund der wenig affinen Eigenschaften der Multifilamentgarne gegenüber den Suspensionen wird eine nur unzureichende Umhüllung und/oder Einbettung in die mineralische Matrix erzielt. Durch den verminderten Verbund werden die Tragreserven der Faserstrukturen nur unzureichend ausgenutzt.

[0011] Aufgabe der Erfindung ist es daher, die Benetzbarkeit von Multifilamentgarnen auf einfache und kostengünstige Weise zu verbessern, vor allem für wässrige mineralische Beschichtungen, damit auf die Faseroberfläche zusätzliche mineralische oder metallische Schichten aufgetragen werden können. Es soll eine Methode oder ein Verfahren zur Verfügung gestellt werden, womit die Faseroberfläche von Bewehrungsstrukturen affiner bzw. hydrophiler gegenüber wässrigen Suspensionen von mineralischen, anorganischen Bindemittelmatrices gestaltet werden kann. Weiterhin sollen eine textile Bewehrung mit verbesserter Benetzbarkeit und ein bewehrtes Bauteil angeboten werden.

[0012] Die Aufgabe der Erfindung wird gelöst durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1. Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den Unteransprüchen angegeben.

[0013] Zwar sind plasmachemische bzw. plasmaphysikalische Prozesse an sich bekannt aus dem Stand der Technik:

[0014] Käppler, Iris; Hund, Rolf-Dieter, Cherif, Chokri: Surface modification of carbon fibres using plasma technique. Autex Research Journal, Band 14, Heft 1, Seiten 34-38, ISSN (Print) 1470-9589, 001: 10.2478/v10304-012-0048-y, March 2014.
Hier werden jedoch nur die Oberflächeneigenschaften mittels Plasma manipuliert mit dem Ziel einer besseren Benetzbarkeit der Filamente zum Kleben der Garne, was als Ersatz für die textiltechnische Bindung dienen soll.

[0015] Lee, Seung-Wook; Lee, Hwa-Young; Jang, Sung-Yeon; Jo, Seong-Mu; Lee Hun-Soo; and Le, Sungho: Tensile Properties and Morphology of Carbon Fibers Stabilized by Plasma Treatment. Carbon Letters, Vol. 12, No. 1 March 2011, pp. 16-20.
Hierbei dient jedoch die Plasmabehandlung nur einer Modifikation des Herstellungsprozesses einer Faser. Durch eine Nachbehandlung mit Plasma sollen dabei die mechanischen Eigenschaften verbessert werden.

[0016] Überraschend zeigte sich nach der erfindungsgemäßen Anpassung und Anwendung derartiger Prozesse auf Garne, insbesondere Multifilamentgarne, für den Einsatz als textile Bewehrung, dass ein verbesserter Verbund der Fasern zur Beschichtung oder zur umgebenden (insbesondere mineralischen) Matrix durch eine Vorbehandlung der Fasern, die eine Modifizierung der Oberfläche zum Ergebnis hat, erreicht werden konnte. Der Ansatz der vorliegenden Erfindung besteht darin, an sich bekannte Methoden und Verfahren auf Basis plasmachemischer und -physikalischer Prozesse zur Verfügung zu stellen und derart zu modifizieren, so dass mit ihnen:
  • die Faseroberfläche von Multifilamentgarnen affiner/hydrophiler gegenüber den wässrigen Suspensionen von mineralischen anorganischen Bindemittelmatrices gestaltet werden kann,
  • auf der Faseroberfläche von Multifilamentgarnen zusätzliche mineralische Schichten (beispielsweise Keramik) zur Steigerung des Verbundes aufgetragen werden können,
  • auf der Faseroberfläche von Multifilamentgarnen zusätzliche elektrisch leitfähige Schichten zur Kontaktierung aufgetragen werden können (beispielsweise für Heizgelege, Sensorik etc.).


[0017] Durch die verbesserte Benetzbarkeit der Filamente oder das Auftragen mineralischer Schichten kann das Verbundverhalten bzw. der Lastabtrag von Bewehrungsstrukturen aus Multifilamentgarnen generell entscheidend gesteigert werden.

[0018] Einen vielversprechenden positiven Effekt im Hinblick auf die Steigerung des Verbundverhaltens zeigte sich bei der Plasmabehandlung von Carbongarnen zur Oberflächenmodifizierung (Hydrophilierung), welche nachfolgend in mineralischen Matrices eingebettet wurden. Für die technologische Umsetzung zeigte sich als besonders vorteilhaft, dass sich auf der Faseroberfläche und zwischen den Filamenten im Faserbündel leichter kristalline Strukturen herausbilden können.

[0019] Zur Verbesserung der Verbundeigenschaften können zusätzliche Maßnahmen, beispielweise durch Profilierung der Garne bzw. Strukturen ausgeführt werden. Diese können durch einen lokalen Auftrag mit Harzsystemen ausgeführt werden, welche sich wiederum problematisch in Bezug auf höhere Temperaturen und/oder Brandeinwirkung verhalten.

[0020] Die Aufgabe der Erfindung wird weiterhin gelöst durch einen plasmachemischen Prozess. Dabei wird eine gezielte Modifizierung der Faseroberfläche (beispielsweise Carbon, AR-Glas, Basalt) für einen nachfolgenden Auftrag mit einem weiteren Stoff, hier beispielsweise in Form einer wässrigen Suspension mit mineralischen Feinststoffen, ausgeführt. Im Rahmen der plasmabasierten Modifizierung erfolgt eine Wechselwirkung des Plasmas mit den Faseroberflächen bzw. mit der herstellungstechnologisch aufgebrachten Faserschlichte. In Abhängigkeit der gewählten Prozessparameter (Zusammensetzung der Prozessgase, Prozesszeit, Anregungsfrequenz und -leistung, Druck und Gasdurchsatz) kann durch die Interaktion Plasma - Oberfläche in Form von Änderung der Molekülstrukturen an der Oberfläche und der damit verbundenen Erhöhung des polaren Bindungsanteils die Oberflächenenergie gezielt eingestellt werden, was zu einer Verbesserung der Benetzungsfähigkeit bzw. Reaktionsfähigkeit mit dem Beschichtungs-/ Imprägnierungsmaterial führt.

[0021] Neben der erwähnten wässrigen mineralischen Suspension sind durch Anpassungen der Prozessbedingungen und der technologischen Randbedingungen auch andere Arten von Beschichtungs-/ Matrixmaterialien denkbar. Solche Randbedingungen sind vor allem Prozessparameter, wie Zusammensetzung der Prozessgase, Prozesszeit, Anregungsfrequenz und -leistung, Druck und Gasdurchsatz.

[0022] Der Ansatz zur Aktivierung der Faseroberflächen kann somit neben mineralisch basierten Systemen wie bewehrten Beton auch auf andere Matrixsysteme, wie beispielsweise Polymerdispersionen oder verschiedene Harzsysteme übertragen werden.

[0023] Weiterhin kann das Verbundverhalten der Bewehrungsstrukturen durch die Abscheidung von keramischen Lagen verbessert werden. Der Prozess des Schichtauftrags basiert auf plasmachemischen Prozessen (PECVD-Verfahren, englisch: plasma-enhanced chemical vapour deposition), bei denen ein dem keramischen Material entsprechender Präkursor, z.B. HMDSO (Hexamethyldisiloxan) oder TEOS (Tetraethylorthosilicat), zur Anwendung kommt. Der Auftrag kann abschnittsweise bzw. lokal begrenzt erfolgen (beispielsweise Knoten), so dass der Vorteil der Flexibilität der Bewehrungsstrukturen aus Multifilamentgarnen erhalten bleibt.

[0024] Elektrisch leitfähige Kontaktierungen von Carbonstrukturen (Heizgelegen) werden, soweit bekannt, bisher durch Aufpressen von metallischen Hülsen oder Bändern hergestellt. Durch den Auftrag von metallischen Schichten, der mittels PVD-Verfahren erfolgt, können elektrische leitende Garne (Carbon) dauerhaft kontaktiert werden. Das PVD- Verfahren basiert auf der Zerstäubung von leitendem Material, welches im Laufe des Beschichtungsprozesses auf der Garnstruktur kondensiert und somit dort abgeschieden wird. Als Zerstäubungsprozess kommt das Magnetronsputtern mit Argon als Arbeitsgas zum Einsatz.

[0025] Der Kern der Erfindung liegt vor allem in der Möglichkeit der Plasmatechnologie zur Modifikation der Oberflächeneigenschaften von Materialien, die an sich zwar seit mehreren Jahrzehnten bekannt ist. Die praktische und kommerzielle Anwendung für industrielle Problemlösungen ist mit der Zeit deutlich angestiegen. Die Anwendungsfelder sind dabei sehr verschieden. Neben der Oberflächenmodifikation zum Fügen verschiedener Materialien spielt auch die Oberflächenmodifikation (u. a. mittels Schichtauftrag) zur Verbesserung der Gebrauchseigenschaften eine große Rolle, beispielsweise Kratzschutz, Verspiegelung, Bedruckbarkeit, Barriereschutz etc. Demgegenüber ist der Einsatz der Plasmatechnologie zur Modifikation von Faseroberflächen in Multifilamentgarnen mit dem Ziel einer besseren Benetzbarkeit (Hydrophilierung) mit wässrigen mineralischen Suspensionen trotz der langen Bekanntheit der zugrundeliegenden Technologie nicht bekannt und stellt mit seinem überraschenden Effekt das Wesentliche der vorliegenden Erfindung dar.

[0026] Das finale Ziel für den vorrangigen Anwendungszweck ist die Erhöhung der Verbundeigenschaften zwischen den einzelnen Filamenten und der mineralischen Matrix sowohl innerhalb der Garne als auch außerhalb zur umgebenden mineralischen Matrix in zementgebundenen Bauteilen. Anstelle der mineralischen Matrix sind auch andere Matrixsysteme denkbar.

[0027] Eine weitere Neuheit besteht in dem Auftrag mineralischer Schichten (Keramik) mittels PECVD-Verfahren auf (Carbon-) Bewehrungsstrukturen. Die plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (englisch plasma-enhanced chemical vapour deposition, PECVD; auch engl. plasma-assisted chemical vapour deposition, PACVD, genannt) ist eine Sonderform der chemischen Gasphasenabscheidung (CVD), bei der die chemische Abscheidung durch ein Plasma unterstützt wird. Das Plasma kann direkt beim zu beschichtenden Substrat (Direktplasma-Methode) oder in einer getrennten Kammer (Remote-Plasma-Methode) brennen.

[0028] Der Auftrag kann vollflächig oder graduell erfolgen. Der graduelle bzw. abschnittsweise Auftrag ermöglicht eine dosierte Einleitung der Verbundkräfte, um das Last-Verformungsverhalten und Versagensverhalten des Materials den jeweiligen Anforderungen entsprechend zu steuern.

[0029] Ebenso können Endverankerungen von vorgespannten Bewehrungsstrukturen (beispielsweise Carbon, AR-Glas, Basalt) durch den Auftrag von keramischen Schichten hergestellt werden. Bei Carbon haben diese den zusätzlichen Vorteil, dass die Querdruckempfindlichkeit zum Fassen der Bewehrungen reduziert wird.

[0030] Die elektrische Kontaktierung von Carbon durch Auftragen von Metallen ermöglicht eine widerstandsarme und dauerhafte Verbindung.

[0031] Die Aufgabe der Erfindung wird auch gelöst durch eine textile Bewehrung gemäß Anspruch 8 und ein derart bewehrtes Bauteil gemäß Anspruch 13.

[0032] Wesentliche Vorteile sind beispielsweise:
  • bessere Benetzbarkeit der Filamentoberflächen von Multifilamentgarnen mit wässrigen mineralischen Suspensionen (Hydrophilierung);
  • keine chemische Behandlung zur Aktivierung der Faseroberflächen erforderlich;
  • Anwendbarkeit in einem großtechnischen Herstellungsprozess;
  • eine zusätzliche Kunststoffbeschichtung zwischen Beton und Garnen oder Filamenten ist nicht notwendig;
  • die Bewehrungsstrukturen sind damit temperaturbeständiger und dauerhafter als bisherige Lösungen;
  • durch vollständiges oder graduelles Auftragen keramischer Schichten kann das Verbundverhalten gesteuert werden;
  • eine gradueller Schichtauftrag ermöglicht den Erhalt der Flexibilität der Bewehrung beim Handling;
  • durch Abscheidung metallischer Schichten können Carbonstrukturen leitfähig kontaktiert werden (beispielsweise Heizmatten);
  • die Bewehrungsstrukturen besitzen einen hervorragenden Verbund zum später umgebenden Beton (chemisch kompatible Matrices von Bewehrung und Beton).


[0033] Durch die verbesserte Benetzbarkeit der einzelnen Filamente werden das Verbundverhalten bzw. der Lastabtrag der finalen Bewehrungsstruktur entscheidend gesteigert. Hierdurch ist eine hohe Ausnutzung der Tragreserven der Garnstrukturen bei der Einbettung in mineralischen Matrixsystemen insbesondere im Hinblick auf das Verhalten von Verbundbauteilen (z. B. aus Textilbeton) bei erhöhten Temperaturen (einschließlich Brandbeanspruchung) erreichbar. Als Bewehrungsstrukturen sind sowohl Stäbe als auch gitterförmigen Strukturen vorgesehen.

[0034] Weitere Einzelheiten, Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen mit Bezugnahme auf die zugehörigen Zeichnungen.

[0035] Fig. 1 zeigt schematisch eine Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Bewehrung umfassend ein Garn 1 sowie ein Detail des Garns 1, insbesondere eines Multifilamentgarns. Die Multifilamentgarne bzw. Rovings, bilden ein Gelege. Die erfindungsgemäße Behandlung des Rovings erfolgt nur als partielle Modifikation 2, um an den Knotenpunkten des Geleges, um dort den Auftrag von mineralischen Schichten, hier einer Keramik als zusätzlicher mineralischer Schicht 3, zu ermöglichen.

[0036] Fig. 2 zeigt schematisch eine Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Garns 1, das anstelle einer vollflächigen Modifikation 2, also Behandlung der Oberfläche oder Auftrag eines weiteren Materials, auch abschnittsweise oder nur am Ende die Modifikation 2 aufweist. Dabei ist von Bedeutung, wie die Kräfte auf das Matrixmaterial übertragen werden, v. a. unter Vermeidung eines Herausreißens von Matrixmaterial durch Überlast. Die Behandlung im Endbereich sorgt für eine verbesserte Endverankerung 4. Dargestellt ist der beschichtende Auftrag einer Keramik als zusätzlicher mineralischer Schicht 3.


Ansprüche

1. Verfahren zur Vorbereitung eines Garns, insbesondere ein Multifilamentgarn, für einen Einsatz als textile Bewehrung in einem Matrixmaterial, insbesondere einem mineralischen Matrixmaterial, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberfläche des Garns (1) mittels eines plasmachemischen und/oder plasmaphysikalischen Prozesses in der Weise modifiziert wird, dass durch die resultierende Modifikation (2) zumindest die Benetzbarkeit verbessert wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Faseroberfläche des Garns (1) affiner und/oder hydrophiler gegenüber wässrigen Suspensionen von mineralischen anorganischen Bindemittelmatrices gestaltet wird, indem durch einen plasmachemischen und/oder plasmaphysikalischen Prozess die Oberflächenenergie der Filamente im Garn so beeinflusst wird, dass eine verbesserte Durchdringung einer wässrigen mineralischen Beschichtung innerhalb des Garns (1) erfolgt und damit eine sichere Anbindung an ein mineralisches Matrixmaterial möglich ist.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Faseroberfläche des Garns (1) affiner und/oder hydrophiler gegenüber Polymerdispersionen oder Harzsystemen gestaltet wird, indem durch einen plasmachemischen und/oder plasmaphysikalischen Prozess die Oberflächenenergie der Filamente im Garn (1) so beeinflusst wird, dass eine verbesserte Durchdringung von Polymerdispersionen oder Harzsystemen innerhalb des Garns erfolgt und damit eine sichere Anbindung an das Matrixmaterial möglich ist.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Faseroberfläche des Garns (1) derart vorbereitet wird, dass vollflächig oder graduell wenigstens eine zusätzliche mineralische Schicht (3) zur Steigerung des Verbundes mit der Beschichtung und/oder dem Matrixmaterial aufgetragen werden können, wobei der Auftrag durch das PECVD-Verfahren erfolgt und ein dem mineralischen Material entsprechender Präkursor zur Anwendung kommt.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, wobei als zusätzliche mineralische Schicht (3) eine Keramik vorgesehen ist.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei als Präkursor HMDSO oder TEOS vorgesehen sind.
 
7. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Faseroberfläche des Garns (1) derart vorbereitet wird, dass auf der Faseroberfläche des Garns (1) wenigstens eine zusätzliche elektrisch leitfähige Schicht, geeignet zur elektrischen Kontaktierung, aufgetragen werden können, indem der Auftrag von metallischen Schichten mittels PVD-Verfahrens erfolgt, wobei als Zerstäubungsprozess das Magnetronsputtern mit Argon als Arbeitsgas vorgesehen ist.
 
8. Textile Bewehrung, umfassend ein Garn, insbesondere Multifilamentgarn, dadurch gekennzeichnet, dass das Multifilamentgarn mit einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7 behandelte Filamente umfasst.
 
9. Bewehrung nach Anspruch 8, wobei auf die Faseroberfläche des Garns (1) wenigstens eine zusätzliche mineralische Schicht (3) zur Steigerung des Verbundes mit der Beschichtung und/oder dem Matrixmaterial auftragen ist.
 
10. Bewehrung nach Anspruch 9, wobei als zusätzliche mineralische Schicht (3) eine Keramik vorgesehen ist.
 
11. Bewehrung nach einem der Ansprüche 8 bis 10, wobei auf die Faseroberfläche des Garns (1) wenigstens eine zusätzliche elektrisch leitfähige Schicht (3), geeignet zur elektrischen Kontaktierung, aufgetragen ist.
 
12. Bewehrung nach Anspruch 11, wobei das als Bewehrung dienende Garn (1) zusätzlich als elektrisch aktives Bauteil eines Heizgeleges oder einer Sensoranordnung eingesetzt wird.
 
13. Bauteil, umfassend ein Matrixmaterial und ein Garn, insbesondere Multifilamentgarn, als Bewehrung, dadurch gekennzeichnet, dass die Bewehrung ein Garn (1) nach einem der Ansprüche 8 bis 12 umfasst.
 
14. Bauteil nach Anspruch 13, wobei das Bauteil als ein Betonbauteil, umfassend Beton als Matrixmaterial, ausgeführt ist.
 




Zeichnung







Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur