[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren für die Prüfung eines Eisenbahnsystems oder
Teilen davon sowie ein nach diesem Verfahren arbeitendes Eisenbahnsystem.
[0002] Eisenbahnsysteme weisen üblicherweise eine hohe Komplexität auf, und stellen hohe
Anforderungen an die Verwaltung und Prüfung, um den einwandfreien Betrieb sicherstellen
zu können.
[0003] Die einzelnen Module moderner Eisenbahnsysteme werden üblicherweise elektronisch
mittels Prozessoren und entsprechender Software gesteuert.
[1], EP1750988B1, offenbart z.B. ein Interlocking System für eine Eisenbahnanlage, welches über eine
Schnittstelle mit einem zentralen Steuerungs- und Überwachungssystem verbunden ist.
Ferner sind lokale Prozessoreinheiten vorgesehen, die logische Operationen, die einem
oder mehreren spezifischen streckenseitigen Ausrüstungselementen, einem Signal, einem
Satz von Weichen oder einer festen Kreuzung zugeordnet sind, durchführen, und die
dazu über eine Schnittstelle mit den streckenseitigen Ausrüstungselementen verbunden
sind.
[2], WO2006136216A1, offenbart ein Verfahren zur Konfiguration einer leittechnischen Einheit, insbesondere
eines Stellwerks, das zur Überwachung und/oder Einstellung/Auflösung von Fahrstrassen
für schienengebundene Fahrzeuge verwendet wird, indem eine Fahrstrasse auf Anforderung
mit der jeweiligen Fahrstrasse zugeordneten Elementen gestellt oder aufgelöst wird,
falls diese Anforderung für die mit der Anforderung verbundenen Elemente nicht negativ
quittiert wurde. Für die Fahrstrasse werden flankierende Attribute, insbesondere Gleisbelegung,
Fahrtrichtung, Blockverschluss, Streckensperre, mit Erwartungswerten definiert und
eine angeforderte Fahrstrasse wird erst nach Vorliegen der Erwartungswerte für die
definierten Attribute eingestellt oder aufgelöst.
[0004] Leittechnische oder sicherheitstechnische Einheiten, die definierte Aufgaben erfüllen,
sind normalerweise elektronisch steuerbar, wobei bei der Erfüllung der entsprechenden
Aufgaben bzw. beim Ablauf der entsprechenden Prozesse Prozessgrössen auftreten, wie
die genannten Attribute beim Aufbau oder Abbau einer Fahrstrasse. Die Prozessgrössen
sind über Schnittstellen, gegebenenfalls Luftschnittstellen, zugänglich.
[0005] Aus [3],
WO2010148528A1, ist bekannt, bestehende Stellwerke durch elektronische Stellwerke zu ersetzen, wobei
die Schaltlogik des bestehenden Stellwerks mittels einer Transformation auf eine funktionell
äquivalente Schaltung elektronischer Halbleiterbauteile abgebildet wird, und die Ausgänge
dieser Schaltung mit mindestens einigen der installierten Komponenten verbunden werden,
die anzusteuern sind.
[0006] Prozesse zum Betrieb, zur Sicherung und Prüfung bestehender Eisenbahnsysteme sind
daher ebenfalls zumeist spezifisch an die installierten leittechnischen Einheiten,
wie Stellwerke, angepasst, die einen unterschiedlichen technischen Stand aufweisen
und von unterschiedlichen Herstellern geliefert sein können. Steuerung und Prüfung
der Anlagefunktionen erfolgen daher auf tiefer Ebene mit relativ hohem Aufwand. Aussagen
zu übergeordneten betrieblichen Abläufen und insbesondere zu Änderungen übergeordneter
Abläufe, die zu präventiven Massnahmen oder zur Planung des notwendigen Ausbaus des
Eisenbahnsystems hinzugezogen werden könnten, fehlen daher.
[0007] Ein Zugbeeinflussungssystem auf der Basis von ERTMS (European Rail Traffic Management
System) und ETCS (European Train Control System) Level2 mit einem RBC (Radio Block
Center) ist z.B. in [4],
EP1897781A2, beschrieben.
[0008] Das RBC, das mit einem Stellwerk verbunden ist, dient der Führung von Fahrzeugen
auf einem bestimmten Streckenabschnitt mittels Funkverbindungen über das Mobilfunknetz
GSM-R (Global System for Mobile Communication-Railways). Das ETCS realisiert die sicheren
Funktionen der Zugbeeinflussung. GSM-R ermöglicht unter anderem die Datenübertragung
zwischen Fahrzeugen und dem RBC. Z.B. werden Positionsmeldungen des Fahrzeugs an das
RBC und Fahrtberechtigungen an das Fahrzeug gesendet.
[0009] Anhand der Systeme GSM-R und ETCS kann daher der Einsatz der entsprechend ausgerüsteten
Lokomotiven ermittelt werden, um zu prüfen, ob die Einsatzdaten mit den Planungsdaten
übereinstimmen. Anhand der ETCS-Daten können die Einsatzdaten jeweils dann aktualisiert
werden, wenn Kontakte zu den punktuell installierten Eurobalisen erstellt werden.
[0010] Im Schweizer Eisenbahnnetz war das System AFI (Automatische Fahrzeug Identifikation)
implementiert, ein proprietäres RFID-System mit RFID-Lesegeräten, welche meist an
Knotenpunkten installiert wurden.
[0011] Zu beachten ist ferner, dass mittels bekannter Zugsicherungssysteme, wie sie z.B.
in [5],
EP2090491A1, beschrieben sind, die Position eines Zuges, welcher sich von Streckenblock zu Streckenblock
fortbewegt, innerhalb eines Streckennetzes bestimmt werden kann. Von einer entsprechenden
Verwaltungseinheit, der von den Stellwerken die Einfahrt eines Zuges in einen Streckenblock
gemeldet wird, können daher die Zuglaufdaten bzw. die Ankunft und die Abfahrt des
Zuges an den Betriebspunkten registriert werden. Von dieser Verwaltungseinheit wird
die Position der Ressourcen des Zuges jedoch nicht erfasst. Stellwerksysteme sind
üblicherweise mit Achszählern ausgerüstet, mittels denen die Achsen eines Zuges beim
Einfahren und beim Ausfahren in einen Streckenabschnitt detektiert und gezählt werden.
Sofern die Anzahl der erfassten Achsen bei Gleiseintritt und -austritt gleich sind
und keine Achse die beiden Gleise ohmisch verbindet, erfolgt eine Gleisfreimeldung
für diesen Streckenabschnitt.
[0012] [6], Gunnar Bosse, Grundlagen für ein generisches Referenzsystem für die Betriebsverfahren
spurgeführter Verkehrssysteme, 23. November 2010, beschreibt, dass im Rahmen der zunehmenden
Internationalisierung des Eisenbahnwesens eine vermehrte generische Beschreibung betrieblicher
Funktionen des Eisenbahnsystems angestrebt wird. Ein Betriebsverfahren ist definitionsgemäss
ein "System betrieblicher Regeln und technischer Mittel zur Durchführung von Fahrten
mit Eisenbahnfahrzeugen auf einer Eisenbahninfrastruktur". Diese Definition umfasst
die drei wesentlichen Elemente von Eisenbahnsystemen, mit denen jeweils spezifische
Aufgabenstellungen realisiert werden. Erstens die Fahrzeuge, die der Aufnahme von
Personen und Gütern dienen und die für die Ortsveränderung erforderlichen Antriebs-
und Bremskräfte bereitstellen. Zweitens die Fahrweginfrastruktur, die die Fahrzeuge
trägt und führt. Drittens die Betriebsverfahren, mit deren Hilfe die Fahrten schliesslich
so koordiniert und gesteuert werden, dass für jede zugelassene Fahrt zwischen Start-
und Zielort ein geeigneter Fahrweg, i.d.R. abschnittsweise, zur Verfügung steht und
die Fahrzeuge nicht miteinander kollidieren. Die Betriebsverfahren sind sowohl aus
operativen als auch die Sicherheit betreffenden Gründen von besonderer Bedeutung für
die Eisenbahnsysteme. Der operativen Sichtweise folgend sind die Betriebsverfahren
nicht allein auf das Bereitstellen zwingend erforderlicher operativer und sichernder
Funktionen beschränkt, sondern können weitere Funktionen, wie z.B. zur Disposition
umfassen. Dabei können sicherheitsrelevante als auch disponierende Funktionen in einem
Funktionsträger verschmelzen.
[0013] Gemäss [6], Seite 39, ist zu beachten, dass fahrzeugseitig, d.h. in bzw. auf dem
Fahrzeug nicht nur Fahrzeugfunktionen, sondern auch Betriebsverfahrensfunktionen wie
z.B. die Geschwindigkeitsregelung realisiert werden.
[0014] Fahrzeugfunktionen gemäß prEN 15380-4 sind in [6], Seiten 35-44 genannt. Abschliessend
wird ausgeführt, dass für den Bereich der Betriebsverfahren die Ausarbeitung einer
generischen Referenz, die Betrachtung der Fahrzeugfunktionsliste wesentlich, aber
nicht ausreichend ist. Für den Bereich Betriebsverfahren sind die drei Teilsysteme
Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung und Verkehrsbetrieb und Verkehrssicherung
sowie in einem übergeordneten Sinne das Teilsystem Telematikanwendungen relevant (siehe
[6], Tabelle 5). Die Sicherung, Steuerung und Kontrolle der sich in einem Verkehrsnetz
bewegenden Fahrzeuge ist als eine originäre Aufgabe von Betriebsverfahren anzusehen.
[0015] Gemäss [6], Seite 47, wurde mit dem FunkFahrBetrieb (FFB) ein Betriebsverfahren entwickelt
worden, bei dem Funktionalitäten, die heute überwiegend von streckenseitigen Einrichtungen,
wie z.B. von Signalen, Stellwerken und Gleisfreimeldeeinrichtungen, wahrgenommen werden,
auf das Fahrzeug und in eine Streckenzentrale verlagert worden sind. Die betrieblichen
und sicherungstechnischen Vorgänge, wie z.B. Fahrwegzuweisungen, das Ansteuern von
Weichen und Bahnübergängen und die Fahrzeugortung (Gleisfreimeldung) wurden funkunterstützt
durchgeführt.
[0016] In [6], Seite 131, wird zusammenfassend festgestellt, dass es möglich ist, für die
Betriebsverfahren spurgeführter Verkehrssysteme ausschließlich auf Basis einer funktionalen
Systemdefinition, d.h. ohne eine konkrete Systemarchitektur, eine generische Referenz
zu definieren.
[0017] [7],
EP2631152B1, offenbart disponierende Funktionen, d.h. ein Verfahren für die Verwaltung von mit
Mobilendgeräten versehenen Ressourcen, insbesondere von Lokomotiven, die in einem
Schienennetz verkehren und je mittels eines Mobilendgeräts funktional bei einem zellularen
Mobilfunknetz registrierbar sind, welches für den Betrieb des Schienennetzes vorgesehene
Funktionen, wie die funktionale Anmeldung der Teilnehmer, zur Verfügung stellt. Dabei
werden die Zuglaufdaten von Zügen überwacht und für Statusänderungen der Züge Änderungsmeldungen
erzeugt. Für Änderungsmeldungen, welche die Abfahrt eines Zuges von einem Betriebspunkt
signalisieren, wird für diesen Zug eine Kandidatenliste mit verwalteten Ressourcen
erstellt, die möglicherweise mit diesem Zug mitgeführt werden. Für Änderungsmeldungen,
welche die Ankunft und/oder die Durchfahrt des Zuges an einem Betriebspunkt betreffen,
werden die Funkzellen mittels Anfragen an das Mobilfunknetz oder Anfragen an die entsprechenden
Mobilendgeräte ermittelt, an denen sich die in der Kandidatenliste eingetragenen Ressourcen
befinden. Anhand der ermittelten Funkzellen wird festgestellt wird, ob sich die Ressourcen
am Betriebspunkt der Ankunft befinden und Ressourcen, die keiner Funkzelle dieses
Betriebspunkts zugehören, werden aus der Kandidatenliste entfernt.
[0018] [8],
EP2868547A1, offenbart z.B. ein Stellwerk zur Steuerung von dezentral angeordneten Funktionseinheiten,
die über Kommunikationskanäle mit der Prozesssteuerungsanlage verbunden sind, umfassend
eine Anzahl von rechnergestützten Steuerungseinheiten, wobei die Steuerungseinheiten
gemäss einem Steuerungsplan in Serie oder parallel geschaltet sind und gemäss diesem
Steuerungsplan Steuerungsdaten empfangen und/oder ausgeben. Als rechnergestützte Steuerungseinheiten
können Mobilgeräte verwendet werden.
[0019] Aus [6] ergibt sich, dass Prozesse zum Betrieb, zur Sicherung und Prüfung bestehender
Eisenbahnsysteme durch betriebliche Regeln definiert sind. Aus [6], [7] und [8] ergibt
sich, dass Grössen dieser Prozesse durch moderne Kommunikationsmittel erfasst werden
können.
[0020] In den Dokumenten [1] bis [8] sind Eisenbahnsysteme und Teilsysteme der Planung,
Disposition Leittechnik und Sicherungstechnik beschrieben, die unterschiedliche Funktionen
erfüllen und eine Vielzahl von Signalen und Meldungen erzeugen.
[0021] Mit Bezug zu [3] wurde festgestellt, dass die Steuerung und Prüfung der Anlagefunktionen
auf tiefer Ebene mit hohem Aufwand erfolgen und Aussagen zu übergeordneten betrieblichen
Abläufen und insbesondere zu Änderungen übergeordneter Abläufe, die zu präventiven
Massnahmen oder zur Planung des notwendigen Ausbaus des Eisenbahnsystems hinzugezogen
werden könnten, daraus nicht oder nur mit grossem Aufwand abgeleitet werden können.
Die Dokumente [1] bis [8] belegen es somit, dass in Eisenbahnsystemen Informationen
für eine verbesserte Prüfung vorhanden sind, aber nicht genutzt werden oder genutzt
werden können.
[0022] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren
zur Prüfung eines Eisenbahnsystems sowie eine nach diesem Verfahren arbeitendes Eisenbahnsystem
anzugeben.
[0023] Das erfindungsgemässe Verfahren soll es erlauben, die im Eisenbahnsystem vorhandenen
Informationen effizient zu nutzen, um Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Wartung
und den Ausbau des Eisenbahnsystems besonders wertvoll sind. Ferner sollen bereits
bestehende Kontrollsysteme überwacht und gesichert werden können.
[0024] Insbesondere soll ein Verfahren angegeben werden, welches erlaubt, das Eisenbahnsystem
oder Teile davon mit geringem Aufwand, d.h. praktisch selbsttätig zu prüfen.
[0025] Die Prüfung soll automatisch durchführbar und beliebig skalierbar sein. Der Betreiber
des Eisenbahnsystems soll den Gegenstand der Prüfung zudem wahlweise anpassen können.
Die Prüfung des Eisenbahnsystems soll auf verschiedenen Ebenen des Eisenbahnsystems
möglich sein. Die Breite und Tiefe der Prüfung soll daher wahlweise einstellbar sein.
[0026] Das Verfahren soll Prüfungsergebnisse liefern, welche es erlauben, die Performance
sowie Veränderungen im Eisenbahnsystem festzustellen, um insbesondere langfristig
notwendige Korrekturmassnahmen einleiten zu können.
[0027] Erforderliche Korrekturmassnahmen sollen aus den erfindungsgemäss ermittelten Informationen
vorzugsweise unter Berücksichtigung weiterer Datenquellen, insbesondere von Stammdaten
des Eisenbahnsystems, direkt abgeleitet werden können.
[0028] Das erfindungsgemässe Verfahren soll parallel zu bestehenden Prüfungsverfahren durchgeführt
werden können und diese fallweise ergänzen, verifizieren oder ersetzen.
[0029] Das erfindungsgemässe Verfahren soll mit geringem Aufwand in Teilen des Eisenbahnnetzes
implementiert und gegebenenfalls auf das gesamte Eisenbahnsystem erweitert werden
können.
[0030] Das Verfahren soll beliebige Betriebsprozesse, die z.B. der Performance, Sicherung
oder Disposition dienen, wahlweise prüfen können
[0031] Diese Aufgabe wird mit einem Verfahren und einem Eisenbahnsystem gelöst, welche die
in Anspruch 1 bzw. 15 angegebenen Merkmale aufweist. Vorteilhafte Ausgestaltungen
der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen angegeben.
[0032] Das Verfahren dient der Prüfung eines Eisenbahnsystems oder Teilen davon. Das Eisenbahnsystem
umfasst Ressourcen einer baulichen Infrastruktur, insbesondere ein Gleisnetz, Fahrzeug-Ressourcen,
Ressourcen einer Leittechnik und Ressourcen einer Sicherungstechnik, die von wenigstens
einem Steuersystem anhand von Betriebsregeln und Betriebsverfahren genutzt werden,
mittels denen definierte Betriebsprozesse fallweise implementiert werden, denen Prozessdaten,
wie Eingangsgrössen, Ausgangsgrössen und Betriebsgrössen, zugeordnet sind.
[0033] Erfindungsgemäss werden während des Betriebs des Eisenbahnsystems implementierte
Betriebsprozesse identifiziert und Prozessergebnisse der identifizierten Betriebsprozesse
aus dem Eisenbahnsystem erfasst und in einem Testrechner mit Referenzdaten verglichen,
um den Ablauf der identifizierten Betriebsprozesse zu prüfen.
[0034] Nach dem erfindungsgemässen Verfahren werden somit einzelne Betriebsprozesse identifiziert,
die üblicherweise aus mehreren Teilprozessen bestehen. Erfindungsgemäss wird wenigstens
ein Teilprozess oder der gesamte Betriebsprozess geprüft. Z.B. wird eine Zugfahrt
von einem Betriebspunkt A zu einem Betriebspunkt B geprüft. Gegebenenfalls werden
Massnahmen zur Fahrwegsicherung mit Folgefahrschutz, Gegenfahrschutz, Flankenfahrschutz,
der Sicherung beweglicher Fahrwegelemente, Schutz an niveaugleichen Kreuzungen, Schutz
vor externen Objekten (Lichtraumüberwachung), Geschwindigkeitsüberwachung (Zugbeeinflussung)
überwacht. Z.B. werden für die Blockabschnitte der Fahrtstrecke die Freimeldungen
und die Stellungen der Haltesignale geprüft. Diese Prüfung kann redundant zu bestehenden
Sicherungsverfahren durchgeführt werden, um diese zu verifizieren. Anhand des Verfahrens
lassen sich jedoch auch umfangreiche Prüfungen durchführen, die grössere Streckenteile
oder übergeordnete Systemteile mit einbeziehen. Sofern die Betriebspunkte A und B
weit voneinander entfernt liegen und z.B. durch weitere Betriebspunkte voneinander
getrennt sind können übergeordnete Informationen ermittelt werden, die insbesondere
die Performance des Eisenbahnsystems und die Disposition der Fahrzeuge betreffen.
[0035] Bei komplexen Eisenbahnsystemen kann das erfindungsgemässe Verfahren auch unter Einbindung
mehrerer Testrechner erfolgen, die Prozesse unabhängig voneinander prüfen oder die
bei der Prüfung eines Prozesses unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Ein erster Testrechner
kann registrierte Zulaufdaten prüfen. Ein zweiter Testrechner kann die Fahrzeuge und
deren Zustand prüfen. Ein dritter Testrechner kann sicherheitstechnische Aspekte prüfen.
Ein vierter Testrechner kann die ermittelten Daten konsolidieren und erforderliche
Massnahmen einleiten.
[0036] Damit Betriebsprozesse, deren Implementierung geplant ist und die der Prüfung zugänglich
sein sollen, vom Testprozess bzw. vom Testrechner identifiziert werden können, werden
Prozessdaten insbesondere von der Planungstechnik, der Leittechnik oder der Sicherungstechnik
bereitgestellt. Mittels der Prozessdaten werden Identifikationsdaten gebildet, anhand
derer Betriebsprozesse identifiziert, selektiert und geprüft werden. Der Testrechner
bzw. der Testprozess kam dabei wahlweise, gezielt oder auch zufällig auf Betriebsprozesse
zugreifen und diese prüfen. Der Betreiber des Eisenbahnsystems kann zudem spezifizieren,
welche Arten von Betriebsprozessen prioritäre geprüft werden sollen. Ferner kann festgelegt
werden, welche Prozessparameter oder Prozessergebnisse eines bestimmten Prozesses
geprüft werden sollen.
[0037] Weiterhin ist eine Prüfung in Abhängigkeit der Zeit möglich. Insbesondere ist es
möglich, Ereignisse und Zustände für bestimmte Zeitfenster zu prüfen, für die bestimmte
Regelungen oder Vorschriften getroffen wurden oder in denen unterschiedliche Belastungen
des Bahnsystems auftreten. Vorzugsweise werden auch die Vollständigkeit und Plausibilität
der ermittelten Daten und/oder der registrierten Ereignisse geprüft.
[0038] Sofern z.B. eine negative Fahrzeit ermittelt wird, liegt kein plausibles Ergebnis
vor, weshalb eine Fehlermeldung abzugeben ist.
[0039] Ferner ist normalerweise relevant, dass Ereignismeldungen einen korrekten Zeitablauf
aufweisen bzw. in einer bestimmten Sequenz vorliegen. Z.B. soll eine Barriere vor
der Durchfahrt eines Zuges geschlossen werden und nicht im Nachhinein. Sofern die
Schliessung der Barriere nach der Durchfahrt des Zuges gemeldet wird, wird wiederum
eine Fehlermeldung abgegeben.
[0040] Die Prüfung des Eisenbahnsystems ist dabei nicht auf die isolierte Überwachung einzelner
Züge und diesen zugeordneten Prozessen beschränkt, sondern kann auch mehrere parallel
ablaufende Betriebsprozesse, insbesondere verschiedene Zugfahrten überwachen, die
unabhängig voneinander oder sicherheitstechnisch voneinander getrennt ablaufen sollten.
Beispielsweise werden die Zugfolgedaten Eisenbahnnetz überwacht, um Gefährdungen oder
Verdichtungspotential zu erkennen.
[0041] Sofern z.B. eine Meldung von einer Barriere für eine Zugdurchfahrt nicht vorliegt,
ist die Vollständigkeit der Daten nicht gegeben, weshalb wiederum ein Fehler gemeldet
und eine Überprüfung veranlasst wird.
[0042] Es können automatisierte oder z.B. durch manuelle Eingriffe oder durch Störungen
oder Werkarbeiten beeinflusste Abläufe und Prozesse individuell geprüft werden. Vorzugsweise
werden dem Testrechner geplante Betriebsprozesse und Änderungen davon sowie interne
Einflussgrössen, wie Störungsmeldungen, und externe Einflussgrössen gemeldet. So ist
es z.B. möglich, Zugfahrten im Bereich temporär errichteter Baustellen, z.B. die Einhaltung
von reduzierten Maximalgeschwindigkeiten zu überwachen. Das Prüfungsverfahren weist
dabei eine hohe Flexibilität auf und kann mit geringem Aufwand an beliebige Aufgaben
adaptiert werden. Falls in einem übergeordneten Rechner, z.B. einem Wartungsrechner,
alle Baustellen im Eisenbahnsystem registriert sind, so können von diesem Wartungsrechner
die entsprechenden Daten geladen und Betriebsprozesse bzw. Zugfahrten im Bereich ausgewählter
Baustellen geprüft und ausgewertet werden.
[0043] Grundsätzlich können alle Einflüsse auf das Eisenbahnsystem berücksichtigt werden.
Insbesondere können Witterungseinflüsse berücksichtigt werden. Sofern z.B. die Temperaturen
sinken, kann der Energieverbrauch ansteigen. Ebenso kann der Energieverbrauch auch
bei Vorliegen hoher Temperaturen ansteigen, da Kühlaggregate zugeschaltet werden.
Toleranzwerte für den Energieverbrauch, die bei der Prüfung verwendet werden, können
entsprechend angepasst werden.
[0044] Wesentlich ist, dass der Testrechner oder der Testprozess die Prüfung des Eisenbahnsystems
vornimmt, während dieses im Normalbetrieb ist. Es sind somit keine besonderen Massnahmen
zu treffen, um die Tests durchzuführen. Betriebsprozesse, die in den täglichen Betrieb
des Eisenbahnsystems eingebunden sind und normalerweise terminiert ablaufen, werden
wahlweise identifiziert, selektiert und geprüft.
[0045] In vorzugsweisen Ausgestaltungen sind die Prüfprozesse vollständig von den Betriebsprozessen
getrennt. D.h., es erfolgen keine Rückwirkungen vom Testrechner auf das Eisenbahnsystem.
In weiter bevorzugten Ausgestaltungen sind Rückwirkungen für Teile des Eisenbahnsystems
zugelassen und z.B. nur für die Sicherheitstechnik ausgeschlossen. In besonders bevorzugten
Ausgestaltungen kann der Prüfungsprozess hingegen ergänzend auch in die Sicherheitstechnik
eingreifen. Z.B. können Sicherheitsbedingungen definiert werden, welche von der Sicherheitstechnik
erfüllt werden müssen und vom Prüfprozess bzw. Testrechner überwacht werden.
[0046] In vorzugsweisen Ausgestaltungen werden ergänzend zu den ablaufenden Prozessen auch
die Stammdaten geprüft. Sofern eine fehlende Übereinstimmung zwischen den Stammdaten
des Eisenbahnsystems und den Prozessergebnissen festgestellt wird, werden die entsprechenden
Stammdaten vorzugsweise kontrolliert. Das Testsystem kann im Hintergrund arbeiten
und Systemmängel in jedem Bereich des Eisenbahnsystems erkennen.
[0047] In bevorzugten Ausgestaltungen sendet die Steuervorrichtung des Eisenbahnsystems,
die den selektierbaren Betriebsprozess kontrolliert, vor dessen Implementierung eine
Identifikation und alle zugehörigen Prozessparameter an den Testrechner, sodass dieser
die Referenzdaten daraus ableiten und den selektierten Betriebsprozess überwachen
und prüfen kann. Vorsorglich können für alle Betriebsprozesse entsprechende Daten
als Testfälle bzw. Referenzfälle beim Testrechner abgelegt werden.
[0048] Alternativ identifiziert der Testrechner Betriebsprozesse, die von Interesse sind
und erstellt die für die Prüfung erforderlichen Referenzdaten bereit.
[0049] Vorzugsweise werden Identifikationsdaten unter Berücksichtigung
- a) Netz-Daten, Streckendaten, Betriebspunktdaten; und/oder
- b) von Grundfahrplandaten und Sollfahrplandaten; und/oder
- c) Prognosemeldungen zu aktuellen Zugläufen; und/oder
- d) Formationsdaten für Personenzüge und Güterzüge
ermittelt. Bei der Identifikation des Betriebsprozesses können auch Infrastrukturdaten
und/oder Fahrzeugdaten vorteilhaft berücksichtigt werden. Auf diese Weise gelingt
es Prozesselemente, die vom Betriebsprozess genutzt werden zu identifizieren und zu
lokalisieren. Für Fahrzeuge wird z.B. die Übereinstimmung der gemeldeten Fahrzeugdaten
mit den aus dem Betriebsprozess ermittelten Fahrzeugdaten geprüft.
[0050] Anhand der Identifikationsdaten und gegebenenfalls von Prozessdaten werden z.B. Adressdaten
gebildet, mittels denen die Ressourcen des selektierten Betriebsprozesses adressiert
und diesbezügliche Prozessergebnisse abgefragt werden. Z.B. sind in den geprüften
Ressourcen, insbesondere den leittechnischen Einheiten, Statusdaten abgelegt, die
vom Testrechner direkt abgefragt werden können, oder die von einer Steuervorrichtung
zwischengespeichert werden und von dieser abgefragt werden können. Dabei können Statusdaten
auch mehrfach abgefragt werden, um Änderungen zu verfolgen, die vom Betriebsprozess
ausgelöst werden.
[0051] Damit die ermittelten Prozessergebnisse bzw. die diesbezüglichen Veränderungen der
Elemente des Eisenbahnsystems geprüft werden können, werden Referenzdaten gebildet.
Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen. Z.B. werden die Veränderungen bzw. die
Prozessergebnisse registriert, die ein implementierter Betriebsprozess verursacht.
Die registrierten Prozessergebnisse werden in der Folge als Referenzfall für weitere
gleichartige Betriebsprozesse verwendet. In der Annahme, dass der betreffende Teil
des Eisenbahnsystems einwandfrei funktioniert, kann der Testrechner somit Betriebsprozesse
und/oder entsprechende Prozessdaten registrieren und als Referenzfall in einer Datenbank
ablegen. Die entsprechenden Referenzdaten, z.B. die ermittelten Prozessdaten bzw.
Prozessgrössen, die vorzugsweise mit Zeitangaben verknüpft sind, können in der Folge
für die Prüfung dieses oder gleicher Betriebsprozesse verwendet werden. Sofern das
Eisenbahnsystem z.B. eine bestimmte Anzahl identisch ausgebildeter sternförmig auseinander
laufender Fahrstrassen aufweist, so kann ein Referenzfall registriert und für alle
identischen Fahrstrassen verwendet werden.
[0052] Vorzugsweise wird das Eisenbahnsystem analytisch in Teile gegliedert, die in der
Folge in Gruppen eingeordnet werden, in denen gleiche oder gleichartige Teile vorgesehen
sind. Es können auch Teile einer Gruppe zugeteilt werden, die sich z.B. in einem Parameter
unterscheiden, wobei der unterschiedliche Parameter registriert wird. Z.B. unterscheiden
sich zwei Strecken lediglich durch den Abstand zwischen zwei Weichen oder Signalen.
Sofern dem Testprozess dieser unterschiedliche Parameter bekannt ist, kann er resultierende
zeitliche Verzögerungen bei der Prüfung berücksichtigen. Für unterschiedliche Gruppen
von Betriebsprozessen können daher jeweils die entsprechenden Referenzdaten mit reduziertem
Aufwand bereitgestellt werden. Diese Massnahmen sind in Eisenbahnsystemen, die aus
weitgehend gleichartigen Modulen aufgebaut sind, besonders wirksam. Für die gleichartigen
Module können zudem die generischen Beschreibungen mit reduziertem Aufwand bereitgestellt
werden. Bei der Anwendung wird nach der Identifikation eines Betriebsprozesses somit
vorzugsweise festgestellt, ob dieser einer Gruppe zugehört, für die bereits Referenzdaten
bereitgestellt wurden.
[0053] In [6], Seite 3, ist ausgeführt, dass sich die überall gleichen technischen Grundzüge
des Funktionierens der Eisenbahn, dem Zweck eines Verkehrssystems entsprechend und
naturgesetzlichen Grundlagen Rechnung tragend zunächst, in Funktionen ausdrücken,
die operativer Natur sind, weshalb die für die Ortsveränderung erforderlichen Funktionen
in einem besonderen Masse geeignet sind, die Ausgangsbasis für die Definition einer
generischen Referenz zu bilden.
[0054] In einer besonders bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung werden daher einheitliche
betriebliche Funktionen und Regeln, vorzugsweise generische betriebliche Funktionen
und Regeln, für das Eisenbahnsystem erstellt und in der Folge für die Definition der
Betriebsprozesse verwendet. Generische Beschreibungen können daher besonders effizient
zur Bildung von Referenzdaten verwendet werden.
[0055] Für einen zu implementierenden Betriebsprozess, der eine Ortsveränderung betrifft,
werden z.B. anhand von Infrastrukturdaten und Betriebsregeln Referenzdaten ermittelt.
Der Testrechner ermittelt anhand der Infrastrukturdaten z.B., welche leittechnischen
Einheiten zur Verfügung stehen und wie sie definitionsgemäss genutzt werden und verwendet
vorzugsweise deren generische Beschreibung. Z.B. wird für den Aufbau und Abbau einer
gesicherten Fahrstrasse geprüft, welche leittechnischen Einheiten, z.B. Weichen oder
Signale, in welcher zeitlichen Abfolge bedient werden müssen. Ferner wird geprüft
welche Eingangssignale und Ausgangssignale diesen leittechnischen Einheiten zugeordnet
sind. Die entsprechenden generischen Beschreibungen der leittechnischen Einheiten
werden daher zu einem Referenzprozess verknüpft. Für den Referenzprozess und die verketteten
leittechnischen Einheiten werden Prozessdaten, d.h. Soll-Prozessgrössen, und vorzugsweise
der zeitliche Ablauf festgelegt, innerhalb dem diese Soll-Prozessgrössen auftreten.
Die Referenzdaten können daher Soll-Prozesse bzw. Referenzprozesse und/oder Soll-Prozessgrössen
bzw. Referenzgrössen definieren, die mit den geprüften Prozessen bzw. mit den Prozessergebnissen
verglichen werden. Die Referenzdaten können daher aus einzelnen oder verketteten Regeln
eines generischen Referenzsystems bestehen. Entsprechenden Soll-Prozessgrössen können
z.B. aus Tabellen, Flussdiagrammen oder State Event Charts entnommen werden.
[0056] Vor der Implementierung eines Betriebsprozesses werden vorzugsweise Prozessdaten
dieses Betriebsprozesses und vorzugsweise zugehörige Fahrzeugdaten und/oder Infrastrukturdaten
bereitgestellt, die vom Testrechner wahlweise abgerufen werden können. Anhand der
zur Verfügung stehenden Prozessdaten identifiziert der Testrechner einzelne Betriebsprozesse.
Für identifizierte Betriebsprozesse können dabei bereits für die Prüfung benötigte
Referenzdaten vorliegen, die nach der Identifikation des Betriebsprozesses aus einer
Datenbank abgerufen werden. Alternativ werden anhand von Prozessdaten und betrieblichen
Regeln Referenzdaten für den ausgewählten Betriebsprozess ermittelt. Die Prozessdaten,
die für die Bereitstellung von Referenzdaten auf diese Weise verwendet werden, sind
normalerweise umfangreicher, als die Prozessdaten, die für die Identifikation eines
Betriebsprozesses verwendet wurden. Prozessdaten, die für die Identifikation einerseits
und die Bereitstellung von Referenzdaten andererseits verwendet werden, können auch
eine Schnittmenge bilden. Die Prüfung kann unter Berücksichtigung der Art des Zugverkehrs,
z.B. des Vorliegens von Personenverkehr, Güterverkehr, Rangierfahrten, etc., durchgeführt
werden.
[0057] Die Prozessdaten umfassen vorzugsweise
- a) Daten der Planung, insbesondere Zuglaufdaten, und/oder
- b) Daten der Disposition, wie Fahrzeugdaten, und/oder
- c) Infrastrukturdaten des Gleisnetzes, und/oder
- d) Daten eines aktuellen Zuglaufs; und/oder
- e) externe und interne Einflussgrössen,
wie Störungen, manuelle Eingriffe, Witterungseinflüsse
[0058] Anhand der Zuglaufdaten, der Fahrzeugdaten, insbesondere der Zugskonfigurationen
und der befahrenen Infrastruktur können unter Berücksichtigung der Betriebsregeln
Betriebsprozesse prognostiziert und entsprechende Referenzdaten erstellt werden.
[0059] Prozessergebnisse bestehen im Wesentlichen aus Prozessdaten oder werden aus Daten
gebildet, die aus der Leittechnik, der Sicherungstechnik, der Zugbeeinflussung oder
der Fahrzeugtechnik abgerufen werden können. Prozessergebnisse beschreiben daher die
Zustände oder Zustandsänderungen von Elementen, insbesondere leittechnischen Einheiten,
die Gegenstand des geprüften Betriebsprozesses sind.
[0060] Gestützt auf die Prüfung der Prozessergebnisse anhand der Referenzdaten, werden Meldungen
abgegeben, die vorzugsweise
- a) die Kompatibilität der Referenzdaten mit dem geprüften Betriebsprozesses bestätigt;
- b) den erfolgreichen Abschluss der Prüfung bestätigt; und/oder
- c) die Abweichung der Prozessergebnisse von den Referenzdaten meldet.
[0061] Sofern die Kompatibilität der Referenzdaten mit dem geprüften Betriebsprozesses nicht
gegeben ist, wird die Fehlerursache analysiert und eine Korrektur vorgenommen. Z.B.
wird eine Anpassung oder Ergänzung der betrieblichen Regeln vorgenommen. Auf diese
Weise kann das Prüfungssystem stetig verbessert werden.
[0062] Sofern Abweichungen von den Referenzdaten erkannt werden, können Fehlfunktionen im
Eisenbahnsystem geprüft und Korrekturmassnahmen eingeleitet werden.
[0063] Besonders aufschlussreich ist die mehrfache Prüfung desselben Betriebsprozesses.
Aus den jeweils erfassten Prüfungsergebnissen werden vorzugsweise Erwartungswerte
ermittelt, sodass Abweichungen eines aktuell geprüften Betriebsprozesses von den Erwartungswerten
festgestellt werden können. Vorzugsweise werden Daten, insbesondere Ereignisdaten
gruppiert, wonach festgestellt wird, welcher Gruppe neue Ereignisse zuzuordnen sind.
Für eine erste Gruppe sind z.B. keine Folgemassnahmen vorgesehen. Für eine zweite
Gruppe werden Daten zur Überprüfung weitergeleitet. Für eine dritte Gruppe wird ein
Alarm ausgelöst. Für eine vierte Gruppe wird z.B. korrigierend in das Eisenbahnsystem
eingegriffen. Ferner können kontinuierliche Veränderungen von Prüfungsergebnissen
für mehrfach implementierte und geprüfte Betriebsprozesse ermittelt werden. Der Betreiber
des Eisenbahnsystems verfügt somit über einen "Sensor", mittels dessen Veränderungen,
Engpässe und Überlastungen frühzeitig erkannt und notwendige Korrekturmassnahmen evaluiert
und eingeleitet werden können.
[0064] Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Zeichnungen näher erläutert. Dabei zeigt:
- Fig. 1
- den schematischen Aufbau eines erfindungsgemässen Eisenbahnsystems 100 in einer vorzugsweisen
Ausgestaltung, mit einem zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens geeigneten
Testrechner 1, der anhand von Referenzfällen und betrieblichen Regeln, die in Datenbanken
11, 12 gespeichert sind, Referenzdaten bildet und mit Prozessergebnissen identifizierter
Betriebsprozesse vergleicht;
- Fig. 2
- ein Flussdiagramm für einen erfindungsgemässen Testprozess TP, anhand dessen der Testrechner
1 im Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 implementierbare Betriebsprozesse identifiziert,
zugehörige Referenzdaten und Prozessergebnisse ermittelt und miteinander vergleicht;
- Fig. 3
- einen Teil des Eisenbahnsystems 100 von Fig. 1 mit Prozessergebnissen, die während
des Ablaufs eines Betriebsprozesses, in dem ein Zug 9 einen Gleisabschnitt 8 durchfährt,
im Bereich der Bahnsicherungstechnik 5 und der Zugbeeinflussung 7 auftreten und vom
Testrechner 1 abgerufen werden können;
- Fig. 4
- das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 mit einem Streckenabschnitt 8, innerhalb dem eine
Fahrstrasse FS erstellt wird, mit einem schematisch gezeigten funktionalen System,
welches Eingangsgrössen und Ausgangsgrössen mit Nachbarsystemen austauscht und entsprechende
Funktionen erfüllt; und
- Fig. 5
- das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 4 mit der schematischen Darstellung von Betriebsprozessen,
von denen ein Teilprozess p vom Testrechner 1 identifiziert, selektiert und geprüft
wird.
[0065] Fig. 1 zeigt den schematischen Aufbau eines erfindungsgemässen Eisenbahnsystems 100
in einer vorzugsweisen Ausgestaltung, mit wenigstens einem zur Durchführung des erfindungsgemässen
Verfahrens geeigneten Testrechner 1, der mit einer oder mehreren verteilten Datenbanken
11, 12, ..., 14 verbunden ist, in denen einerseits für die Prüfung verwendete Referenzfälle
und betriebliche Regeln und andererseits Prüfungsergebnisse gespeichert sind bzw.
werden.
[0066] Die Darstellung in Fig. 1 umfasst die Grundkomponenten eines Eisenbahnsystems, nämlich
"Fahrzeuge", "bauliche Infrastruktur" sowie "Leit- und Sicherungstechnik", die in
[6], Seite 5, als aneinander anliegende Dreiecke dargestellt sind, die ein weiteres
Dreieck einschliessen, welches die Betriebsverfahren und das Zusammenwirken von Fahrzeuge,
baulicher Infrastruktur sowie Leit- und Sicherungstechnik symbolisiert.
[0067] Fig. 1 zeigt ein Modul 3 für die Leittechnik, ein Modul 5 für die Sicherungstechnik
und ein dazwischenliegendes Modul 4 für die Verarbeitung von Daten, die in der Leittechnik
3 oder in der Sicherungstechnik 5 auftreten oder von aussen zugeführt werden. Weitere
Module 2 und 6 repräsentieren die Planungstechnik und Disposition sowie die Fahrzeuge
9 und die Infrastruktur 8.
[0068] Übergeordnet ist ein Systemrechner 1000 vorgesehen, der vorzugsweise mit allen Modulen
1-9 direkt oder indirekt, ohne bidirektionale oder bidirektionale kommunizieren kann,
um Daten zu sammeln oder auf das Eisenbahnsystem 100 einzuwirken. Grundsätzlich kann
dieser Systemrechner 1000 in das Modul Leittechnik 3 integriert sein und/oder das
Modul Datentransfer/Datenverarbeitung 4 umfassen. Ferner kann der Systemrechner 1000
auf weitere Rechnersysteme 1001, 1002, ... zugreifen, um benötigte Daten, insbesondere
Daten externer Einflussgrössen, wie Witterungsdaten und Klimadaten, abzurufen oder
ermittelte Daten abzuspeichern, die z.B. für die Verrechnung von Dienstleistungen
oder die Wartung des Eisenbahnsystems 100 verwendet werden. Der symbolisch gezeigte
Systemrechner 1000 kann vorzugsweise auch mit dem Testrechner 1 Daten wahlweise direkt
oder indirekt austauschen, so dass dem Testrechner 1 vorzugsweise alle Daten des Eisenbahnsystems
100 zur Verfügung stehen und vorzugsweise vom Testrechner 1 ermittelte Daten und gegebenenfalls
Steuerbefehle und/oder Alarme dem Eisenbahnsystem 100 zentral oder punktuell zugeführt
werden können. Exemplarisch ist gezeigt, dass der Systemrechner 1000 mit einem Testfahrzeug
1003, welches auf dem Schienennetz des Eisenbahnsystems 100 verkehrt, Daten austauschen
kann. Diese Daten können vom Systemrechner 1000 zum Testrechner 1 oder vom Testrechner
1 auch direkt vom Testfahrzeug 1003 abgefragt werden.
[0069] Die genannten Module 1-9 sowie 1000, 1001, 1002, 1003, die in bekannter Weise Nachrichten
und Signale untereinander austauschen können, sind in Fig. 1 exemplarisch gezeigt.
Sie können aber unterschiedliche Konfigurationen und Wechselwirkungen aufweisen. Die
Kommunikation zwischen den Modulen 1-9 sowie 1000, 1001, 1002, 1003 kann drahtlos
oder drahtgebunden, leitungsvermittelt oder paketvermittelt erfolgen.
[0070] Die dem Fachmann bekannten Grundfunktionen des Eisenbahnsystems sind in [9],
L. Fendrich / W. Fengler, Handbuch Eisenbahninfrastruktur, 2. Auflage, Springer Verlag,
2007, beschrieben. Besonders relevant sind Kapitel 10, Leit- und Sicherungstechnik, Kapitel
17, Bahnbetriebliche Telekommunikationstechnik, und Kapitel 22, Anlagenmonitoring
des Fahrwegs.
[0071] Die Module "Planung" und "Disposition" sind z.B. in [7] beschrieben. Zur Prüfung
von Betriebsprozessen, welche Ortsverschiebungen von Fahrzeugen betreffen, sind insbesondere
Zuglaufdaten relevant. Die Zuglaufdaten von Zügen werden vorzugsweise von einer Verwaltungseinheit
geliefert, die Zugbewegungen überwacht und dazu von einem Planungs-Rechner Plandaten
des Zuglaufs und von der Leittechnik Rückmeldungen des tatsächlichen Zuglaufs erhält,
wie Daten der Einfahrt und Ausfahrt von Zügen in einen Streckenblock eines Betriebspunkts.
[0072] Der Testrechner 1 kann von den Modulen 2-9, 1000, ... statische und dynamische Informationen
und Daten abfragen. Daten der Leittechnik 3 und der Sicherungstechnik 5 können über
das Modul Datenverarbeitung 4 abgefragt werden. Plandaten, insbesondere Fahrplandaten,
und gegebenenfalls Dispositionsdaten werden vom Modul 2 geliefert. Externe Prozessgrössen
werden z.B. vom Systemrechner 1000 geliefert.
[0073] Der Testrechner 1 ermittelt dabei vorzugsweise selbsttätig zwei Arten von Informationen
und Daten aus dem Eisenbahnsystem 100. Einerseits werden Prozessdaten, d.h. Daten
und Informationen zu Betriebsprozessen aus den Modulen 2-9, 1000 abgerufen, die implementiert
werden oder bereits implementiert wurden. Gestützt auf die Prozessdaten kann der Testrechner
Betriebsprozesse identifizieren und selektieren. Aus den Fahrplandaten kann der Testrechner
1 z.B. ermitteln, dass ein Zug um 10:00 den Betriebspunkt A verlassen und zum Betriebspunkt
B überführt wird. Den Gesamtprozess für diese Verschiebung oder Teilprozesse davon
kann der Testrechner 1 einer Überwachung und Prüfung unterziehen. Es ist auch möglich,
die Meldung der Abfahrt des Zuges vom Betriebspunkt A als Anreiz zu verwenden, den
treffenden Betriebsprozess zu überwachen und zu prüfen.
[0074] Vorzugsweise werden auch Daten zu internen oder externen Prozessgrössen geladen,
welche die Betriebsprozesse nicht direkt, sondern indirekt beeinflussen. Besonders
relevant sind Daten der Witterung und Temperatur, welche die Betriebsprozesse erheblich
beeinflussen können und bei der Prüfung vorzugsweise berücksichtigt werden.
[0075] Nebst Prozessdaten kann der Textrechner 1 andererseits auch Prozessergebnisse aus
den Modulen 2-9, 1000 abgerufen, um diese mit Referenzdaten zu vergleichen. Diese
Prozessergebnisse sind typischerweise Statusinformationen oder Informationen zu Statusänderungen
für Prozesselemente bzw. funktionale Elemente des Eisenbahnsystems 100, wie leittechnische
oder sicherheitstechnische Einheiten, die in den Betriebsprozess für die Ortsverschiebung
des Zuges von A nach B involviert sind.
[0076] Meldungen über Statusänderungen der betreffenden Prozesselemente können über die
verschiedene drahtgebundene oder drahtlose Kommunikationskanäle des Eisenbahnsystems
direkt oder indirekt zum Testrechner 1 übertragen werden. [8] offenbart ein Stellwerk
zur Steuerung von dezentral angeordneten Funktionseinheiten, die über Kommunikationskanäle
mit der Prozesssteuerungsanlage verbunden sind, umfassend eine Anzahl von rechnergestützten
Steuerungseinheiten, wobei die Steuerungseinheiten gemäss einem Steuerungsplan in
Serie oder parallel geschaltet sind und gemäss diesem Steuerungsplan Steuerungsdaten
empfangen und/oder ausgeben. Als rechnergestützte Steuerungseinheiten werden Mobilgeräte
verwendet. Das erfindungsgemässe Verfahren kann bei einem Eisenbahnsystem gemäss [8]
besonders einfach angewendet werden, da Prozessdaten, in [8] als Steuerungsdaten bezeichnet,
über einen Kommunikationskanal direkt zum Testrechner 1 übertragen werden können.
Die Kommunikation kann über ein GSM-Kommunikationsnetz, z.B. GSM-R oder LTE, oder
über ein paketvermittelndes Netzwerk, wie das Internet zum Testrechner 1 übertragen
werden, der mit den entsprechenden Kommunikationsvorrichtungen und Kommunikationsadressen
ausgerüstet ist.
[0077] Der Testrechner 1 kann anhand von statischen und dynamischen Prozessdaten somit einzelne
Betriebsprozesse identifizieren und selektieren. Für selektierte Betriebsprozesse
kann der Testrechner 1 korrespondierende Prozessergebnisse, typischerweise dynamische
Prozessdaten, aus dem Eisenbahnsystem abrufen und dazu beliebige Kommunikationskanäle
nutzen.
[0078] Zur Prüfung des selektierten Betriebsprozesses werden Referenzdaten bereitgestellt,
die mit den Prozessergebnissen verglichen werden.
[0079] Referenzdaten können auf unterschiedliche Weise ermittelt werden. Der Ablauf von
Betriebsprozessen kann überwacht und die Prozessergebnisse können als Referenzdaten
gespeichert werden. Die Steuervorrichtung des Eisenbahnsystems, die den selektierbaren
Betriebsprozess kontrolliert, kann vor dessen Implementierung Identifikationsdaten
und zugehörige Prozessparameter an den Testrechner 1 senden, sodass dieser die Referenzdaten
daraus ableiten und speichern kann. Der Testrechner 1 kann auch Betriebsprozesse identifizieren
und Referenzdaten anhand betrieblicher Regeln und der Verwendung von Prozessdaten
erstellen, wie dies oben beschrieben wurde.
[0080] Fig. 2 zeigt ein Flussdiagramm für einen erfindungsgemässen Testprozess TP, anhand
dessen der wenigstens eine Testrechner 1 im Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 implementierbare
Betriebsprozesse identifiziert, zugehörige Referenzdaten und Prozessergebnisse ermittelt
und miteinander vergleicht. Der Testprozess TP bzw. das Testverfahren umfasst mehrere
Prozessschritte S1, ..., S7, von denen einige in der Reihenfolge vertauscht oder parallel
ausgeführt werden können. Der Testprozess TP wird vorzugsweise repetitiv durchlaufen,
um möglichst viele Informationen über das Eisenbahnsystem zu gewinnen.
[0081] Gemäss Prozessschritt S1 werden Prozessdaten für die Betriebsprozesse des Eisenbahnsystems
100 bereitgestellt. Exemplarisch ist gezeigt, dass die benötigten Prozessdaten vom
Systemrechner 1000 gesammelt und bereitgestellt werden können. Ferner können Prozessdaten
direkt aus weiteren Modulen 2-9 des Eisenbahnsystems 100 abgefragt werden. Solche
Prozessdaten, wie z.B. Fahrplandaten, sind in bekannten Eisenbahnnetzen vorhanden
und werden routinemässig generiert und bilden typischerweise Eingangsgrössen der durchgeführten
Betriebsprozesse. Dabei können für jeden Prozess spezifische Daten oder auch für alle
Prozesse gültige Daten bereitgestellt werden.
[0082] Teile und Module des Eisenbahnsystems, die Signale und Meldungen bzw. Prozessdaten
erzeugen, wurden einleitend mit Verweis auf die Dokumente [1] bis [8] beschrieben.
Prozessdaten können dabei statische oder dynamische Zustände von Funktionseinheiten
im Eisenbahnnetz 100 betreffen. Ferner können Prozessdaten geplante und tatsächliche
Prozessereignisse betreffen, die idealerweise zeitlich zusammenfallen. Prozessdaten
können auch Informationen zu bereits implementierten Betriebsprozessen betreffen.
Im Gegensatz zu Prozessergebnissen betreffen Prozessdaten typischerweise Prozessgrössen,
die bei der Initialisierung der Betriebsprozesse auftreten.
[0083] Die im Prozessschritt S52 genannten Prozessergebnisse sind grundsätzlich ebenfalls
Prozessdaten, die jedoch relevante Ergebnisse der Betriebsprozesse betreffen und typischerweise
gegen Ende der Prozessphasen auftreten. Prozessergebnisse bilden daher eine besondere
Klasse der Prozessdaten.
[0084] Gemäss Prozessschritt S2 werden Identifikationsdaten für Betriebsprozesse ermittelt,
die geplant oder bereits implementiert sind.
[0085] Gemäss Prozessschritt S3 wird ein Betriebsprozess identifiziert und selektiert, der
einer Prüfung unterworfen werden soll. Die Selektion kann zufällig erfolgen. Z.B.
werden Betriebsprozesse eines Fahrplans sequenziell erfasst und geprüft. Gemäss Modul
S30 kann der Identifikationsprozess jedoch gesteuert werden, sodass z.B. verschiedene
Funktionsarten einer Prüfung unterzogen werden. Z.B. kann für eine Ortsverschiebung
eines Zuges von A nach B die Leittechnik, die Sicherungstechnik, die Fahrzeugtechnik,
die Weichentechnik, die Signaltechnik und/oder die Kommunikationstechnik geprüft werden.
D.h., es können die Eingangssignale und Ausgangssignale von Funktionseinheiten dieser
technischen Bereiche geprüft werden. Der Betreiber des Eisenbahnnetzes 100 kann jedoch
auch Betriebsprozesse prüfen lassen, die für die Disposition relevant sind.
[0086] Nach Identifikation eines Betriebsprozesses werden für diesen im Prozessschritt S4
Referenzdaten und im Prozessschritt S5 Prozessergebnisse ermittelt, die im Prozessschritt
S6 miteinander verglichen werden.
[0087] Die Ermittlung von Referenzdaten im Prozessschritt S4 kann auf verschiedene Arten
erfolgen. Vorzugsweise wird geprüft (Prozessschritt S43), ob für diesen Betriebsprozess
in der Datenbank 12 bereits Referenzdaten bzw. ein Referenzfall vorliegt. In einer
weiteren vorzugsweisen Ausgestaltung wird geprüft (Prozessschritt S42), ob der Betriebsprozess
einer Gruppe von Betriebsprozessen zugehört, für die bereits Referenzdaten bzw. ein
Referenzfall vorliegt. Sofern noch kein Referenzfall vorliegt, werden Referenzdaten
anhand von betrieblichen Regeln aus Datenbank 11, gegebenenfalls unter Einbezug von
Prozessdaten ermittelt (Prozessschritt S41). Z.B. werden Daten des Teils der Infrastruktur
hinzugezogen, welcher vom Betriebsprozess genutzt wird. Aus den Infrastrukturdaten
werden die involvierten Prozesselemente sowie deren Standorte ermittelt. Anhand der
betrieblichen Regeln wird in der Folge festgestellt, welche Statusänderungen für die
involvierten Prozesselemente bei Ablauf des Betriebsprozesses zu erwarten sind. Die
für diesen Betriebsprozess ermittelten Referenzdaten werden in der Datenbank 12 abgelegt
und stehen als Referenzfall zur Verfügung, falls derselbe Betriebsprozess ein weiteres
Mal selektiert wird. Die beispielsweise genannten Prozessschritte S41, S42, S43 und
S44 können als Alternativen oder, wie beschrieben, in Kombination miteinander verwendet
werden.
[0088] Für die Ermittlung der Prozessergebnisse im Prozessschritt S5 werden anhand des identifizierten
Betriebsprozesses vorzugsweise unter Berücksichtigung von Prozessdaten Prozesselemente
ermittelt, die bei der Implementierung des identifizierten Betriebsprozesses genutzt
werden. Für eine Ortsverschiebung eines Zuges zwischen den Betriebspunkten A und B
wird anhand von Infrastrukturdaten vorzugsweise festgestellt, welche Prozesselemente,
wie leittechnische Einheiten, Weichen, Signale, Übergänge , Barrieren, bei der Implementierung
des Betriebsprozesses genutzt werden. Für diese Prozesselemente werden Statusänderungen
während des Ablaufs des identifizierten Betriebsprozesses registriert und entsprechende
Prozessergebnisse gebildet. Die Abfrage von Statusänderungen kann auch nur zu bestimmten
Zeitpunkten erfolgen.
[0089] Vorzugsweise werden für die identifizierten Prozesselemente Adressdaten gebildet
oder geladen, mittels denen für die betreffenden Prozesselemente Prozessergebnisse
z.B. von der Leittechnik, der Sicherungstechnik, der Zugbeeinflussung, der Fahrzeugtechnik
oder direkt von den Prozesselementen abgefragt werden können.
[0090] Im Prozessschritt S6 erfolgt abschliessend der Vergleich der ermittelten Prozessergebnisse
mit den ermittelten Referenzdaten.
[0091] Die im Prozessschritt S6 gebildeten Vergleichsergebnisse werden im Prozessschritt
S7 ausgewertet, um Prüfungsresultate für den geprüften Betriebsprozess zu bilden,
die vorzugsweise als Grundlage für notwendige Aktionen verwendet werden. Prüfungsergebnisse
werden in der Datenbank 14 abgelegt und können mittels des Testrechners 1 oder weiterer
Recheneinheiten beliebig analysiert und statistisch ausgewertet werden, um Fehler,
Schwächen und Veränderungen, insbesondere Belastungsänderungen des Eisenbahnnetzes
100 zu identifizieren. Zur Evaluation der Vergleichsergebnisse können auch zuvor ermittelte
Prüfungsergebnisse aus der Datenbank 14 ausgelesen und verwendet werden. Vergleichsergebnisse
und Prüfungsresultate werden im Rahmen primärer Aktionen vorzugsweise in der Datenbank
14 abgelegt. Im Rahmen sekundärer Aktionen werden vorzugsweise Rückwirkungen auf das
Eisenbahnsystem 100 ausgelöst. Dabei können Fehler signalisiert und Alarme ausgelöst
werden. Ferner können Steuersignale mit entsprechender Priorität abgegeben werden.
Sollte z.B. auf einer Fahrstrecke eine Kollisionssituation detektiert werden, die
durch die Sicherheitstechnik nicht aufgefangen wurde, so können Signale geschaltet
und die betreffenden Fahrzeuge ggf. angesteuert werden, um eine Kollision zu vermeiden.
[0092] Fig. 3 zeigt symbolisch einen Teil des Eisenbahnsystems 100 von Fig. 1 mit Prozessergebnissen,
die während des Ablaufs eines Betriebsprozesses, in dem ein Zug 9 einen Gleisabschnitt
8 durchfährt, im Bereich der Bahnsicherungstechnik 5 und der Zugbeeinflussung 7 auftreten
und vom Testrechner 1 abgerufen werden können. Der gezeigte Teil des Eisenbahnsystems
100 betrifft einen Regelkreis der Betriebssicherheit im Schienenverkehr, wie er in
[9], Kapitel 10.1.3, Seite 492, Abb. 10.4, gezeigt und beschrieben ist. Dort ist ausgeführt,
dass zur Fahrt eines Zuges 9 in einem Gleisabschnitt 8 der zugehörige Lichtraum von
allen Gegenständen frei sein soll und die dabei befahrenen beweglichen Fahrwegelemente
die richtige Lage eingenommen haben sollen. Diese Zustände oder Zustandsänderungen
werden durch eine Sensorik erfasst. Die Gleisfreimeldung steht dabei für die Freiheit
des Gleises 8 von anderen Schienenfahrzeugen. Die Lichtraumfreimeldung steht für die
Freiheit des Gleises 8 von systemfremden Objekten. Wenn der Gleisabschnitt 8 durch
den vorangegangenen Zug 9' verlassen wurde, wird der Gleisabschnitt 8 freigemeldet.
Nach der Informationsverarbeitung muss eventuell noch ein Stellbefehl ausgegeben werden,
um die beweglichen Fahrwegelemente in die richtige Stellung zu bringen, was ein erneutes
Einlesen der Lage zur Folge hat. Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann ein Fahrbefehl
ausgegeben werden. Dieser führt zur Beschleunigung des Fahrzeugs 9, das in den Gleisabschnitt
8 einfahren kann. Die Einhaltung der dabei zulässigen Geschwindigkeit wird durch die
Zugbeeinflussung 7 überwacht. Die Eingangssignale a, b, c der Messwerterfassung (Sensorik),
die Ausgangssignale d, d1, d2, d3 der Steuerwertausgabe, Steuersignale e von der Zugbeeinflussung
7 sowie Signale f, g von den Fahrzeugen 9, 9' können dabei vom Testrechner 1 als Prozessergebnisse
erfasst werden. Wie dies in [8] beschrieben ist, können Mobilgeräte als rechnergestützte
Steuerungseinheiten verwendet werden, die entsprechende Statusänderungen über ein
Mobilfunknetz zum Testrechner 1 übertragen.
[0093] Fig. 4 zeigt das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 1 mit einem Streckenabschnitt 8, innerhalb
dem eine Fahrstrasse FS erstellt wird, mit einem schematisch gezeigten funktionalen
System, welches Eingangsgrössen und Ausgangsgrössen mit Nachbarsystemen austauscht
und entsprechende Funktionen erfüllt. Gemäss [6], Seiten 64-56 (siehe Bild 29) nehmen
Input und Output bei der Abgrenzung eines zu betrachtenden funktionalen Systems einen
besonderen Stellenwert ein. Durch sie wird definiert, was das funktionale System zu
leisten hat (Output) und was es nicht leisten, sondern von anderen Systemen übernehmen
soll (Input). Wer oder was diese Inputs liefert, ist bei generischer Betrachtungsweise
im Prinzip unerheblich. Deshalb könnte theoretisch die Angabe der Nachbarsysteme entfallen
und die Abgrenzung allein durch die Angaben zu den In- und Outputs vorgenommen werden.
Ergänzend sind Funktionen s1, s2 gezeigt, welche nicht als Output zu einem Nachbarsystem
übertragen werden, sondern z.B. eine Konfigurationsänderung des funktionalen Systems
betreffen. Die Signale Input x, y, z und Output o können wiederum zum Testrechner
1 übertragen werden. Für jedes funktionale System können betriebliche Regeln festgelegt
werden, die das Verhalten des funktionalen Systems, welches ein Prozesselement darstellt,
bei Ablauf des Betriebsprozesses beschreiben. Nachdem das betreffende Prozesselement
für einen Betriebsprozess identifiziert wurde, können somit das erwartete Verhalten
dieses Prozesselements und entsprechende Referenzdaten festgelegt werden. Ebenso kann
in der Folge das tatsächliche Verhalten dieses Prozesselements mit entsprechenden
Prozessergebnissen erfasst werden. Abläufe im gezeigten funktionalen System bilden
prinzipiell einen Betriebsprozess. Durch Verkettung der generischen Beschreibungen
mehrerer funktionaler Systeme werden grössere Betriebsprozesse beschrieben bzw. entsprechende
Referenzdaten bereitgestellt. Der Testrechner 1 kann zudem als Nachbarsystem betrachtet
werden, dem ein Output, nämlich Statusmeldungen übermittelt werden. Die funktionalen
Systeme, wie die in [8] beschriebenen Mobilendgeräte, weissen vorzugsweise eine Schnittstelle
auf, über die sie Daten zum Testrechner 1 übertragen können.
[0094] Das funktionale System ist Teil einen Streckenabschnitts 8, in dem anhand des identifizierten
Betriebsprozesses eine Fahrstrasse FS erstellt und leittechnische Einheiten, wie Weichen
W1, W2 entsprechend angesteuert werden. Der Streckenabschnitt 8 korrespondiert z.B.
zum Streckenabschnitt 8 von Fig. 3 und wird entsprechend überwacht und gesteuert.
Möglich ist ferner die Prüfung von kürzeren Gleisabschnitten, z.B. des Gleisabschnitts
zwischen den Weichen W1 und W2, oder punktuell von Elementen des Eisenbahnsystems
100.
[0095] Fig. 5 zeigt das Eisenbahnsystem 100 von Fig. 4 mit der schematischen Darstellung
von Betriebsprozessen, von denen ein Teilprozess p, der z.B. zum funktionalen System
von Fig. 4 korrespondiert, vom Testrechner 1 identifiziert, selektiert und geprüft
wurde. Es ist schematisch gezeigt, dass mehrere Betriebsprozesse parallel zueinander
ablaufen können oder dass ein Betriebsprozess mehrere parallel oder seriell zueinander
verlaufende Teilprozesse aufweisen kann. In der gezeigten Darstellung wird der Teilprozess
p geprüft und es werden Prozessgrössen x, y, s und o als Prozessergebnisse erfasst,
anhand derer der Teilprozess P unter Berücksichtigung generischer Beschreibungen des
Teilprozesses P bzw. entsprechender Referenzdaten geprüft wird.
Literaturverzeichnis
1. Verfahren zur Prüfung eines Eisenbahnsystems (10) oder Teilen davon, welches
- Ressourcen einer baulichen Infrastruktur (8), insbesondere ein Gleisnetz,
- Fahrzeug-Ressourcen (9),
- Ressourcen einer Leittechnik (3) und
- Ressourcen einer Sicherungstechnik (5)
umfasst, die von wenigstens einem Steuersystem (2, 3, 4, 5) anhand von Betriebsregeln
und Betriebsverfahren (p1, ..., pn) genutzt werden, mittels denen definierte Betriebsprozesse
(p) fallweise implementiert werden, denen Prozessdaten, wie Eingangsgrössen (x, y,
z), Ausgangsgrössen (o) und Betriebsgrössen (s), zugeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass während des Betriebs des Eisenbahnsystems (100) implementierte Betriebsprozesse (p)
identifiziert und Prozessergebnisse der identifizierten Betriebsprozesse (p) aus dem
Eisenbahnsystem (100) erfasst und in einem Testrechner (1) mit Referenzdaten verglichen
werden, um den Ablauf der identifizierten Betriebsprozesse (p) zu prüfen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass für jeden Betriebsprozess vor der Implementierung Prozessdaten bereitgestellt werden,
die vom Testrechner (1) zur Identifikation eines Betriebsprozesses (p) und/oder zur
Bereitstellung dazu korrespondierender Referenzdaten und/oder zur Ermittlung dazu
korrespondierender Prozessergebnisse genutzt werden können.
3. Verfahren nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet, dass die Prozessdaten wahlweise
a) Daten der Planungstechnik (2) und Disposition, insbesondere Zuglaufdaten,
b) Prognosedaten,
c) Daten der Leittechnik (3),
d) Daten der Sicherungstechnik (5),
e) Daten der Fahrzeuge (9),
f) Daten der Infrastruktur (8), insbesondere des Gleisnetzes,
sowie Daten zur temporären Gültigkeit dieser Prozessdaten umfassen können.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Testrechner (1) anhand von Prozessdaten Identifikationsdaten ermittelt, mittels
denen zu prüfende Betriebsprozesse identifiziert werden, wobei Identifikationsdaten
vorzugsweise unter Berücksichtigung von Fahrplandaten ermittelt werden.
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass Identifikationsdaten unter Berücksichtigung von statischen oder dynamischen Prozessdaten
ermittelt werden, wobei innerhalb der Infrastruktur (8) vorzugsweise Statusänderungen
festgestellt und zugehörige Betriebsprozesse identifiziert werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-6, dadurch gekennzeichnet, dass der Testrechner (1) für einen identifizierten Betriebsprozess gespeicherte Referenzdaten
aus einer Datenbank (12, 13) lädt oder dass der Testrechner (1) Referenzdaten anhand
von Prozessdaten und gespeicherten betrieblichen Regeln ermittelt, wobei die Referenzdaten
dem erwarteten Verhalten des identifizierten Betriebsprozesses entsprechen.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass Referenzdaten für einen identifizierten Betriebsprozesse unter Berücksichtigung von
Daten der Infrastruktur des Eisenbahnsystems (100) gebildet werden, wobei anhand der
Infrastrukturdaten vom identifizierten Betriebsprozess genutzte Prozesselemente, wie
leittechnische Einheiten identifiziert und für diese die betrieblichen Regeln angewendet
werden, um den identifizierten Prozess ganz oder teilweise abzubilden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-7, dadurch gekennzeichnet, dass anhand der Identifikationsdaten und gegebenenfalls Prozessdaten, insbesondere Infrastrukturdaten,
vom identifizierten Betriebsprozess genutzte Prozesselemente, wie leittechnische Einheiten,
identifiziert werden, für die während des Ablaufs des identifizierten Betriebsprozesses
Statusänderungen registriert und entsprechende Prozessergebnisse gebildet werden.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass für die identifizierten Prozesselemente Adressdaten gebildet oder geladen werden,
mittels denen für diese Prozesselemente Prozessergebnisse von der Leittechnik (3),
der Sicherungstechnik (5), der Zugbeeinflussung (7), der Fahrzeugtechnik (9) oder
direkt von den Prozesselementen abgefragt werden können.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-9,
dadurch gekennzeichnet, dass gestützt auf die Prüfung der Prozessergebnisse durch Vergleich mit den Referenzdaten,
eine Meldung abgegeben wird, welche
a) die Kompatibilität der Referenzdaten mit dem geprüften Betriebsprozesses bestätigt;
b) den erfolgreichen Abschluss der Prüfung bestätigt; und/oder
c) die Abweichung der Prozessergebnisse von den Referenzdaten meldet.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-10,
dadurch gekennzeichnet, dass gestützt auf die Prüfung der Prozessergebnisse durch Vergleich mit den Referenzdaten,
ein Fehlverhalten des Eisenbahnsystems (100) ermittelt wird und
a) Alarmmeldungen abgegeben werden; und/oder
b) Steuersignale an das Eisenbahnsystem (100) abgegeben werden.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-11, dadurch gekennzeichnet, dass Prüfungsergebnisse für einen mehrfach implementierten und geprüften Betriebsprozess
(p) gemittelt werden und dass Abweichungen des aktuell geprüften Betriebsprozesses
(p) von den zuvor erstellten Mittelwerten ermittelt werden, oder dass Veränderungen
von Prüfungsergebnissen für einen mehrfach implementierten und geprüften Betriebsprozess
ermittelt werden.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-12, dadurch gekennzeichnet, dass die Prüfung der implementierten Betriebsprozesse repetitiv für verschiedene Zeitabschnitte
eines Tages, eine Woche, eines Monats oder eines Jahres durchgeführt wird und/oder
dass die Prüfung der implementierten Betriebsprozesse wahlweise nach Art der Betriebsprozesse
durchgeführt wird.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1-13, dadurch gekennzeichnet, dass Betriebsprozesse identifiziert und entsprechend ihren Eigenschaften in Gruppen geordnet
werden, denen je dazu korrespondierende Referenzdaten zugeordnet werden, wonach für
identifizierte Betriebsprozesse die Zugehörigkeit zu einer Gruppe geprüft und die
entsprechenden Referenzdaten geladen werden.
15. Eisenbahnsystem mit wenigstens einem Testrechner (1), in dem wenigstens ein Softwareprogramm
installiert oder ein Testprozess (TP) implementiert ist, die der Durchführung des
Verfahrens gemäss einem der Ansprüche 1 - 14 dienen.