[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Hörhilfevorrichtung, insbesondere
einer Tinnitus-Therapie-Vorrichtung, mit einem Mikrofon und mit einem in einen Gehörgang
eines Benutzers einbringbaren oder zumindest teilweise im Gehörgang angeordneten Hörer.
Die Erfindung betrifft weiterhin ein nach einem derartigen Verfahren betreibbare Hörhilfevorrichtung.
[0002] Hörhilfevorrichtungen sind tragbare Hörgeräte, die zur Versorgung von Schwerhörenden
oder Hörgeschädigten dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen,
werden unterschiedliche Bauformen von Hörhilfevorrichtungen wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte
(HdO) und Hörgeräte mit einem externen Hörer (RIC: receiver in the canal) sowie In-dem-Ohr-Hörgeräte
(IdO), zum Beispiel auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE: In-The-Ear, CIC:
Completely-In-Channel, IIC: Invisible-In-The-Channel), bereitgestellt. Die beispielhaft
aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang eines Hörhilfevorrichtungsnutzers
getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen,
implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation
des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
[0003] Derartige Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
akusto-elektrischer Wandler, wie beispielsweise ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer
Empfänger, zum Beispiel eine Induktionsspule oder eine (Radiofrequenz-, RF-)Antenne.
Der Ausgangswandler ist meist als ein elektro-akustischer Wandler, zum Beispiel als
ein Miniaturlautsprecher (Hörer), oder als ein elektromechanischer Wandler, wie beispielsweise
ein Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinrichtung
integriert. Die Energieversorgung erfolgt üblicherweise durch eine Batterie oder einen
aufladbaren Akkumulator.
[0004] Ein schwerer Hörverlust als Hörschädigung löst häufig eine neuroplastische Reorganisation
des zentralen auditorischen Systems im Gehirn des Betroffenen aus, und ist daher häufig
ein Auslöser und eine Ursache eines auftretenden (chronischen) Tinnitus.
[0005] Unter einem Tinnitus oder Ohrensausen versteht man allgemein alle Arten von Kopf-
oder Ohrgeräuschen, welche nicht durch ins Ohr geführte akustische Signale der Umgebung
bewirkt werden. Hierbei wird zwischen einem sogenannten "subjektiven Tinnitus" und
einem sogenannten "objektiven Tinnitus" unterschieden.
[0006] Ein objektiver oder physikalischer Tinnitus wird durch eine im Körper, insbesondere
im Innenohr, des Betroffenen vorhandene Schallquelle bewirkt. Die akustischen Aussendungen
(Emissionen) dieser Schallquelle in den Gehörgang sind als spontane otoakustische
Emissionen (SOAE) messbar.
[0007] Bei einem subjektiven oder nicht-physikalischen Tinnitus gibt es keine solche Schallquelle
und lässt sich somit nicht messen. Ein subjektiver Tinnitus ist lediglich für den
Betroffenen selbst wahrnehmbar, und wird meistens durch eine fehlgesteuerte Nervenaktivität
in auditorischen und anderen Teilen des Gehirns bewirkt, welche beispielsweise durch
die vorstehend beschriebene neuroplastische Reorganisation des zentralen auditorischen
Systems hervorgerufen wird.
[0008] Ein Tinnitus ist zwar ungefährlich, belastet jedoch viele Betroffene stark. So führt
insbesondere chronischer Tinnitus oftmals zu schweren psychologischen Problemen und
wirkt sich somit mitunter negativ auf das berufliche und soziale Leben der betroffenen
Person aus. Des Weiteren werden beispielsweise die Konzentration gestört und Einschlafprobleme
verursacht.
[0009] Im Zuge einer Tinnitus-Therapie werden häufig Rauschgeräte (Tinnitus-Noiser, Audiostimulator,
Tinnitus Control Instrument, Tinnitus-Masker) verwendet. Hierzu wird dem Patienten
mit Hilfe einer Hörhilfevorrichtung ähnlichen Tinnitus-Therapie-Vorrichtung, einem
sogenannten Noiser oder Masker, ein leises, wenig störendes Geräusch als akustisches
Signal angeboten.
[0010] Da chronischer Tinnitus oftmals zusammen mit einem Hörverlust auftritt, sind derartige
Tinnitus-Therapie-Vorrichtungen in der Regel als zusätzliche Funktion in Hörgeräten
beziehungsweise Hörhilfevorrichtungen integriert. Das akustische Signal wird beispielsweise
mit einer Signalfrequenz erzeugt, die etwa der wahrgenommenen Tinnitusfrequenz entspricht
und somit den Tinnitus überdecken ("maskieren") soll.
[0012] Zur Durchführung des bekannten Verfahrens ist es daher notwendig, dass das Umgebungssignal
selbst nicht in den Gehörgang des Benutzers gelangt, sodass der Benutzer lediglich
das gefilterte Ausgangssignal wahrnimmt. Dies bedingt den Einsatz von Hörhilfevorrichtungen,
welche den Gehörgang des Benutzers im Wesentlichen vollständig (schalltechnisch) verschließen,
sodass der Eintritt des Schalls des Umgebungssignals in den Gehörgang blockiert wird.
Dadurch tritt jedoch nachteiligerweise der sogenannte Okklusionseffekt auf. Dies ist
insbesondere hinsichtlich nicht wesentlich hörgeschädigter Tinnitus-Betroffener unerwünscht.
[0013] Aus der
EP 2 421 282 B1 ist eine Hörhilfevorrichtung bekannt, bei welcher ein akustisches Ausgangssignal
erzeugt wird, in dem eine oder mehrere Tinnitusfrequenzen des Benutzers unterdrückt
sind. Dadurch wird eine neuroplastische Reorganisation des zentralen auditorischen
Systems des Betroffenen ermöglicht, welche die tinnitusverursachende maladaptive neuroplastische
Reorganisation des zentralen auditorischen Systems des Betroffenen wieder rückgängig
macht. Hierbei ist es beispielsweise bekannt, dass ein Tinnitus-Maskierungssignal
erzeugt wird, bei welchem die Tinnitusfrequenz(en) mittels Kerbfilter (Notch-Filter)
oder Bandpassfilter herausgefiltert (unterdrückt) wird.
[0014] In der
US 2005/0251226 A1 ist eine Hörhilfevorrichtung als Tinnitus-Therapie-Vorrichtung beschrieben. Die bekannte
Hörhilfevorrichtung ist hierbei für eine Therapie eines objektiven Tinnitus ausgeführt.
Hierzu wird mittels eines Mikrofons der erzeugte Schall der otoakustischen Emission
erfasst. Anhand des erfassten (Tinnitus-)Schallsignals wird ein Kompensations- oder
Antischallsignal mittels eines Hörers im Gehörgang erzeugt, sodass die otoakustischen
Emissionen des objektiven Tinnitus unterdrückt werden.
[0015] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein besonders geeignetes Verfahren zum
Betreiben einer Hörhilfevorrichtung anzugeben. Der Erfindung liegt weiterhin die Aufgabe
zugrunde, eine zur Durchführung eines derartigen Verfahrens geeignete Hörhilfevorrichtung
anzugeben.
[0016] Hinsichtlich des Verfahrens wird die Aufgabe mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und
hinsichtlich der Hörhilfevorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 2 erfindungsgemäß
gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen sind Gegenstand der jeweiligen
Unteransprüche.
[0017] Das erfindungsgemäße Verfahren ist zum Betreiben einer Hörhilfevorrichtung, insbesondere
einer Tinnitus-Therapie-Vorrichtung, geeignet und ausgestaltet. Die Hörhilfevorrichtung
umfasst ein Mikrofon und einen Hörer, der zumindest teilweise in einem (äußeren) Gehörgang
eines Benutzers angeordnet oder in den Gehörgang einsetzbar (einbringbar) ist. Mit
anderen Worten ist der Hörer für das Einsetzen in den Gehörgang eines Benutzers vorgesehen
und eingerichtet.
[0018] Verfahrensgemäß wird eine aktive Schallkompensation (ANR: Active Noise Reduction,
ANC: Active Noise Cancellation) eines vom Mikrofon empfangbaren akustischen Umgebungssignals
bei einer oder mehrerer Tinnitusfrequenzen eines Benutzers durch Erzeugen eines akustischen
Kompensationssignals des Hörers im Gehörgang des Benutzers bewirkt. Das akustische
Kompensationssignal ist nachfolgend auch als Antischall bezeichnet.
[0019] Mit anderen Worten ist zur Verminderung des Tinnitusempfindens eine aktive Schallkompensation
vorgesehen, bei welcher durch eine zusätzliche Abstrahlung des akustischen Kompensationssignals
mittels des Hörers durch Überlagerung des Kompensationssignals mit dem akustischen
Umgebungssignal im Gehörgang eine Auslöschung oder zumindest Unterdrückung beziehungsweise
Dämpfung der oder jeder Tinnitusfrequenz angestrebt wird. Dies bedeutet, dass von
dem Hörer ein akustisches Kompensationssignal ausgegeben wird, welches bei einer Überlagerung
mit dem Umgebungssignal im Gehörgang des Benutzers ein resultierendes Gesamtsignal
erzeugt, in dem die oder jede Tinnitusfrequenz des Benutzers unterdrückt oder zumindest
reduziert ist. Auf diese Weise sind insbesondere (Tinnitus-)Frequenzen mit Frequenzwerten
kleiner 2 kHz (Kilohertz) wirksam bedämpfbar.
[0020] Die Hörhilfevorrichtung ist zur Unterdrückung oder Reduzierung eines wahrgenommenen
subjektiven Tinnitus (nicht-physikalischer Tinnitus) ausgebildet. Dies bedeutet, dass
die oder jede Tinnitusfrequenz eine subjektiv wahrgenommene Tinnitusfrequenz des Betroffenen
ist. Die subjektiven Tinnitusfrequenzen des Betroffenen werden also nicht durch eine
messbare Schallquelle hervorgerufen. Mit anderen Worten ist unter dem Begriff Tinnitus
insbesondere ein subjektiver Tinnitus und unter dem Begriff Tinnitusfrequenz insbesondere
eine entsprechende (subjektive) Tinnitusfrequenz eines solchen subjektiven Tinnitus
zu verstehen. Somit erfolgt die aktive Schallkompensation im Gegensatz zum Stand der
Technik nicht mittels eines Kompensationssignals für eine otoakustische Emission eines
objektiven Tinnitus. Vielmehr wird durch das Kompensationssignal die oder jede (subjektive)
Tinnitusfrequenz in einem von außen ans Ohr kommendem Umgebungssignal unterdrückt
oder reduziert, so dass eine neuroplastische Reorganisation des zentralen auditorischen
Systems des Betroffenen ermöglicht wird.
[0021] Dadurch ist ein besonders geeignetes Verfahren zum Betreiben der Hörhilfevorrichtung
realisiert. Im Gegensatz zum Stand der Technik ist der Gehörgang des Benutzers somit
nicht schallblockierend mittels der Hörhilfevorrichtung verschlossen, sodass neben
dem vom Hörer erzeugten Kompensationssignal auch das akustische Umgebungssignal in
den Gehörgang eindringt. Dadurch wird die Klangqualität und Bandbreite des vom Benutzer
wahrgenommenen akustischen (Gesamt-)Signals wesentlich verbessert, da es sich hierbei
nicht lediglich um ein gefiltertes (verstärktes) akustisches Ausgangssignal der Hörhilfevorrichtung
handelt. Des Weiteren wird somit der Okklusionseffekt im Wesentlichen vollständig
vermieden. Dies ist insbesondere für nicht oder wenig hörgeschädigte Benutzer vorteilhaft,
da somit ein natürlicheres Klangbild der Umgebung ermöglicht wird.
[0022] Ferner wird im Gegensatz zum Stand der Technik kein akustisches Maskierungssignal
zur Maskierung der Tinnitusfrequenzen erzeugt, sondern ein akustisches Kompensationssignal,
welches in Zusammenwirkung beziehungsweise Überlagerung mit dem akustischen Umgebungssignal
eine Unterdrückung oder Reduzierung der Tinnitusfrequenzen bewirkt.
[0023] Das akustische Kompensationssignal beziehungsweise der Antischall wird hierbei insbesondere
als ein phaseninvertiertes akustisches Signal erzeugt. Mit anderen Worten wird der
Antischall derart erzeugt, dass er einem der oder jeder Tinnitusfrequenz entsprechenden
Schall im Umgebungssignal mit möglichst exakt entgegengesetzter Polarität entspricht.
Dadurch ist eine zuverlässige Auslöschung oder Unterdrückung der entsprechenden Frequenzbereiche
im wahrgenommenen Umgebungssignal im Gehörgang ermöglicht.
[0024] Die erfindungsgemäße Hörhilfevorrichtung ist insbesondere als eine Tinnitus-Therapie-Vorrichtung
ausgeführt. Die Hörhilfevorrichtung ist mit einem Mikrofon zum Empfangen eines akustischen
Umgebungssignals und Wandlung dieses Umgebungssignals in ein elektrisches Eingangssignal,
und mit einer Signalverarbeitungseinrichtung zur Verarbeitung des elektrischen Eingangssignals
in ein elektrisches Ausgangssignals, sowie mit einem zumindest teilweise in einem
Gehörgang eines Benutzers angeordneten Hörer zur Wandlung des elektrischen Ausgangssignals
in ein akustisches Kompensationssignal ausgeführt. Das akustische Kompensationssignal
dient hierbei der aktiven Schallkompensation an der oder jeder Tinnitusfrequenz des
Benutzers.
[0025] Hierzu wird ein akustisches Umgebungssignal von dem Mikrofon erfasst, welches als
elektrisches Eingangssignal von der Signalverarbeitungseinrichtung analysiert wird.
Die Signalverarbeitungseinrichtung verarbeitet das elektrische Eingangssignal zu einem
elektrischen Ausgangssignal, mit welchem das akustische Kompensationssignal erzeugt
wird. Das vom Hörer erzeugte akustische Kompensationssignal überlagert sich oder interferiert
mit dem akustischen Umgebungssignal im Gehörgang des Benutzers in einer derartigen
Art und Weise, dass der an einem Trommelfell des Benutzers auftretende Schalldruck
an der oder jeder Tinnitusfrequenz reduziert oder vollständig unterdrückt ist. Das
restliche Klangspektrum beziehungsweise Frequenzspektrum des akustischen Umgebungssignals
wird hierbei im Wesentlichen nicht verändert, sodass eine hohe Klangqualität für den
Benutzer gewährleistet ist.
[0026] In einer vorteilhaften Weiterbildung ist die oder jede Tinnitusfrequenz des Benutzers
in einem Speicher der Signalverarbeitungseinrichtung hinterlegt. Zur Erfassung und
Bestimmung der oder jeder Tinnitusfrequenz wird festgestellt, bei welcher Frequenz
beziehungsweise bei welchen Frequenzen der Benutzer akustische Signal wahrnimmt, welche
ihre Ursache nicht in von außen ins Ohr gelangende akustische Signale (Umgebungssignale)
haben. Diese Erfassung erfolgt beispielsweise bei einem Arzt oder einem Hörgeräteakustiker.
Die oder jede erfasste Tinnitusfrequenz wird anschließend in dem Speicher der Signalverarbeitungseinrichtung
hinterlegt.
[0027] Im Betrieb verwendet die Signalverarbeitungseinrichtung die oder jede hinterlegte
Tinnitusfrequenz zur Verarbeitung des Eingangssignals. Dadurch ist stets ein geeignetes
Kompensationssignal zur Auslöschung oder Unterdrückung der Tinnitusfrequenzen erzeugbar.
Vorzugsweise berücksichtigt die Signalverarbeitungseinrichtung hierbei auch den hörhilfevorrichtungsinternen
Übertragungspfad einschließlich der dadurch auftretenden Phasendifferenzen zwischen
dem Umgebungssignal und dem zu erzeugenden Kompensationssignal. Hierzu ist es beispielsweise
möglich, dass ein Model des akustischen Übertragungspfads der Hörhilfevorrichtung
in dem Speicher hinterlegt ist. Vorzugsweise sind das Mikrofon und der Hörer möglichst
nahe beieinander angeordnet, sodass auftretende Signalverzögerungen und Phasendifferenzen
weitestgehend reduziert werden.
[0028] Die Signalverarbeitungseinrichtung weist vorzugsweise einen Controller (das heisst
ein Steuergerät) auf.
[0029] Der Controller ist hierbei allgemein - programm- und/oder schaltungstechnisch - zur
Durchführung des vorstehend beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahrens eingerichtet.
Der Controller ist somit insbesondere dazu eingerichtet, anhand des empfangenen Eingangssignals
und den hinterlegten Tinnitusfrequenzen sowie vorzugsweise mit Hilfe eines Modells
der Übertragungsfunktion der Hörhilfevorrichtung durch Einstellung der Filtermittel
ein elektronisches Ausgangssignal zu erzeugen, welches ein akustisches Kompensationssignal
des Hörers zur aktiven Schallkompensation der Tinnitusfrequenzen im Umgebungssignal
bewirkt.
[0030] Der Controller ist zumindest im Kern durch jeweils einen Mikrocontroller mit einem
Prozessor und einem Datenspeicher gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form einer Betriebssoftware (Firmware) programmtechnisch
implementiert ist, so dass das Verfahren - gegebenenfalls in Interaktion mit einem
Benutzer - bei Ausführung der Betriebssoftware in dem Mikrocontroller automatisch
durchgeführt wird.
[0031] Der Controller ist in einer möglichen Ausführungsform im Rahmen der Erfindung alternativ
aber auch durch programmierbare elektronische Bauteile, zum Beispiel einen anwendungsspezifischen
integrierten Schaltkreis (ASIC) gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens mit schaltungstechnischen Mitteln implementiert ist.
[0032] Der Controller ist in einer möglichen Ausführungsform insbesondere dazu ausgebildet,
um auch Tinnitusfrequenzen mit Frequenzwerten größer als 2 kHz wirksam zu unterdrücken.
Häufig liegt in diesem Frequenzbereich bereits eine signifikante Hörminderung der
Patienten vor, sodass auch mit einem offenen, also nicht schallblockierenden, Gehörgang
bereits eine deutliche Bedämpfung der Tinnitusfrequenzen erreicht wird. Bei Benutzern
oder Patienten ohne signifikante Hörminderung besteht weiterhin die Möglichkeit, den
Gehörgang mit akustischen Filtermitteln zu verschließen, welche insbesondere Frequenzen
größer als 2 kHz akustisch bedämpfen. Die Filtermittel sind beispielsweise als elektronische
Filter, insbesondere Notch-Filter (Kerbfilter) ausgebildet.
[0033] Mit anderen Worten wird die aktive Schallkompensation beziehungsweise der Antischall
insbesondere zur Dämpfung von Tinnitusfrequenzen kleiner als circa 2 kHz eingesetzt,
wobei für Frequenzen größer als circa 2 kHz insbesondere die Filtermittel zur akustischen
Dämpfung der Tinnitusfrequenzen des Umgebungssignals vorgesehen sind. Dadurch ist
eine effektive Unterdrückung oder Dämpfung einer oder mehrerer Tinnitusfrequenzen
des Benutzers im Wesentlichen über den gesamten (hörbaren) Frequenzbereich ermöglicht.
[0034] Nachfolgend ist ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand einer Zeichnung näher
erläutert. Darin zeigt die einzige Figur in einer schematischen und vereinfachten
Darstellung eine an einem Ohr eines Benutzers getragene Tinnitus-Therapie-Vorrichtung,
mit einem Mikrofon und mit einem Hörer sowie mit einer zur aktiven Schallkompensation
ausgeführten Signalverarbeitungseinrichtung.
[0035] In der Figur ist eine als Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2 ausgeführte Hörhilfevorrichtung
gezeigt. Die Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2 wird im Betrieb an einem Ohr 4 eines
tinnitusbetroffenen Benutzers getragen. Die Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2 umfasst
ein Mikrofon 6 als akusto-elektrischen Wandler und einen Hörer 8 als elektro-akustischen
Wandler sowie eine Signalverarbeitungseinrichtung 10, welche insbesondere für eine
aktive Schallkompensation einer oder mehrerer Tinnitusfrequenzen ausgeführt ist.
[0036] Das Mikrofon 6 ist an einem Eingang 12 eines (äußeren) Gehörgangs 14 des Ohrs 4 angeordnet.
Ebenso denkbar ist es jedoch auch, dass das Mikrofon 6 zumindest teilweise innerhalb
des Gehörgangs 14 angeordnet ist. Jedoch ist der Hörer 8 stets weiter im Inneren beziehungsweise
tiefer im Gehörgang 14 positioniert als das Mikrofon 6. Der Gehörgang 14 erstreckt
sich von dem Eingang 12 bis zu einem Trommelfell 16 des Benutzers.
[0037] Die oder jede Tinnitusfrequenz des Benutzers ist in einem Speicher 18 der Signalverarbeitungseinrichtung
10 hinterlegt.
[0038] Im Betrieb der Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2 wird ein akustisches Umgebungssignal
20 derart aktiv schallkompensiert, dass die oder jede im Speicher 18 hinterlegte Tinnitusfrequenz
unterdrückt oder reduziert wird. Hierzu ist die Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2 offen
ausgestaltet, das bedeutet, der Eingang 12 des Gehörgangs 14 wird durch die Tinnitus-Therapie-Vorrichtung
2 nicht (vollständig) schalltechnisch blockiert. Mit anderen Worten gelangt das akustische
Umgebungssignal 20 in den Gehörgang 14. Das Umgebungssignal 20 wird weiterhin von
dem Mikrofon 6 empfangen und in ein elektrisches Eingangssignal 22 gewandelt.
[0039] Das elektrische Eingangssignal 22 wird der Signalverarbeitungseinrichtung 10 zugeführt,
welche es in ein elektrisches Ausgangssignal 24 verarbeitet. Das elektrische Ausgangssignal
24 wird dem Hörer 8 zugeführt, der es als akustisches Kompensationssignal (Antischall)
26 in den Gehörgang 14 emittiert. Im Gehörgang 14 überlagern oder interferieren das
akustische Umgebungssignal 20 und das akustische Kompensationssignal 26 miteinander
zu einem resultierenden Gesamtsignal 28, welches am Trommelfell 16 einen reduzierten
Schalldruck im Frequenzbereich der oder jeder Tinnitusfrequenz aufweist.
[0040] Das akustische Kompensationssignal 26 wird hierbei als ein phaseninvertiertes akustisches
Signal des akustischen Umgebungssignals 20 erzeugt. Dies bedeutet, dass das akustische
Kompensationssignal 26 zumindest im Frequenzbereich der oder jeder Tinnitusfrequenz
einem Schall des akustischen Umgebungssignals 20 mit möglichst exakt entgegengesetzter
Polarität entspricht.
[0041] Zur aktiven Unterdrückung der oder jeder Tinnitusfrequenz wird mit dem Mikrofon 6
das akustische Umgebungssignal 20 erfasst. Die Signalverarbeitungseinrichtung 10 berechnet
anhand der hinterlegten Tinnitusfrequenz(en) und mit Hilfe eines im Speicher 18 hinterlegten
Modells einer akustischen Übertragungsfunktion der Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2
den Signalanteil des Umgebungssignals 20, der am Trommelfell 16 noch verbleiben würde.
Für diesen Signalanteil wird dann zur Kompensation das gegenpolige akustische Kompensationssignal
26 im Hörer 8 erzeugt.
[0042] Die Tinnitus-Therapie-Vorrichtung 2 umfasst weiterhin Filtermittel, beispielsweise
in Form von elektronischen Notch-Filtern (Kerbfiltern) 30, zur akustischen Bedämpfung
insbesondere von Tinnitusfrequenzen größer als 2 kHz.
[0043] Am Trommelfell 16 treffen der Schall des von außen kommenden akustischen Umgebungssignals
20 und das akustische Kompensationssignal 26 aus dem Hörer 8 als Schall beziehungsweise
akustisches Gesamtsignal 28 zusammen. Aufgrund des akustischen Kompensationssignals
26 wird der resultierende Schalldruckpegel des Gesamtsignals 28 hierbei im Bereich
der oder jeder Tinnitusfrequenz reduziert oder vollständig unterdrückt.
[0044] Die Erfindung ist nicht auf das vorstehend beschriebene Ausführungsbeispiel beschränkt.
Vielmehr können auch andere Varianten der Erfindung von dem Fachmann hieraus abgeleitet
werden, ohne den Gegenstand der Erfindung zu verlassen. Insbesondere sind ferner alle
im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel beschriebenen Einzelmerkmale auch auf
andere Weise miteinander kombinierbar, ohne den Gegenstand der Erfindung zu verlassen.
Bezugszeichenliste
[0045]
- 2
- Hörhilfevorrichtung/Tinnitus-Therapie-Vorrichtung
- 4
- Ohr
- 6
- Mikrofon
- 8
- Hörer
- 10
- Signalverarbeitungseinrichtung
- 12
- Eingang
- 14
- Gehörgang
- 16
- Trommelfell
- 18
- Speicher
- 20
- Umgebungssignal
- 22
- Eingangssignal
- 24
- Ausgangssignal
- 26
- Kompensationssignal
- 28
- Gesamtsignal
- 30
- Filtermittel/Notch-Filter