(19)
(11) EP 3 386 215 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.10.2018  Patentblatt  2018/41

(21) Anmeldenummer: 18157220.7

(22) Anmeldetag:  16.02.2018
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
H04R 25/00(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA MD TN

(30) Priorität: 03.04.2017 DE 102017205652

(71) Anmelder: Sivantos Pte. Ltd.
Singapore 539775 (SG)

(72) Erfinder:
  • AUBREVILLE, Marc
    90443 Nürnberg (DE)
  • LUGGER, Marko
    91056 Erlangen (DE)

(74) Vertreter: FDST Patentanwälte 
Nordostpark 16
90411 Nürnberg
90411 Nürnberg (DE)

   


(54) VERFAHREN ZUM BETRIEB EINER HÖRVORRICHTUNG UND HÖRVORRICHTUNG


(57) Bei einem erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung (1), die wenigstens ein Mikrophon (3) zur Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal (SM) umfasst, wird aus dem Mikrophonsignal (SM) oder einem daraus gebildeten Eingangssignal (SE) eine Anzahl von Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) abgeleitet. Wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF), die unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension implementiert sind, wird jeweils eine spezifisch zugeordnete Auswahl aus diesen Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt. Mittels des jeweiligen Klassifikators (KS, KM, KF) wird jeweils eine Information über eine Ausprägung der diesem Klassifikator (KS, KM, KF) zugeordneten akustischen Dimension generiert. In Abhängigkeit von mindestens einer der wenigstens drei Informationen über die jeweilige Ausprägung der zugeordneten akustischen Dimension wird daraufhin wenigstens ein Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4), der zur Verarbeitung des Mikrophonsignals (SM) oder des Eingangssignals (SE) in ein Ausgangssignal (SA) abgearbeitet wird, verändert.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung sowie eine Hörvorrichtung, die insbesondere zur Durchführung des Verfahrens eingerichtet ist.

[0002] Hörvorrichtungen dienen üblicherweise zur Ausgabe eines Tonsignals an das Gehör des Trägers dieser Hörvorrichtung. Die Ausgabe erfolgt dabei mittels eines Ausgabewandlers, meist auf akustischem Weg über Luftschall mittels eines Lautsprechers (auch als "Hörer" oder "Receiver" bezeichnet). Häufig kommen derartige Hörvorrichtungen dabei als sogenannte Hörhilfegeräte (auch kurz: Hörgeräte) zum Einsatz. Dazu umfassen die Hörvorrichtungen normalerweise einen akustischen Eingangswandler (insbesondere ein Mikrophon) und einen Signalprozessor, der dazu eingerichtet ist, das von dem Eingangswandler aus dem Umgebungsschall erzeugte Eingangssignal (auch: Mikrophonsignal) unter Anwendung mindestens eines üblicherweise nutzerspezifisch hinterlegten Signalverarbeitungsalgorithmus derart zu verarbeiten, dass eine Hörminderung des Trägers der Hörvorrichtung zumindest teilweise kompensiert wird. Insbesondere im Fall eines Hörhilfegeräts kann es sich bei dem Ausgabewandler neben einem Lautsprecher auch alternativ um einen sogenannten Knochenleitungshörer oder ein Cochlea-Implantat handeln, die zur mechanischen oder elektrischen Einkopplung des Tonsignals in das Gehör des Trägers eingerichtet sind. Unter dem Begriff Hörvorrichtungen fallen zusätzlich insbesondere auch Geräte wie z.B. sogenannte Tinnitus-Masker, Headsets, Kopfhörer und dergleichen.

[0003] Moderne Hörvorrichtungen, insbesondere Hörhilfegeräte umfassen häufig einen sogenannten Klassifikator, der üblicherweise als Teil des Signalprozessors, der den oder den jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus ausführt, ausgebildet ist. Bei einem solchen Klassifikator handelt es sich üblicherweise wiederum um einen Algorithmus, der dazu dient, anhand des mittels des Mikrophons erfassten Umgebungsschalls auf eine vorliegende Hörsituation zu schließen. Auf Basis der erkannten Hörsituation wird dann meist eine Anpassung des oder des jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus an die charakteristischen Eigenschaften der vorliegenden Hörsituation vorgenommen. Insbesondere soll dadurch die Hörvorrichtung der Hörsituation entsprechend die für den Nutzer relevanten Informationen weitergeben. Zum Beispiels sind zur möglichst klaren Ausgabe von Musik andere Einstellungen (Parameterwerte unterschiedlicher Parameter) des oder eines der Signalverarbeitungsalgorithmen erforderlich, als zur verständlichen Ausgabe von Sprache bei lautem Umgebungsgeräusch. In Abhängigkeit von der erkannten Hörsituation werden die entsprechend zugeordneten Parameter dann verändert.

[0004] Übliche Hörsituationen sind z. B. Sprache in Ruhe, Sprache bei Störgeräuschen, Musik-Hören, (Fahren im) Fahrzeug. Zur Analyse des Umgebungsschalls (konkret des Mikrophonsignals) und zur Erkennung der jeweiligen Hörsituationen werden dabei zunächst aus dem Mikrophonsignal (oder einem daraus gebildeten Eingangssignal) verschiedene Merkmale (oft auch als "Features" bezeichnet) abgeleitet. Diese Merkmale werden dem Klassifikator zugeführt, der mit Hilfe von Analysemodellen wie z. B. einer sogenannten "Gauss'schen-Mischmoden-Analyse", einem "Hidden-Markov-Modell", einem neuronalen Netz oder dergleichen Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen bestimmter Hörsituationen ausgibt.

[0005] Häufig wird ein Klassifikator mittels Datenbanken, in denen für die jeweiligen Hörsituationen eine Vielzahl unterschiedlicher repräsentativer Hörproben abgelegt ist, auf die jeweilige Hörsituation "trainiert". Nachteilig hieran ist jedoch, dass in einer solchen Datenbank meist nicht alle im Alltag möglicherweise auftretenden Kombinationen von Geräuschen abgebildet sein können. Somit kann es bereits deshalb zu Fehlklassifikationen mancher Hörsituationen kommen.

[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine verbesserte Hörvorrichtung zu ermöglichen.

[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Des Weiteren wird diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst durch eine Hörvorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 14. Vorteilhafte und teils für sich erfinderische Ausführungsformen und Weiterentwicklungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen der nachfolgenden Beschreibung dargelegt.

[0008] Das erfindungsgemäße Verfahren dient zum Betrieb einer Hörvorrichtung, die wenigstens ein Mikrophon zur Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal umfasst. Verfahrensgemäß wird dabei aus dem Mikrophonsignal oder einem daraus gebildeten Eingangssignal eine Anzahl von Merkmalen (auch als "Features" bezeichnet) abgeleitet. Wenigstens drei Klassifikatoren, die unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer (vorzugsweise fest) zugeordneten akustischen Dimension implementiert sind, wird jeweils eine spezifisch zugeordnete Auswahl aus diesen Merkmalen zugeführt. Mittels des jeweiligen Klassifikators wird anschließend jeweils eine Information über eine Ausprägung der diesem Klassifikator zugeordneten akustischen Dimension generiert. In Abhängigkeit von mindestens einer der wenigstens drei Informationen über die jeweilige Ausprägung der zugeordneten akustischen Dimension wird dann wenigstens ein Signalverarbeitungsalgorithmus, der zur Verarbeitung des Mikrophonsignals bzw. des Eingangssignals in ein Ausgangssignal abgearbeitet (d. h. ausgeführt) wird, verändert.

[0009] Unter Veränderung des Signalverarbeitungsalgorithmus wird hier und im Folgenden insbesondere verstanden, dass wenigstens ein in dem Signalverarbeitungsalgorithmus enthaltener Parameter in Abhängigkeit von der Ausprägung der akustischen Dimension oder wenigstens einer der akustischen Dimensionen auf einen anderen Parameterwert gesetzt wird. Mit anderen Worten wird eine andere Einstellung des Signalverarbeitungsalgorithmus "angefahren" (d. h. bewirkt oder vorgenommen).

[0010] Unter dem Begriff "akustische Dimension" wird hier und im Folgenden insbesondere eine Gruppe von Hörsituationen verstanden, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften zusammenhängen. Vorzugsweise werden die in einer solchen akustischen Dimension abgebildeten Hörsituationen jeweils durch die gleichen Merkmale (Features) beschrieben und unterscheiden sich dabei insbesondere aufgrund des aktuellen Werts der jeweiligen Merkmale.

[0011] Unter dem Begriff "Ausprägung" der jeweiligen akustischen Dimension wird hier und im Folgenden insbesondere verstanden, ob (im Sinne einer binären Unterscheidung) oder (in bevorzugter Variante) zu welchem Grad (beispielsweise zu welchem Prozentsatz) die oder die jeweilige in der jeweiligen akustischen Dimension abgebildete Hörsituation vorliegt. Ein solcher Grad bzw. Prozentsatz stellt dabei vorzugsweise einen Wahrscheinlichkeitswert für das Vorliegen der jeweiligen Hörsituation dar. Beispielsweise können hierbei in einer auf das Vorhandensein von Sprache gerichteten akustischen Dimension die Hörsituationen "Sprache in Ruhe", "Sprache im Störgeräusch" oder (insbesondere nur) "Störgeräusch" (d. h. es liegt keine Sprache vor) abgebildet sein, wobei die Information über die Ausprägung vorzugsweise wiederum jeweils Prozentangaben enthält (bspw. 30 % Wahrscheinlichkeit für Sprache im Störgeräusch und 70 % Wahrscheinlichkeit für nur Störgeräusch).

[0012] Die erfindungsgemäße Hörvorrichtung umfasst wie vorstehend beschrieben wenigstens das eine Mikrophon zur Wandlung des Umgebungsschalls in das Mikrophonsignal sowie einen Signalprozessor, in dem wenigstens die drei vorstehend beschriebenen Klassifikatoren unabhängig voneinander zur Analyse der jeweils (vorzugsweise fest) zugeordneten akustischen Dimension implementiert sind. Der Signalprozessor ist dabei dazu eingerichtet, das erfindungsgemäße Verfahren vorzugsweise selbsttätig durchzuführen. Mit anderen Worten ist der Signalprozessor dazu eingerichtet, aus dem Mikrophonsignal oder dem daraus gebildeten Eingangssignal die Anzahl von Merkmalen abzuleiten, den drei Klassifikatoren jeweils eine spezifisch zugeordnete Auswahl aus den Merkmalen zuzuführen, mit Hilfe des jeweiligen Klassifikators eine Information über die Ausprägung der jeweils zugeordneten akustischen Dimension zu generieren und in der Abhängigkeit von mindestens einer der drei Informationen wenigstens einen (vorzugsweise der akustischen Dimension entsprechend zugeordneten) Signalverarbeitungsalgorithmus zu verändern und vorzugsweise auf das Mikrophonsignal bzw. das Eingangssignal anzuwenden.

[0013] In bevorzugter Ausgestaltung ist der Signalprozessor (auch als Signalverarbeitungseinheit bezeichnet) zumindest im Kern durch einen Mikrocontroller mit einem Prozessor und einem Datenspeicher gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form einer Betriebssoftware ("Firmware") programmtechnisch implementiert ist, so dass das Verfahren - gegebenenfalls in Interaktion mit einem Nutzer der Hörvorrichtung - bei Ausführung der Betriebssoftware in dem Mikrocontroller automatisch durchgeführt wird. Alternativ ist der Signalprozessor durch ein nicht-programmierbares elektronisches Bauteil, z.B. einen ASIC, gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit schaltungstechnischen Mitteln implementiert ist.

[0014] Dadurch, dass erfindungsgemäß mindestens drei Klassifikatoren zur Analyse jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension und somit insbesondere zur Erkennung jeweils einer Hörsituation eingerichtet und vorgesehen sind, wird vorteilhafterweise ermöglicht, dass zumindest drei Hörsituationen unabhängig voneinander erkannt werden können. Dadurch wird die Flexibilität der Hörvorrichtung im Erkennen von Hörsituationen vorteilhaft erhöht. Die Erfindung geht dabei von der Erkenntnis aus, dass zumindest manche Hörsituationen auch vollständig unabhängig (d. h. sich insbesondere nicht oder lediglich in einem unerheblichen Maß gegenseitig beeinflussend) voneinander und parallel zueinander vorliegen können. Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens sowie mittels der erfindungsgemäßen Hörvorrichtung kann somit das Risiko vermindert werden, dass es zumindest hinsichtlich der wenigstens drei mittels des jeweils zugeordneten Klassifikators analysierten akustischen Dimension zu sich gegenseitig ausschließenden und insbesondere widersprüchlichen Klassifikationen (d. h. Einschätzung der aktuell vorliegenden akustischen Situation) kommt. Insbesondere können auf einfache Weise (vollständig) parallel vorliegende Hörsituationen erkannt und in der Veränderung des Signalverarbeitungsalgorithmus berücksichtigt werden.

[0015] Der erfindungsgemäßen Hörvorrichtung kommen dabei die gleichen Vorteile zu wie dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb der Hörvorrichtung.

[0016] In einer bevorzugten Verfahrensvariante werden mehrere, d. h. wenigstens zwei oder mehr Signalverarbeitungsalgorithmen insbesondere parallel zur Verarbeitung des Mikrophonsignals bzw. des Eingangssignals herangezogen. Die Signalverarbeitungsalgorithmen "arbeiten" dabei vorzugsweise auf (wenigstens) jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension, d. h. die Signalverarbeitungsalgorithmen dienen zur Verarbeitung (bspw. Filterung, Verstärkung, Dämpfung) von Signalanteilen, die für die in der jeweils zugeordneten akustischen Dimension enthaltenen oder abgebildeten Hörsituationen relevant sind. Zur Anpassung der Signalverarbeitung in Abhängigkeit von der Ausprägung der jeweiligen akustischen Dimension umfassen die Signalverarbeitungsalgorithmen wenigstens einen, vorzugsweise mehrere Parameter, die in ihren Parameterwerten verändert werden können. Vorzugsweise können die Parameterwerte dabei in Abhängigkeit von der jeweiligen Wahrscheinlichkeit der Ausprägung auch in mehreren Abstufungen (graduell oder kontinuierlich) verändert werden. Dadurch wird eine besonders flexible und vorteilhafterweise an eine Vielzahl von graduellen Unterschieden zwischen mehreren Hörsituationen anpassbare Signalverarbeitung ermöglicht.

[0017] In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante wird mindestens zwei der mindestens drei Klassifikatoren jeweils eine unterschiedliche Auswahl aus den Merkmalen zugeführt. Darunter wird hier und im Folgenden insbesondere verstanden, dass für den jeweiligen Klassifikator eine unterschiedliche Anzahl und/oder unterschiedliche Merkmale ausgewählt und diesem zugeführt werden.

[0018] Die Konjunktion "und/oder" ist hier und im Folgenden derart zu verstehen, dass die mittels dieser Konjunktion verknüpften Merkmale sowohl gemeinsam als auch als Alternativen zueinander ausgebildet sein können.

[0019] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante werden jedem der Klassifikatoren mit der entsprechend zugeordneten Auswahl insbesondere nur für die Analyse der zugeordneten akustischen Dimension relevante Merkmale zugeführt. Mit anderen Worten werden für jeden Klassifikator vorzugsweise nur die Merkmale ausgewählt und zugeführt, die zur Bestimmung der in der jeweiligen akustischen Dimension abgebildeten Hörsituation auch tatsächlich erforderlich sind. Dadurch kann bei der Analyse der jeweiligen akustischen Dimension vorteilhafterweise Rechenaufwand sowie Aufwand bei der Implementierung des jeweiligen Klassifikators eingespart werden, da für die jeweilige akustische Dimension unerhebliche Merkmale von vornherein unberücksichtigt bleiben. Vorteilhafterweise kann hierdurch auch das Risiko einer Fehlklassifikation aufgrund einer irrtümlichen Berücksichtigung nicht relevanter Merkmale weiter verringert werden.

[0020] In einer vorteilhaften Verfahrensvariante wird, insbesondere für den Fall, dass in jedem Klassifikator nur die jeweils relevanten Merkmale herangezogen werden, für jeden der Klassifikatoren ein spezifischer Analysealgorithmus zur Auswertung der (jeweils spezifisch) zugeführten Merkmale herangezogen. Auch hierdurch lässt sich wiederum vorteilhafterweise Rechenaufwand einsparen. Des Weiteren können vergleichsweise komplizierte Algorithmen oder Analysemodelle wie z. B. Gauss'sche Mischmoden, neuronale Netze oder Hidden-Markov-Modelle, die insbesondere zur Analyse einer Vielzahl von verschiedenen, voneinander unabhängigen Merkmalen herangezogen werden, entfallen. Vielmehr ist insbesondere jeder der Klassifikatoren somit auf ein konkretes "Problem", d. h. hinsichtlich seines Analysealgorithmus auf die diesem Klassifikator konkret zugeordnete akustische Dimension "zugeschnitten" (d. h. angepasst oder ausgelegt). Die vorstehend beschriebenen, vergleichsweise komplexen Analysemodelle können im Rahmen der Erfindung dennoch für spezifische akustische Dimensionen zum Einsatz kommen, wobei auch hierbei aufgrund der Ausrichtung des entsprechenden Klassifikators auf eine oder wenige von der spezifischen akustischen Dimension umfassten Hörsituationen Aufwand bei der Implementierung eines solchen vergleichsweise aufwendigen Modells eingespart werden kann.

[0021] In einer bevorzugten Verfahrensvariante werden als die wenigstens drei akustischen Dimensionen insbesondere die Dimensionen "Fahrzeug", "Musik" und "Sprache" herangezogen. Insbesondere wird innerhalb der jeweiligen akustischen Dimension somit ermittelt, ob der Nutzer der Hörvorrichtung sich in einem Fahrzeug befindet, konkret mit diesem Fahrzeug fährt, Musik hört bzw. ob Sprache vorliegt. In letzterem Fall wird vorzugsweise im Rahmen dieser akustischen Dimension ermittelt, ob Sprache in Ruhe, Sprache im Störgeräusch oder keine Sprache und dabei vorzugsweise nur Störgeräusch vorliegt. Bei diesen drei akustischen Dimensionen handelt es sich insbesondere um die Dimensionen, die im Alltag eines Nutzers der Hörvorrichtung üblicherweise besonders häufig auftreten und dabei auch unabhängig voneinander sind. In einer optionalen Weiterbildung dieser Verfahrensvariante wird ein vierter Klassifikator zur Analyse einer vierten akustischen Dimension herangezogen, bei der es sich insbesondere um die Lautheit (auch: "Lautstärke") von Umgebungsgeräuschen (auch als "Störgeräusche" bezeichnet) handelt. Die Ausprägungen dieser akustischen Dimension erstrecken sich dabei vorzugsweise graduell oder kontinuierlich über mehrere Zwischenstufen von sehr leise bis sehr laut. Die Informationen zu den Ausprägungen insbesondere der akustischen Dimensionen Fahrzeug und Musik können im Gegensatz dazu optional "binär" sein, d. h. es wird nur erkannt, ob Fahren im Fahrzeug vorliegt oder nicht, bzw. ob Musik gehört wird oder nicht. Vorzugsweise liegen aber alle Informationen der anderen drei akustischen Dimensionen als eine Art Wahrscheinlichkeitswert kontinuierlich vor. Dies ist insbesondere vorteilhaft, da Fehler bei der Analyse der jeweiligen akustischen Dimension nicht ausgeschlossen werden können, sowie da dadurch auch im Gegensatz zu binären Informationen auf einfache Weise "weichere" Übergänge zwischen verschiedenen Einstellungen bewirkt werden können.

[0022] In zusätzlichen oder optional alternativen Weiterbildungen werden jeweils weitere Klassifikatoren zur Wind- und/oder Nachhallschätzung sowie zur Detektion der eigenen Stimme des Trägers der Hörvorrichtung herangezogen.

[0023] In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante werden aus dem Mikrophonsignal bzw. dem Eingangssignal Merkmale abgeleitet, die aus einer (insbesondere nichtabschließenden) Gruppe ausgewählt sind, die insbesondere die Merkmale Signalpegel, 4-Hz-Einhüllenden-Modulation, Onset-Gehalt, Pegel eines Hintergrundgeräuschs (auch als "Noise Floor Level" bezeichnet, optional bei einer vorgegebenen Frequenz), spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs, Stationarität (insbesondere bei einer vorgegebenen Frequenz), Tonalität und Windaktivität umfasst.

[0024] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante werden der akustischen Dimension Fahrzeug zumindest die Merkmale Pegel des Hintergrundgeräuschs, spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs und Stationarität (sowie optional auch das Merkmal der Windaktivität) zugeordnet. Der akustischen Dimension Musik werden vorzugsweise die Merkmale Onset-Gehalt, Tonalität und Pegel des Hintergrundgeräuschs zugeordnet. Der akustischen Dimension Sprache werden insbesondere die Merkmale Onset-Gehalt und 4-Hz-Einhüllenden-Modulation zugeordnet. Der gegebenenfalls vorhandenen Dimension Lautheit des Umgebungsgeräuschs werden insbesondere die Merkmale Pegel des Hintergrundgeräuschs, Signalpegel und spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs zugeordnet.

[0025] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird für jeden Klassifikator eine spezifisch zugeordnete zeitliche Stabilisierung berücksichtigt. Insbesondere wird hierbei bei manchen der Klassifikatoren vorzugsweise bei bereits in der Vergangenheit (bspw. in einem vorangegangenem Zeitabschnitt von vorgegebener Dauer) erkanntem Vorliegen einer Hörsituation (d. h. insbesondere bei einer bestimmten Ausprägung der akustischen Dimension) angenommen, dass dieser Zustand (die Ausprägung) dann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zum aktuellen Zeitpunkt noch vorliegt. Beispielsweise wird hierzu ein gleitender Mittelwert über (insbesondere eine vorgegebene Anzahl von) vorangegangenen Zeitabschnitten gebildet. Alternativ kann auch eine Art "Totzeitglied" vorgesehen werden, mittels dessen in einem nachfolgenden Zeitabschnitt die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass die im vorangegangenen Zeitabschnitt vorliegende Ausprägung immer noch vorliegt. Beispielsweise wird angenommen, wenn Fahren im Fahrzeug in den vorausgegangenen fünf Minuten erkannt wurde, dass diese Situation weiterhin vorliegt. Vorzugsweise für die Dimensionen Fahrzeug und Musik werden vergleichsweise "starke" Stabilisierungen herangezogen, d. h. es werden nur vergleichsweise langsame oder seltene Veränderungen der entsprechend zugeordneten Hörsituationen angenommen. Für die Dimension Sprache wird hingegen zweckmäßigerweise keine oder nur eine "schwache" Stabilisierung vorgenommen, da hier schnelle und/oder häufige Veränderungen der Hörsituationen angenommen werden. Sprachsituationen können oft nur wenige Sekunden (bspw. etwa 5 Sekunden) oder wenige Minuten andauern, wohingegen Fahren im Fahrzeug meist für mehrere Minuten (bspw. mehr als 3 bis 30 Minuten oder sogar Stunden) vorliegt. Eine weitere optionale Variante zur Stabilisierung kann auch über ein Zählprinzip erfolgen, bei dem bei einer vergleichsweise schnellen (bspw. 100 Millisekunden bis wenige Sekunden) Detektionstaktung ein Zähler ("counter") inkrementiert wird und erst bei Überschreiten eines Grenzwerts für diesen Zähler die "Erkennung" der jeweiligen Hörsituation ausgelöst wird. Dies ist bspw. als Kurzzeitstabilisierung bei einem gemeinsamen Klassifikator für "alle" Hörsituationen zweckmäßig. Als Abwandlung zur Stabilisierung im vorliegenden Fall ist es dabei bspw. denkbar, jeder Hörsituation einen eigenen Grenzwert zuzuweisen und diesen insbesondere für die Hörsituation "Fahren im Fahrzeug" und/oder "Musik-Hören" herabzusetzen, wenn bereits für eine vorgegebene vorausgehende Zeitspanne die jeweilige Hörsituation erkannt wurde.

[0026] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus in Abhängigkeit von mindestens zwei der wenigstens drei Informationen über die Ausprägung der jeweils zugeordneten akustischen Dimension angepasst. In zumindest einem Signalverarbeitungsalgorithmus werden also die Informationen mehrerer Klassifikatoren berücksichtigt.

[0027] In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante werden die jeweiligen Informationen der einzelnen Klassifikatoren insbesondere zunächst einem Fusionsglied zu einer gemeinsamen Auswertung zugeführt ("fusioniert"). Anhand dieser gemeinsamen Auswertung aller Informationen wird insbesondere eine Gesamtinformation über die vorliegenden Hörsituationen erstellt. Vorzugsweise wird dabei eine dominante Hörsituation ermittelt - insbesondere anhand des die Wahrscheinlichkeit wiedergebenden Grads der Ausprägung. Der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus wird dabei an diese dominante Hörsituation angepasst. Optional erfolgt hierbei eine Priorisierung einer Hörsituation (nämlich er dominanten), indem der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus nur in Abhängigkeit von der dominanten Hörsituation verändert wird, während andere Signalverarbeitungsalgorithmen und/oder die von anderen Hörsituationen abhängigen Parameter unverändert bleiben oder auf einen Parameterwert, der keinen Einfluss auf die Signalverarbeitung hat, gesetzt werden.

[0028] In einer Weiterbildung der vorstehend beschriebenen Verfahrensvariante wird anhand der gemeinsamen Auswertung aller Informationen insbesondere eine als Subsituation bezeichnete Hörsituation ermittelt, die gegenüber der dominanten Hörsituation eine geringere Dominanz aufweist. Diese oder die jeweilige Subsituation wird dabei zusätzlich bei der vorgenannten Anpassung des oder des jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus an die dominante Hörsituation und/oder zur Anpassung eines spezifisch der akustischen Dimension dieser Subsituation zugeordneten Signalverarbeitungsalgorithmus berücksichtigt. Insbesondere führt hierbei diese Subsituation zu einer im Vergleich zu der dominanten Hörsituation geringeren Veränderung des oder des jeweils zugeordneten Parameters. Für den Fall, dass beispielsweise als dominante Hörsituation Sprache im Störgeräusch ermittelt und als Subsituation Musik werden, wird daraufhin ein zur möglichst klaren Sprachverständlichkeit bei Störgeräusch dienender Signalverarbeitungsalgorithmus in einem oder mehreren Parametern vergleichsweise stark verändert, um eine möglichst hohe Sprachverständlichkeit zu erreichen. Da aber auch Musik vorliegt, werden Parameter, die zur Dämpfung von Umgebungsgeräuschen dienen, weniger stark eingestellt (als wenn nur ein Störgeräusch vorliegt), um die Töne der Musik nicht völlig abzudämpfen. Ein (insbesondere zusätzlicher) zur klaren Klangwiedergabe von Musik dienender Signalverarbeitungsalgorithmus wird dabei außerdem weniger stark eingestellt als bei Musik als dominanter Hörsituation (aber stärker als bei keiner Musik), um die Sprachanteile nicht zu überdecken. Somit kann, insbesondere aufgrund der voneinander unabhängigen Detektion von unterschiedlichen Hörsituationen sowie aufgrund der dadurch ermöglichten feineren Anpassung der Signalverarbeitungsalgorithmen eine besonders präzise Anpassung der Signalverarbeitung der Hörvorrichtung an die tatsächlich vorliegende Hörsituation erfolgen.

[0029] Wie bereits vorstehend beschrieben wird vorzugsweise in wenigstens einem der gegebenenfalls mehreren Signalverarbeitungsalgorithmen das parallele Vorliegen mehrerer Hörsituationen berücksichtigt.

[0030] In einer alternativen Verfahrensvariante wird der oder vorzugsweise jeder Signalverarbeitungsalgorithmus wenigstens einem der Klassifikatoren zugeordnet. In diesem Fall wird vorzugsweise wenigstens ein Parameter eines jeden Signalverarbeitungsalgorithmus (insbesondere unmittelbar) in Abhängigkeit von der von dem jeweiligen Klassifikator ausgegebenen Information über die Ausprägung der zugeordneten akustischen Dimension verändert. Vorzugsweise ist dieser Parameter bzw. dessen Parameterwert als eine Funktion der jeweiligen Information ausgebildet. Somit wird die Information über die Ausprägung der jeweiligen akustischen Dimension insbesondere direkt für eine Anpassung der Signalverarbeitung genutzt. Mit anderen Worten "steuert" jeder Klassifikator wenigstens einen Parameter wenigstens eines Signalverarbeitungsalgorithmus. Eine gemeinsame Auswertung aller Informationen kann hierbei ausbleiben. Insbesondere werden in diesem Fall besonders viele Informationen über die Verteilung der voneinander unabhängigen Hörsituationen im aktuell vorliegenden, vom Umgebungsschalls beschriebenen "Bild" berücksichtigt, so dass wiederum eine besonders feine Anpassung der Signalverarbeitung gefördert wird. Insbesondere können hierbei auch vollständig parallele Hörsituationen - bspw. 100 % Sprache im Störgeräusch bei 100 % Fahren im Fahrzeug, oder 100 % Musik bei 100 % Fahren im Fahrzeug - auf einfache Weise und mit geringem Informationsverlust berücksichtigt werden.

[0031] In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird wenigstens einem der Klassifikatoren eine Zustandsinformation zugeführt, die unabhängig von dem Mikrophonsignal oder dem Eingangssignal erzeugt wird. Diese Zustandsinformation wird dabei insbesondere zusätzlich zur Auswertung der jeweiligen akustischen Dimension berücksichtigt. Beispielsweise handelt es sich dabei um eine Bewegungs- und/oder Ortsinformation die beispielsweise zur Auswertung der akustischen Dimension Fahrzeug herangezogen wird. Diese Bewegungs- und/oder Ortsinformation wird beispielsweise mit einem in der Hörvorrichtung selbst oder in einem signalübertragungstechnisch mit dieser verbundenen System (bspw. einem Smartphone) angeordneten Beschleunigungs- oder (globalen) Positionssensor erzeugt. Beispielsweise lässt sich dabei anhand einer vorliegenden (einen vorgegebenen Wert aufweisenden) Bewegungsgeschwindigkeit bei der Auswertung der akustischen Dimension Fahrzeug die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Hörsituation Fahren im Fahrzeug auf einfache Weise zusätzlich zu der akustischen Auswertung erhöhen. Man spricht hier auch von "Augmentierung" eines Klassifikators.

[0032] Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen:
Fig. 1
in einer schematischen Übersichtsdarstellung eine Hörvorrichtung,
Fig. 2
in einem schematischen Blockschaltbild einen Signallaufplan der Hörvorrichtung gemäß Fig. 1,
Fig. 3
in einem schematischen Ablaufplan ein Verfahren zum Betrieb der Hörvorrichtung gemäß Fig. 1, und
Fig. 4
in Ansicht gemäß Fig. 2 ein alternatives Ausführungsbeispiel des Signallaufplans.


[0033] Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren stets mit gleichen Bezugszeichen versehen.

[0034] In Figur 1 ist als Hörvorrichtung ein Hörhilfegerät, kurz als "Hörgerät 1" bezeichnet, dargestellt. Das Hörgerät 1 umfasst als elektrische Komponenten, die in einem Gehäuse 2 eingehaust sind, zwei Mikrophone 3, einen Signalprozessor 4 und einen Lautsprecher 5. Zur Energieversorgung der elektrischen Komponenten umfasst das Hörgerät 1 außerdem eine Batterie 6, die alternativ als Primärzelle (beispielsweise als Knopfzelle) oder als Sekundärzelle (d. h. als wiederaufladbare Batterie) ausgestaltet sein kann. Mittels der Mikrophone 3 wird im Betrieb des Hörgeräts 1 Umgebungsschall erfasst und daraus jeweils ein Mikrophonsignal SM erzeugt. Diese beiden Mikrophonsignale SM werden dem Signalprozessor 4 zugeführt, der unter Abarbeitung von vier Signalverarbeitungsalgorithmen A1, A2, A3 und A4 aus diesen Mikrophonsignalen SM ein Ausgabesignal SA generiert und dieses an einen Lautsprecher 5, der einen Ausgabewandler darstellt, ausgibt. Der Lautsprecher 5 wandelt das Ausgabesignal SA in Luftschall, der über einen an das Gehäuse 2 anschließenden Schallschlauch 7 und ein damit endseitig verbundenes Ohrstück 8 (im bestimmungsgemäßen Tragezustand des Hörgeräts 1) an das Gehör eines Nutzers oder Trägers (kurz: Hörgeräteträger) des Hörgeräts 1 ausgegeben wird.

[0035] Zur Erkennung unterschiedlicher Hörsituationen und zur darauffolgenden Anpassung der Signalverarbeitung ist das Hörgerät 1, konkret dessen Signalprozessor 4, dazu eingerichtet, ein im Folgenden anhand von Figur 2 und Figur 3 näher beschriebenes Verfahren automatisch durchzuführen. Wie in Figur 2 näher dargestellt umfasst das Hörgerät 1, konkret dessen Signalprozessor 4, wenigstens drei Klassifikatoren KS, KM und KF. Diese drei Klassifikatoren KS, KM und KF sind dabei jeweils zur Analyse einer spezifisch zugeordneten akustischen Dimension eingerichtet und ausgebildet. Der Klassifikator KS ist konkret zur Auswertung der akustischen Dimension "Sprache", d. h. ob Sprache, Sprache im Störgeräusch oder nur ein Störgeräusch vorliegt, ausgebildet. Der Klassifikator KM ist konkret zur Auswertung der akustischen Dimension "Musik", d. h. ob der Umgebungsschall von Musik dominiert wird, ausgebildet. Der Klassifikator KF ist konkret zur Auswertung der akustischen Dimension "Fahrzeug" ausgebildet, d. h. zu bestimmen, ob der Hörgeräteträger in einem Fahrzeug fährt. Der Signalprozessor 4 umfasst des Weiteren ein Merkmalsanalysemodul 10 (auch als "feature extraction module" bezeichnet), das dazu eingerichtet ist, aus den Mikrophonsignalen SM, konkret aus einem aus diesen Mikrophonsignalen SM gebildeten Eingangssignal SE eine Anzahl von (Signal-)Merkmalen abzuleiten. Den Klassifikatoren KS, KM und KF wird dabei jeweils eine unterschiedliche und spezifisch zugeordnete Auswahl aus diesen Merkmalen zugeführt. Anhand dieser spezifisch zugeführten Merkmale ermittelt der jeweilige Klassifikator KS, KM bzw. KF eine Ausprägung der jeweiligen zugeordneten akustischen Dimension, d. h. zu welchem Grad eine der akustischen Dimension spezifisch zugeordnete Hörsituation vorliegt, und gibt diese Ausprägung als jeweilige Information aus.

[0036] Konkret werden, wie aus Figur 3 zu entnehmen ist, in einem ersten Verfahrensschritt 20 die Mikrophonsignale SM aus dem erfassten Umgebungsschall erzeugt und von dem Signalprozessor 4 zu dem Eingangssignal SE zusammengeführt (konkret zu einem Richtmikrophonsignal gemischt). In einem zweiten Verfahrensschritt 30 wird das aus den Mikrophonsignalen SM gebildete Eingangssignal SE dem Merkmalsanalysemodul 10 zugeführt und von diesem die Anzahl der Merkmale abgeleitet. Als Merkmale werden dabei konkret (aber nicht abschließend) der Pegel eines Hintergrundgeräuschs (Merkmal "MP"), ein spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs (Merkmal "MZ"), eine Stationarität des Signals (Merkmal "MM"), eine Windaktivität (Merkmal "MW"), ein Onset-Gehalt des Signals (Merkmal "MO"), eine Tonalität (Merkmal "MT") und eine 4-Hertz-Einhüllenden Modulation (Merkmal "ME") ermittelt. In einem Verfahrensschritt 40 werden dem Klassifikator KS die Merkmale ME und MO zur Analyse der akustischen Dimension Sprache zugeführt. Dem Klassifikator KM werden die Merkmale MO, MT und Mp zur Analyse der akustischen Dimension Musik zugeführt. Dem Klassifikator KF werden zur Analyse der akustischen Dimension Fahren im Fahrzeug die Merkmale MP, MW, MZ und MM zugeführt. Die Klassifikatoren KS, KM und KF ermitteln daraufhin anhand der jeweils zugeführten Merkmale mittels spezifisch angepasster Analysealgorithmen inwiefern, d. h. zu welchem Grad die jeweilige akustische Dimension ausgeprägt ist. Konkret wird mittels des Klassifikators KS ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sprache in Ruhe, Sprache im Störgeräusch oder nur ein Störgeräusch vorliegt. Mittels des Klassifikators KM wird entsprechend ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Musik vorliegt. Mittels des Klassifikators KF wird ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Hörgeräteträger in einem Fahrzeugt fährt oder nicht.

[0037] In einem alternativen Ausführungsbeispiel wird lediglich "binär" ermittelt, ob Sprache, ggf. im Störgeräusch oder nur Störgeräusch, bzw. ob Musik oder Fahren im Fahrzeug vorliegt oder nicht.

[0038] Die jeweilige Ausprägung der akustischen Dimensionen wird in einem Verfahrensschritt 50 an ein Fusionsmodul 60 ausgegeben (siehe Figur 2), indem die jeweiligen Informationen zusammengeführt und miteinander verglichen werden. In dem Fusionsmodul 60 wird außerdem eine Entscheidung getroffen, welche Dimension, konkret welche darin abgebildete Hörsituation aktuell als dominant aufzufassen ist und welche Hörsituationen derzeit von untergeordneter Bedeutung sind oder ganz ausgeschlossen werden können. Anschließend wird von dem Fusionsmodul bei einer Anzahl der hinterlegten Signalverarbeitungsalgorithmen A1 bis A4 jeweils eine Anzahl von die dominante und die weniger relevanten Hörsituationen betreffenden Parametern verändert, so dass die Signalverarbeitung vornehmlich an die dominante Hörsituation und geringfügiger an die weniger relevante Hörsituation angepasst wird. Jeder der Signalverarbeitungsalgorithmen A1 bis A4 ist dabei jeweils auf das Vorliegen einer Hörsituation, ggf. auch parallel zu anderen Hörsituationen angepasst.

[0039] Der Klassifikator KF umfasst dabei in nicht näher dargestellter Art und Weise eine zeitliche Stabilisierung. Diese ist insbesondere darauf ausgerichtet, dass eine Fahrt im Fahrzeug üblicherweise längere Zeit andauert, und somit für den Fall, dass bereits in vorausgegangenen Zeitabschnitten, von beispielsweise jeweils 30 Sekunden bis zu fünf Minuten Dauer, Fahren im Fahrzeug erkannt wurde und unter der Annahme, dass die Situation Fahren im Fahrzeug immer noch andauert die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen dieser Hörsituation bereits vorab erhöht ist. Entsprechendes ist auch in dem Klassifikator KM eingerichtet und vorgesehen.

[0040] In einem alternativen Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 fehlt in dem dargestellten Signallaufplan das Fusionsmodul 60. Einem jedem der Klassifikatoren KS, KM und KF ist dabei wenigstens einer der Signalverarbeitungsalgorithmen A1, A2, A3 und A4 derart zugeordnet, dass mehrere in dem jeweiligen Signalverarbeitungsalgorithmus A1, A2, A3 bzw. A4 enthaltenen Parameter als Funktion der Ausprägungen der jeweiligen akustischen Dimension veränderbar ausgelegt sind. Das heißt, dass aufgrund der jeweiligen Information über die jeweilige Ausprägung wenigstens ein Parameter unmittelbar - d. h. ohne zwischengeschaltete Fusionierung - verändert wird. Konkret ist im dargestellten Ausführungsbeispiel der Signalverarbeitungsalgorithmus A1 nur von der Information des Klassifikators KS abhängig. In den Signalverarbeitungsalgorithmus A3 fließen hingegen die Informationen aller Klassifikatoren KS, KM und KF ein und führen dort zur Veränderung mehrerer Parameter.

[0041] Der Gegenstand der Erfindung ist nicht auf die vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispiele beschränkt. Vielmehr können weitere Ausführungsformen der Erfindung von dem Fachmann aus der vorstehenden Beschreibung abgeleitet werden. Insbesondere können die anhand der verschiedenen Ausführungsbeispiele beschriebenen Einzelmerkmale der Erfindung und deren Ausgestaltungsvarianten auch in anderer Weise miteinander kombiniert werden. So kann bspw. das Hörgerät 1 anstelle des dargestellten hinter-dem-Ohr-Hörgeräts auch als in-dem-Ohr-Hörgerät ausgebildet sein.

Bezugszeichenliste



[0042] 
1
Hörgerät
2
Gehäuse
3
Mikrophon
4
Signalprozessor
5
Lautsprecher
6
Batterie
7
Schallschlauch
8
Ohrstück
10
Merkmalsanalysemodul
20
Verfahrensschritt
30
Verfahrensschritt
40
Verfahrensschritt
50
Verfahrensschritt
60
Fusionsmodul
A1-A4
Signalverarbeitungsalgorithmus
KS, KM, KF
Klassifikator
ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM
Merkmal
SA
Ausgangssignal
SE
Eingangssignal
SM
Mikrophonsignal



Ansprüche

1. Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung (1), die wenigstens ein Mikrophon (3) zur Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal (SM) umfasst, wobei verfahrensgemäß

- aus dem Mikrophonsignal (SM) oder einem daraus gebildeten Eingangssignal (SE) eine Anzahl von Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) abgeleitet wird,

- wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF), die unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension implementiert sind, jeweils eine spezifisch zugeordnete Auswahl aus diesen Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt wird,

- mittels des jeweiligen Klassifikators (KS, KM, KF) jeweils eine Information über eine Ausprägung der diesem Klassifikator (KS, KM, KF) zugeordneten akustischen Dimension generiert wird, und

- in Abhängigkeit von mindestens einer der wenigstens drei Informationen über die jeweilige Ausprägung der zugeordneten akustischen Dimension wenigstens ein Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4), der zur Verarbeitung des Mikrophonsignals (SM) oder des Eingangssignals (SE) in ein Ausgangssignal (SA) abgearbeitet wird, verändert wird.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
wobei mindestens zwei der wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF) jeweils eine unterschiedliche Auswahl aus den Merkmalen (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
wobei jedem der Klassifikatoren (KS, KM, KF) mit der entsprechend zugeordneten Auswahl nur für die Analyse der jeweils zugeordneten akustischen Dimension relevante Merkmale (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) zugeführt werden.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
wobei für jeden der Klassifikatoren (KS, KM, KF) ein spezifischer Analysealgorithmus zur Auswertung der jeweiligen zugeführten Merkmale (ME, MO, MT, MP, MW, MZ, MM) herangezogen wird.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
wobei als die wenigstens drei akustischen Dimensionen Fahrzeug, Musik und Sprache herangezogen werden.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
wobei aus dem Mikrophonsignal (SM) bzw. dem Eingangssignal (SE) Merkmale ausgewählt aus Signalpegel, 4-Hertz-Einhüllenden-Modulation (ME), Onset-Gehalt (MO), Pegel eines Hintergrundgeräuschs (MP), spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs (MZ), Stationarität (MM), Tonalität (MT), Windaktivität (MW) abgeleitet werden.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 und 6,
wobei der akustischen Dimension Fahrzeug zumindest die Merkmale Pegel des Hintergrundgeräuschs (MP), spektraler Schwerpunkt des Hintergrundgeräuschs (MZ) und Stationarität (MM) zugeordnet werden, wobei der akustischen Dimension Musik die Merkmale Onset-Gehalt (MO), Tonalität (MT) und Pegel des Hintergrundgeräuschs (MP) zugeordnet werden, und wobei der akustischen Dimension Sprache die Merkmale Onset-Gehalt (MO) und 4-Hertz-Einhüllenden-Modulation (ME) zugeordnet werden.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7,
wobei für jeden Klassifikator (KS, KM, KF) eine spezifisch zugeordnete zeitliche Stabilisierung berücksichtigt wird.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
wobei der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) in Abhängigkeit von mindestens zwei der wenigstens drei Informationen über die Ausprägung der jeweils zugeordneten akustischen Dimension verändert wird.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
wobei die Informationen der jeweiligen Klassifikatoren (KS, KM, KF) einer gemeinsamen Auswertung zugeführt werden, wobei aufgrund dieser gemeinsamen Auswertung eine dominante Hörsituation ermittelt wird, und wobei der oder der jeweilige Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) an diese dominante Hörsituation angepasst wird.
 
11. Verfahren nach Anspruch 10,
wobei wenigstens eine Subsituation mit gegenüber der dominanten Hörsituation geringerer Dominanz ermittelt wird, und wobei diese oder die jeweilige Subsituation bei der Veränderung des Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) oder wenigstens eines der Signalverarbeitungsalgorithmen (A1, A2, A3, A4) berücksichtigt wird.
 
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
wobei jeder Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) wenigstens einem der Klassifikatoren (KS, KM, KF) zugeordnet ist, und wobei wenigstens ein Parameter eines jeden Signalverarbeitungsalgorithmus (A1, A2, A3, A4) in Abhängigkeit von der von dem zugeordneten Klassifikator (KS, KM, KF) ausgegebenen Information über die Ausprägung der entsprechenden akustischen Dimension verändert wird.
 
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12,
wobei wenigstens einem der Klassifikatoren (KS, KM, KF) eine unabhängig von dem Mikrophonsignal (SM) oder dem Eingangssignal (SE) erzeugte Zustandsinformation zugeführt, die zusätzlich zur Auswertung der jeweiligen akustischen Dimension berücksichtigt wird.
 
14. Hörvorrichtung (1),

- mit wenigstens einem Mikrophon (3) zur Wandlung von Umgebungsschall in ein Mikrophonsignal (SM), und

- mit einem Signalprozessor (4), in dem wenigstens drei Klassifikatoren (KS, KM, KF) unabhängig voneinander zur Analyse jeweils einer zugeordneten akustischen Dimension implementiert sind, und wobei der Signalprozessor (4) dazu eingerichtet ist, das Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 13 durchzuführen.


 




Zeichnung










Recherchenbericht









Recherchenbericht