[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Wärmebehandeln metallischer Werkstücke in
einem Ofenraum, insbesondere zum Nitrocarburieren, wobei die Werkstücke während mindestens
einer Behandlungsphase einer Behandlungsatmosphäre bei einer Behandlungstemperatur
ausgesetzt sind, wobei Stickstoff und Kohlenstoff in die Werkstücke diffundieren.
[0002] Das Nitrocarburieren ist ein Wärmebehandlungsverfahren zum Randschichthärten von
Werkstücken aus Stahl, bei dem die Werkstücke in einem Ofenraum eines Industrieofens
in einer Aufheizphase aufgeheizt und während einer Haltephase bei einer Behandlungstemperatur
von ca. 500°C bis 600°C einer Behandlungsatmosphäre ausgesetzt sind, wobei Stickstoff-
und Kohlenstoffatome in die Randschicht der Werkstücke eindiffundieren. Anschließend
folgt eine Abkühlphase. Es entstehen im Randbereich der Werkstücke eine Verbindungsschicht
und eine Diffusionsschicht. Beim Nitrocarburieren steht die Ausbildung der Verbindungsschicht
im Vordergrund. Die beiden Schichten sind relativ dünn. Ziel dieses thermochemischen
Verfahrens ist es, die Verschleißfestigkeit und die Korrosionsbeständigkeit, insbesondere
von unlegierten, niedrig bis mittellegierten Stählen zu verbessern.
[0003] Eine in der Praxis übliche Behandlungsatmosphäre zum Gasnitrocarburieren von metallischen
Werkstücken oder Bauteilen ist ein Gasgemisch aus Kohlenstoffdioxid (CO
2), Ammoniak (NH
3) Wasserstoff (H
2) und Stickstoff (N
2). Dabei dient das CO
2 als Kohlenstoffspender und das NH
3 als Stickstoffspender.
[0004] Die Behandlungsatmosphäre wird in der Praxis in dem Ofenraum des Industrieofens erzeugt.
Dazu wird gasförmiges Ammoniak (NH
3), Kohlenstoffdioxid (CO
2) und Stickstoff (N
2) direkt in den Ofenraum eingespeist. In bestimmten Fällen erfolgt aus regelungstechnischen
Gründen zusätzlich eine Einspeisung von Wasserstoff (H
2).
[0005] Zum Einbringen von Stickstoff und Kohlenstoff durch Diffusion in den Randbereich
von Werkstücken aus Stahl bzw. von Stahlbauteilen müssen der Stickstoff und der Kohlenstoff
in atomarer Form vorliegen. Die Erzeugung von atomarem Stickstoff erfolgt unter vorbestimmten
Temperatur- und Druckbedingungen durch Spaltung von Ammoniak im Ofenraum.
[0006] Ammoniak (NH
3) ist in gasförmiger Form ein stark unangenehm riechendes, reizendes und giftiges
Gas, welches zu Reizungen, Vergiftungen und Erstickungen führen kann. Die Arbeitssicherheit
während der Wärmebehandlung ist daher verbesserungsbedürftig. Zudem ist Ammoniak relativ
teuer, so dass die Wärmebehandlungskosten hoch sind.
[0007] Die Aufgabe der Erfindung besteht demgemäß darin, ein Verfahren zum Wärmebehandeln
metallischer Werkstücke, insbesondere zum Nitrocarburieren, dahingehend zu verbessern,
dass die vorgenannten Problematiken vermieden werden.
[0008] Gemäß der Erfindung wird die Aufgabe durch ein Verfahren nach Anspruch 1 gelöst.
Erfindungsgemäß wird die Behandlungsatmosphäre aus Harnstoff bzw. Kohlensäurediamid
(CH
4N
2O) und Wasser (H
2O) erzeugt. Harnstoff, mit der chemische Summenformel CH
4N
2O, hat eine Molmasse von 60,06 g/mol und ist wasserlöslich. Der Erfindung liegt die
Erkenntnis zugrunde, dass Harnstoff Kohlenstoff und Stickstoff enthält und somit beide
für das Nitrocarburieren notwendige Reaktionspartner C und N liefert. Harnstoff ist
im Gegensatz zu Ammoniak ungiftig und relativ preisgünstig. Durch Thermolyse im Ofenraum
bei Behandlungstemperaturen von 500°C bis 600°C zerfällt der Harnstoff in Ammoniak
(NH
3) und Isocyansäure (HNCO). Diese wiederum reagiert mit Wasser (Molmasse 18,015 g/mol)
durch Hydrolyse zu Ammoniak (NH
3) und Kohlenstoffdioxid (CO
2).
[0009] Die ablaufenden Reaktionen sind:
CH
4N
2O → NH
3 + HNCO
HNCO + H
2O → NH
3 + CO
2
CH
4N
2O + H
2O → 2NH
3 + CO
2
[0010] Harnstoff (CH
4N
2O) erzeugt in Verbindung mit einer dosierten Zugabe von Wasser (H
2O) idealerweise eine Behandlungsatmosphäre aus 66 % Ammoniak (NH
3) und 33 % Kohlenstoffdioxid (CO
2). Damit ist Harnstoff in Kombination mit Wasser zum Nitrocarburieren ideal verwendbar.
Das CO
2 dient während der Wärmebehandlung als Kohlenstoffspender und das NH
3 als Stickstoffspender.
[0011] Vorzugsweise beträgt das molare Verhältnis von Harnstoff (CH
4N
2O) zu Wasser (H
2O) etwa 1 zu 1.
[0012] Eine bevorzugte Ausführungsvariante ist dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff
(CH
4N
2O) und das Wasser (H
2O) unmittelbar in den Ofenraum eingespeist werden und die Behandlungsatmosphäre direkt
in dem Ofenraum erzeugt wird.
[0013] Vorzugsweise wird das Wasser (H
2O) in flüssiger Form in den Ofenraum eingespeist. Es ist aber auch möglich, das Wasser
(H
2O) in dampfförmiger Form in den Ofenraum einzuspeisen.
[0014] Im Rahmen der Erfindung kann der Harnstoff (CH
4N
2O) in fester Form in den Ofenraum eingebracht werden. Alternativ ist das erfindungsgemäße
Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff (CH
4N
2O) in dem Wasser (H
2O) gelöst und der Harnstoff (CH
4N
2O) in Form einer wässrigen Lösung in den Ofenraum eingespeist, vorzugsweise eingesprüht,
wird.
[0015] Je nach Anforderung kann in den Ofenraum Harnstoff (CH
4N
2O) in Form einer wässrigen Lösung und zusätzlich Harnstoff (CH
4N
2O) in fester Form eingebracht werden, um die Zusammensetzung der Behandlungsatmosphäre
zu verändern.
[0016] Eine Verfahrensvariante ist dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff (CH
4N
2O) und das Wasser (H
2O) in einen Vorspalter eingespeist werden, der auf eine Temperatur von mindestens
130°C, vorzugsweise mindestens 140°C, beheizt ist, dass die Behandlungsatmosphäre
in dem Vorspalter erzeugt wird und dass die Behandlungsatmosphäre von dem Vorspalter
in den Ofenraum geleitet wird. In dem Vorspalter wird durch chemische Reaktion die
gewünschte gasförmige Behandlungsatmosphäre erzeugt. Beim Erhitzen über den Schmelzpunkt
von 406 K zerfällt Harnstoff (CH
4N
2O) in Isocyansäure (HNCO) und Ammoniak (NH
3).
[0017] Die Kohlenstoffverfügbarkeit der Behandlungsatmosphäre kann mittels Zugabe eines
kohlenstoffhaltigen Zusatzgases erhöht werden. Als Zusatzgas kann beispielsweise Kohlenmonoxid,
Kohlendioxid oder Propan verwendet werden.
[0018] Vorzugsweise werden die Werkstücke während einer Haltephase bei einer Behandlungstemperatur
von 500°C bis 600°C der Behandlungsatmosphäre ausgesetzt. Der Haltephase geht eine
Aufheizphase voraus. Ferner schließt sich an die Haltephase eine Abkühlphase an. Am
Ende der Wärmebehandlung weisen die Werkstücke eine gesteigerte Oberflächenhärte und
eine gute Korrosionsbeständigkeit auf.
[0019] Die Erfindung wird im Folgenden anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels näher
erläutert.
[0020] Beim Nitrocarburieren werden Werkstücke aus Stahl in einem Ofenraum während einer
Aufheizphase aufgeheizt und während einer Haltephase bei einer Behandlungstemperatur
von 500°C bis 600°C einer gasförmigen Behandlungsatmosphäre ausgesetzt. An die Haltephase
schließt sich eine Abkühlphase an. Erfindungsgemäß wird die Behandlungsatmosphäre
aus Harnstoff bzw. Kohlensäurediamid (CH
4N
2O) und Wasser (H
2O) direkt im Ofenraum erzeugt. Harnstoff (CH
4N
2O) enthält Kohlenstoff und Stickstoff und somit beide für das Nitrocarburieren notwendigen
Reaktionspartner C und N. Der Harnstoff (CH
4N
2O) wird außerhalb des Ofenraums in dem Wasser (H
2O) gelöst und der Harnstoff (CH
4N
2O) in Form einer wässrigen Lösung zu Beginn der Haltephase direkt in den Ofenraum
gesprüht. Das molare Verhältnis von Harnstoff (CH
4N
2O) zu Wasser (H
2O) beträgt etwa 1 zu 1. Das molare Verhältnis von Harnstoff (CH
4N
2O) zu Wasser (H
2O) kann auch verändert werden, allerdings nur in einem geringen Maß.
[0021] Bei Behandlungstemperaturen von 500°C bis 600°C im Ofenraum zerfällt der Harnstoff
durch Thermolyse in Ammoniak (NH
3) und Isocyansäure (HNCO). Diese wiederum reagiert mit Wasser (Molmasse 18,015 g/mol)
durch Hydrolyse zu Ammoniak (NH
3) und Kohlenstoffdioxid (CO
2). Die daraufhin folgende Spaltung des Ammoniaks im Ofenraum nach der Formel
2NH
3 + CO
2 → 2[N] + 3H
2 + CO
2
ist an sich bekannt und wird daher nicht näher beschrieben.
[0022] Die wässrige Harnstofflösung reagiert im Ofenraum idealerweise zu einer Behandlungsatmosphäre
aus 66% Ammoniak (NH
3) und 33 % Kohlenstoffdioxid (CO
2).
[0023] Während der Haltephase diffundieren Stickstoff- und Kohlenstoffatome in den Randbereich
der Werkstücke. Es entsteht eine äußere Verbindungsschicht und eine Diffusionsschicht.
Beim Nitrocarburieren steht die Ausbildung der Verbindungsschicht im Vordergrund.
Die Kohlenstoffatome diffundieren nur in die Verbindungsschicht. Am Ende der Wärmebehandlung
weisen die Werkstücke eine gesteigerte Oberflächenhärte und eine gute Korrosionsbeständigkeit
auf.
[0024] Je nach Anforderung besteht im Rahmen der Erfindung die Möglichkeit, in den Ofenraum
Harnstoff (CH
4N
2O) in Form einer wässrigen Lösung und zusätzlich Harnstoff (CH
4N
2O) in fester Form einzubringen, um die Stickstoffverfügbarkeit der Behandlungsatmosphäre
zu erhöhen.
[0025] Im Rahmen der Erfindung kann die Kohlenstoffverfügbarkeit der Behandlungsatmosphäre
mittels Zugabe eines kohlenstoffhaltigen Zusatzgases in den Ofenraum erhöht werden.
[0026] Bei einer Verfahrensvariante wird der Harnstoff (CH
4N
2O) und das Wasser (H
2O) in einen Vorspalter eingespeist, der auf eine Temperatur von mindestens 130°C,
vorzugsweise mindestens 140°C, beheizt ist. Durch die Temperatureinwirkung entsteht
in dem Vorspalter die gasförmige Behandlungsatmosphäre, welche aus dem Vorspalter
in den Ofenraum geleitet wird.
1. Verfahren zum Wärmebehandeln metallischer Werkstücke in einem Ofenraum, insbesondere
zum Nitrocarburieren, wobei die Werkstücke während mindestens einer Behandlungsphase
einer Behandlungsatmosphäre bei einer Behandlungstemperatur ausgesetzt sind, wobei
Stickstoff und Kohlenstoff in die Werkstücke diffundieren,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Behandlungsatmosphäre unter Verwendung von Harnstoff (CH4N2O) und Wasser (H2O) erzeugt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass das molare Verhältnis von Harnstoff (CH4N2O) zu Wasser (H2O) etwa 1 zu 1 beträgt.
3. Verfahren nach wenigstens einem der vorangegangenen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff (CH4N2O) und das Wasser (H2O) unmittelbar in den Ofenraum eingespeist werden und die Behandlungsatmosphäre in
dem Ofenraum erzeugt wird.
4. Verfahren nach wenigstens einem der vorangegangenen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass das Wasser (H2O) in flüssiger Form in den Ofenraum eingespeist wird.
5. Verfahren nach wenigstens einem der vorangegangenen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff (CH4N2O) in fester Form in den Ofenraum eingebracht wird.
6. Verfahren nach wenigstens einem der vorangegangenen Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff (CH4N2O) in dem Wasser (H2O) gelöst und der Harnstoff (CH4N2O) in Form einer wässrigen Lösung in den Ofenraum eingespeist, vorzugsweise eingesprüht,
wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass in den Ofenraum Harnstoff (CH4N2O) in Form einer wässrigen Lösung und zusätzlich Harnstoff (CH4N2O) in fester Form eingebracht wird, um die Stickstoffverfügbarkeit der Behandlungsatmosphäre
zu erhöhen.
8. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass der Harnstoff (CH4N2O) und das Wasser (H2O) in einen Vorspalter eingespeist werden, der auf eine Temperatur von mindestens
130°C, vorzugsweise 140°C, beheizt ist, dass die Behandlungsatmosphäre in dem Vorspalter
erzeugt wird und dass die Behandlungsatmosphäre von dem Vorspalter in den Ofenraum
geleitet wird.
9. Verfahren nach wenigstens einem der vorangegangenen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Kohlenstoffverfügbarkeit der Behandlungsatmosphäre mittels Zugabe eines kohlenstoffhaltigen
Zusatzgases erhöht wird.
10. Verfahren nach wenigstens einem der vorangegangenen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstücke während einer Behandlungssphase in Form einer Haltephase bei einer
Behandlungstemperatur von 500°C bis 600°C der Behandlungsatmosphäre ausgesetzt sind
und dass der Haltephase eine Aufheizphase vorausgeht und eine Abkühlphase anschließt.