[0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Einrichtung und Verfahren zum Steuern
und/oder Überwachen von in einem Schienenverkehrsnetzwerk angeordneten dezentralen
Funktionseinheiten.
[0002] Derartige dezentrale Funktionseinheiten werden in Schienenverkehrsnetzwerken eingesetzt,
wo diese genutzt werden, um Fahrzeug beeinflussende und/oder Fahrzeug überwachende
Einheiten zu steuern und bezüglich der Funktionalität zu überwachen und um Prozessdaten
aufzunehmen und zurück an eine zentrale Steuerungs- und/oder Überwachungszentrale,
wie zum Beispiel eine Leitstelle zu melden. Als zugbeeinflussende Einheiten, die also
Anweisungen an den Fahrzeugführer geben oder sogar direkt Eingriffe in der Fahrzeugsteuerung
vornehmen oder direkt einen sicheren Fahrweg einstellen, können beispielsweise Signale,
Weichen, Balisen, Linienleiter, Gleismagnete und dergleichen sowie auch Sensoren zum
Erfassen von Prozessgrössen des fahrenden Zuges, wie Leistungsaufnahme, Geschwindigkeit
und dergleichen, betrachtet werden. Als Zug- und Gleisabschnitt überwachende Einheiten
können ebenfalls Balisen und Linienleiter, aber auch Achszähler und Gleisstromkreise
und andere Gleisfreimeldesysteme genannt werden.
[0003] Im Eisenbahnverkehr ist es üblicherweise so, dass diese dezentralen Funktionseinheiten
von einem Stellwerk oder einem abgesetzten Stellwerkrechner gesteuert werden. Für
den Datentransfer zwischen dem Stellwerk und den Funktionseinheiten im Gleisbereich
sind heute in der Regel standardisierte Kupferkabel vorgesehen, für deren klassische
Stelldistanzlängen wegen der physikalischen Übertragungsparameter, den Kabelbelägen
(RLC), bei 10 km in der Praxis die obere Grenze liegt. Bei gewissen Typen von Funktionseinheiten
kann diese obere Limite jedoch auch nur bei maximal 6,5 km liegen.
[0004] Heutzutage stehen jedoch auch schon Datennetzwerke bei Eisenbahnen im Einsatz, welche
dazu verwendet werden z.B. Daten unter benachbarten Stellwerken oder der Stellwerken
und Leittechnik auszutauschen. Sie werden auch eingesetzt, um zugbeeinflussende und/oder
zugüberwachende Funktionseinheiten zu steuern und zu überwachen, wodurch eine Überbrückung
von fast beliebigen Stelldistanzen zu ermöglichen ist. Diese Netzwerke sind vom Typ
eines Datentransportnetzwerkes (DTN), z.B. ein optisches Transportnetzwerkes, ausgestaltet
und werden für die Übermittlung von Daten für die operationelle Betriebsebene und
dergleichen eingesetzt.
[0005] Derartige Datennetzwerke erlauben eine sehr viel höhere Anzahl von Freiheitsgraden
hinsichtlich
- der Festlegung der Position der Kopplungspunkte für den Anschluss von Stellwerk- und
Leittechnikanlagen oder Teilen davon und somit dessen Aufstellungsorte,
- der angewandten Übertragungs-Verfahren und der Distanzen der Kommunikation unter verschiedenen
Anlagenteilen.
Diese Datennetzwerke ermöglichen so mitunter eine wesentliche Verbesserung beim Preis/Leistungsverhältnis
und dennoch ein hoch zuverlässiger und entsprechend sicherer Datenaustausch der Eisenbahnsicherungseinrichtungen
entlang von Gleisanlagen (der dezentralen Funktionseinheiten.
[0006] Der Aufbau von technischen Anlagen in der Bahninfrastruktur, ist aufgrund der über
100 jährigen Geschichte des des Eisenbahnwesens auf Robustheit und Zuverlässigkeit
ausgelegt. So werden auch heute sämtliche Stellwerkfunktionen in einer zentralisierten
Innenanlage, meist in einem separaten Stellwerkgebäude, ausgeführt. Die eigentlichen
Stellwerke basieren dabei heute in der Regel auf dem Spurplan- oder Verschlusstafelprinzip.
Sehr häufig wird zur Erlangung der erforderlichen Sicherheit auch die Einstellung
der Fahrstrassen nach dem Spurplanprinzip und die Überwachung und Verifizierung der
eingestellten Fahrstrassen nach dem Spurplanprinzip vorgenommen oder umgekehrt.
[0007] Heute arbeiten Relaisstellwerke wie auch elektronische Stellwerke entweder nach dem
Spurplanprinzip oder nach dem Verschlussplanprinzip (auch Verschlusstafelprinzip genannt).
Mechanische Stellwerke arbeiten nach dem Verschlussplanprinzip. Ein Bediener bringt
einen Signalhebel, und somit ein Signal, nur in Fahrtstellung, wenn die Bedingungen
gemäß dem Verschlussplan erfüllt sind. Als Bedingungen für die Signalfahrtstellung
wird im Verschlussplan die korrekte Lage der Weichen im Fahrweg aufgelistet, die erforderliche
Lage der Flankenschutzweichen etc. In den Relaisstellwerken werden diese Bedingungen
nicht mehr durch reine mechanische Verschlüsse realisiert, sondern durch von Relaiskontakten
unterbrochene Strompfade. Mit den Relaisstellwerken entstand denn auch das Spurplanprinzip.
Bei Relaisstellwerken nach dem Spurplanprinzip wird für jede dezentrale Funktionseinheit
in der Gleisanlage die entsprechende Relaisschaltung im Stellwerk eingebaut. Die ein
Gleisanlageobjekt abbildenden Relaisschaltungen werden gemäß dem Verlauf des Gleises
bzw. der darauf abgebildeten Fahrstrassen mit dem Spurkabel im sogenannten Spurplan
verbunden. Folgt zum Beispiel der Weiche 1 die Weiche 2, so werden die Relais der
Weiche 1 über das Spurkabel mit den Relais der Weiche 2 verbunden. Damit das Signal
einer Fahrstraße auf Fahrt geht, darf keine in der Fahrstraße bzw. in der Spur liegende
dezentrale Funktionseinheit den für die Fahrtstellung benötigten Strompfad über seine
Relaiskontakte unterbrechen. Erst wenn alle in der Fahrstraße liegenden Elemente der
Fahrstellung des Signals zustimmen, kann das Signal in die Fahrtstellung wechseln.
[0008] Der Vorteil des Spurplanprinzips liegt darin, dass unabhängig vom benachbarten Objekt
der Weiche 1 (Signal, Weiche, Block), die Relais der Weiche 1 immer genau gleich über
das genormte Spurkabel mit dem Nachbarelement verbunden werden. Der Größe des Stellwerks
sind theoretisch keine Grenzen gesetzt. Stellwerke nach dem Verschlussplanprinzip
lassen sich nur bis zu einer bestimmten Größe bauen, irgendwann wird der (bei mechanischen
und elektromechanischen Stellwerken in Form von Verschlußregistern oder Verschlußstangen
realisierte) Verschlussplan einfach zu groß und nicht mehr überschaubar.
[0009] Elektronische Stellwerke nach dem Verschlussplanprinzip arbeiten häufig mit Matrizen.
Elektronische Stellwerke nach dem Spurplanprinzip kennen immer noch Spuren, jedoch
sind dies nicht mehr Strompfade, sondern virtuelle Datenspuren zwischen benachbarten
Elementen. Die Informationen werden in Form von Telegrammen übermittelt. Nur in dem
Fall, dass eine Spur sich über mehrere Rechner der Stellwerksanlage verteilt, können
diese Telegramme auch an den Schnittstellen der Rechner untereinander verfolgt werden.
[0010] Die Steuerungsdaten für die dezentralen Funktionseinheiten in der Aussenanlage werden
dabei auch heute noch entweder in Form von Energiesignalen oder in Form von Datentelegrammen
übertragen. Grundsätzlich besteht aber die nachfolgende Funktionsaufteilung fort:
- Stellwerkinnenanlage (in der Regel in einem Rechnerraum untergebracht)
- Verwaltung der Verschlussfunktionen
- Schutz gegen Gegenfahrten
- Schutz vor unzeitigem Weichenumlauf
- Bereitstellen der Schnittstelle zu einem Fahrdienstleiter (dispositives Leitsystem)
- Aussenanlage mit den dezentralen Funktionseinheiten
- Ansteuern der dezentralen Funktionseinheiten, wie Weiche, Signallampen usw.
- Überwachen der dezentralen Funktionseinheiten, wie z.B. auf die Weichenendlage, das
Fliessen des Lampenstroms usw.
[0011] Grundsätzlich ist daher die eigentlich Logik des Bahnfahrens immer noch zentral in
der Stellwerkinnenanlage untergebracht. Dort sind zum Beispiel Schaltschränke mit
Signal- und Weichenbaugruppen vorgesehen, die die Signale und die Weichen in der Aussenanlage
steuern und auf den korrekten Stromfluss im Lampenstromkreis und die korrekte Leistungsaufnahme
während des Weichenumlauf und das korrekte Erreichen der Weichenendlage überwachen.
Deshalb sind derartige Stellwerke vergleichsweise gross und müssen entsprechend unterhalten
und im Betrieb auch klimatisch entsprechend eingestellt werden. Hier gelten also beispielsweise
besonders für die Betriebsbedingungen keine anderen Parameter, als diese auch für
Rechnerräume in Rechenzentren gelten.
[0012] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Einrichtung und
Verfahren zum Steuern und/oder Überwachen von in einem Schienenverkehrsnetzwerk angeordneten
dezentralen Funktionseinheiten anzugeben, die gegenüber den heute bestehenden Anlagen
einfacher und kostengünstiger zu betreiben ist und ggfs. auch einen geringeren Footprint
aufweist.
[0013] Diese Aufgabe wird bezüglich der Einrichtung erfindungsgemäss mit einer Einrichtung
zum Steuern und/oder Überwachen von in einem Schienenverkehrsnetzwerk angeordneten
dezentralen Funktionseinheiten gelöst, umfassend:
- a) ein übergeordnetes Steuerungssystem, wie z.B. ein dispositives Leitsystem, das
mit den dezentralen Funktionseinheiten mittels Datentelegrammen Informationen austauscht,
- b) ein Datentransportnetzwerk mit einer Anzahl von Netzzugangspunkten, wobei das übergeordnete
Steuerungssystem über mindestens einen Netzzugangspunkt an dem Datentransportnetzwerk
angekoppelt ist;
- c) Kommunikationseinheiten, die an einem Netzzugangspunkt angeschlossen sind und den
dezentralen Funktionseinheiten den Zugang zu dem Datentransportnetzwerk bereitstellen,
und
- d) die dezentralen Funktionseinheiten selbsttätig Steuerungs-, Überwachungs- und Verschlussfunktionen
ausführen und/oder verwalten sowie gemäss einem Spurplanprinzip mit dem jeweils gemäss
dem Spurplanprinzip nächst benachbarten dezentralen Funktionseinheit logisch verbunden
sind und mit diesen Daten zur Ausführung der Steuerungs- und/oder Überwachungs- und/oder
Verschlussfunktionen direkt austauschen.
[0014] Bezüglich des Verfahrens wird diese Aufgabe erfindungsgemäss durch ein Verfahren
zum Steuern und/oder Überwachen von in einem Schienenverkehrsnetzwerk angeordneten
dezentralen Funktionseinheiten gelöst, umfassend die Schritte:
- a) Bereitstellen eines übergeordnete Steuerungssystems, z.B. ein dispositives Leitsystem,
das mit den dezentralen Funktionseinheiten mittels Datentelegrammen Informationen
austauscht,
- b) Bereitstellen eines Datentransportnetzwerks mit einer Anzahl von Netzzugangspunkten,
wobei das übergeordnete Steuerungssystem über mindestens einen Netzzugangspunkt an
dem Datentransportnetzwerk angekoppelt ist;
- c) Bereitstellen von Kommunikationseinheiten, die an einem Netzzugangspunkt angeschlossen
sind und den dezentralen Funktionseinheiten den Zugang zu dem Datentransportnetzwerk
ermöglichen, und
- d) selbstätiges Ausführen von Steuerungs-, Überwachungs- und Verschlussfunktionen
und ggfs. von Verwaltungsfunktionen durch die dezentralen Funktionseinheiten, wobei
die dezentralen Funktionseinheiten gemäss einem Spurplanprinzip mit dem jeweils gemäss
dem Spurplanprinzip nächst benachbarten dezentralen Funktionseinheit logisch verbunden
sind und mit diesen Daten zur Ausführung der Steuerungs- und/oder Überwachungs- und/oder
Verschlussfunktionen direkt austauschen.
[0015] Auf diese Weise können die Stellwerkfunktionalitäten teilweise oder sogar vollständig
von einer zentralen Innenanlage weg in die dezentralen Funktionseinheiten ausgelagert
werden, was zur Folge hat, dass die Innenanlagen entweder drastisch verkleinert oder
sogar komplett aufgelöst werden kann.
[0016] In für das Umfeld des Schienenverkehrs zweckmässiger Weise können die dezentralen
Funktionseinheiten verkehrsüberwachende und verkehrssteuernde Einheiten, wie insbesondere
Signale, Weichen, Achszähler, Gleisstromkreise, punkt- und linienförmige Zugbeeinflussungselemente,
steuern und/oder überwachen. Dementsprechend kann dann das übergeordnete Steuerungssystem
ein Stellwerk und/oder ein Leitsystem umfassen. Es ist anzumerken, dass ein ggfs.
noch vorhandenes Stellwerk gegenüber einem Stellwerk herkömmlicher Bauart erheblich
schlanker aufgebaut ist, weil im Besonderen die bisher von einem Stellwerk wahrgenommenen
ungemein wichtigen und sicherheitskritischen Verschlussfunktionen in die dezentralen
Funktionseinheiten ausgelagert worden sind. Bei einer vollständigen Umsetzung der
vorliegenden Erfindung kommt es jedoch sogar zu einem Verschwinden des Rechnerraums
des Stellwerks.
[0017] Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung sind den übrigen
Unteransprüchen zu entnehmen.
[0018] Vorteilhafte Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung werden anhand der Zeichnung
näher erläutert. Dabei zeigen:
- Figur 1
- in schematischer Ansicht den Aufbau einer Einrichtung zur Steuerung und/oder Überwachung
von entlang eines Eisenbahnnetzwerkes angeordneten dezentralen Funktionseinheiten;
und
- Figur 2
- in schematischer Ansicht eine Topologie eines dezentralen Stellwerks.
[0019] Figur 1 zeigt in schematischer Ansicht den Aufbau einer Einrichtung E zur Steuerung
und/oder Überwachung von entlang eines Eisenbahnnetzwerkes (hier nicht weiter dargestellt)
angeordneten dezentralen Funktionseinheiten DFE1A bis DFEnA, DFE1B bis DFEnB usw.
(im Nachfolgenden auch Element Controller EC genannt). Sollte nicht eine bestimmte
Funktionseinheit gemeint sein, werden die dezentralen Funktionseinheiten nachfolgend
mit DFE oder EC bezeichnet. Derartige dezentrale Funktionseinheiten DFE werden genutzt,
um zugbeeinflussenden und/oder zugüberwachende Einheiten zu steuern und zu überwachen.
Als zugbeeinflussende Einheiten können beispielsweise Signale, Weichen, Balisen, Linienleiter,
Gleismagnete und dergleichen genannt werden. Als zugüberwachende Einheiten können
ebenfalls Balisen und Linienleiter, aber auch Achszähler und Gleisstromkreise genannt
werden. Beispielhaft wird durch die dezentrale Funktionseinheit DFE1C ein Signal S
gesteuert und überwacht. Die dezentrale Funktionseinheit DFE1C steuert dabei die Anzeige
der Signalbegriffe und führt respektive assistiert bei Überwachungsfunktionen, wie
beispielsweise der Überwachung des Lampenstroms im Signalstromkreis.
[0020] Jede dezentrale Funktionseinheit DFE respektive die von ihr gesteuerte/überwachte
Einheit verfügt im gesamten Netzwerk über eine eindeutige Adresse, beispielsweise
eine IP-Adresse oder eine MAC-Adresse.
[0021] Die Einrichtung E umfasst weiter ein Datentransportnetzwerk TN mit einer Anzahl von
Netzzugangspunkten 2 bis 16. An einem Teil dieser Netzzugangspunkte 6 bis 16 sind
Kommunikationseinheiten 18 bis 28 angeschlossen. Das Datentransportnetzwerk TN ist
hierbei als hochverfügbares Netzwerk ausgestaltet. Solche hochverfügbaren Strukturen
können sich einerseits durch eine redundante Ausführung des Netzes selbst und/oder
andererseits durch eine geschickte Re-Organisation des Netzes beim Ausfall eines Verbindungsstückes
ergeben.
[0022] Ausserdem umfasst die Einrichtung E ein übergeordnetes Steuerungssystem 30, das neben
anderen hier nicht weiter aufgeführten Komponenten eine Leitstelle LT und eine Service/Diagnose-Einheit
SD umfasst, die über die Netzzugangspunkte 2 und 4 mittels Ethernet-Verbindungen an
das Datentransportnetzwerk TN angeschlossen sind.
[0023] Wie in der Figur 1 gezeigt, müssen die dezentralen Funktionseinheiten DFE über eine
der Kommunikationsgruppen 18 bis 28 und den entsprechende Netzwerkknoten 6 bis 16
an dem Transportnetzwerk TN angekoppelt sein und können so über dieses Datentelegramme
erhalten oder austauschen. Die dezentralen Funktionseinheiten DFE sind dabei zu Untergruppen
a, b, c, d und e mit jeweils eigenem Subnetzwerk NA, NB, NC, ND und NE zusammengefasst.
Die Untergruppe a wird beispielsweise aus den dezentralen Funktionseinheiten DFE1A,
DFE2A, DFE3A bis DFEnA gebildet. Dabei sind die Untergruppen a bis e immer an ihren
beiden Enden mit je einer der Kommunikationsgruppen 18 bis 28 und einem Netzzugangspunkten
6 bis 16 verbunden. Jeder dezentralen Funktionseinheit DFE ist zudem ein Vermittlungsrechner
SU oder SCU, der alternativ auch direkt in die dezentrale Funktionseinheit DFE integriert
sein kann, vorgeschaltet, welcher für die dezentralen Funktionseinheiten DFE den Anschluss
an das Subnetzwerk bereitstellt, damit jede dezentrale Funktionseinheit DFE beim Ausfall
einer Kommunikationsgruppe noch von einer zweiten redundanten Kommunikationsgruppe
18 bis 28 angesprochen werden kann.
[0024] Jedes Subnetzwerk (NA bis NE) ist somit aus einer Anzahl von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen
von logisch benachbarten dezentralen Funktionseinheiten (DFE) aufgebaut. Dabei ist
eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung als autonome Übertragungsstrecke innerhalb des Subnetzwerks
ausgebildet, zum Beispiel als ISDN-Übertragungsstrecke oder als xDSL-Übertragungsstrecke
oder LWL-Übertragungsstrecke. Somit kann ein einzelnes Subnetzwerk sozusagen aus einzelnen
Übertragungszellen aufgebaut werden, die ihrerseits jeweils immer nur die Übertragung
von Punkt zu Punkt beherrschen müssen. Mit anderen Worten gesprochen können so beispielsweise
aus einfachen, eher kurzreichweitigen Übertragungstechniken auch ein viel längeres
und komplexeres Subnetzwerk zusammengesetzt werden. Aus diesem Grund ist es zweckmässig,
die Punkt-zu-Punkt-Verbindung an jedem Ende mit einem Vermittlungsmodul (SU) zu terminieren,
wodurch sich sogar die Chance ergibt, die Punkt-zu-Punkt-Übertragungstechnik von Zelle
zu Zelle zu ändern und so die jeweils geeigneteste Übertragungstechnik auswählen zu
können. Ein geeignetes Vermittlungsmodul (SU) kann hierzu so ausgestaltet sein, dass
es eine Anzahl von Punkt-zu-Punkt-Übertragungstechniken bereitstellt und in Abhängigkeit
von der Beschaltung selbstorganisierend die durch die Beschaltung bestimmte Punkt-zu-Punkt-Übertragungstechnik
bereitstellt.
[0025] Um den Performance-Anforderungen zu genügen und mit einfachen Übertragungsmitteln,
wie z.B. ISDN, xDSL, SHDSL, arbeiten zu können, können die Telegramme innerhalb der
Subnetzwerke a bis e unterschieden werden in Realtime und Nichtrealtime-Telegramme:
- Realtime Telegramme: Nutzdatentelegramme vom Stellwerk zu den DFE's als spezielle
TCP/IP-Telegramme, spezieller Ethernet-Frametyp;
- Nicht-Realtime Telegramme: normale TCP/IP-Telegramme, keine Nutzdatentelegramme.
[0026] Anders als im Stand der Technik sind die dezentralen Funktionseinheit DFE hier vorliegend
logisch nach dem Spurplanprinzip gekoppelt. Das Spurplanprinzip - wie schon weiter
im einleitenden Teil diskutiert - bewirkt, dass jede dezentrale Funktionseinheit mit
ihren nächsten für den Aufbau einer Fahrstrasse erforderlichen Nachbarn logisch verbunden
ist. Da die dezentralen Funktionseinheiten DFE hier nun auch Verschlussfunktionen
wahrnehmen, ist es ausreichend, wenn beim Aufbau einer Fahrstrasse der Verschluss
der von der jeweiligen dezentralen Funktionseinheit gesteuerten verkehrsüberwachenden
und/oder verkehrssteuernden Einheiten gemäss dem Weg des Spurplans weitergemeldet
wird. Mit anderen Worten heisst dies, dass beispielweise eine Weiche 2 erst dann stellwerkmässig
verschlossen werden kann, wenn beispielsweise die im Spurplan zuvor angeordnete Weiche
1 stellwerkmässig verschlossen worden ist. Stellwerkmässig verschlossen heisst hierbei,
dass die Lage der Weiche eingefroren wird und es damit unmöglich wird, dass die stellwerkmässig
verschlossene Weiche einer anderen Fahrstrasse zur Verfügung gestellt werden kann.
Erst nach einer erfolgten Befahrung der Fahrstrasse bzw. durch einen absichtlichen
Eingriff des Fahrdienstleiters aus dem Leitsystem LT heraus kann die Einstellung einer
Fahrstrasse aufgehoben und der Verschluss der verkehrsüberwachenden und/oder verkehrssteuernden
Einheiten gemäss der logischen Anordnung für diese Fahrstrasse im Spurplan beginnend
am Anfang der befahrenen/betroffenen Fahrstrasse aufgehoben werden kann.
[0027] Beispielhaft für die logische Verknüpfung von dezentralen Funktionseinheiten DFE
gemäss dem Spurplan ist eine gestrichelte Linie L eingezeichnet, die die dezentralen
Funktionseinheiten DFE1D und DFE3C verbindet. Gemäss der Pfeilrichtung der gestrichelten
Linie L muss also erst der Verschluss von dezentralen Funktionseinheit DFE3C an die
dezentrale Funktionseinheit DFE1D gemeldet werden, bevor letztere ebenfalls die von
ihr gesteuerte verkehrsüberwachende und verkehrssteuernde Einheit verschliesst.
[0028] Figur 2 zeigt nun in schematischer Weise eine beispielhafte Topologie für die Einrichtung
E mit einem dezentralen virtuellen Stellwerk. Der Ausdruck "virtuell" wird hier bewusst
verwendet, weil die eigentliche Stellwerkinnenanlage nicht mehr existend ist. Die
Sicherungsfunktionalität, die nach wie vor auch in dieser Einrichtung E wahrgenommen
wird, ist nun dezentral auf die dezentralen Funktioneinheiten, hier vereinfachend
eingezeichnet als Controller C1 bis C4, verteilt und gemäss Spurplanprinzip logisch
verschaltet.
[0029] Bei der Projektierung wird nun jedem Controller C1 bis C4 seine im Spurplan benachbarten
Controller C1 bis C4 mitgeteilt, z.B. in Form einer IP-Adresse oder einer Mac-Adresse.
Einige Controller C1 bis C4 müssen noch zusätzliche Aufgaben übernehmen, deren Verteilung
durch die Projektierung festgelegt werden kann. So übernehmen die beiden Controller
C2 und C4 die Kommunikation zu einem Nachbarstellwerk STW (virtuell oder zentral mit
Innenanlage vorhanden). Diese Kommunikation könnte aber auch über das Datennetzwerk
NT zu dem Nachbarstellwerk geroutet werden.
[0030] Die eigentliche Gleistopologie umfasst drei Gleisabschnitte G1 bis G3 sowie eine
Weiche W1 mit einem Weichenantrieb WA1 und drei Lichtsignalen S1, S2 und S4. Die Controller
C1 bis C4 verwalten hier auch die Verschlüsse und die Gleisfreimeldung GF für die
ihnen jeweils zugeordneten Gleisabschnitte G1 bis G3. Das übergeordnete Steuerungssystem
30 ist hier in Form einer Cloud dargestellt, in der die Funktionalität des dispositiven
Leitsystems LT und der Service/Diagnose-Einheit SD ausgeführt werden.
[0031] Nachfolgend wird ein Beispielablauf für die Einstellung einer Fahrstrasse erläutert;
die einzustellende Fahrstrasse umfasst dabei die Gleisabschnitte G1 und G2.
[0032] Die Fahrstrasseneinstellung beginnt mit einer Anforderung der Fahrstrasse seitens
des dispositiven Leitsystems LT. Es soll also über das Signal S1 und die Weiche W1
aus dem Gleisabschnitt G1 in den Gleisabschnitt G2 gefahren werden. Der Controller
C1 erhält nun diese Anforderung direkt von dem Leitsystem LT. Der Controller C1 leitet
dieses Kommando an den Weichencontroller C3 weiter. Der Weichencontroller C3 prüft
mit der Gleisfreimeldung GF, wie z.B. ein Achszähler-Controller, Gleisstromkreis-Controller,
ob die Weiche W1 frei ist. Bei Vorliegen dieser Gleisfreimeldung steuert der Weichencontroller
C3 die Weiche W1 durch Ansteuern des Weichenantriebs WA1 nach links um und setzt nach
Quittierung der richtigen Weichenendlage (z.B. durch ein Weichenzungenkontrollgestänge)
einen Verschluss für die Weiche W1. Anschliessend leitet der Weichencontroller C3
das ursprünglich eingegangene Kommando zur Fahrstrasseneinstellung an den Controller
C2 weiter. Der Controller C2 prüft nun, ob für den von ihm überwachten Gleisabschnitt
G2 die Meldung, dass das Gleis G2 frei ist (Gleisfreimeldung GF = FREI), vorliegt.
Ausserdem kommuniziert der Controller C2 diese Fahrstrassenanforderung an das Nachbarstellwerk
STW, weil natürlich aus dem Gleisabschnitt G2 dann in einen von dem Nachbarstellwerk
kontrollierten Gleisabschnitt eingefahren werden wird. Der Controller C2 leitet nun
die Information, dass die Prüfungen für den von ihm kontrollierten Gleisabschnitt
G2 erfolgreich abgeschlossen sind, an den Controller C3 weiter. Der Controller C3
wiederum leitet diese Information an den ihm im Spurplan vorgeschalteten Controller
C1 weiter. Zu diesem Zeitpunkt sind nun sowohl die Weiche 1 als auch das Signal S2
in der entsprechenden Einstellung verriegelt (verschlossen). Der Controller C1 schaltet
nun die grüne Signallampe des Signals S1 ein und verschliesst diese Einstellung. Damit
kann der Controller C1 nun an das Leitsystem melden, dass die angeforderte Fahrstrasse
nun eingestellt und stellwerkmässig verschlossen ist. Ein Zug/Schienenfahrzeug kann
diese Fahrstrasse nun gefahrlos abfahren, was auch im Leitsystem LT auf den Lupenbildern
des Fahrdienstleiters entsprechend angezeigt wird.
[0033] Der Aufbau der Fahrstrasse erfolgt daher auch bei dieser Einrichtung E nach den regulären
Regeln (z.B. gemäss Fahrreglement des BAV/EBA) und den dort festgeschriebenen Regeln
des Spurplanprinzips. Ein besonderer Vorteil dieser Lösung besteht nun darin, dass
im Falle von Ausfällen in der Regel dann nur die betroffene dezentrale Funktionseinheit
ausfällt und nicht wie heute leider meist in einem Störungsfall das gesamte Stellwerk.
Zudem ist die Prozessinformation über den Verschlussstatus von einzelnen dezentralen
Funktionseinheiten direkt in der Aussenanlage verfügbar, sodass zum Beispiel auch
die Anschlussmöglichkeit für eine Rottenwarnanlage besteht. Durch einen konsequenten
Aufbau der Netztopologie nach dem vorstehenden Muster kann auch das Leitsystem LT
als echte Cloud-Lösung ausgeführt werden. Für Diagnosen können an jedem dezentralen
Funktionselement Netzwerkanschlüsse zur Verfügung gestellt werden. Ebenso werden Ferndiagnosen
erleichtert und der Zugriffsschutz kann verbessert werden. So können beispielsweise
sicherheitsrelevante Diagnosefunktionen nur lokal zur Verfügung gestellt werden.
1. Einrichtung (E) zum Steuern und/oder Überwachen von in einem Schienenverkehrsnetzwerk
angeordneten dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4), umfassend:
a) ein übergeordnetes Steuerungssystem (30), das mit den dezentralen Funktionseinheiten
(DFE, EC, C1 bis C4) mittels Datentelegrammen (DT) Informationen austauscht,
b) ein Datentransportnetzwerk (TN) mit einer Anzahl von Netzzugangspunkten (2 bis
16), wobei das übergeordnete Steuerungssystem (30) über mindestens einen Netzzugangspunkt
(2, 4) an dem Datentransportnetzwerk (TN) angekoppelt ist;
c) Kommunikationseinheiten (18 bis 28), die an einem Netzzugangspunkt (6 bis 16) angeschlossen
sind und den dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4) den Zugang zu dem
Datentransportnetzwerk (TN) bereitstellen, und
d) die dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4) selbsttätig Steuerungs-,
Überwachungs- und Verschlussfunktionen ausführen und/verwalten sowie gemäss einem
Spurplanprinzip mit der jeweils gemäss dem Spurplanprinzip nächst benachbarten dezentralen
Funktionseinheit (DFE, EC, C1 bis C4) logisch verbunden sind und mit diesen Daten
zur Ausführung der Steuerungs- und/oder Überwachungs- und/oder Verschlussfunktionen
direkt austauschen.
2. Einrichtung (E) nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4) verkehrsüberwachende und verkehrssteuernde
Einheiten, wie insbesondere Signale (S), Weichen (W1), Achszähler, Gleisstromkreise,
punkt- und linienförmige Zugbeeinflussungselemente, steuern und/oder überwachen.
3. Einrichtung (E) nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
das übergeordnete Steuerungssystem ein Stellwerk und/oder ein Leitsystem (LT) umfasst.
4. Verfahren zum Steuern und/oder Überwachen von in einem Schienenverkehrsnetzwerk angeordneten
dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4), umfassend die Schritte:
a) Bereitstellen eines übergeordnete Steuerungssystems (30), das mit den dezentralen
Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4) mittels Datentelegrammen (DT) Informationen
austauscht,
b) Bereitstellen eines Datentransportnetzwerks (TN) mit einer Anzahl von Netzzugangspunkten
(2 bis 16), wobei das übergeordnete Steuerungssystem (30) über mindestens einen Netzzugangspunkt
(2, 4) an dem Datentransportnetzwerk (TN) angekoppelt ist;
c) Bereitstellen von Kommunikationseinheiten (18 bis 28), die an einem Netzzugangspunkt
(6 bis 16) angeschlossen sind und den dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1
bis C4) den Zugang zu dem Datentransportnetzwerk (TN) ermöglichen, und
d) selbstätiges Ausführen von Steuerungs-, Überwachungs- und Verschlussfunktionen
sowie ggfs. das Verwalten dieser Funktionen durch die dezentralen Funktionseinheiten
(DFE, EC, C1 bis C4), wobei die dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4)
gemäss einem Spurplanprinzip mit dem jeweils gemäss dem Spurplanprinzip nächst benachbarten
dezentralen Funktionseinheit (DFE, EC, C1 bis C4) logisch verbunden sind und mit diesen
Daten zur Ausführung der Steuerungs- und/oder Überwachungs- und/oder Verschlussfunktionen
direkt austauschen.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
die dezentralen Funktionseinheiten (DFE, EC, C1 bis C4) verkehrsüberwachende und verkehrssteuernde
Einheiten, wie insbesondere Signale (S, S1, S2, S4), Weichen (W1), Achszähler, Gleisstromkreise,
punkt- und linienförmige Zugbeeinflussungselemente, steuern und/oder überwachen.
6. Verfahren nach Anspruch 4 oder 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
das übergeordnete Steuerungssystem ein Stellwerk und/oder ein Leitsystem (LT) umfasst.