(19)
(11) EP 3 312 073 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
25.04.2018  Patentblatt  2018/17

(21) Anmeldenummer: 16195110.8

(22) Anmeldetag:  21.10.2016
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B61L 27/00(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA MD

(71) Anmelder: Schweizerische Bundesbahnen SBB
3000 Bern (CH)

(72) Erfinder:
  • Baiker, Stefan
    4059 Basel (CH)

(74) Vertreter: Rutz & Partner 
Alpenstrasse 14 Postfach 7627
6304 Zug
6304 Zug (CH)

   


(54) VERFAHREN ZUR PRÜFUNG EINES EISENBAHNSYSTEMS UND EISENBAHNSYSTEM


(57) Das Verfahren dient der Prüfung eines Eisenbahnsystems oder Teilen davon, welches Ressourcen einer baulichen Infrastruktur, insbesondere ein Gleisnetz, Fahrzeug-Ressourcen, Ressourcen einer Leittechnik und Ressourcen einer Sicherungstechnik umfasst, die von wenigstens einem Steuersystem anhand von Betriebsregeln und Betriebsverfahren genutzt werden, mittels denen definierte Betriebsprozesse fallweise implementiert werden, denen Prozessdaten, wie Eingangsgrössen (x, y, z), Ausgangsgrössen (o) und Betriebsgrössen (s), zugeordnet sind. Erfindungsgemäss werden während des Betriebs des Eisenbahnsystems implementierte Betriebsprozesse identifiziert und Prozessergebnisse der identifizierten Betriebsprozesse aus dem Eisenbahnsystem erfasst und in einem Testrechner mit Referenzdaten verglichen, um den Ablauf der identifizierten Betriebsprozesse zu prüfen.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren für die Prüfung eines Eisenbahnsystems oder Teilen davon sowie ein nach diesem Verfahren arbeitendes Eisenbahnsystem.

[0002] Eisenbahnsysteme weisen üblicherweise eine hohe Komplexität auf, und stellen hohe Anforderungen an die Verwaltung und Prüfung, um den einwandfreien Betrieb sicherstellen zu können.

[0003] Die einzelnen Module moderner Eisenbahnsysteme werden üblicherweise elektronisch mittels Prozessoren und entsprechender Software gesteuert.

[1], EP1750988B1, offenbart z.B. ein Interlocking System für eine Eisenbahnanlage, welches über eine Schnittstelle mit einem zentralen Steuerungs- und Überwachungssystem verbunden ist. Ferner sind lokale Prozessoreinheiten vorgesehen, die logische Operationen, die einem oder mehreren spezifischen streckenseitigen Ausrüstungselementen, einem Signal, einem Satz von Weichen oder einer festen Kreuzung zugeordnet sind, durchführen, und die dazu über eine Schnittstelle mit den streckenseitigen Ausrüstungselementen verbunden sind.

[2], WO2006136216A1, offenbart ein Verfahren zur Konfiguration einer leittechnischen Einheit, insbesondere eines Stellwerks, das zur Überwachung und/oder Einstellung/Auflösung von Fahrstrassen für schienengebundene Fahrzeuge verwendet wird, indem eine Fahrstrasse auf Anforderung mit der jeweiligen Fahrstrasse zugeordneten Elementen gestellt oder aufgelöst wird, falls diese Anforderung für die mit der Anforderung verbundenen Elemente nicht negativ quittiert wurde. Für die Fahrstrasse werden flankierende Attribute, insbesondere Gleisbelegung, Fahrtrichtung, Blockverschluss, Streckensperre, mit Erwartungswerten definiert und eine angeforderte Fahrstrasse wird erst nach Vorliegen der Erwartungswerte für die definierten Attribute eingestellt oder aufgelöst.



[0004] Leittechnische oder sicherheitstechnische Einheiten, die definierte Aufgaben erfüllen, sind normalerweise elektronisch steuerbar, wobei bei der Erfüllung der entsprechenden Aufgaben bzw. beim Ablauf der entsprechenden Prozesse Prozessgrössen auftreten, wie die genannten Attribute beim Aufbau oder Abbau einer Fahrstrasse. Die Prozessgrössen sind über Schnittstellen, gegebenenfalls Luftschnittstellen, zugänglich.

[0005] Aus [3], WO2010148528A1, ist bekannt, bestehende Stellwerke durch elektronische Stellwerke zu ersetzen, wobei die Schaltlogik des bestehenden Stellwerks mittels einer Transformation auf eine funktionell äquivalente Schaltung elektronischer Halbleiterbauteile abgebildet wird, und die Ausgänge dieser Schaltung mit mindestens einigen der installierten Komponenten verbunden werden, die anzusteuern sind.

[0006] Prozesse zum Betrieb, zur Sicherung und Prüfung bestehender Eisenbahnsysteme sind daher ebenfalls zumeist spezifisch an die installierten leittechnischen Einheiten, wie Stellwerke, angepasst, die einen unterschiedlichen technischen Stand aufweisen und von unterschiedlichen Herstellern geliefert sein können. Steuerung und Prüfung der Anlagefunktionen erfolgen daher auf tiefer Ebene mit relativ hohem Aufwand. Aussagen zu übergeordneten betrieblichen Abläufen und insbesondere zu Änderungen übergeordneter Abläufe, die zu präventiven Massnahmen oder zur Planung des notwendigen Ausbaus des Eisenbahnsystems hinzugezogen werden könnten, fehlen daher.

[0007] Ein Zugbeeinflussungssystem auf der Basis von ERTMS (European Rail Traffic Management System) und ETCS (European Train Control System) Level2 mit einem RBC (Radio Block Center) ist z.B. in [4], EP1897781A2, beschrieben.

[0008] Das RBC, das mit einem Stellwerk verbunden ist, dient der Führung von Fahrzeugen auf einem bestimmten Streckenabschnitt mittels Funkverbindungen über das Mobilfunknetz GSM-R (Global System for Mobile Communication-Railways). Das ETCS realisiert die sicheren Funktionen der Zugbeeinflussung. GSM-R ermöglicht unter anderem die Datenübertragung zwischen Fahrzeugen und dem RBC. Z.B. werden Positionsmeldungen des Fahrzeugs an das RBC und Fahrtberechtigungen an das Fahrzeug gesendet.

[0009] Anhand der Systeme GSM-R und ETCS kann daher der Einsatz der entsprechend ausgerüsteten Lokomotiven ermittelt werden, um zu prüfen, ob die Einsatzdaten mit den Planungsdaten übereinstimmen. Anhand der ETCS-Daten können die Einsatzdaten jeweils dann aktualisiert werden, wenn Kontakte zu den punktuell installierten Eurobalisen erstellt werden.

[0010] Im Schweizer Eisenbahnnetz war das System AFI (Automatische Fahrzeug Identifikation) implementiert, ein proprietäres RFID-System mit RFID-Lesegeräten, welche meist an Knotenpunkten installiert wurden.

[0011] Zu beachten ist ferner, dass mittels bekannter Zugsicherungssysteme, wie sie z.B. in [5], EP2090491A1, beschrieben sind, die Position eines Zuges, welcher sich von Streckenblock zu Streckenblock fortbewegt, innerhalb eines Streckennetzes bestimmt werden kann. Von einer entsprechenden Verwaltungseinheit, der von den Stellwerken die Einfahrt eines Zuges in einen Streckenblock gemeldet wird, können daher die Zuglaufdaten bzw. die Ankunft und die Abfahrt des Zuges an den Betriebspunkten registriert werden. Von dieser Verwaltungseinheit wird die Position der Ressourcen des Zuges jedoch nicht erfasst. Stellwerksysteme sind üblicherweise mit Achszählern ausgerüstet, mittels denen die Achsen eines Zuges beim Einfahren und beim Ausfahren in einen Streckenabschnitt detektiert und gezählt werden. Sofern die Anzahl der erfassten Achsen bei Gleiseintritt und -austritt gleich sind und keine Achse die beiden Gleise ohmisch verbindet, erfolgt eine Gleisfreimeldung für diesen Streckenabschnitt.

[0012] [6], Gunnar Bosse, Grundlagen für ein generisches Referenzsystem für die Betriebsverfahren spurgeführter Verkehrssysteme, 23. November 2010, beschreibt, dass im Rahmen der zunehmenden Internationalisierung des Eisenbahnwesens eine vermehrte generische Beschreibung betrieblicher Funktionen des Eisenbahnsystems angestrebt wird. Ein Betriebsverfahren ist definitionsgemäss ein "System betrieblicher Regeln und technischer Mittel zur Durchführung von Fahrten mit Eisenbahnfahrzeugen auf einer Eisenbahninfrastruktur". Diese Definition umfasst die drei wesentlichen Elemente von Eisenbahnsystemen, mit denen jeweils spezifische Aufgabenstellungen realisiert werden. Erstens die Fahrzeuge, die der Aufnahme von Personen und Gütern dienen und die für die Ortsveränderung erforderlichen Antriebs- und Bremskräfte bereitstellen. Zweitens die Fahrweginfrastruktur, die die Fahrzeuge trägt und führt. Drittens die Betriebsverfahren, mit deren Hilfe die Fahrten schliesslich so koordiniert und gesteuert werden, dass für jede zugelassene Fahrt zwischen Start- und Zielort ein geeigneter Fahrweg, i.d.R. abschnittsweise, zur Verfügung steht und die Fahrzeuge nicht miteinander kollidieren. Die Betriebsverfahren sind sowohl aus operativen als auch die Sicherheit betreffenden Gründen von besonderer Bedeutung für die Eisenbahnsysteme. Der operativen Sichtweise folgend sind die Betriebsverfahren nicht allein auf das Bereitstellen zwingend erforderlicher operativer und sichernder Funktionen beschränkt, sondern können weitere Funktionen, wie z.B. zur Disposition umfassen. Dabei können sicherheitsrelevante als auch disponierende Funktionen in einem Funktionsträger verschmelzen.

[0013] Gemäss [6], Seite 39, ist zu beachten, dass fahrzeugseitig, d.h. in bzw. auf dem Fahrzeug nicht nur Fahrzeugfunktionen, sondern auch Betriebsverfahrensfunktionen wie z.B. die Geschwindigkeitsregelung realisiert werden.

[0014] Fahrzeugfunktionen gemäß prEN 15380-4 sind in [6], Seiten 35-44 genannt. Abschliessend wird ausgeführt, dass für den Bereich der Betriebsverfahren die Ausarbeitung einer generischen Referenz, die Betrachtung der Fahrzeugfunktionsliste wesentlich, aber nicht ausreichend ist. Für den Bereich Betriebsverfahren sind die drei Teilsysteme Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung und Verkehrsbetrieb und Verkehrssicherung sowie in einem übergeordneten Sinne das Teilsystem Telematikanwendungen relevant (siehe [6], Tabelle 5). Die Sicherung, Steuerung und Kontrolle der sich in einem Verkehrsnetz bewegenden Fahrzeuge ist als eine originäre Aufgabe von Betriebsverfahren anzusehen.

[0015] Gemäss [6], Seite 47, wurde mit dem FunkFahrBetrieb (FFB) ein Betriebsverfahren entwickelt worden, bei dem Funktionalitäten, die heute überwiegend von streckenseitigen Einrichtungen, wie z.B. von Signalen, Stellwerken und Gleisfreimeldeeinrichtungen, wahrgenommen werden, auf das Fahrzeug und in eine Streckenzentrale verlagert worden sind. Die betrieblichen und sicherungstechnischen Vorgänge, wie z.B. Fahrwegzuweisungen, das Ansteuern von Weichen und Bahnübergängen und die Fahrzeugortung (Gleisfreimeldung) wurden funkunterstützt durchgeführt.

[0016] In [6], Seite 131, wird zusammenfassend festgestellt, dass es möglich ist, für die Betriebsverfahren spurgeführter Verkehrssysteme ausschließlich auf Basis einer funktionalen Systemdefinition, d.h. ohne eine konkrete Systemarchitektur, eine generische Referenz zu definieren.

[0017] [7], EP2631152B1, offenbart disponierende Funktionen, d.h. ein Verfahren für die Verwaltung von mit Mobilendgeräten versehenen Ressourcen, insbesondere von Lokomotiven, die in einem Schienennetz verkehren und je mittels eines Mobilendgeräts funktional bei einem zellularen Mobilfunknetz registrierbar sind, welches für den Betrieb des Schienennetzes vorgesehene Funktionen, wie die funktionale Anmeldung der Teilnehmer, zur Verfügung stellt. Dabei werden die Zuglaufdaten von Zügen überwacht und für Statusänderungen der Züge Änderungsmeldungen erzeugt. Für Änderungsmeldungen, welche die Abfahrt eines Zuges von einem Betriebspunkt signalisieren, wird für diesen Zug eine Kandidatenliste mit verwalteten Ressourcen erstellt, die möglicherweise mit diesem Zug mitgeführt werden. Für Änderungsmeldungen, welche die Ankunft und/oder die Durchfahrt des Zuges an einem Betriebspunkt betreffen, werden die Funkzellen mittels Anfragen an das Mobilfunknetz oder Anfragen an die entsprechenden Mobilendgeräte ermittelt, an denen sich die in der Kandidatenliste eingetragenen Ressourcen befinden. Anhand der ermittelten Funkzellen wird festgestellt wird, ob sich die Ressourcen am Betriebspunkt der Ankunft befinden und Ressourcen, die keiner Funkzelle dieses Betriebspunkts zugehören, werden aus der Kandidatenliste entfernt.

[0018] [8], EP2868547A1, offenbart z.B. ein Stellwerk zur Steuerung von dezentral angeordneten Funktionseinheiten, die über Kommunikationskanäle mit der Prozesssteuerungsanlage verbunden sind, umfassend eine Anzahl von rechnergestützten Steuerungseinheiten, wobei die Steuerungseinheiten gemäss einem Steuerungsplan in Serie oder parallel geschaltet sind und gemäss diesem Steuerungsplan Steuerungsdaten empfangen und/oder ausgeben. Als rechnergestützte Steuerungseinheiten können Mobilgeräte verwendet werden.

[0019] Aus [6] ergibt sich, dass Prozesse zum Betrieb, zur Sicherung und Prüfung bestehender Eisenbahnsysteme durch betriebliche Regeln definiert sind. Aus [6], [7] und [8] ergibt sich, dass Grössen dieser Prozesse durch moderne Kommunikationsmittel erfasst werden können.

[0020] In den Dokumenten [1] bis [8] sind Eisenbahnsysteme und Teilsysteme der Planung, Disposition Leittechnik und Sicherungstechnik beschrieben, die unterschiedliche Funktionen erfüllen und eine Vielzahl von Signalen und Meldungen erzeugen.

[0021] Mit Bezug zu [3] wurde festgestellt, dass die Steuerung und Prüfung der Anlagefunktionen auf tiefer Ebene mit hohem Aufwand erfolgen und Aussagen zu übergeordneten betrieblichen Abläufen und insbesondere zu Änderungen übergeordneter Abläufe, die zu präventiven Massnahmen oder zur Planung des notwendigen Ausbaus des Eisenbahnsystems hinzugezogen werden könnten, daraus nicht oder nur mit grossem Aufwand abgeleitet werden können. Die Dokumente [1] bis [8] belegen es somit, dass in Eisenbahnsystemen Informationen für eine verbesserte Prüfung vorhanden sind, aber nicht genutzt werden oder genutzt werden können.

[0022] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren zur Prüfung eines Eisenbahnsystems sowie eine nach diesem Verfahren arbeitendes Eisenbahnsystem anzugeben.

[0023] Das erfindungsgemässe Verfahren soll es erlauben, die im Eisenbahnsystem vorhandenen Informationen effizient zu nutzen, um Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Wartung und den Ausbau des Eisenbahnsystems besonders wertvoll sind. Ferner sollen bereits bestehende Kontrollsysteme überwacht und gesichert werden können.

[0024] Insbesondere soll ein Verfahren angegeben werden, welches erlaubt, das Eisenbahnsystem oder Teile davon mit geringem Aufwand, d.h. praktisch selbsttätig zu prüfen.

[0025] Die Prüfung soll automatisch durchführbar und beliebig skalierbar sein. Der Betreiber des Eisenbahnsystems soll den Gegenstand der Prüfung zudem wahlweise anpassen können. Die Prüfung des Eisenbahnsystems soll auf verschiedenen Ebenen des Eisenbahnsystems möglich sein. Die Breite und Tiefe der Prüfung soll daher wahlweise einstellbar sein.

[0026] Das Verfahren soll Prüfungsergebnisse liefern, welche es erlauben, die Performance sowie Veränderungen im Eisenbahnsystem festzustellen, um insbesondere langfristig notwendige Korrekturmassnahmen einleiten zu können.

[0027] Erforderliche Korrekturmassnahmen sollen aus den erfindungsgemäss ermittelten Informationen vorzugsweise unter Berücksichtigung weiterer Datenquellen, insbesondere von Stammdaten des Eisenbahnsystems, direkt abgeleitet werden können.

[0028] Das erfindungsgemässe Verfahren soll parallel zu bestehenden Prüfungsverfahren durchgeführt werden können und diese fallweise ergänzen, verifizieren oder ersetzen.

[0029] Das erfindungsgemässe Verfahren soll mit geringem Aufwand in Teilen des Eisenbahnnetzes implementiert und gegebenenfalls auf das gesamte Eisenbahnsystem erweitert werden können.

[0030] Das Verfahren soll beliebige Betriebsprozesse, die z.B. der Performance, Sicherung oder Disposition dienen, wahlweise prüfen können

[0031] Diese Aufgabe wird mit einem Verfahren und einem Eisenbahnsystem gelöst, welche die in Anspruch 1 bzw. 15 angegebenen Merkmale aufweist. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen angegeben.

[0032] Das Verfahren dient der Prüfung eines Eisenbahnsystems oder Teilen davon. Das Eisenbahnsystem umfasst Ressourcen einer baulichen Infrastruktur, insbesondere ein Gleisnetz, Fahrzeug-Ressourcen, Ressourcen einer Leittechnik und Ressourcen einer Sicherungstechnik, die von wenigstens einem Steuersystem anhand von Betriebsregeln und Betriebsverfahren genutzt werden, mittels denen definierte Betriebsprozesse fallweise implementiert werden, denen Prozessdaten, wie Eingangsgrössen, Ausgangsgrössen und Betriebsgrössen, zugeordnet sind.

[0033] Erfindungsgemäss werden während des Betriebs des Eisenbahnsystems implementierte Betriebsprozesse identifiziert und Prozessergebnisse der identifizierten Betriebsprozesse aus dem Eisenbahnsystem erfasst und in einem Testrechner mit Referenzdaten verglichen, um den Ablauf der identifizierten Betriebsprozesse zu prüfen.

[0034] Nach dem erfindungsgemässen Verfahren werden somit einzelne Betriebsprozesse identifiziert, die üblicherweise aus mehreren Teilprozessen bestehen. Erfindungsgemäss wird wenigstens ein Teilprozess oder der gesamte Betriebsprozess geprüft. Z.B. wird eine Zugfahrt von einem Betriebspunkt A zu einem Betriebspunkt B geprüft. Gegebenenfalls werden Massnahmen zur Fahrwegsicherung mit Folgefahrschutz, Gegenfahrschutz, Flankenfahrschutz, der Sicherung beweglicher Fahrwegelemente, Schutz an niveaugleichen Kreuzungen, Schutz vor externen Objekten (Lichtraumüberwachung), Geschwindigkeitsüberwachung (Zugbeeinflussung) überwacht. Z.B. werden für die Blockabschnitte der Fahrtstrecke die Freimeldungen und die Stellungen der Haltesignale geprüft. Diese Prüfung kann redundant zu bestehenden Sicherungsverfahren durchgeführt werden, um diese zu verifizieren. Anhand des Verfahrens lassen sich jedoch auch umfangreiche Prüfungen durchführen, die grössere Streckenteile oder übergeordnete Systemteile mit einbeziehen. Sofern die Betriebspunkte A und B weit voneinander entfernt liegen und z.B. durch weitere Betriebspunkte voneinander getrennt sind können übergeordnete Informationen ermittelt werden, die insbesondere die Performance des Eisenbahnsystems und die Disposition der Fahrzeuge betreffen.

[0035] Bei komplexen Eisenbahnsystemen kann das erfindungsgemässe Verfahren auch unter Einbindung mehrerer Testrechner erfolgen, die Prozesse unabhängig voneinander prüfen oder die bei der Prüfung eines Prozesses unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Ein erster Testrechner kann registrierte Zulaufdaten prüfen. Ein zweiter Testrechner kann die Fahrzeuge und deren Zustand prüfen. Ein dritter Testrechner kann sicherheitstechnische Aspekte prüfen. Ein vierter Testrechner kann die ermittelten Daten konsolidieren und erforderliche Massnahmen einleiten.

[0036] Damit Betriebsprozesse, deren Implementierung geplant ist und die der Prüfung zugänglich sein sollen, vom Testprozess bzw. vom Testrechner identifiziert werden können, werden Prozessdaten insbesondere von der Planungstechnik, der Leittechnik oder der Sicherungstechnik bereitgestellt. Mittels der Prozessdaten werden Identifikationsdaten gebildet, anhand derer Betriebsprozesse identifiziert, selektiert und geprüft werden. Der Testrechner bzw. der Testprozess kam dabei wahlweise, gezielt oder auch zufällig auf Betriebsprozesse zugreifen und diese prüfen. Der Betreiber des Eisenbahnsystems kann zudem spezifizieren, welche Arten von Betriebsprozessen prioritäre geprüft werden sollen. Ferner kann festgelegt werden, welche Prozessparameter oder Prozessergebnisse eines bestimmten Prozesses geprüft werden sollen.

[0037] Weiterhin ist eine Prüfung in Abhängigkeit der Zeit möglich. Insbesondere ist es möglich, Ereignisse und Zustände für bestimmte Zeitfenster zu prüfen, für die bestimmte Regelungen oder Vorschriften getroffen wurden oder in denen unterschiedliche Belastungen des Bahnsystems auftreten. Vorzugsweise werden auch die Vollständigkeit und Plausibilität der ermittelten Daten und/oder der registrierten Ereignisse geprüft.

[0038] Sofern z.B. eine negative Fahrzeit ermittelt wird, liegt kein plausibles Ergebnis vor, weshalb eine Fehlermeldung abzugeben ist.

[0039] Ferner ist normalerweise relevant, dass Ereignismeldungen einen korrekten Zeitablauf aufweisen bzw. in einer bestimmten Sequenz vorliegen. Z.B. soll eine Barriere vor der Durchfahrt eines Zuges geschlossen werden und nicht im Nachhinein. Sofern die Schliessung der Barriere nach der Durchfahrt des Zuges gemeldet wird, wird wiederum eine Fehlermeldung abgegeben.

[0040] Die Prüfung des Eisenbahnsystems ist dabei nicht auf die isolierte Überwachung einzelner Züge und diesen zugeordneten Prozessen beschränkt, sondern kann auch mehrere parallel ablaufende Betriebsprozesse, insbesondere verschiedene Zugfahrten überwachen, die unabhängig voneinander oder sicherheitstechnisch voneinander getrennt ablaufen sollten. Beispielsweise werden die Zugfolgedaten Eisenbahnnetz überwacht, um Gefährdungen oder Verdichtungspotential zu erkennen.

[0041] Sofern z.B. eine Meldung von einer Barriere für eine Zugdurchfahrt nicht vorliegt, ist die Vollständigkeit der Daten nicht gegeben, weshalb wiederum ein Fehler gemeldet und eine Überprüfung veranlasst wird.

[0042] Es können automatisierte oder z.B. durch manuelle Eingriffe oder durch Störungen oder Werkarbeiten beeinflusste Abläufe und Prozesse individuell geprüft werden. Vorzugsweise werden dem Testrechner geplante Betriebsprozesse und Änderungen davon sowie interne Einflussgrössen, wie Störungsmeldungen, und externe Einflussgrössen gemeldet. So ist es z.B. möglich, Zugfahrten im Bereich temporär errichteter Baustellen, z.B. die Einhaltung von reduzierten Maximalgeschwindigkeiten zu überwachen. Das Prüfungsverfahren weist dabei eine hohe Flexibilität auf und kann mit geringem Aufwand an beliebige Aufgaben adaptiert werden. Falls in einem übergeordneten Rechner, z.B. einem Wartungsrechner, alle Baustellen im Eisenbahnsystem registriert sind, so können von diesem Wartungsrechner die entsprechenden Daten geladen und Betriebsprozesse bzw. Zugfahrten im Bereich ausgewählter Baustellen geprüft und ausgewertet werden.

[0043] Grundsätzlich können alle Einflüsse auf das Eisenbahnsystem berücksichtigt werden. Insbesondere können Witterungseinflüsse berücksichtigt werden. Sofern z.B. die Temperaturen sinken, kann der Energieverbrauch ansteigen. Ebenso kann der Energieverbrauch auch bei Vorliegen hoher Temperaturen ansteigen, da Kühlaggregate zugeschaltet werden. Toleranzwerte für den Energieverbrauch, die bei der Prüfung verwendet werden, können entsprechend angepasst werden.

[0044] Wesentlich ist, dass der Testrechner oder der Testprozess die Prüfung des Eisenbahnsystems vornimmt, während dieses im Normalbetrieb ist. Es sind somit keine besonderen Massnahmen zu treffen, um die Tests durchzuführen. Betriebsprozesse, die in den täglichen Betrieb des Eisenbahnsystems eingebunden sind und normalerweise terminiert ablaufen, werden wahlweise identifiziert, selektiert und geprüft.

[0045] In vorzugsweisen Ausgestaltungen sind die Prüfprozesse vollständig von den Betriebsprozessen getrennt. D.h., es erfolgen keine Rückwirkungen vom Testrechner auf das Eisenbahnsystem. In weiter bevorzugten Ausgestaltungen sind Rückwirkungen für Teile des Eisenbahnsystems zugelassen und z.B. nur für die Sicherheitstechnik ausgeschlossen. In besonders bevorzugten Ausgestaltungen kann der Prüfungsprozess hingegen ergänzend auch in die Sicherheitstechnik eingreifen. Z.B. können Sicherheitsbedingungen definiert werden, welche von der Sicherheitstechnik erfüllt werden müssen und vom Prüfprozess bzw. Testrechner überwacht werden.

[0046] In vorzugsweisen Ausgestaltungen werden ergänzend zu den ablaufenden Prozessen auch die Stammdaten geprüft. Sofern eine fehlende Übereinstimmung zwischen den Stammdaten des Eisenbahnsystems und den Prozessergebnissen festgestellt wird, werden die entsprechenden Stammdaten vorzugsweise kontrolliert. Das Testsystem kann im Hintergrund arbeiten und Systemmängel in jedem Bereich des Eisenbahnsystems erkennen.

[0047] In bevorzugten Ausgestaltungen sendet die Steuervorrichtung des Eisenbahnsystems, die den selektierbaren Betriebsprozess kontrolliert, vor dessen Implementierung eine Identifikation und alle zugehörigen Prozessparameter an den Testrechner, sodass dieser die Referenzdaten daraus ableiten und den selektierten Betriebsprozess überwachen und prüfen kann. Vorsorglich können für alle Betriebsprozesse entsprechende Daten als Testfälle bzw. Referenzfälle beim Testrechner abgelegt werden.

[0048] Alternativ identifiziert der Testrechner Betriebsprozesse, die von Interesse sind und erstellt die für die Prüfung erforderlichen Referenzdaten bereit.

[0049] Vorzugsweise werden Identifikationsdaten unter Berücksichtigung
  1. a) Netz-Daten, Streckendaten, Betriebspunktdaten; und/oder
  2. b) von Grundfahrplandaten und Sollfahrplandaten; und/oder
  3. c) Prognosemeldungen zu aktuellen Zugläufen; und/oder
  4. d) Formationsdaten für Personenzüge und Güterzüge
ermittelt. Bei der Identifikation des Betriebsprozesses können auch Infrastrukturdaten und/oder Fahrzeugdaten vorteilhaft berücksichtigt werden. Auf diese Weise gelingt es Prozesselemente, die vom Betriebsprozess genutzt werden zu identifizieren und zu lokalisieren. Für Fahrzeuge wird z.B. die Übereinstimmung der gemeldeten Fahrzeugdaten mit den aus dem Betriebsprozess ermittelten Fahrzeugdaten geprüft.

[0050] Anhand der Identifikationsdaten und gegebenenfalls von Prozessdaten werden z.B. Adressdaten gebildet, mittels denen die Ressourcen des selektierten Betriebsprozesses adressiert und diesbezügliche Prozessergebnisse abgefragt werden. Z.B. sind in den geprüften Ressourcen, insbesondere den leittechnischen Einheiten, Statusdaten abgelegt, die vom Testrechner direkt abgefragt werden können, oder die von einer Steuervorrichtung zwischengespeichert werden und von dieser abgefragt werden können. Dabei können Statusdaten auch mehrfach abgefragt werden, um Änderungen zu verfolgen, die vom Betriebsprozess ausgelöst werden.

[0051] Damit die ermittelten Prozessergebnisse bzw. die diesbezüglichen Veränderungen der Elemente des Eisenbahnsystems geprüft werden können, werden Referenzdaten gebildet. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen. Z.B. werden die Veränderungen bzw. die Prozessergebnisse registriert, die ein implementierter Betriebsprozess verursacht. Die registrierten Prozessergebnisse werden in der Folge als Referenzfall für weitere gleichartige Betriebsprozesse verwendet. In der Annahme, dass der betreffende Teil des Eisenbahnsystems einwandfrei funktioniert, kann der Testrechner somit Betriebsprozesse und/oder entsprechende Prozessdaten registrieren und als Referenzfall in einer Datenbank ablegen. Die entsprechenden Referenzdaten, z.B. die ermittelten Prozessdaten bzw. Prozessgrössen, die vorzugsweise mit Zeitangaben verknüpft sind, können in der Folge für die Prüfung dieses oder gleicher Betriebsprozesse verwendet werden. Sofern das Eisenbahnsystem z.B. eine bestimmte Anzahl identisch ausgebildeter sternförmig auseinander laufender Fahrstrassen aufweist, so kann ein Referenzfall registriert und für alle identischen Fahrstrassen verwendet werden.

[0052] Vorzugsweise wird das Eisenbahnsystem analytisch in Teile gegliedert, die in der Folge in Gruppen eingeordnet werden, in denen gleiche oder gleichartige Teile vorgesehen sind. Es können auch Teile einer Gruppe zugeteilt werden, die sich z.B. in einem Parameter unterscheiden, wobei der unterschiedliche Parameter registriert wird. Z.B. unterscheiden sich zwei Strecken lediglich durch den Abstand zwischen zwei Weichen oder Signalen. Sofern dem Testprozess dieser unterschiedliche Parameter bekannt ist, kann er resultierende zeitliche Verzögerungen bei der Prüfung berücksichtigen. Für unterschiedliche Gruppen von Betriebsprozessen können daher jeweils die entsprechenden Referenzdaten mit reduziertem Aufwand bereitgestellt werden. Diese Massnahmen sind in Eisenbahnsystemen, die aus weitgehend gleichartigen Modulen aufgebaut sind, besonders wirksam. Für die gleichartigen Module können zudem die generischen Beschreibungen mit reduziertem Aufwand bereitgestellt werden. Bei der Anwendung wird nach der Identifikation eines Betriebsprozesses somit vorzugsweise festgestellt, ob dieser einer Gruppe zugehört, für die bereits Referenzdaten bereitgestellt wurden.

[0053] In [6], Seite 3, ist ausgeführt, dass sich die überall gleichen technischen Grundzüge des Funktionierens der Eisenbahn, dem Zweck eines Verkehrssystems entsprechend und naturgesetzlichen Grundlagen Rechnung tragend zunächst, in Funktionen ausdrücken, die operativer Natur sind, weshalb die für die Ortsveränderung erforderlichen Funktionen in einem besonderen Masse geeignet sind, die Ausgangsbasis für die Definition einer generischen Referenz zu bilden.

[0054] In einer besonders bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung werden daher einheitliche betriebliche Funktionen und Regeln, vorzugsweise generische betriebliche Funktionen und Regeln, für das Eisenbahnsystem erstellt und in der Folge für die Definition der Betriebsprozesse verwendet. Generische Beschreibungen können daher besonders effizient zur Bildung von Referenzdaten verwendet werden.

[0055] Für einen zu implementierenden Betriebsprozess, der eine Ortsveränderung betrifft, werden z.B. anhand von Infrastrukturdaten und Betriebsregeln Referenzdaten ermittelt. Der Testrechner ermittelt anhand der Infrastrukturdaten z.B., welche leittechnischen Einheiten zur Verfügung stehen und wie sie definitionsgemäss genutzt werden und verwendet vorzugsweise deren generische Beschreibung. Z.B. wird für den Aufbau und Abbau einer gesicherten Fahrstrasse geprüft, welche leittechnischen Einheiten, z.B. Weichen oder Signale, in welcher zeitlichen Abfolge bedient werden müssen. Ferner wird geprüft welche Eingangssignale und Ausgangssignale diesen leittechnischen Einheiten zugeordnet sind. Die entsprechenden generischen Beschreibungen der leittechnischen Einheiten werden daher zu einem Referenzprozess verknüpft. Für den Referenzprozess und die verketteten leittechnischen Einheiten werden Prozessdaten, d.h. Soll-Prozessgrössen, und vorzugsweise der zeitliche Ablauf festgelegt, innerhalb dem diese Soll-Prozessgrössen auftreten. Die Referenzdaten können daher Soll-Prozesse bzw. Referenzprozesse und/oder Soll-Prozessgrössen bzw. Referenzgrössen definieren, die mit den geprüften Prozessen bzw. mit den Prozessergebnissen verglichen werden. Die Referenzdaten können daher aus einzelnen oder verketteten Regeln eines generischen Referenzsystems bestehen. Entsprechenden Soll-Prozessgrössen können z.B. aus Tabellen, Flussdiagrammen oder State Event Charts entnommen werden.

[0056] Vor der Implementierung eines Betriebsprozesses werden vorzugsweise Prozessdaten dieses Betriebsprozesses und vorzugsweise zugehörige Fahrzeugdaten und/oder Infrastrukturdaten bereitgestellt, die vom Testrechner wahlweise abgerufen werden können. Anhand der zur Verfügung stehenden Prozessdaten identifiziert der Testrechner einzelne Betriebsprozesse. Für identifizierte Betriebsprozesse können dabei bereits für die Prüfung benötigte Referenzdaten vorliegen, die nach der Identifikation des Betriebsprozesses aus einer Datenbank abgerufen werden. Alternativ werden anhand von Prozessdaten und betrieblichen Regeln Referenzdaten für den ausgewählten Betriebsprozess ermittelt. Die Prozessdaten, die für die Bereitstellung von Referenzdaten auf diese Weise verwendet werden, sind normalerweise umfangreicher, als die Prozessdaten, die für die Identifikation eines Betriebsprozesses verwendet wurden. Prozessdaten, die für die Identifikation einerseits und die Bereitstellung von Referenzdaten andererseits verwendet werden, können auch eine Schnittmenge bilden. Die Prüfung kann unter Berücksichtigung der Art des Zugverkehrs, z.B. des Vorliegens von Personenverkehr, Güterverkehr, Rangierfahrten, etc., durchgeführt werden.

[0057] Die Prozessdaten umfassen vorzugsweise
  1. a) Daten der Planung, insbesondere Zuglaufdaten, und/oder
  2. b) Daten der Disposition, wie Fahrzeugdaten, und/oder
  3. c) Infrastrukturdaten des Gleisnetzes, und/oder
  4. d) Daten eines aktuellen Zuglaufs; und/oder
  5. e) externe und interne Einflussgrössen,
wie Störungen, manuelle Eingriffe, Witterungseinflüsse

[0058] Anhand der Zuglaufdaten, der Fahrzeugdaten, insbesondere der Zugskonfigurationen und der befahrenen Infrastruktur können unter Berücksichtigung der Betriebsregeln Betriebsprozesse prognostiziert und entsprechende Referenzdaten erstellt werden.

[0059] Prozessergebnisse bestehen im Wesentlichen aus Prozessdaten oder werden aus Daten gebildet, die aus der Leittechnik, der Sicherungstechnik, der Zugbeeinflussung oder der Fahrzeugtechnik abgerufen werden können. Prozessergebnisse beschreiben daher die Zustände oder Zustandsänderungen von Elementen, insbesondere leittechnischen Einheiten, die Gegenstand des geprüften Betriebsprozesses sind.

[0060] Gestützt auf die Prüfung der Prozessergebnisse anhand der Referenzdaten, werden Meldungen abgegeben, die vorzugsweise
  1. a) die Kompatibilität der Referenzdaten mit dem geprüften Betriebsprozesses bestätigt;
  2. b) den erfolgreichen Abschluss der Prüfung bestätigt; und/oder
  3. c) die Abweichung der Prozessergebnisse von den Referenzdaten meldet.


[0061] Sofern die Kompatibilität der Referenzdaten mit dem geprüften Betriebsprozesses nicht gegeben ist, wird die Fehlerursache analysiert und eine Korrektur vorgenommen. Z.B. wird eine Anpassung oder Ergänzung der betrieblichen Regeln vorgenommen. Auf diese Weise kann das Prüfungssystem stetig verbessert werden.

[0062] Sofern Abweichungen von den Referenzdaten erkannt werden, können Fehlfunktionen im Eisenbahnsystem geprüft und Korrekturmassnahmen eingeleitet werden.

[0063] Besonders aufschlussreich ist die mehrfache Prüfung desselben Betriebsprozesses. Aus den jeweils erfassten Prüfungsergebnissen werden vorzugsweise Erwartungswerte ermittelt, sodass Abweichungen eines aktuell geprüften Betriebsprozesses von den Erwartungswerten festgestellt werden können. Vorzugsweise werden Daten, insbesondere Ereignisdaten gruppiert, wonach festgestellt wird, welcher Gruppe neue Ereignisse zuzuordnen sind. Für eine erste Gruppe sind z.B. keine Folgemassnahmen vorgesehen. Für eine zweite Gruppe werden Daten zur Überprüfung weitergeleitet. Für eine dritte Gruppe wird ein Alarm ausgelöst. Für eine vierte Gruppe wird z.B. korrigierend in das Eisenbahnsystem eingegriffen. Ferner können kontinuierliche Veränderungen von Prüfungsergebnissen für mehrfach implementierte und geprüfte Betriebsprozesse ermittelt werden. Der Betreiber des Eisenbahnsystems verfügt somit über einen "Sensor", mittels dessen Veränderungen, Engpässe und Überlastungen frühzeitig erkannt und notwendige Korrekturmassnahmen evaluiert und eingeleitet werden können.

[0064] Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Zeichnungen näher erläutert. Dabei zeigt:
Fig. 1
den schematischen Aufbau eines erfindungsgemässen Eisenbahnsystems 100 in einer vorzugsweisen Ausgestaltung, mit einem zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens geeigneten Testrechner 1, der anhand von Referenzfällen und betrieblichen Regeln, die in Datenbanken 11, 12 gespeichert sind, Referenzdaten bildet und mit Prozessergebnissen identifizierter Betriebsprozesse vergleicht;
Fig. 2
ein Flussdiagramm für einen erfindungsgemässen Testprozess TP, anhand dessen der Testrechner 1 im Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 implementierbare Betriebsprozesse identifiziert, zugehörige Referenzdaten und Prozessergebnisse ermittelt und miteinander vergleicht;
Fig. 3
einen Teil des Eisenbahnsystems 100 von Fig. 1 mit Prozessergebnissen, die während des Ablaufs eines Betriebsprozesses, in dem ein Zug 9 einen Gleisabschnitt 8 durchfährt, im Bereich der Bahnsicherungstechnik 5 und der Zugbeeinflussung 7 auftreten und vom Testrechner 1 abgerufen werden können;
Fig. 4
das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 mit einem Streckenabschnitt 8, innerhalb dem eine Fahrstrasse FS erstellt wird, mit einem schematisch gezeigten funktionalen System, welches Eingangsgrössen und Ausgangsgrössen mit Nachbarsystemen austauscht und entsprechende Funktionen erfüllt; und
Fig. 5
das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 4 mit der schematischen Darstellung von Betriebsprozessen, von denen ein Teilprozess p vom Testrechner 1 identifiziert, selektiert und geprüft wird.


[0065] Fig. 1 zeigt den schematischen Aufbau eines erfindungsgemässen Eisenbahnsystems 100 in einer vorzugsweisen Ausgestaltung, mit wenigstens einem zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens geeigneten Testrechner 1, der mit einer oder mehreren verteilten Datenbanken 11, 12, ..., 14 verbunden ist, in denen einerseits für die Prüfung verwendete Referenzfälle und betriebliche Regeln und andererseits Prüfungsergebnisse gespeichert sind bzw. werden.

[0066] Die Darstellung in Fig. 1 umfasst die Grundkomponenten eines Eisenbahnsystems, nämlich "Fahrzeuge", "bauliche Infrastruktur" sowie "Leit- und Sicherungstechnik", die in [6], Seite 5, als aneinander anliegende Dreiecke dargestellt sind, die ein weiteres Dreieck einschliessen, welches die Betriebsverfahren und das Zusammenwirken von Fahrzeuge, baulicher Infrastruktur sowie Leit- und Sicherungstechnik symbolisiert.

[0067] Fig. 1 zeigt ein Modul 3 für die Leittechnik, ein Modul 5 für die Sicherungstechnik und ein dazwischenliegendes Modul 4 für die Verarbeitung von Daten, die in der Leittechnik 3 oder in der Sicherungstechnik 5 auftreten oder von aussen zugeführt werden. Weitere Module 2 und 6 repräsentieren die Planungstechnik und Disposition sowie die Fahrzeuge 9 und die Infrastruktur 8.

[0068] Übergeordnet ist ein Systemrechner 1000 vorgesehen, der vorzugsweise mit allen Modulen 1-9 direkt oder indirekt, ohne bidirektionale oder bidirektionale kommunizieren kann, um Daten zu sammeln oder auf das Eisenbahnsystem 100 einzuwirken. Grundsätzlich kann dieser Systemrechner 1000 in das Modul Leittechnik 3 integriert sein und/oder das Modul Datentransfer/Datenverarbeitung 4 umfassen. Ferner kann der Systemrechner 1000 auf weitere Rechnersysteme 1001, 1002, ... zugreifen, um benötigte Daten, insbesondere Daten externer Einflussgrössen, wie Witterungsdaten und Klimadaten, abzurufen oder ermittelte Daten abzuspeichern, die z.B. für die Verrechnung von Dienstleistungen oder die Wartung des Eisenbahnsystems 100 verwendet werden. Der symbolisch gezeigte Systemrechner 1000 kann vorzugsweise auch mit dem Testrechner 1 Daten wahlweise direkt oder indirekt austauschen, so dass dem Testrechner 1 vorzugsweise alle Daten des Eisenbahnsystems 100 zur Verfügung stehen und vorzugsweise vom Testrechner 1 ermittelte Daten und gegebenenfalls Steuerbefehle und/oder Alarme dem Eisenbahnsystem 100 zentral oder punktuell zugeführt werden können. Exemplarisch ist gezeigt, dass der Systemrechner 1000 mit einem Testfahrzeug 1003, welches auf dem Schienennetz des Eisenbahnsystems 100 verkehrt, Daten austauschen kann. Diese Daten können vom Systemrechner 1000 zum Testrechner 1 oder vom Testrechner 1 auch direkt vom Testfahrzeug 1003 abgefragt werden.

[0069] Die genannten Module 1-9 sowie 1000, 1001, 1002, 1003, die in bekannter Weise Nachrichten und Signale untereinander austauschen können, sind in Fig. 1 exemplarisch gezeigt. Sie können aber unterschiedliche Konfigurationen und Wechselwirkungen aufweisen. Die Kommunikation zwischen den Modulen 1-9 sowie 1000, 1001, 1002, 1003 kann drahtlos oder drahtgebunden, leitungsvermittelt oder paketvermittelt erfolgen.

[0070] Die dem Fachmann bekannten Grundfunktionen des Eisenbahnsystems sind in [9], L. Fendrich / W. Fengler, Handbuch Eisenbahninfrastruktur, 2. Auflage, Springer Verlag, 2007, beschrieben. Besonders relevant sind Kapitel 10, Leit- und Sicherungstechnik, Kapitel 17, Bahnbetriebliche Telekommunikationstechnik, und Kapitel 22, Anlagenmonitoring des Fahrwegs.

[0071] Die Module "Planung" und "Disposition" sind z.B. in [7] beschrieben. Zur Prüfung von Betriebsprozessen, welche Ortsverschiebungen von Fahrzeugen betreffen, sind insbesondere Zuglaufdaten relevant. Die Zuglaufdaten von Zügen werden vorzugsweise von einer Verwaltungseinheit geliefert, die Zugbewegungen überwacht und dazu von einem Planungs-Rechner Plandaten des Zuglaufs und von der Leittechnik Rückmeldungen des tatsächlichen Zuglaufs erhält, wie Daten der Einfahrt und Ausfahrt von Zügen in einen Streckenblock eines Betriebspunkts.

[0072] Der Testrechner 1 kann von den Modulen 2-9, 1000, ... statische und dynamische Informationen und Daten abfragen. Daten der Leittechnik 3 und der Sicherungstechnik 5 können über das Modul Datenverarbeitung 4 abgefragt werden. Plandaten, insbesondere Fahrplandaten, und gegebenenfalls Dispositionsdaten werden vom Modul 2 geliefert. Externe Prozessgrössen werden z.B. vom Systemrechner 1000 geliefert.

[0073] Der Testrechner 1 ermittelt dabei vorzugsweise selbsttätig zwei Arten von Informationen und Daten aus dem Eisenbahnsystem 100. Einerseits werden Prozessdaten, d.h. Daten und Informationen zu Betriebsprozessen aus den Modulen 2-9, 1000 abgerufen, die implementiert werden oder bereits implementiert wurden. Gestützt auf die Prozessdaten kann der Testrechner Betriebsprozesse identifizieren und selektieren. Aus den Fahrplandaten kann der Testrechner 1 z.B. ermitteln, dass ein Zug um 10:00 den Betriebspunkt A verlassen und zum Betriebspunkt B überführt wird. Den Gesamtprozess für diese Verschiebung oder Teilprozesse davon kann der Testrechner 1 einer Überwachung und Prüfung unterziehen. Es ist auch möglich, die Meldung der Abfahrt des Zuges vom Betriebspunkt A als Anreiz zu verwenden, den treffenden Betriebsprozess zu überwachen und zu prüfen.

[0074] Vorzugsweise werden auch Daten zu internen oder externen Prozessgrössen geladen, welche die Betriebsprozesse nicht direkt, sondern indirekt beeinflussen. Besonders relevant sind Daten der Witterung und Temperatur, welche die Betriebsprozesse erheblich beeinflussen können und bei der Prüfung vorzugsweise berücksichtigt werden.

[0075] Nebst Prozessdaten kann der Textrechner 1 andererseits auch Prozessergebnisse aus den Modulen 2-9, 1000 abgerufen, um diese mit Referenzdaten zu vergleichen. Diese Prozessergebnisse sind typischerweise Statusinformationen oder Informationen zu Statusänderungen für Prozesselemente bzw. funktionale Elemente des Eisenbahnsystems 100, wie leittechnische oder sicherheitstechnische Einheiten, die in den Betriebsprozess für die Ortsverschiebung des Zuges von A nach B involviert sind.

[0076] Meldungen über Statusänderungen der betreffenden Prozesselemente können über die verschiedene drahtgebundene oder drahtlose Kommunikationskanäle des Eisenbahnsystems direkt oder indirekt zum Testrechner 1 übertragen werden. [8] offenbart ein Stellwerk zur Steuerung von dezentral angeordneten Funktionseinheiten, die über Kommunikationskanäle mit der Prozesssteuerungsanlage verbunden sind, umfassend eine Anzahl von rechnergestützten Steuerungseinheiten, wobei die Steuerungseinheiten gemäss einem Steuerungsplan in Serie oder parallel geschaltet sind und gemäss diesem Steuerungsplan Steuerungsdaten empfangen und/oder ausgeben. Als rechnergestützte Steuerungseinheiten werden Mobilgeräte verwendet. Das erfindungsgemässe Verfahren kann bei einem Eisenbahnsystem gemäss [8] besonders einfach angewendet werden, da Prozessdaten, in [8] als Steuerungsdaten bezeichnet, über einen Kommunikationskanal direkt zum Testrechner 1 übertragen werden können. Die Kommunikation kann über ein GSM-Kommunikationsnetz, z.B. GSM-R oder LTE, oder über ein paketvermittelndes Netzwerk, wie das Internet zum Testrechner 1 übertragen werden, der mit den entsprechenden Kommunikationsvorrichtungen und Kommunikationsadressen ausgerüstet ist.

[0077] Der Testrechner 1 kann anhand von statischen und dynamischen Prozessdaten somit einzelne Betriebsprozesse identifizieren und selektieren. Für selektierte Betriebsprozesse kann der Testrechner 1 korrespondierende Prozessergebnisse, typischerweise dynamische Prozessdaten, aus dem Eisenbahnsystem abrufen und dazu beliebige Kommunikationskanäle nutzen.

[0078] Zur Prüfung des selektierten Betriebsprozesses werden Referenzdaten bereitgestellt, die mit den Prozessergebnissen verglichen werden.

[0079] Referenzdaten können auf unterschiedliche Weise ermittelt werden. Der Ablauf von Betriebsprozessen kann überwacht und die Prozessergebnisse können als Referenzdaten gespeichert werden. Die Steuervorrichtung des Eisenbahnsystems, die den selektierbaren Betriebsprozess kontrolliert, kann vor dessen Implementierung Identifikationsdaten und zugehörige Prozessparameter an den Testrechner 1 senden, sodass dieser die Referenzdaten daraus ableiten und speichern kann. Der Testrechner 1 kann auch Betriebsprozesse identifizieren und Referenzdaten anhand betrieblicher Regeln und der Verwendung von Prozessdaten erstellen, wie dies oben beschrieben wurde.

[0080] Fig. 2 zeigt ein Flussdiagramm für einen erfindungsgemässen Testprozess TP, anhand dessen der wenigstens eine Testrechner 1 im Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 implementierbare Betriebsprozesse identifiziert, zugehörige Referenzdaten und Prozessergebnisse ermittelt und miteinander vergleicht. Der Testprozess TP bzw. das Testverfahren umfasst mehrere Prozessschritte S1, ..., S7, von denen einige in der Reihenfolge vertauscht oder parallel ausgeführt werden können. Der Testprozess TP wird vorzugsweise repetitiv durchlaufen, um möglichst viele Informationen über das Eisenbahnsystem zu gewinnen.

[0081] Gemäss Prozessschritt S1 werden Prozessdaten für die Betriebsprozesse des Eisenbahnsystems 100 bereitgestellt. Exemplarisch ist gezeigt, dass die benötigten Prozessdaten vom Systemrechner 1000 gesammelt und bereitgestellt werden können. Ferner können Prozessdaten direkt aus weiteren Modulen 2-9 des Eisenbahnsystems 100 abgefragt werden. Solche Prozessdaten, wie z.B. Fahrplandaten, sind in bekannten Eisenbahnnetzen vorhanden und werden routinemässig generiert und bilden typischerweise Eingangsgrössen der durchgeführten Betriebsprozesse. Dabei können für jeden Prozess spezifische Daten oder auch für alle Prozesse gültige Daten bereitgestellt werden.

[0082] Teile und Module des Eisenbahnsystems, die Signale und Meldungen bzw. Prozessdaten erzeugen, wurden einleitend mit Verweis auf die Dokumente [1] bis [8] beschrieben. Prozessdaten können dabei statische oder dynamische Zustände von Funktionseinheiten im Eisenbahnnetz 100 betreffen. Ferner können Prozessdaten geplante und tatsächliche Prozessereignisse betreffen, die idealerweise zeitlich zusammenfallen. Prozessdaten können auch Informationen zu bereits implementierten Betriebsprozessen betreffen. Im Gegensatz zu Prozessergebnissen betreffen Prozessdaten typischerweise Prozessgrössen, die bei der Initialisierung der Betriebsprozesse auftreten.

[0083] Die im Prozessschritt S52 genannten Prozessergebnisse sind grundsätzlich ebenfalls Prozessdaten, die jedoch relevante Ergebnisse der Betriebsprozesse betreffen und typischerweise gegen Ende der Prozessphasen auftreten. Prozessergebnisse bilden daher eine besondere Klasse der Prozessdaten.

[0084] Gemäss Prozessschritt S2 werden Identifikationsdaten für Betriebsprozesse ermittelt, die geplant oder bereits implementiert sind.

[0085] Gemäss Prozessschritt S3 wird ein Betriebsprozess identifiziert und selektiert, der einer Prüfung unterworfen werden soll. Die Selektion kann zufällig erfolgen. Z.B. werden Betriebsprozesse eines Fahrplans sequenziell erfasst und geprüft. Gemäss Modul S30 kann der Identifikationsprozess jedoch gesteuert werden, sodass z.B. verschiedene Funktionsarten einer Prüfung unterzogen werden. Z.B. kann für eine Ortsverschiebung eines Zuges von A nach B die Leittechnik, die Sicherungstechnik, die Fahrzeugtechnik, die Weichentechnik, die Signaltechnik und/oder die Kommunikationstechnik geprüft werden. D.h., es können die Eingangssignale und Ausgangssignale von Funktionseinheiten dieser technischen Bereiche geprüft werden. Der Betreiber des Eisenbahnnetzes 100 kann jedoch auch Betriebsprozesse prüfen lassen, die für die Disposition relevant sind.

[0086] Nach Identifikation eines Betriebsprozesses werden für diesen im Prozessschritt S4 Referenzdaten und im Prozessschritt S5 Prozessergebnisse ermittelt, die im Prozessschritt S6 miteinander verglichen werden.

[0087] Die Ermittlung von Referenzdaten im Prozessschritt S4 kann auf verschiedene Arten erfolgen. Vorzugsweise wird geprüft (Prozessschritt S43), ob für diesen Betriebsprozess in der Datenbank 12 bereits Referenzdaten bzw. ein Referenzfall vorliegt. In einer weiteren vorzugsweisen Ausgestaltung wird geprüft (Prozessschritt S42), ob der Betriebsprozess einer Gruppe von Betriebsprozessen zugehört, für die bereits Referenzdaten bzw. ein Referenzfall vorliegt. Sofern noch kein Referenzfall vorliegt, werden Referenzdaten anhand von betrieblichen Regeln aus Datenbank 11, gegebenenfalls unter Einbezug von Prozessdaten ermittelt (Prozessschritt S41). Z.B. werden Daten des Teils der Infrastruktur hinzugezogen, welcher vom Betriebsprozess genutzt wird. Aus den Infrastrukturdaten werden die involvierten Prozesselemente sowie deren Standorte ermittelt. Anhand der betrieblichen Regeln wird in der Folge festgestellt, welche Statusänderungen für die involvierten Prozesselemente bei Ablauf des Betriebsprozesses zu erwarten sind. Die für diesen Betriebsprozess ermittelten Referenzdaten werden in der Datenbank 12 abgelegt und stehen als Referenzfall zur Verfügung, falls derselbe Betriebsprozess ein weiteres Mal selektiert wird. Die beispielsweise genannten Prozessschritte S41, S42, S43 und S44 können als Alternativen oder, wie beschrieben, in Kombination miteinander verwendet werden.

[0088] Für die Ermittlung der Prozessergebnisse im Prozessschritt S5 werden anhand des identifizierten Betriebsprozesses vorzugsweise unter Berücksichtigung von Prozessdaten Prozesselemente ermittelt, die bei der Implementierung des identifizierten Betriebsprozesses genutzt werden. Für eine Ortsverschiebung eines Zuges zwischen den Betriebspunkten A und B wird anhand von Infrastrukturdaten vorzugsweise festgestellt, welche Prozesselemente, wie leittechnische Einheiten, Weichen, Signale, Übergänge , Barrieren, bei der Implementierung des Betriebsprozesses genutzt werden. Für diese Prozesselemente werden Statusänderungen während des Ablaufs des identifizierten Betriebsprozesses registriert und entsprechende Prozessergebnisse gebildet. Die Abfrage von Statusänderungen kann auch nur zu bestimmten Zeitpunkten erfolgen.

[0089] Vorzugsweise werden für die identifizierten Prozesselemente Adressdaten gebildet oder geladen, mittels denen für die betreffenden Prozesselemente Prozessergebnisse z.B. von der Leittechnik, der Sicherungstechnik, der Zugbeeinflussung, der Fahrzeugtechnik oder direkt von den Prozesselementen abgefragt werden können.

[0090] Im Prozessschritt S6 erfolgt abschliessend der Vergleich der ermittelten Prozessergebnisse mit den ermittelten Referenzdaten.

[0091] Die im Prozessschritt S6 gebildeten Vergleichsergebnisse werden im Prozessschritt S7 ausgewertet, um Prüfungsresultate für den geprüften Betriebsprozess zu bilden, die vorzugsweise als Grundlage für notwendige Aktionen verwendet werden. Prüfungsergebnisse werden in der Datenbank 14 abgelegt und können mittels des Testrechners 1 oder weiterer Recheneinheiten beliebig analysiert und statistisch ausgewertet werden, um Fehler, Schwächen und Veränderungen, insbesondere Belastungsänderungen des Eisenbahnnetzes 100 zu identifizieren. Zur Evaluation der Vergleichsergebnisse können auch zuvor ermittelte Prüfungsergebnisse aus der Datenbank 14 ausgelesen und verwendet werden. Vergleichsergebnisse und Prüfungsresultate werden im Rahmen primärer Aktionen vorzugsweise in der Datenbank 14 abgelegt. Im Rahmen sekundärer Aktionen werden vorzugsweise Rückwirkungen auf das Eisenbahnsystem 100 ausgelöst. Dabei können Fehler signalisiert und Alarme ausgelöst werden. Ferner können Steuersignale mit entsprechender Priorität abgegeben werden. Sollte z.B. auf einer Fahrstrecke eine Kollisionssituation detektiert werden, die durch die Sicherheitstechnik nicht aufgefangen wurde, so können Signale geschaltet und die betreffenden Fahrzeuge ggf. angesteuert werden, um eine Kollision zu vermeiden.

[0092] Fig. 3 zeigt symbolisch einen Teil des Eisenbahnsystems 100 von Fig. 1 mit Prozessergebnissen, die während des Ablaufs eines Betriebsprozesses, in dem ein Zug 9 einen Gleisabschnitt 8 durchfährt, im Bereich der Bahnsicherungstechnik 5 und der Zugbeeinflussung 7 auftreten und vom Testrechner 1 abgerufen werden können. Der gezeigte Teil des Eisenbahnsystems 100 betrifft einen Regelkreis der Betriebssicherheit im Schienenverkehr, wie er in [9], Kapitel 10.1.3, Seite 492, Abb. 10.4, gezeigt und beschrieben ist. Dort ist ausgeführt, dass zur Fahrt eines Zuges 9 in einem Gleisabschnitt 8 der zugehörige Lichtraum von allen Gegenständen frei sein soll und die dabei befahrenen beweglichen Fahrwegelemente die richtige Lage eingenommen haben sollen. Diese Zustände oder Zustandsänderungen werden durch eine Sensorik erfasst. Die Gleisfreimeldung steht dabei für die Freiheit des Gleises 8 von anderen Schienenfahrzeugen. Die Lichtraumfreimeldung steht für die Freiheit des Gleises 8 von systemfremden Objekten. Wenn der Gleisabschnitt 8 durch den vorangegangenen Zug 9' verlassen wurde, wird der Gleisabschnitt 8 freigemeldet. Nach der Informationsverarbeitung muss eventuell noch ein Stellbefehl ausgegeben werden, um die beweglichen Fahrwegelemente in die richtige Stellung zu bringen, was ein erneutes Einlesen der Lage zur Folge hat. Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann ein Fahrbefehl ausgegeben werden. Dieser führt zur Beschleunigung des Fahrzeugs 9, das in den Gleisabschnitt 8 einfahren kann. Die Einhaltung der dabei zulässigen Geschwindigkeit wird durch die Zugbeeinflussung 7 überwacht. Die Eingangssignale a, b, c der Messwerterfassung (Sensorik), die Ausgangssignale d, d1, d2, d3 der Steuerwertausgabe, Steuersignale e von der Zugbeeinflussung 7 sowie Signale f, g von den Fahrzeugen 9, 9' können dabei vom Testrechner 1 als Prozessergebnisse erfasst werden. Wie dies in [8] beschrieben ist, können Mobilgeräte als rechnergestützte Steuerungseinheiten verwendet werden, die entsprechende Statusänderungen über ein Mobilfunknetz zum Testrechner 1 übertragen.

[0093] Fig. 4 zeigt das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 mit einem Streckenabschnitt 8, innerhalb dem eine Fahrstrasse FS erstellt wird, mit einem schematisch gezeigten funktionalen System, welches Eingangsgrössen und Ausgangsgrössen mit Nachbarsystemen austauscht und entsprechende Funktionen erfüllt. Gemäss [6], Seiten 64-56 (siehe Bild 29) nehmen Input und Output bei der Abgrenzung eines zu betrachtenden funktionalen Systems einen besonderen Stellenwert ein. Durch sie wird definiert, was das funktionale System zu leisten hat (Output) und was es nicht leisten, sondern von anderen Systemen übernehmen soll (Input). Wer oder was diese Inputs liefert, ist bei generischer Betrachtungsweise im Prinzip unerheblich. Deshalb könnte theoretisch die Angabe der Nachbarsysteme entfallen und die Abgrenzung allein durch die Angaben zu den In- und Outputs vorgenommen werden. Ergänzend sind Funktionen s1, s2 gezeigt, welche nicht als Output zu einem Nachbarsystem übertragen werden, sondern z.B. eine Konfigurationsänderung des funktionalen Systems betreffen. Die Signale Input x, y, z und Output o können wiederum zum Testrechner 1 übertragen werden. Für jedes funktionale System können betriebliche Regeln festgelegt werden, die das Verhalten des funktionalen Systems, welches ein Prozesselement darstellt, bei Ablauf des Betriebsprozesses beschreiben. Nachdem das betreffende Prozesselement für einen Betriebsprozess identifiziert wurde, können somit das erwartete Verhalten dieses Prozesselements und entsprechende Referenzdaten festgelegt werden. Ebenso kann in der Folge das tatsächliche Verhalten dieses Prozesselements mit entsprechenden Prozessergebnissen erfasst werden. Abläufe im gezeigten funktionalen System bilden prinzipiell einen Betriebsprozess. Durch Verkettung der generischen Beschreibungen mehrerer funktionaler Systeme werden grössere Betriebsprozesse beschrieben bzw. entsprechende Referenzdaten bereitgestellt. Der Testrechner 1 kann zudem als Nachbarsystem betrachtet werden, dem ein Output, nämlich Statusmeldungen übermittelt werden. Die funktionalen Systeme, wie die in [8] beschriebenen Mobilendgeräte, weissen vorzugsweise eine Schnittstelle auf, über die sie Daten zum Testrechner 1 übertragen können.

[0094] Das funktionale System ist Teil einen Streckenabschnitts 8, in dem anhand des identifizierten Betriebsprozesses eine Fahrstrasse FS erstellt und leittechnische Einheiten, wie Weichen W1, W2 entsprechend angesteuert werden. Der Streckenabschnitt 8 korrespondiert z.B. zum Streckenabschnitt 8 von Fig. 3 und wird entsprechend überwacht und gesteuert. Möglich ist ferner die Prüfung von kürzeren Gleisabschnitten, z.B. des Gleisabschnitts zwischen den Weichen W1 und W2, oder punktuell von Elementen des Eisenbahnsystems 100.

[0095] Fig. 5 zeigt das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 4 mit der schematischen Darstellung von Betriebsprozessen, von denen ein Teilprozess p, der z.B. zum funktionalen System von Fig. 4 korrespondiert, vom Testrechner 1 identifiziert, selektiert und geprüft wurde. Es ist schematisch gezeigt, dass mehrere Betriebsprozesse parallel zueinander ablaufen können oder dass ein Betriebsprozess mehrere parallel oder seriell zueinander verlaufende Teilprozesse aufweisen kann. In der gezeigten Darstellung wird der Teilprozess p geprüft und es werden Prozessgrössen x, y, s und o als Prozessergebnisse erfasst, anhand derer der Teilprozess P unter Berücksichtigung generischer Beschreibungen des Teilprozesses P bzw. entsprechender Referenzdaten geprüft wird.

Literaturverzeichnis



[0096] 
  1. [1] EP1750988B1
  2. [2] WO2006136216A1
  3. [3] WO2010148528A1
  4. [4] EP1897781A2
  5. [5] EP2090491A1
  6. [6] Gunnar Bosse, Grundlagen für ein generisches Referenzsystem für die Betriebsverfahren spurgeführter Verkehrssysteme, 23. November 2010
  7. [7] EP2631152B1
  8. [8] EP2868547A1
  9. [9] L. Fendrich / W. Fengler, Handbuch Eisenbahninfrastruktur, 2. Auflage, Springer Verlag, 2007



Ansprüche

1. Verfahren zur Prüfung eines Eisenbahnsystems (10) oder Teilen davon, welches

- Ressourcen einer baulichen Infrastruktur (8), insbesondere ein Gleisnetz,

- Fahrzeug-Ressourcen (9),

- Ressourcen einer Leittechnik (3) und

- Ressourcen einer Sicherungstechnik (5)

umfasst, die von wenigstens einem Steuersystem (2, 3, 4, 5) anhand von Betriebsregeln und Betriebsverfahren (p1, ..., pn) genutzt werden, mittels denen definierte Betriebsprozesse (p) fallweise implementiert werden, denen Prozessdaten, wie Eingangsgrössen (x, y, z), Ausgangsgrössen (o) und Betriebsgrössen (s), zugeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass während des Betriebs des Eisenbahnsystems (100) implementierte Betriebsprozesse (p) identifiziert und Prozessergebnisse der identifizierten Betriebsprozesse (p) aus dem Eisenbahnsystem (100) erfasst und in einem Testrechner (1) mit Referenzdaten verglichen werden, um den Ablauf der identifizierten Betriebsprozesse (p) zu prüfen.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass für jeden Betriebsprozess vor der Implementierung Prozessdaten bereitgestellt werden, die vom Testrechner (1) zur Identifikation eines Betriebsprozesses (p) und/oder zur Bereitstellung dazu korrespondierender Referenzdaten und/oder zur Ermittlung dazu korrespondierender Prozessergebnisse genutzt werden können.
 
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Prozessdaten wahlweise

a) Daten der Planungstechnik (2) und Disposition, insbesondere Zuglaufdaten,

b) Prognosedaten,

c) Daten der Leittechnik (3),

d) Daten der Sicherungstechnik (5),

e) Daten der Fahrzeuge (9),

f) Daten der Infrastruktur (8), insbesondere des Gleisnetzes,

sowie Daten zur temporären Gültigkeit dieser Prozessdaten umfassen können.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Testrechner (1) anhand von Prozessdaten Identifikationsdaten ermittelt, mittels denen zu prüfende Betriebsprozesse identifiziert werden, wobei Identifikationsdaten vorzugsweise unter Berücksichtigung von Fahrplandaten ermittelt werden.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass Identifikationsdaten unter Berücksichtigung von statischen oder dynamischen Prozessdaten ermittelt werden, wobei innerhalb der Infrastruktur (8) vorzugsweise Statusänderungen festgestellt und zugehörige Betriebsprozesse identifiziert werden.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-6, dadurch gekennzeichnet, dass der Testrechner (1) für einen identifizierten Betriebsprozess gespeicherte Referenzdaten aus einer Datenbank (12, 13) lädt oder dass der Testrechner (1) Referenzdaten anhand von Prozessdaten und gespeicherten betrieblichen Regeln ermittelt, wobei die Referenzdaten dem erwarteten Verhalten des identifizierten Betriebsprozesses entsprechen.
 
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass Referenzdaten für einen identifizierten Betriebsprozesse unter Berücksichtigung von Daten der Infrastruktur des Eisenbahnsystems (100) gebildet werden, wobei anhand der Infrastrukturdaten vom identifizierten Betriebsprozess genutzte Prozesselemente, wie leittechnische Einheiten identifiziert und für diese die betrieblichen Regeln angewendet werden, um den identifizierten Prozess ganz oder teilweise abzubilden.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-7, dadurch gekennzeichnet, dass anhand der Identifikationsdaten und gegebenenfalls Prozessdaten, insbesondere Infrastrukturdaten, vom identifizierten Betriebsprozess genutzte Prozesselemente, wie leittechnische Einheiten, identifiziert werden, für die während des Ablaufs des identifizierten Betriebsprozesses Statusänderungen registriert und entsprechende Prozessergebnisse gebildet werden.
 
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass für die identifizierten Prozesselemente Adressdaten gebildet oder geladen werden, mittels denen für diese Prozesselemente Prozessergebnisse von der Leittechnik (3), der Sicherungstechnik (5), der Zugbeeinflussung (7), der Fahrzeugtechnik (9) oder direkt von den Prozesselementen abgefragt werden können.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-9, dadurch gekennzeichnet, dass gestützt auf die Prüfung der Prozessergebnisse durch Vergleich mit den Referenzdaten, eine Meldung abgegeben wird, welche

a) die Kompatibilität der Referenzdaten mit dem geprüften Betriebsprozesses bestätigt;

b) den erfolgreichen Abschluss der Prüfung bestätigt; und/oder

c) die Abweichung der Prozessergebnisse von den Referenzdaten meldet.


 
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-10, dadurch gekennzeichnet, dass gestützt auf die Prüfung der Prozessergebnisse durch Vergleich mit den Referenzdaten, ein Fehlverhalten des Eisenbahnsystems (100) ermittelt wird und

a) Alarmmeldungen abgegeben werden; und/oder

b) Steuersignale an das Eisenbahnsystem (100) abgegeben werden.


 
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-11, dadurch gekennzeichnet, dass Prüfungsergebnisse für einen mehrfach implementierten und geprüften Betriebsprozess (p) gemittelt werden und dass Abweichungen des aktuell geprüften Betriebsprozesses (p) von den zuvor erstellten Mittelwerten ermittelt werden, oder dass Veränderungen von Prüfungsergebnissen für einen mehrfach implementierten und geprüften Betriebsprozess ermittelt werden.
 
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-12, dadurch gekennzeichnet, dass die Prüfung der implementierten Betriebsprozesse repetitiv für verschiedene Zeitabschnitte eines Tages, eine Woche, eines Monats oder eines Jahres durchgeführt wird und/oder dass die Prüfung der implementierten Betriebsprozesse wahlweise nach Art der Betriebsprozesse durchgeführt wird.
 
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-13, dadurch gekennzeichnet, dass Betriebsprozesse identifiziert und entsprechend ihren Eigenschaften in Gruppen geordnet werden, denen je dazu korrespondierende Referenzdaten zugeordnet werden, wonach für identifizierte Betriebsprozesse die Zugehörigkeit zu einer Gruppe geprüft und die entsprechenden Referenzdaten geladen werden.
 
15. Eisenbahnsystem mit wenigstens einem Testrechner (1), in dem wenigstens ein Softwareprogramm installiert oder ein Testprozess (TP) implementiert ist, die der Durchführung des Verfahrens gemäss einem der Ansprüche 1 - 14 dienen.
 




Zeichnung



















Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur