[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung sowie eine
Hörvorrichtung, die insbesondere zur Durchführung des Verfahrens eingerichtet ist.
[0002] Hörvorrichtungen dienen üblicherweise zur Ausgabe eines Tonsignals an das Gehör des
Trägers dieser Hörvorrichtung. Die Ausgabe erfolgt dabei mittels eines Ausgabewandlers,
meist auf akustischem Weg über Luftschall mittels eines Lautsprechers (auch als "Hörer"
oder "Receiver" bezeichnet). Häufig kommen derartige Hörvorrichtungen dabei als sogenannte
Hörhilfegeräte (auch kurz: Hörgeräte) zum Einsatz. Dazu umfassen die Hörvorrichtungen
normalerweise einen akustischen Eingangswandler (insbesondere ein Mikrophon) und einen
Signalprozessor, der dazu eingerichtet ist, das von dem Eingangswandler aus dem Umgebungsschall
erzeugte Eingangssignal (auch: Mikrophonsignal) unter Anwendung mindestens eines üblicherweise
nutzerspezifisch hinterlegten Signalverarbeitungsalgorithmus derart zu verarbeiten,
dass eine Hörminderung des Trägers der Hörvorrichtung zumindest teilweise kompensiert
wird. Insbesondere im Fall eines Hörhilfegeräts kann es sich bei dem Ausgabewandler
neben einem Lautsprecher auch alternativ um einen sogenannten Knochenleitungshörer
oder ein Cochlea-Implantat handeln, die zur mechanischen oder elektrischen Einkopplung
des Tonsignals in das Gehör des Trägers eingerichtet sind. Unter dem Begriff Hörvorrichtungen
fallen zusätzlich insbesondere auch Geräte wie z.B. sogenannte Tinnitus-Masker, Headsets,
Kopfhörer und dergleichen.
[0003] Moderne Hörvorrichtungen, insbesondere Hörhilfegeräte umfassen häufig einen sogenannten
Klassifikator, der üblicherweise als Teil des Signalprozessors, der den oder den jeweiligen
Signalverarbeitungsalgorithmus ausführt, ausgebildet ist. Bei einem solchen Klassifikator
handelt es sich üblicherweise wiederum um einen Algorithmus, der dazu dient, anhand
des mittels des Mikrophons erfassten Umgebungsschalls auf eine vorliegende Hörsituation
zu schließen. Auf Basis der erkannten Hörsituation wird dann meist eine Anpassung
des oder des jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus an die charakteristischen Eigenschaften
der vorliegenden Hörsituation vorgenommen. Insbesondere soll dadurch die Hörvorrichtung
der Hörsituation entsprechend die für den Nutzer relevanten Informationen weitergeben.
Zum Beispiels sind zur möglichst klaren Ausgabe von Musik andere Einstellungen (Parameterwerte
unterschiedlicher Parameter) des oder eines der Signalverarbeitungsalgorithmen erforderlich,
als zur verständlichen Ausgabe von Sprache bei lautem Umgebungsgeräusch. In Abhängigkeit
von der erkannten Hörsituation werden die entsprechend zugeordneten Parameter dann
verändert.
[0004] Übliche Hörsituationen sind z. B. Sprache in Ruhe, Sprache bei Störgeräuschen, Musik-Hören,
(Fahren im) Fahrzeug. Zur Analyse des Umgebungsschalls (konkret des Mikrophonsignals)
und zur Erkennung der jeweiligen Hörsituationen werden dabei zunächst aus dem Mikrophonsignal
(oder einem daraus gebildeten Eingangssignal) verschiedene Merkmale (oft auch als
"Features" bezeichnet) abgeleitet. Diese Merkmale werden dem Klassifikator zugeführt,
der mit Hilfe von Analysemodellen wie z. B. einer sogenannten "Gauss'schen-Mischmoden-Analyse",
einem "Hidden-Markov-Modell", einem neuronalen Netz oder dergleichen Wahrscheinlichkeiten
für das Vorliegen bestimmter Hörsituationen ausgibt.
[0005] Häufig wird ein Klassifikator mittels Datenbanken, in denen für die jeweiligen Hörsituationen
eine Vielzahl unterschiedlicher repräsentativer Hörproben abgelegt ist, auf die jeweilige
Hörsituation "trainiert". Nachteilig hieran ist jedoch, dass in einer solchen Datenbank
meist nicht alle im Alltag möglicherweise auftretenden Kombinationen von Geräuschen
abgebildet sein können. Somit kann es bereits deshalb zu Fehlklassifikationen mancher
Hörsituationen kommen.
[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine verbesserte Hörvorrichtung zu ermöglichen.
[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung
mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Des Weiteren wird diese Aufgabe erfindungsgemäß
gelöst durch eine Hörvorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 14. Vorteilhafte
und teils für sich erfinderische Ausführungsformen und Weiterentwicklungen der Erfindung
sind in den Unteransprüchen der nachfolgenden Beschreibung dargelegt.
[0008] Das erfindungsgemäße Verfahren dient zum Betrieb einer Hörvorrichtung, die wenigstens
ein Mikrophon zur Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal umfasst. Verfahrensgemäß
wird dabei aus dem Mikrophonsignal oder einem daraus gebildeten Eingangssignal eine
Anzahl von Merkmalen (auch als "Features" bezeichnet) abgeleitet. Wenigstens drei
Klassifikatoren, die unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer (vorzugsweise
fest) zugeordneten akustischen Dimension implementiert sind, wird jeweils eine spezifisch
zugeordnete Auswahl aus diesen Merkmalen zugeführt. Mittels des jeweiligen Klassifikators
wird anschließend jeweils eine Information über eine Ausprägung der diesem Klassifikator
zugeordneten akustischen Dimension generiert. In Abhängigkeit von mindestens einer
der wenigstens drei Informationen über die jeweilige Ausprägung der zugeordneten akustischen
Dimension wird dann wenigstens ein Signalverarbeitungsalgorithmus, der zur Verarbeitung
des Mikrophonsignals bzw. des Eingangssignals in ein Ausgangssignal abgearbeitet (d.
h. ausgeführt) wird, verändert.
[0009] Unter Veränderung des Signalverarbeitungsalgorithmus wird hier und im Folgenden insbesondere
verstanden, dass wenigstens ein in dem Signalverarbeitungsalgorithmus enthaltener
Parameter in Abhängigkeit von der Ausprägung der akustischen Dimension oder wenigstens
einer der akustischen Dimensionen auf einen anderen Parameterwert gesetzt wird. Mit
anderen Worten wird eine andere Einstellung des Signalverarbeitungsalgorithmus "angefahren"
(d. h. bewirkt oder vorgenommen).
[0010] Unter dem Begriff "akustische Dimension" wird hier und im Folgenden insbesondere
eine Gruppe von Hörsituationen verstanden, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften
zusammenhängen. Vorzugsweise werden die in einer solchen akustischen Dimension abgebildeten
Hörsituationen jeweils durch die gleichen Merkmale (Features) beschrieben und unterscheiden
sich dabei insbesondere aufgrund des aktuellen Werts der jeweiligen Merkmale.
[0011] Unter dem Begriff "Ausprägung" der jeweiligen akustischen Dimension wird hier und
im Folgenden insbesondere verstanden, ob (im Sinne einer binären Unterscheidung) oder
(in bevorzugter Variante) zu welchem Grad (beispielsweise zu welchem Prozentsatz)
die oder die jeweilige in der jeweiligen akustischen Dimension abgebildete Hörsituation
vorliegt. Ein solcher Grad bzw. Prozentsatz stellt dabei vorzugsweise einen Wahrscheinlichkeitswert
für das Vorliegen der jeweiligen Hörsituation dar. Beispielsweise können hierbei in
einer auf das Vorhandensein von Sprache gerichteten akustischen Dimension die Hörsituationen
"Sprache in Ruhe", "Sprache im Störgeräusch" oder (insbesondere nur) "Störgeräusch"
(d. h. es liegt keine Sprache vor) abgebildet sein, wobei die Information über die
Ausprägung vorzugsweise wiederum jeweils Prozentangaben enthält (bspw. 30 % Wahrscheinlichkeit
für Sprache im Störgeräusch und 70 % Wahrscheinlichkeit für nur Störgeräusch).
[0012] Die erfindungsgemäße Hörvorrichtung umfasst wie vorstehend beschrieben wenigstens
das eine Mikrophon zur Wandlung des Umgebungsschalls in das Mikrophonsignal sowie
einen Signalprozessor, in dem wenigstens die drei vorstehend beschriebenen Klassifikatoren
unabhängig voneinander zur Analyse der jeweils (vorzugsweise fest) zugeordneten akustischen
Dimension implementiert sind. Der Signalprozessor ist dabei dazu eingerichtet, das
erfindungsgemäße Verfahren vorzugsweise selbsttätig durchzuführen. Mit anderen Worten
ist der Signalprozessor dazu eingerichtet, aus dem Mikrophonsignal oder dem daraus
gebildeten Eingangssignal die Anzahl von Merkmalen abzuleiten, den drei Klassifikatoren
jeweils eine spezifisch zugeordnete Auswahl aus den Merkmalen zuzuführen, mit Hilfe
des jeweiligen Klassifikators eine Information über die Ausprägung der jeweils zugeordneten
akustischen Dimension zu generieren und in der Abhängigkeit von mindestens einer der
drei Informationen wenigstens einen (vorzugsweise der akustischen Dimension entsprechend
zugeordneten) Signalverarbeitungsalgorithmus zu verändern und vorzugsweise auf das
Mikrophonsignal bzw. das Eingangssignal anzuwenden.
[0013] In bevorzugter Ausgestaltung ist der Signalprozessor (auch als Signalverarbeitungseinheit
bezeichnet) zumindest im Kern durch einen Mikrocontroller mit einem Prozessor und
einem Datenspeicher gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens in Form einer Betriebssoftware ("Firmware") programmtechnisch implementiert
ist, so dass das Verfahren - gegebenenfalls in Interaktion mit einem Nutzer der Hörvorrichtung
- bei Ausführung der Betriebssoftware in dem Mikrocontroller automatisch durchgeführt
wird. Alternativ ist der Signalprozessor durch ein nicht-programmierbares elektronisches
Bauteil, z.B. einen ASIC, gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des
erfindungsgemäßen Verfahrens mit schaltungstechnischen Mitteln implementiert ist.
[0014] Dadurch, dass erfindungsgemäß mindestens drei Klassifikatoren zur Analyse jeweils
einer zugeordneten akustischen Dimension und somit insbesondere zur Erkennung jeweils
einer Hörsituation eingerichtet und vorgesehen sind, wird vorteilhafterweise ermöglicht,
dass zumindest drei Hörsituationen unabhängig voneinander erkannt werden können. Dadurch
wird die Flexibilität der Hörvorrichtung im Erkennen von Hörsituationen vorteilhaft
erhöht. Die Erfindung geht dabei von der Erkenntnis aus, dass zumindest manche Hörsituationen
auch vollständig unabhängig (d. h. sich insbesondere nicht oder lediglich in einem
unerheblichen Maß gegenseitig beeinflussend) voneinander und parallel zueinander vorliegen
können. Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens sowie mittels der erfindungsgemäßen
Hörvorrichtung kann somit das Risiko vermindert werden, dass es zumindest hinsichtlich
der wenigstens drei mittels des jeweils zugeordneten Klassifikators analysierten akustischen
Dimension zu sich gegenseitig ausschließenden und insbesondere widersprüchlichen Klassifikationen
(d. h. Einschätzung der aktuell vorliegenden akustischen Situation) kommt. Insbesondere
können auf einfache Weise (vollständig) parallel vorliegende Hörsituationen erkannt
und in der Veränderung des Signalverarbeitungsalgorithmus berücksichtigt werden.
[0015] Der erfindungsgemäßen Hörvorrichtung kommen dabei die gleichen Vorteile zu wie dem
erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb der Hörvorrichtung.
[0016] In einer bevorzugten Verfahrensvariante werden mehrere, d. h. wenigstens zwei oder
mehr Signalverarbeitungsalgorithmen insbesondere parallel zur Verarbeitung des Mikrophonsignals
bzw. des Eingangssignals herangezogen. Die Signalverarbeitungsalgorithmen "arbeiten"
dabei vorzugsweise auf (wenigstens) jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension,
d. h. die Signalverarbeitungsalgorithmen dienen zur Verarbeitung (bspw. Filterung,
Verstärkung, Dämpfung) von Signalanteilen, die für die in der jeweils zugeordneten
akustischen Dimension enthaltenen oder abgebildeten Hörsituationen relevant sind.
Zur Anpassung der Signalverarbeitung in Abhängigkeit von der Ausprägung der jeweiligen
akustischen Dimension umfassen die Signalverarbeitungsalgorithmen wenigstens einen,
vorzugsweise mehrere Parameter, die in ihren Parameterwerten verändert werden können.
Vorzugsweise können die Parameterwerte dabei in Abhängigkeit von der jeweiligen Wahrscheinlichkeit
der Ausprägung auch in mehreren Abstufungen (graduell oder kontinuierlich) verändert
werden. Dadurch wird eine besonders flexible und vorteilhafterweise an eine Vielzahl
von graduellen Unterschieden zwischen mehreren Hörsituationen anpassbare Signalverarbeitung
ermöglicht.
[0017] In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante wird mindestens zwei der mindestens drei
Klassifikatoren jeweils eine unterschiedliche Auswahl aus den Merkmalen zugeführt.
Darunter wird hier und im Folgenden insbesondere verstanden, dass für den jeweiligen
Klassifikator eine unterschiedliche Anzahl und/oder unterschiedliche Merkmale ausgewählt
und diesem zugeführt werden.
[0018] Die Konjunktion "und/oder" ist hier und im Folgenden derart zu verstehen, dass die
mittels dieser Konjunktion verknüpften Merkmale sowohl gemeinsam als auch als Alternativen
zueinander ausgebildet sein können.
[0019] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante werden jedem der Klassifikatoren
mit der entsprechend zugeordneten Auswahl insbesondere nur für die Analyse der zugeordneten
akustischen Dimension relevante Merkmale zugeführt. Mit anderen Worten werden für
jeden Klassifikator vorzugsweise nur die Merkmale ausgewählt und zugeführt, die zur
Bestimmung der in der jeweiligen akustischen Dimension abgebildeten Hörsituation auch
tatsächlich erforderlich sind. Dadurch kann bei der Analyse der jeweiligen akustischen
Dimension vorteilhafterweise Rechenaufwand sowie Aufwand bei der Implementierung des
jeweiligen Klassifikators eingespart werden, da für die jeweilige akustische Dimension
unerhebliche Merkmale von vornherein unberücksichtigt bleiben. Vorteilhafterweise
kann hierdurch auch das Risiko einer Fehlklassifikation aufgrund einer irrtümlichen
Berücksichtigung nicht relevanter Merkmale weiter verringert werden.
[0020] In einer vorteilhaften Verfahrensvariante wird, insbesondere für den Fall, dass in
jedem Klassifikator nur die jeweils relevanten Merkmale herangezogen werden, für jeden
der Klassifikatoren ein spezifischer Analysealgorithmus zur Auswertung der (jeweils
spezifisch) zugeführten Merkmale herangezogen. Auch hierdurch lässt sich wiederum
vorteilhafterweise Rechenaufwand einsparen. Des Weiteren können vergleichsweise komplizierte
Algorithmen oder Analysemodelle wie z. B. Gauss'sche Mischmoden, neuronale Netze oder
Hidden-Markov-Modelle, die insbesondere zur Analyse einer Vielzahl von verschiedenen,
voneinander unabhängigen Merkmalen herangezogen werden, entfallen. Vielmehr ist insbesondere
jeder der Klassifikatoren somit auf ein konkretes "Problem", d. h. hinsichtlich seines
Analysealgorithmus auf die diesem Klassifikator konkret zugeordnete akustische Dimension
"zugeschnitten" (d. h. angepasst oder ausgelegt). Die vorstehend beschriebenen, vergleichsweise
komplexen Analysemodelle können im Rahmen der Erfindung dennoch für spezifische akustische
Dimensionen zum Einsatz kommen, wobei auch hierbei aufgrund der Ausrichtung des entsprechenden
Klassifikators auf eine oder wenige von der spezifischen akustischen Dimension umfassten
Hörsituationen Aufwand bei der Implementierung eines solchen vergleichsweise aufwendigen
Modells eingespart werden kann.
[0021] In einer bevorzugten Verfahrensvariante werden als die wenigstens drei akustischen
Dimensionen insbesondere die Dimensionen "Fahrzeug", "Musik" und "Sprache" herangezogen.
Insbesondere wird innerhalb der jeweiligen akustischen Dimension somit ermittelt,
ob der Nutzer der Hörvorrichtung sich in einem Fahrzeug befindet, konkret mit diesem
Fahrzeug fährt, Musik hört bzw. ob Sprache vorliegt. In letzterem Fall wird vorzugsweise
im Rahmen dieser akustischen Dimension ermittelt, ob Sprache in Ruhe, Sprache im Störgeräusch
oder keine Sprache und dabei vorzugsweise nur Störgeräusch vorliegt. Bei diesen drei
akustischen Dimensionen handelt es sich insbesondere um die Dimensionen, die im Alltag
eines Nutzers der Hörvorrichtung üblicherweise besonders häufig auftreten und dabei
auch unabhängig voneinander sind. In einer optionalen Weiterbildung dieser Verfahrensvariante
wird ein vierter Klassifikator zur Analyse einer vierten akustischen Dimension herangezogen,
bei der es sich insbesondere um die Lautheit (auch: "Lautstärke") von Umgebungsgeräuschen
(auch als "Störgeräusche" bezeichnet) handelt. Die Ausprägungen dieser akustischen
Dimension erstrecken sich dabei vorzugsweise graduell oder kontinuierlich über mehrere
Zwischenstufen von sehr leise bis sehr laut. Die Informationen zu den Ausprägungen
insbesondere der akustischen Dimensionen Fahrzeug und Musik können im Gegensatz dazu
optional "binär" sein, d. h. es wird nur erkannt, ob Fahren im Fahrzeug vorliegt oder
nicht, bzw. ob Musik gehört wird oder nicht. Vorzugsweise liegen aber alle Informationen
der anderen drei akustischen Dimensionen als eine Art Wahrscheinlichkeitswert kontinuierlich
vor. Dies ist insbesondere vorteilhaft, da Fehler bei der Analyse der jeweiligen akustischen
Dimension nicht ausgeschlossen werden können, sowie da dadurch auch im Gegensatz zu
binären Informationen auf einfache Weise "weichere" Übergänge zwischen verschiedenen
Einstellungen bewirkt werden können.
[0022] In zusätzlichen oder optional alternativen Weiterbildungen werden jeweils weitere
Klassifikatoren zur Wind- und/oder Nachhallschätzung sowie zur Detektion der eigenen
Stimme des Trägers der Hörvorrichtung herangezogen.
[0023] In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante werden aus dem Mikrophonsignal bzw. dem
Eingangssignal Merkmale abgeleitet, die aus einer (insbesondere nichtabschließenden)
Gruppe ausgewählt sind, die insbesondere die Merkmale Signalpegel, 4-Hz-Einhüllenden-Modulation,
Onset-Gehalt, Pegel eines Hintergrundgeräuschs (auch als "Noise Floor Level" bezeichnet,
optional bei einer vorgegebenen Frequenz), spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs,
Stationarität (insbesondere bei einer vorgegebenen Frequenz), Tonalität und Windaktivität
umfasst.
[0024] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante werden der akustischen Dimension
Fahrzeug zumindest die Merkmale Pegel des Hintergrundgeräuschs, spektraler Schwerpunkt
des Hintergrundgeräuschs und Stationarität (sowie optional auch das Merkmal der Windaktivität)
zugeordnet. Der akustischen Dimension Musik werden vorzugsweise die Merkmale Onset-Gehalt,
Tonalität und Pegel des Hintergrundgeräuschs zugeordnet. Der akustischen Dimension
Sprache werden insbesondere die Merkmale Onset-Gehalt und 4-Hz-Einhüllenden-Modulation
zugeordnet. Der gegebenenfalls vorhandenen Dimension Lautheit des Umgebungsgeräuschs
werden insbesondere die Merkmale Pegel des Hintergrundgeräuschs, Signalpegel und spektraler
Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs zugeordnet.
[0025] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird für jeden Klassifikator eine
spezifisch zugeordnete zeitliche Stabilisierung berücksichtigt. Insbesondere wird
hierbei bei manchen der Klassifikatoren vorzugsweise bei bereits in der Vergangenheit
(bspw. in einem vorangegangenem Zeitabschnitt von vorgegebener Dauer) erkanntem Vorliegen
einer Hörsituation (d. h. insbesondere bei einer bestimmten Ausprägung der akustischen
Dimension) angenommen, dass dieser Zustand (die Ausprägung) dann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit
zum aktuellen Zeitpunkt noch vorliegt. Beispielsweise wird hierzu ein gleitender Mittelwert
über (insbesondere eine vorgegebene Anzahl von) vorangegangenen Zeitabschnitten gebildet.
Alternativ kann auch eine Art "Totzeitglied" vorgesehen werden, mittels dessen in
einem nachfolgenden Zeitabschnitt die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass die im
vorangegangenen Zeitabschnitt vorliegende Ausprägung immer noch vorliegt. Beispielsweise
wird angenommen, wenn Fahren im Fahrzeug in den vorausgegangenen fünf Minuten erkannt
wurde, dass diese Situation weiterhin vorliegt. Vorzugsweise für die Dimensionen Fahrzeug
und Musik werden vergleichsweise "starke" Stabilisierungen herangezogen, d. h. es
werden nur vergleichsweise langsame oder seltene Veränderungen der entsprechend zugeordneten
Hörsituationen angenommen. Für die Dimension Sprache wird hingegen zweckmäßigerweise
keine oder nur eine "schwache" Stabilisierung vorgenommen, da hier schnelle und/oder
häufige Veränderungen der Hörsituationen angenommen werden. Sprachsituationen können
oft nur wenige Sekunden (bspw. etwa 5 Sekunden) oder wenige Minuten andauern, wohingegen
Fahren im Fahrzeug meist für mehrere Minuten (bspw. mehr als 3 bis 30 Minuten oder
sogar Stunden) vorliegt. Eine weitere optionale Variante zur Stabilisierung kann auch
über ein Zählprinzip erfolgen, bei dem bei einer vergleichsweise schnellen (bspw.
100 Millisekunden bis wenige Sekunden) Detektionstaktung ein Zähler ("counter") inkrementiert
wird und erst bei Überschreiten eines Grenzwerts für diesen Zähler die "Erkennung"
der jeweiligen Hörsituation ausgelöst wird. Dies ist bspw. als Kurzzeitstabilisierung
bei einem gemeinsamen Klassifikator für "alle" Hörsituationen zweckmäßig. Als Abwandlung
zur Stabilisierung im vorliegenden Fall ist es dabei bspw. denkbar, jeder Hörsituation
einen eigenen Grenzwert zuzuweisen und diesen insbesondere für die Hörsituation "Fahren
im Fahrzeug" und/oder "Musik-Hören" herabzusetzen, wenn bereits für eine vorgegebene
vorausgehende Zeitspanne die jeweilige Hörsituation erkannt wurde.
[0026] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus
in Abhängigkeit von mindestens zwei der wenigstens drei Informationen über die Ausprägung
der jeweils zugeordneten akustischen Dimension angepasst. In zumindest einem Signalverarbeitungsalgorithmus
werden also die Informationen mehrerer Klassifikatoren berücksichtigt.
[0027] In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante werden die jeweiligen Informationen der
einzelnen Klassifikatoren insbesondere zunächst einem Fusionsglied zu einer gemeinsamen
Auswertung zugeführt ("fusioniert"). Anhand dieser gemeinsamen Auswertung aller Informationen
wird insbesondere eine Gesamtinformation über die vorliegenden Hörsituationen erstellt.
Vorzugsweise wird dabei eine dominante Hörsituation ermittelt - insbesondere anhand
des die Wahrscheinlichkeit wiedergebenden Grads der Ausprägung. Der oder der jeweilige
Signalverarbeitungsalgorithmus wird dabei an diese dominante Hörsituation angepasst.
Optional erfolgt hierbei eine Priorisierung einer Hörsituation (nämlich er dominanten),
indem der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus nur in Abhängigkeit von
der dominanten Hörsituation verändert wird, während andere Signalverarbeitungsalgorithmen
und/oder die von anderen Hörsituationen abhängigen Parameter unverändert bleiben oder
auf einen Parameterwert, der keinen Einfluss auf die Signalverarbeitung hat, gesetzt
werden.
[0028] In einer Weiterbildung der vorstehend beschriebenen Verfahrensvariante wird anhand
der gemeinsamen Auswertung aller Informationen insbesondere eine als Subsituation
bezeichnete Hörsituation ermittelt, die gegenüber der dominanten Hörsituation eine
geringere Dominanz aufweist. Diese oder die jeweilige Subsituation wird dabei zusätzlich
bei der vorgenannten Anpassung des oder des jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus
an die dominante Hörsituation und/oder zur Anpassung eines spezifisch der akustischen
Dimension dieser Subsituation zugeordneten Signalverarbeitungsalgorithmus berücksichtigt.
Insbesondere führt hierbei diese Subsituation zu einer im Vergleich zu der dominanten
Hörsituation geringeren Veränderung des oder des jeweils zugeordneten Parameters.
Für den Fall, dass beispielsweise als dominante Hörsituation Sprache im Störgeräusch
ermittelt und als Subsituation Musik werden, wird daraufhin ein zur möglichst klaren
Sprachverständlichkeit bei Störgeräusch dienender Signalverarbeitungsalgorithmus in
einem oder mehreren Parametern vergleichsweise stark verändert, um eine möglichst
hohe Sprachverständlichkeit zu erreichen. Da aber auch Musik vorliegt, werden Parameter,
die zur Dämpfung von Umgebungsgeräuschen dienen, weniger stark eingestellt (als wenn
nur ein Störgeräusch vorliegt), um die Töne der Musik nicht völlig abzudämpfen. Ein
(insbesondere zusätzlicher) zur klaren Klangwiedergabe von Musik dienender Signalverarbeitungsalgorithmus
wird dabei außerdem weniger stark eingestellt als bei Musik als dominanter Hörsituation
(aber stärker als bei keiner Musik), um die Sprachanteile nicht zu überdecken. Somit
kann, insbesondere aufgrund der voneinander unabhängigen Detektion von unterschiedlichen
Hörsituationen sowie aufgrund der dadurch ermöglichten feineren Anpassung der Signalverarbeitungsalgorithmen
eine besonders präzise Anpassung der Signalverarbeitung der Hörvorrichtung an die
tatsächlich vorliegende Hörsituation erfolgen.
[0029] Wie bereits vorstehend beschrieben wird vorzugsweise in wenigstens einem der gegebenenfalls
mehreren Signalverarbeitungsalgorithmen das parallele Vorliegen mehrerer Hörsituationen
berücksichtigt.
[0030] In einer alternativen Verfahrensvariante wird der oder vorzugsweise jeder Signalverarbeitungsalgorithmus
wenigstens einem der Klassifikatoren zugeordnet. In diesem Fall wird vorzugsweise
wenigstens ein Parameter eines jeden Signalverarbeitungsalgorithmus (insbesondere
unmittelbar) in Abhängigkeit von der von dem jeweiligen Klassifikator ausgegebenen
Information über die Ausprägung der zugeordneten akustischen Dimension verändert.
Vorzugsweise ist dieser Parameter bzw. dessen Parameterwert als eine Funktion der
jeweiligen Information ausgebildet. Somit wird die Information über die Ausprägung
der jeweiligen akustischen Dimension insbesondere direkt für eine Anpassung der Signalverarbeitung
genutzt. Mit anderen Worten "steuert" jeder Klassifikator wenigstens einen Parameter
wenigstens eines Signalverarbeitungsalgorithmus. Eine gemeinsame Auswertung aller
Informationen kann hierbei ausbleiben. Insbesondere werden in diesem Fall besonders
viele Informationen über die Verteilung der voneinander unabhängigen Hörsituationen
im aktuell vorliegenden, vom Umgebungsschalls beschriebenen "Bild" berücksichtigt,
so dass wiederum eine besonders feine Anpassung der Signalverarbeitung gefördert wird.
Insbesondere können hierbei auch vollständig parallele Hörsituationen - bspw. 100
% Sprache im Störgeräusch bei 100 % Fahren im Fahrzeug, oder 100 % Musik bei 100 %
Fahren im Fahrzeug - auf einfache Weise und mit geringem Informationsverlust berücksichtigt
werden.
[0031] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird wenigstens einem der Klassifikatoren
eine Zustandsinformation zugeführt, die unabhängig von dem Mikrophonsignal oder dem
Eingangssignal erzeugt wird. Diese Zustandsinformation wird dabei insbesondere zusätzlich
zur Auswertung der jeweiligen akustischen Dimension berücksichtigt. Beispielsweise
handelt es sich dabei um eine Bewegungs- und/oder Ortsinformation die beispielsweise
zur Auswertung der akustischen Dimension Fahrzeug herangezogen wird. Diese Bewegungs-
und/oder Ortsinformation wird beispielsweise mit einem in der Hörvorrichtung selbst
oder in einem signalübertragungstechnisch mit dieser verbundenen System (bspw. einem
Smartphone) angeordneten Beschleunigungs- oder (globalen) Positionssensor erzeugt.
Beispielsweise lässt sich dabei anhand einer vorliegenden (einen vorgegebenen Wert
aufweisenden) Bewegungsgeschwindigkeit bei der Auswertung der akustischen Dimension
Fahrzeug die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Hörsituation Fahren im Fahrzeug
auf einfache Weise zusätzlich zu der akustischen Auswertung erhöhen. Man spricht hier
auch von "Augmentierung" eines Klassifikators.
[0032] Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand einer Zeichnung näher
erläutert. Darin zeigen:
- Fig. 1
- in einer schematischen Übersichtsdarstellung eine Hörvorrichtung,
- Fig. 2
- in einem schematischen Blockschaltbild einen Signallaufplan der Hörvorrichtung gemäß
Fig. 1,
- Fig. 3
- in einem schematischen Ablaufplan ein Verfahren zum Betrieb der Hörvorrichtung gemäß
Fig. 1, und
- Fig. 4
- in Ansicht gemäß Fig. 2 ein alternatives Ausführungsbeispiel des Signallaufplans.
[0033] Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren stets mit gleichen
Bezugszeichen versehen.
[0034] In Figur 1 ist als Hörvorrichtung ein Hörhilfegerät, kurz als "Hörgerät 1" bezeichnet,
dargestellt. Das Hörgerät 1 umfasst als elektrische Komponenten, die in einem Gehäuse
2 eingehaust sind, zwei Mikrophone 3, einen Signalprozessor 4 und einen Lautsprecher
5. Zur Energieversorgung der elektrischen Komponenten umfasst das Hörgerät 1 außerdem
eine Batterie 6, die alternativ als Primärzelle (beispielsweise als Knopfzelle) oder
als Sekundärzelle (d. h. als wiederaufladbare Batterie) ausgestaltet sein kann. Mittels
der Mikrophone 3 wird im Betrieb des Hörgeräts 1 Umgebungsschall erfasst und daraus
jeweils ein Mikrophonsignal S
M erzeugt. Diese beiden Mikrophonsignale S
M werden dem Signalprozessor 4 zugeführt, der unter Abarbeitung von vier Signalverarbeitungsalgorithmen
A
1, A
2, A
3 und A
4 aus diesen Mikrophonsignalen S
M ein Ausgabesignal S
A generiert und dieses an einen Lautsprecher 5, der einen Ausgabewandler darstellt,
ausgibt. Der Lautsprecher 5 wandelt das Ausgabesignal S
A in Luftschall, der über einen an das Gehäuse 2 anschließenden Schallschlauch 7 und
ein damit endseitig verbundenes Ohrstück 8 (im bestimmungsgemäßen Tragezustand des
Hörgeräts 1) an das Gehör eines Nutzers oder Trägers (kurz: Hörgeräteträger) des Hörgeräts
1 ausgegeben wird.
[0035] Zur Erkennung unterschiedlicher Hörsituationen und zur darauffolgenden Anpassung
der Signalverarbeitung ist das Hörgerät 1, konkret dessen Signalprozessor 4, dazu
eingerichtet, ein im Folgenden anhand von Figur 2 und Figur 3 näher beschriebenes
Verfahren automatisch durchzuführen. Wie in Figur 2 näher dargestellt umfasst das
Hörgerät 1, konkret dessen Signalprozessor 4, wenigstens drei Klassifikatoren K
S, K
M und K
F. Diese drei Klassifikatoren K
S, K
M und K
F sind dabei jeweils zur Analyse einer spezifisch zugeordneten akustischen Dimension
eingerichtet und ausgebildet. Der Klassifikator K
S ist konkret zur Auswertung der akustischen Dimension "Sprache", d. h. ob Sprache,
Sprache im Störgeräusch oder nur ein Störgeräusch vorliegt, ausgebildet. Der Klassifikator
K
M ist konkret zur Auswertung der akustischen Dimension "Musik", d. h. ob der Umgebungsschall
von Musik dominiert wird, ausgebildet. Der Klassifikator K
F ist konkret zur Auswertung der akustischen Dimension "Fahrzeug" ausgebildet, d. h.
zu bestimmen, ob der Hörgeräteträger in einem Fahrzeug fährt. Der Signalprozessor
4 umfasst des Weiteren ein Merkmalsanalysemodul 10 (auch als "feature extraction module"
bezeichnet), das dazu eingerichtet ist, aus den Mikrophonsignalen S
M, konkret aus einem aus diesen Mikrophonsignalen S
M gebildeten Eingangssignal S
E eine Anzahl von (Signal-)Merkmalen abzuleiten. Den Klassifikatoren K
S, K
M und K
F wird dabei jeweils eine unterschiedliche und spezifisch zugeordnete Auswahl aus diesen
Merkmalen zugeführt. Anhand dieser spezifisch zugeführten Merkmale ermittelt der jeweilige
Klassifikator K
S, K
M bzw. K
F eine Ausprägung der jeweiligen zugeordneten akustischen Dimension, d. h. zu welchem
Grad eine der akustischen Dimension spezifisch zugeordnete Hörsituation vorliegt,
und gibt diese Ausprägung als jeweilige Information aus.
[0036] Konkret werden, wie aus Figur 3 zu entnehmen ist, in einem ersten Verfahrensschritt
20 die Mikrophonsignale S
M aus dem erfassten Umgebungsschall erzeugt und von dem Signalprozessor 4 zu dem Eingangssignal
S
E zusammengeführt (konkret zu einem Richtmikrophonsignal gemischt). In einem zweiten
Verfahrensschritt 30 wird das aus den Mikrophonsignalen S
M gebildete Eingangssignal S
E dem Merkmalsanalysemodul 10 zugeführt und von diesem die Anzahl der Merkmale abgeleitet.
Als Merkmale werden dabei konkret (aber nicht abschließend) der Pegel eines Hintergrundgeräuschs
(Merkmal "M
P"), ein spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs (Merkmal "M
Z"), eine Stationarität des Signals (Merkmal "M
M"), eine Windaktivität (Merkmal "M
W"), ein Onset-Gehalt des Signals (Merkmal "M
O"), eine Tonalität (Merkmal "M
T") und eine 4-Hertz-Einhüllenden Modulation (Merkmal "M
E") ermittelt. In einem Verfahrensschritt 40 werden dem Klassifikator K
S die Merkmale M
E und M
O zur Analyse der akustischen Dimension Sprache zugeführt. Dem Klassifikator K
M werden die Merkmale M
O, M
T und Mp zur Analyse der akustischen Dimension Musik zugeführt. Dem Klassifikator K
F werden zur Analyse der akustischen Dimension Fahren im Fahrzeug die Merkmale M
P, M
W, M
Z und M
M zugeführt. Die Klassifikatoren K
S, K
M und K
F ermitteln daraufhin anhand der jeweils zugeführten Merkmale mittels spezifisch angepasster
Analysealgorithmen inwiefern, d. h. zu welchem Grad die jeweilige akustische Dimension
ausgeprägt ist. Konkret wird mittels des Klassifikators K
S ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sprache in Ruhe, Sprache im Störgeräusch
oder nur ein Störgeräusch vorliegt. Mittels des Klassifikators K
M wird entsprechend ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Musik vorliegt. Mittels
des Klassifikators K
F wird ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Hörgeräteträger in einem Fahrzeugt
fährt oder nicht.
[0037] In einem alternativen Ausführungsbeispiel wird lediglich "binär" ermittelt, ob Sprache,
ggf. im Störgeräusch oder nur Störgeräusch, bzw. ob Musik oder Fahren im Fahrzeug
vorliegt oder nicht.
[0038] Die jeweilige Ausprägung der akustischen Dimensionen wird in einem Verfahrensschritt
50 an ein Fusionsmodul 60 ausgegeben (siehe Figur 2), indem die jeweiligen Informationen
zusammengeführt und miteinander verglichen werden. In dem Fusionsmodul 60 wird außerdem
eine Entscheidung getroffen, welche Dimension, konkret welche darin abgebildete Hörsituation
aktuell als dominant aufzufassen ist und welche Hörsituationen derzeit von untergeordneter
Bedeutung sind oder ganz ausgeschlossen werden können. Anschließend wird von dem Fusionsmodul
bei einer Anzahl der hinterlegten Signalverarbeitungsalgorithmen A
1 bis A
4 jeweils eine Anzahl von die dominante und die weniger relevanten Hörsituationen betreffenden
Parametern verändert, so dass die Signalverarbeitung vornehmlich an die dominante
Hörsituation und geringfügiger an die weniger relevante Hörsituation angepasst wird.
Jeder der Signalverarbeitungsalgorithmen A
1 bis A
4 ist dabei jeweils auf das Vorliegen einer Hörsituation, ggf. auch parallel zu anderen
Hörsituationen angepasst.
[0039] Der Klassifikator K
F umfasst dabei in nicht näher dargestellter Art und Weise eine zeitliche Stabilisierung.
Diese ist insbesondere darauf ausgerichtet, dass eine Fahrt im Fahrzeug üblicherweise
längere Zeit andauert, und somit für den Fall, dass bereits in vorausgegangenen Zeitabschnitten,
von beispielsweise jeweils 30 Sekunden bis zu fünf Minuten Dauer, Fahren im Fahrzeug
erkannt wurde und unter der Annahme, dass die Situation Fahren im Fahrzeug immer noch
andauert die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen dieser Hörsituation bereits vorab
erhöht ist. Entsprechendes ist auch in dem Klassifikator K
M eingerichtet und vorgesehen.
[0040] In einem alternativen Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 fehlt in dem dargestellten
Signallaufplan das Fusionsmodul 60. Einem jedem der Klassifikatoren K
S, K
M und K
F ist dabei wenigstens einer der Signalverarbeitungsalgorithmen A
1, A
2, A
3 und A
4 derart zugeordnet, dass mehrere in dem jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus
A
1, A
2, A
3 bzw. A
4 enthaltenen Parameter als Funktion der Ausprägungen der jeweiligen akustischen Dimension
veränderbar ausgelegt sind. Das heißt, dass aufgrund der jeweiligen Information über
die jeweilige Ausprägung wenigstens ein Parameter unmittelbar - d. h. ohne zwischengeschaltete
Fusionierung - verändert wird. Konkret ist im dargestellten Ausführungsbeispiel der
Signalverarbeitungsalgorithmus A
1 nur von der Information des Klassifikators K
S abhängig. In den Signalverarbeitungsalgorithmus A
3 fließen hingegen die Informationen aller Klassifikatoren K
S, K
M und K
F ein und führen dort zur Veränderung mehrerer Parameter.
[0041] Der Gegenstand der Erfindung ist nicht auf die vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispiele
beschränkt. Vielmehr können weitere Ausführungsformen der Erfindung von dem Fachmann
aus der vorstehenden Beschreibung abgeleitet werden. Insbesondere können die anhand
der verschiedenen Ausführungsbeispiele beschriebenen Einzelmerkmale der Erfindung
und deren Ausgestaltungsvarianten auch in anderer Weise miteinander kombiniert werden.
So kann bspw. das Hörgerät 1 anstelle des dargestellten hinter-dem-Ohr-Hörgeräts auch
als in-dem-Ohr-Hörgerät ausgebildet sein.
Bezugszeichenliste
[0042]
- 1
- Hörgerät
- 2
- Gehäuse
- 3
- Mikrophon
- 4
- Signalprozessor
- 5
- Lautsprecher
- 6
- Batterie
- 7
- Schallschlauch
- 8
- Ohrstück
- 10
- Merkmalsanalysemodul
- 20
- Verfahrensschritt
- 30
- Verfahrensschritt
- 40
- Verfahrensschritt
- 50
- Verfahrensschritt
- 60
- Fusionsmodul
- A1-A4
- Signalverarbeitungsalgorithmus
- KS, KM, KF
- Klassifikator
- ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM
- Merkmal
- SA
- Ausgangssignal
- SE
- Eingangssignal
- SM
- Mikrophonsignal
1. Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung (1), die wenigstens ein Mikrophon (3) zur
Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal (S
M) umfasst, wobei verfahrensgemäß
- aus dem Mikrophonsignal (SM) oder einem daraus gebildeten Eingangssignal (SE) eine Anzahl von Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) abgeleitet wird,
- wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF), die unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension
implementiert sind, jeweils eine spezifisch zugeordnete Auswahl aus diesen Merkmalen
(ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt wird,
- mittels des jeweiligen Klassifikators (KS, KM, KF) jeweils eine Information über eine Ausprägung der diesem Klassifikator (KS, KM, KF) zugeordneten akustischen Dimension generiert wird, und
- in Abhängigkeit von mindestens einer der wenigstens drei Informationen über die
jeweilige Ausprägung der zugeordneten akustischen Dimension wenigstens ein Signalverarbeitungsalgorithmus
(A1, A2, A3, A4), der zur Verarbeitung des Mikrophonsignals (SM) oder des Eingangssignals (SE) in ein Ausgangssignal (SA) abgearbeitet wird, verändert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
wobei mindestens zwei der wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF) jeweils eine unterschiedliche Auswahl aus den Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
wobei jedem der Klassifikatoren (KS, KM, KF) mit der entsprechend zugeordneten Auswahl nur für die Analyse der jeweils zugeordneten
akustischen Dimension relevante Merkmale (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt werden.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
wobei für jeden der Klassifikatoren (KS, KM, KF) ein spezifischer Analysealgorithmus zur Auswertung der jeweiligen zugeführten Merkmale
(ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) herangezogen wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
wobei als die wenigstens drei akustischen Dimensionen Fahrzeug, Musik und Sprache
herangezogen werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
wobei aus dem Mikrophonsignal (SM) bzw. dem Eingangssignal (SE) Merkmale ausgewählt aus Signalpegel, 4-Hertz-Einhüllenden-Modulation (ME), Onset-Gehalt (MO), Pegel eines Hintergrundgeräuschs (MP), spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs (MZ), Stationarität (MM), Tonalität (MT), Windaktivität (MW) abgeleitet werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 und 6,
wobei der akustischen Dimension Fahrzeug zumindest die Merkmale Pegel des Hintergrundgeräuschs
(MP), spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs (MZ) und Stationarität (MM) zugeordnet werden, wobei der akustischen Dimension Musik die Merkmale Onset-Gehalt
(MO), Tonalität (MT) und Pegel des Hintergrundgeräuschs (MP) zugeordnet werden, und wobei der akustischen Dimension Sprache die Merkmale Onset-Gehalt
(MO) und 4-Hertz-Einhüllenden-Modulation (ME) zugeordnet werden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7,
wobei für jeden Klassifikator (KS, KM, KF) eine spezifisch zugeordnete zeitliche Stabilisierung berücksichtigt wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
wobei der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) in Abhängigkeit von mindestens zwei der wenigstens drei Informationen über die Ausprägung
der jeweils zugeordneten akustischen Dimension verändert wird.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
wobei die Informationen der jeweiligen Klassifikatoren (KS, KM, KF) einer gemeinsamen Auswertung zugeführt werden, wobei aufgrund dieser gemeinsamen
Auswertung eine dominante Hörsituation ermittelt wird, und wobei der oder der jeweilige
Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) an diese dominante Hörsituation angepasst wird.
11. Verfahren nach Anspruch 10,
wobei wenigstens eine Subsituation mit gegenüber der dominanten Hörsituation geringerer
Dominanz ermittelt wird, und wobei diese oder die jeweilige Subsituation bei der Veränderung
des Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) oder wenigstens eines der Signalverarbeitungsalgorithmen (A1, A2, A3, A4) berücksichtigt wird.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
wobei jeder Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) wenigstens einem der Klassifikatoren (KS, KM, KF) zugeordnet ist, und wobei wenigstens ein Parameter eines jeden Signalverarbeitungsalgorithmus
(A1, A2, A3, A4) in Abhängigkeit von der von dem zugeordneten Klassifikator (KS, KM, KF) ausgegebenen Information über die Ausprägung der entsprechenden akustischen Dimension
verändert wird.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12,
wobei wenigstens einem der Klassifikatoren (KS, KM, KF) eine unabhängig von dem Mikrophonsignal (SM) oder dem Eingangssignal (SE) erzeugte Zustandsinformation zugeführt, die zusätzlich zur Auswertung der jeweiligen
akustischen Dimension berücksichtigt wird.
14. Hörvorrichtung (1),
- mit wenigstens einem Mikrophon (3) zur Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal
(SM), und
- mit einem Signalprozessor (4), in dem wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF) unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension
implementiert sind, und wobei der Signalprozessor (4) dazu eingerichtet ist, das Verfahren
gemäß einem der Ansprüche 1 bis 13 durchzuführen.