(19)
(11) EP 3 243 578 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
15.11.2017  Patentblatt  2017/46

(21) Anmeldenummer: 17000777.7

(22) Anmeldetag:  05.05.2017
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B21D 22/22(2006.01)
B21D 22/26(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA MD

(30) Priorität: 13.05.2016 DE 102016005902

(71) Anmelder: AUDI AG
85045 Ingolstadt (DE)

(72) Erfinder:
  • Alpen, Timo
    DE - 74257 Untereisesheim (DE)
  • Dierolf, Holger
    DE - 74219 Züttlingen (DE)
  • Spindler, Jörg
    DE - 74239 Hardthausen (DE)
  • Schilling, Torsten
    DE - 74193 Schwaigern (DE)
  • Oberpriller, Bernhard
    DE - 70806 Kornwestheim (DE)

(74) Vertreter: Eickmeyer, Dietmar 
Audi AG Patentabteilung
85045 Ingolstadt
85045 Ingolstadt (DE)

   


(54) VERFAHREN UND PRESSENWERKZEUG ZUR HERSTELLUNG EINES KOMPLEXEN BLECHFORMTEILS MIT HOHER ZIEHTIEFE


(57) Verfahren zur Herstellung eines komplexen Blechformteils mittels pressengebundenem Werkzeug, mit:
- Einlegen eines Blechs (M) und Abwärtshub des Werkzeugoberteils (120), wobei das Blech (M) im Randbereich zwischen Matrizenring (160) und Niederhalter (140) geklemmt wird;
- weiterer Abwärtshub, wobei das Blech (M) zuerst über ausgefahrene Stempeleinsätze (131, 132, 133) gezogen wird und dabei lokale Materialbevorratungen im Blech (M) erzeugt werden;
- weiterer Abwärtshub bis Matrizenring (160) und Niederhalter (140) ihre Totpunkte erreichen, wobei gleichzeitig die Stempeleinsätze (131, 132, 133) aktiv zurückbewegt werden und die lokalen Materialbevorratungen freigeben und wobei das Blech (M) bereits bereichsweise zwischen Matrizenring (160) und Stempel (130) ausgeformt wird;
- weiterer Abwärtshub bis die Matrize (150) ihren Totpunkt erreicht, wobei das Nachfließen aus dem Randbereich verhindert und das Blech (M) lediglich unter Ausnutzung der lokalen Materialbevorratungen zwischen Matrize (150) und Stempel (130) fertig ausgeformt wird.
Ferner zur Ausführung dieses Verfahrens geeignetes Werkzeug (100).




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines komplexen Blechformteils durch Umformen eines Blechs mittels pressengebundenem Werkzeug (Pressenwerkzeug) und ein hierfür geeignetes Pressenwerkzeug.

[0002] Komplexe Blechformteile, insbesondere für die Anwendung im Karosseriebau, unterscheiden sich zu einfachen Blechformteilen (wie bspw. einem Napf oder einer Wanne) durch eine aufwändigere Formgestaltung, die typischerweise unterschiedliche Flächenbereiche und insbesondere auch weitere Gestaltungsmerkmale, bspw. Design- bzw. Stylingkanten und/oder Versteifungskanten mit kleinen Radien, umfasst. Da der umformtechnischen Machbarkeit Grenzen gesetzt sind, ist die Herstellung solcher komplexen Blechformteile mitunter äußerst schwierig und aufwändig. Besondere Probleme bestehen dann, wenn unter Serienfertigungsbedingungen hohe Ziehtiefen realisiert werden sollen.

[0003] Zur Realisierung hoher Ziehtiefen sind in der DE 10 2010 045 281 A1 ein Verfahren und eine Vorrichtung beschrieben, bei denen mittels zusätzlicher Ziehstufe in Gestalt eines vorlaufenden Matrizeneinsatzes zunächst ein Materialvorrat erzeugt wird. Während des weiteren Ziehvorgangs wird dieser Materialvorrat durch Zurückschieben des Matrizeneinsatzes freigegeben und schließlich fertig geformt.

[0004] Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren und ein verbessertes Werkzeug zur Herstellung eines komplexen und insbesondere auch großflächigen (bspw. > 0,5 m^2) Blechformteils anzugeben, mit denen unter Serienfertigungsbedingungen bei einwandfreier Teilequalität eine hohe Ziehtiefe erreichbar ist.

[0005] Diese Aufgabe wird gelöst mit einem erfindungsgemäßen Verfahren entsprechend dem Patentanspruch 1 und durch ein erfindungsgemäßes Pressenwerkzeug entsprechend dem nebengeordneten Patentanspruch. Bevorzugte Weiterbildungen und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich analog für beide Erfindungsgegenstände aus den abhängigen Patentansprüchen, der nachfolgenden Beschreibung und der Zeichnung.

[0006] Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung eines komplexen Blechformteils mittels pressengebundenem Werkzeug (Pressenwerkzeug), dessen Werkzeugunterteil einen Stempel, einen den Stempel umgebenden (verdrängbaren) Nieder- bzw. Blechhalter und mehrere bewegbare Stempeleinsätze (mit Umform- bzw. Formgebungsfunktion) aufweist und dessen Werkzeugoberteil eine Matrize und einen die Matrize umgebenden Matrizenring aufweist, hat folgenden Ablauf:
  • Einlegen eines Blechs, insbesondere in Gestalt einer Blechplatine, in das offene Werkzeug und Schließen des Werkzeugs durch Abwärtshub des Werkzeugoberteils, wobei das Blech in seinem Randbereich zwischen dem Matrizenring und dem Niederhalter geklemmt bzw. eingeklemmt wird;
  • weiterer Abwärtshub bei dem der Matrizenring den Niederhalter nach unten verdrängt, wobei das Blech zuerst über die ausgefahrenen und über die Stempeloberfläche vorstehenden Stempeleinsätze gezogen wird und dabei im Blech lokale Materialbevorratungen erzeugt werden;
  • weiterer Abwärtshub bis der Matrizenring und der Niederhalter ihre unteren Totpunkte erreichen, wobei gleichzeitig die Stempeleinsätze aktiv zurückbewegt werden und dadurch die zuvor erzeugten lokalen Materialbevorratungen freigeben und wobei das Blech bereits bereichsweise zwischen Matrizenring und Stempel ausgeformt wird;
  • weiterer Abwärtshub, bis auch die Matrize schließlich ihren unteren Totpunkt erreicht, wobei durch eine doppelte randseitige Klemmung des Blechs zwischen dem Matrizenring und dem Niederhalter sowie zwischen dem Matrizenring und dem Stempel das Nachfließen von Blechmaterial aus dem Randbereich verhindert wird und das Blech lediglich unter Ausnutzung der zuvor erzeugten lokalen Materialbevorratungen zwischen der Matrize und dem Stempel fertig ausgeformt wird;
  • gegebenenfalls Öffnen des Werkzeugs (durch Aufwärtshub des Werkzeugoberteils) und Entnehmen des Blechformteils.


[0007] Im Rahmen der kinematischen Umkehr ist bei entsprechender Ausgestaltung der Werkzeugteile auch eine umgekehrte Anordnung von Werkzeugoberteil und Werkzeugunterteil möglich.

[0008] Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht unter Serien- und Presswerksbedingungen die Herstellung eines komplexen Blechformteils mit hoher Ziehtiefe, insbesondere auch mit hoher Zargentiefe, und einwandfreier Qualität. Unter einer hohen Ziehtiefe wird insbesondere eine Ziehtiefe (= Ziehweg in Arbeitsrichtung) von wenigstens 200 mm, bevorzugt wenigstens 250 mm und insbesondere wenigstens 300 mm verstanden. Innerhalb eines Schließ- bzw. Arbeitshubs kann das Blechformteil ausgehend von einer ebenen Blechplatine im Wesentlichen fertig geformt werden, so dass keine weiteren Umformoperationen, zumindest keine die Ziehtiefe erhöhenden und/oder die Formgestaltung wesentlich verändernden Umformoperationen, mehr erforderlich sind. In einer Pressenstraße können somit die erforderlichen Ziehstufen gering gehalten oder sogar reduziert werden.

[0009] Unter einem aktiven Zurückbewegen der Stempeleinsätze wird verstanden, dass diese nicht wie im Stand der Technik üblich passiv verdrängt bzw. zurückgedrängt werden, sondern aktiv zurückbewegt werden. Dies kann bspw. durch mechanische Kopplung der betreffenden Stempeleinsätze mit dem Niederhalter erfolgen, so dass die Stempeleinsätze vom Niederhalter zurückbewegt bzw. in die dafür vorgesehenen Stempelausnehmungen hineinbewegt bzw. eingefahren werden. Dies kann synchron oder auch asynchron (d. h. in einer bestimmten Abfolge und/oder mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten) erfolgen, um hierdurch den Stempelkontakt (= Kontakt zwischen Blech und Stempeloberfläche bzw. -wirkfläche) gezielt zu steuern. Das Werkzeug bzw. Pressenwerkzeug kann auch Stempeleinsätze aufweisen, die nicht aktiv, sondern in herkömmlicher Weise passiv bewegt bzw. zurückgedrängt werden.

[0010] Bevorzugt ist vorgesehen, dass mit wenigstens einem der Stempeleinsätze im Blech bzw. Blechformteil eine Designkante mit kleinem Radius erzeugt wird. Das mit dem erfindungsgemäßen Verfahren herstellbare komplexe Blechformteil kann somit trotz beachtlicher Ziehtiefe auch wenigstens eine markante Designkante aufweisen. Deren äußerer Kantenradius beträgt bevorzugt nur wenige Millimeter. Diese Designkante ist nachlaufkantenfrei, da beim erfindungsgemäßen Verfahren verhindert wird, dass sich das Blech während des Ziehvorgangs relativ zu dem Stempeleinsatz bewegt.

[0011] Das erfindungsgemäße Pressenwerkzeug, wobei es sich insbesondere um ein Tiefziehwerkzeug handelt, umfasst
  • ein erstes Werkzeugteil, insbesondere ein Werkzeugunterteil, das einen Stempel, einen den Stempel umgebenden verdrängbaren Niederhalter und mehrere bewegbare Stempeleinsätze, wenigstens jedoch einen bewegbaren Stempeleinsatz, aufweist, und
  • ein zweites Werkzeugteil, insbesondere ein Werkzeugoberteil, das eine Matrize und einen die Matrize umgebenden Matrizenring aufweist.


[0012] Das erfindungsgemäße Pressenwerkzeug ist ferner so ausgebildet, dass zwischen dem Niederhalter und wenigstens einem der Stempeleinsätze, bevorzugt allen Stempeleinsätzen, eine mechanische Kopplung (d. h. eine Kopplung mittels Mechanik) besteht, durch die der betreffende Stempeleinsatz bzw. die betreffenden Stempeleinsätze beim Verdrängen und insbesondere beim Abwärtsbewegen des Niederhalters (d. h. während des Umform- bzw. Ziehvorgangs wie oben beschrieben) aktiv zurückbewegt wird/werden, d. h. in die dafür vorgesehenen Stempelausnehmung/en hineinbewegt bzw. eingefahren wird/werden.

[0013] Bevorzugt sind die Stempeleinsätze so im Pressenwerkzeug angeordnet, dass damit in allen kritischen Bereichen beim Ziehbeginn eine Materialbevorratung (wie oben erläutert) erfolgen kann.

[0014] Optional kann vorgesehen sein, dass wenigstens einer der Stempeleinsätze, insbesondere der mit dem Niederhalter gekoppelte Stempeleinsatz, zusätzlich federnd gelagert ist, bspw. mittels Gasdruckfeder. Bevorzugt sind alle Stempeleinsätze zusätzlich federnd gelagert.

[0015] Wenigstens einer der Stempeleinsätze kann für einen Punktkontakt (= kleinflächiger Berührungskontakt) mit dem umzuformenden Blech ausgebildet sein. Wenigstens einer der Stempeleinsätze kann für einen Linienkontakt mit dem umzuformenden Blech ausgebildet sein, insbesondere zur Ausformung einer Designkante mit kleinem Radius (wie oben beschrieben).

[0016] Auch die Matrize kann wenigstens einen bewegbaren Matrizeneinsatz aufweisen, der einem Stempeleinsatz, insbesondere zur Ausformung einer Designkante, gegenüberliegt und der mit einer entsprechenden Gegenkontur ausgebildet ist, so dass das Blech zwischen dem Stempeleinsatz und dem Matrizeneinsatz prägeartig umgeformt werden kann. Ein solcher Matrizeneinsatz ist analog zu einem Stempeleinsatz in einer Matrizenausnehmung angeordnet und bevorzugt auch federnd gelagert, bspw. mittels Gasdruckfeder.

[0017] Die Erfindung wird nachfolgend mit Bezug auf die Zeichnung näher erläutert. Die in der Zeichnung gezeigten oder nachfolgend erläuterten Merkmale können, auch losgelöst von konkreten Merkmalskombinationen, allgemeine Merkmale der Erfindung sein und die Erfindung weiterbilden. In der Zeichnung zeigt die
Fig. 1
in schematischen Schnittdarstellungen ein erfindungsgemäßes Pressenwerkzeug und veranschaulicht in mehreren Einzeldarstellungen das damit ausführbare erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung eines komplexen Blechformteils.


[0018] Das Pressenwerkzeug 100 weist ein Werkzeugunterteil 110 und ein Werkzeugoberteil 120 auf. Bei dem Pressenwerkzeug 100 handelt es sich um ein Tiefziehwerkzeug, das in einer nicht dargestellten Presse eingebaut ist, wobei das Werkzeugunterteil 110 auf dem Pressentisch angeordnet und das Werkzeugoberteil 120 am Pressenstößel befestigt ist. Beim Absenken des Pressenstößels führt das Werkzeugoberteil 120 einen Abwärtshub bzw. Arbeitshub mit einer im Wesentlichen kontinuierlichen Abwärtsbewegung aus.

[0019] Das Werkzeugunterteil 110 weist einen Stempel 130, einen den Stempel 130 umgebenden und nach unten verdrängbaren Nieder- bzw. Blechhalter 140 sowie mehrere bewegbare Stempeleinsätze 131, 132 und 133 auf. Die Stempeleinsätze 131, 132 und 133 sind in Stempelausnehmungen angeordnet. Der Stempeleinsatz 131 ist für einen Linienkontakt und die Stempeleinsätze 132 und 133 sind für einen Punktkontakt ausgebildet. Das Werkzeugoberteil 120 weist eine Matrize 150, einen die Matrize 150 umgebenden Matrizenring bzw. Gegenhalter 160 und einen bewegbaren Matrizeneinsatz 151 auf. Das Werkzeug 100 ist für eine Ziehtiefe von mindestens 200 mm ausgelegt. Im Folgenden wird der Ziehvorgang beschrieben.

[0020] In das geöffnete Werkzeug 100 wird ein Blech M in Gestalt einer ebenen Blechplatine (Formplatine) eingelegt und das Werkzeug 100 wird durch Abwärtsbewegen des Pressenstößels bzw. des Werkzeugoberteils 120 geschlossen. Hierbei wird das Blech M in seinem Randbereich zwischen dem gegenüber der Matrize 150 voreilenden Matrizenring 160 und dem Niederhalter 140 eingeklemmt, wie in Fig. 1 a gezeigt. Die Stempeleinsätze 131, 132 und 133 befinden sich in ausgefahrenen Positionen bzw. Ausgangspositionen, in denen diese über die Stempeloberfläche bzw. - wirkfläche vorstehen.

[0021] Bei weiterem Abwärtshub des Werkzeugoberteils 120 verdrängt der Matrizenring 160 den Niederhalter 140 nach unten. D. h., der Niederhalter 140 wird gemeinsam mit dem Matrizenring 160 nach unten bewegt und bewegt sich hierbei relativ zum feststehenden Stempel 130. (Der Niederhalter 140 kann in an und für sich bekannter Weise durch ein zur Presse oder zum Werkzeug 100 gehörendes Ziehkissen oder dergleichen abgestützt sein, wie mit den dargestellten Federn veranschaulicht.) Hierbei wird das Blech M über die ausgefahrenen Stempeleinsätze 131, 132 und 133 gezogen, wobei im Blech M lokale Materialbevorratungen erzeugt werden. Dies ist in Fig. 1b gezeigt. Die Stempeleinsätze 131, 132 und 133 sind bspw. mittels Gasdruckfedern federnd gelagert, wie mit den dargestellten Federn veranschaulicht, so dass diese mit einer definierten Kraft gegen das Blech M drücken. Ein kleiner Federhub, bspw. 20 mm, ist hierfür ausreichend.

[0022] Gleichzeitig wird mithilfe des mittleren Stempeleinsatzes 131 und dem gegenüberliegenden Matrizeneinsatz 151 eine Designkante mit kleinem Radius in das Blech M eingeformt, wozu der Stempeleinsatz 131 und der Matrizeneinsatz 151 stirnseitig mit korrespondierenden Formungsabschnitten ausgebildet sind. Auch der Matrizeneinsatz 151 ist bspw. mittels Gasdruckfeder federnd gelagert, wie mit der symbolisch dargestellten Feder veranschaulicht.

[0023] Bei weiterem Abwärtshub des Werkzeugoberteils 120 werden der Matrizenring 160 und der Niederhalter 140 schließlich bis zu ihrem unteren Totpunkt bewegt, wie in Fig. 1c gezeigt. Gleichzeitig werden die Stempeleinsätze 131, 132 und 133 aktiv, d. h. nicht durch Verdrängung, zurückbewegt, woraufhin sich das Blech M im Bereich der Stempeleinsätze 131, 132 und 133 sukzessive an die Stempeloberfläche bzw. -wirkfläche des Stempels 130 anlegen kann. Auf diese Weise erfolgt also ein gesteuerter Stempelkontakt. Ferner werden die lokalen Materialbevorratungen zur weiteren Umformung freigegeben. Ebenfalls gleichzeitig wird das Blech M bereits in einem Überdeckungsbereich zwischen dem Matrizenring 160 und dem Stempel 130 ausgeformt, wozu der Matrizenring 160 und der Stempel 130 mit korrespondierenden Wirkflächenabschnitten ausgebildet sind.

[0024] Das Zurückbewegen bzw. Einfahren der Stempeleinsätze 131, 132 und 133 erfolgt durch eine mechanische Zwangskopplung mit dem Niederhalter 140. Hierzu sind die Stempeleinsätze 131, 132 und 133 bspw. an einem Rahmen oder einer Tragplatte 180 befestigt, der bzw. die beim Abwärtsbewegen des Niederhalters 140 ab einer bestimmten Niederhalterposition (bzw. ab einer definierten Ziehwegposition) mittels am Niederhalter 140 angeordneter Mitnehmer 190 mitgenommen bzw. mitbewegt wird. Der Rahmen 180 ist bspw. an der zum Werkzeugunterteil 110 gehörenden Grundplatte (nicht gezeigt) federnd abgestützt, wie mit den dargestellten Federn veranschaulicht.

[0025] Wenn der Niederhalter 140 seinen unteren Totpunkt erreicht hat (siehe Fig. 1 c) befinden sich auch die Stempeleinsätze 131, 132 und 133 in ihren eingefahrenen Endpositionen. Je nach Zielsetzung kann vorgesehen sein, dass die Stempeleinsatzstirnseiten hinter der Stempeloberfläche liegen (wie in Fig. 1c gezeigt), mit der Stempeloberfläche bündig abschließen oder noch immer über die Stempeloberfläche vorstehen. Die Rückbewegungen und die Endpositionen der Stempeleinsätze 131, 132 und 133 sind einzeln auslegbar, so dass auch asynchrone Stempeleinsatzbewegungen möglich sind. Abweichend zu den gezeigten vertikalen Bewegungsrichtungen der Stempeleinsätze 131, 132 und 133 sind auch schräge Bewegungsrichtungen möglich, bspw. durch Verwendung von Schiebern.

[0026] Durch weiteres Abwärtsbewegen des Pressenstößels bzw. des Werkzeugoberteils 120 wird nun noch die nachlaufende Matrize 150 bis zu ihrem unteren Totpunkt bewegt, wobei das Blech M bzw. das Blechformteil noch im Mittenbereich fertig ausgeformt wird (im Außenbereich ist die Umformung bereits abgeschlossen). D. h., der Matrizenring 160 erreicht zuerst seinen unteren Totpunkt, dann läuft die Matrize 150 noch bis zu ihrem unteren Totpunkt weiter und formt dabei den Mittenbereich aus. Wegen der randseitigen Klemmung des Blechs M zwischen dem Matrizenring 160 und dem Niederhalter 140 sowie zwischen dem Matrizenring 160 und dem Stempel 130 kann kein oder kaum Blechmaterial von außen nach innen, d. h. zum Mittenbereich, nachfließen, so dass das Blech M lediglich unter Ausnutzung der zuvor mithilfe der Stempeleinsätze 131, 132 und 133 erzeugten lokalen Materialbevorratungen zwischen der Matrize 150 und dem Stempel 130 prägeartig fertig ausgeformt wird, wobei der federnd gelagerte Matrizeneinsatz 151 zurückweicht bzw. nach oben verdrängt wird. Alternativ kann vorgesehen sein, dass der mittlere Stempeleinsatz 131 nicht zurückbewegt wird und somit weiterhin gegen das Blech M bzw. gegen den Matrizeneinsatz 151 drückt.

[0027] Fig. 1d zeigt den Endzustand bei dem sich der Niederhalter 140, der Matrizenring 160 und die Matrize 150 in ihren unteren Bewegungstotpunkten befinden. Das Blech bzw. Blechwerkstück M ist fertig ausgeformt. Nach Öffnen des Werkzeugs 100 durch Anheben bzw. Aufwärtsbewegen des Pressenstößels bzw. des Werkzeugoberteils 120 kann das Blechformteil entnommen werden. Mithilfe der Federn bewegen sich die Werkzeugteile in die in Fig. 1 a gezeigten Ausgangstellungen bzw. Positionen zurück, so dass das nächste Blech M eingelegt und umgeformt werden kann.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung eines komplexen Blechformteils mittels pressengebundenem Werkzeug (100), dessen Werkzeugunterteil (110) einen Stempel (130), einen den Stempel (130) umgebenden Niederhalter (140) und mehrere bewegbare Stempeleinsätze (131, 132, 133) aufweist und dessen Werkzeugoberteil (120) eine Matrize (150) und einen die Matrize (150) umgebenden Matrizenring (160) aufweist, mit folgendem Ablauf:

- Einlegen eines Blechs (M) und Schließen des Werkzeugs (100) durch Abwärtshub des Werkzeugoberteils (120), wobei das Blech (M) im Randbereich zwischen dem Matrizenring (160) und dem Niederhalter (140) geklemmt wird;

- weiterer Abwärtshub bei dem der Matrizenring (160) den Niederhalter (140) nach unten verdrängt, wobei das Blech (M) zuerst über die ausgefahrenen Stempeleinsätze (131, 132, 133) gezogen wird und dabei lokale Materialbevorratungen im Blech (M) erzeugt werden;

- weiterer Abwärtshub bis der Matrizenring (160) und der Niederhalter (140) ihre unteren Totpunkte erreichen, wobei gleichzeitig die Stempeleinsätze (131, 132, 133) aktiv zurückbewegt werden und die zuvor erzeugten lokalen Materialbevorratungen freigeben und wobei das Blech (M) bereits bereichsweise zwischen dem Matrizenring (160) und dem Stempel (130) ausgeformt wird;

- weiterer Abwärtshub bis auch die Matrize (150) ihren unteren Totpunkt erreicht, wobei durch eine doppelte randseitige Klemmung des Blechs (M) zwischen dem Matrizenring (160) und dem Niederhalter (140) sowie zwischen dem Matrizenring (160) und dem Stempel (130) das Nachfließen aus dem Randbereich verhindert und das Blech (M) lediglich unter Ausnutzung der lokalen Materialbevorratungen zwischen der Matrize (150) und dem Stempel (130) fertig ausgeformt wird.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Ziehtiefe wenigstens 200 mm, bevorzugt wenigstens 250 mm und insbesondere wenigstens 300 mm beträgt.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Stempeleinsätze (131, 132, 133) durch mechanische Kopplung mit dem Niederhalter (140) zurückbewegt werden.
 
4. Verfahren nach einem der vorausgehenden Ansprüche;
dadurch gekennzeichnet, dass
die Stempeleinsätze (131, 132, 133) asynchron zurückbewegt werden.
 
5. Verfahren nach einem der vorausgehenden Ansprüche;
dadurch gekennzeichnet, dass
mit wenigstens einem der Stempeleinsätze (131) eine Designkante mit kleinem Radius erzeugt wird.
 
6. Pressenwerkzeug (100), insbesondere Tiefziehwerkzeug, zur Herstellung eines komplexen Blechformteils, mit

- einem ersten Werkzeugteil (110), das einen Stempel (130), einen den Stempel (130) umgebenden verdrängbaren Niederhalter (140) und mehrere bewegbare Stempeleinsätze (131, 132, 133) aufweist, und

- einem zweiten Werkzeugteil (120), das eine Matrize (150) und einen die Matrize (150) umgebenden Matrizenring (160) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass
zwischen dem Niederhalter (140) und wenigstens einem der Stempeleinsätze (131, 132, 133) eine mechanische Kopplung besteht, durch die der betreffende Stempeleinsatz (131, 132, 133) beim Verdrängen des Niederhalters (140) aktiv zurückbewegt wird.
 
7. Pressenwerkzeug (100) nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
wenigstens einer der Stempeleinsätze (131, 132, 133), insbesondere der mit dem Niederhalter (140) gekoppelte Stempeleinsatz (131, 132, 133), zusätzlich federnd gelagert ist.
 
8. Pressenwerkzeug (100) nach Anspruch 6 oder 7,
dadurch gekennzeichnet, dass
wenigstens einer der Stempeleinsätze (132, 133) für einen Punktkontakt mit dem umzuformenden Blech (M) ausgebildet ist.
 
9. Pressenwerkzeug (100) nach einem der vorausgehenden Ansprüche 6 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, dass
wenigstens einer der Stempeleinsätze (131) für einen Linienkontakt mit dem umzuformenden Blech (M) ausgebildet ist, insbesondere zur Ausformung einer Designkante mit kleinem Radius.
 
10. Pressenwerkzeug (100) nach einem der vorausgehenden Ansprüche 6 bis 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Matrize (150) wenigstens einen bewegbaren Matrizeneinsatz (151) aufweist, der einem Stempeleinsatz (131), insbesondere zur Ausformung einer Designkante, gegenüberliegt.
 




Zeichnung








Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente