(19)
(11) EP 3 521 739 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
07.08.2019  Patentblatt  2019/32

(21) Anmeldenummer: 19020030.3

(22) Anmeldetag:  17.01.2019
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F25J 3/04(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(30) Priorität: 02.02.2018 DE 102018000842

(71) Anmelder: Linde Aktiengesellschaft
80331 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Golubev, Dimitri
    82538 Geretsried (DE)

(74) Vertreter: Imhof, Dietmar 
Linde AG Technology & Innovation Corporate Intellectual Property Dr.-Carl-von-Linde-Straße 6-14
82049 Pullach
82049 Pullach (DE)

   


(54) VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR GEWINNUNG VON DRUCKSTICKSTOFF DURCH TIEFTEMPERATURZERLEGUNG VON LUFT


(57) Das Verfahren und die Vorrichtung dienen zur Gewinnung von Druckstickstoff durch Tieftemperaturzerlegung von Luft in einem Destillationssäulen-System. Das Destillationssäulen-System weist eine Hochdrucksäule (4), eine Niederdrucksäule (6) sowie einen Hauptkondensator (5) und einen Niederdrucksäulen-Kopfkondensator (7) aufweist, die beide als Kondensator-Verdampfer ausgebildet sind. Verdichtete und gereinigte Einsatzluft (1) wird in einem Hauptwärmetauscher (2) abgekühlt und zum mindestens größten Teil gasförmig in die Hochdrucksäule (4) eingeleitet (3). Ein sauerstoffangereicherter Flüssigstrom (11, 13) wird aus der Hochdrucksäule (4) entnommen und in die Niederdrucksäule eingeleitet. Ein gasförmiger Stickstoffstrom (17, 26A, 26B, 27) wird aus der Hochdrucksäule (4) entnommen, im Hauptwärmetauscher (2) angewärmt und als gasförmiges Druckstickstoffprodukt (28, 31) abgezogen. Der Verdampfungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators (7) ist als Forced-Flow-Verdampfer ausgebildet. Die Hochdrucksäule (4) weist einen Sperrbodenabschnitt (8) auf, der unmittelbar oberhalb der Stelle angeordnet ist, an der die Einsatzluft (3) eingeleitet wird, und ein bis fünf theoretische beziehungsweise praktische Böden aufweist. Der sauerstoffangereicherte Flüssigstrom (11), der in die Niederdrucksäule (6) eingeleitet wird, wird oberhalb des Sperrbodenabschnitts (8) aus der Hochdrucksäule (4) entnommen. Unterhalb der Sperrbodenabschnitts (8) wird ein Spülstrom (9A) entnommen und aus dem Destillationssäulen-System entfernt (9B). Der gasförmige Stickstoffstrom (26A, 26B) wird vor seiner Anwärmung im Hauptwärmetauscher (2) in einem Unterkühlungs-Gegenströmer (12) in indirektem Wärmeaustausch mit dem sauerstoffangereicherten Flüssigstrom (11) aus der Hochdrucksäule (4) angewärmt.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von Druckstickstoff durch Tieftemperaturzerlegung von Luft gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

[0002] Das Verfahren bezieht sich insbesondere auf Systeme mit Entnahme von Stickstoffprodukt aus der Hochdrucksäule. Das Stickstoffprodukt kann aus beiden Säulen stammen, zum Beispiel durch Herausführen von gasförmigem Stickstoff (GAN) sowohl unmittelbar aus der Niederdrucksäule als auch aus der Hochdrucksäule. Alternativ kann mindestens ein Teil des Niederdrucksäulenstickstoffs flüssig (LIN) entnommen, in die Hochdrucksäule eingespeist und von dort als GAN-Produkt abgezogen werden. Derartige Verfahren mit "Zurückpumpen" von Niederdrucksäulen-LIN in die Hochdrucksäule sind aus US 2004244417 A1, Figur 2, DE 19933557 oder EP 1022530 bekannt. Bei solchen Prozessen werden in der Regel Hauptkondensatoren und Niederdrucksäulen-Kopfkondensatoren eingesetzt, die auf ihrer Verdampfungsseite als Badverdampfer ausgebildet sind. Dies stellt die bewährteste Verdampferform dar, bei der insbesondere keine betriebstechnischen Schwierigkeiten aufgrund schwerer als Sauerstoff flüchtiger Komponenten wie zum Beispiel Propan zu erwarten sind. Energetisch sind Badkondensatoren allerdings nicht optimal, weil die hydrostatische Höhe im Flüssigkeitsbad zu einer erhöhten Verdampfungstemperatur führt.

[0003] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das eingangs genannte Verfahren und eine entsprechende Vorrichtung hinsichtlich des Energieverbrauchs zu verbessern und gleichzeitig den sicheren Betrieb des Systems zu erlauben.

[0004] Diese Aufgabe wird durch die Gesamtheit der Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst.

[0005] Die Verwendung eines Forced-Flow-Verdampfers als Niederdrucksäulen-Kopfkondensator erlaubt eine besonders niedrigere Druckdifferenz zwischen verdampfendem und kondensierendem Strom bei dergleichen mittleren Temperaturdifferenz wie bei einem Badverdampfer. Dies verringert spürbar den Energieverbrauch der Anlage, beispielsweise um 3,2 % bei einem Produktabgabedruck im Stickstoff von 10 bar, der dem Hochdrucksäulendruck entspricht; rechnet man eine Weiterverdichtung von 10 auf 60 bar mit ein, so liegt die Energieersparnis bei 2,2 % des Gesamtenergieverbrauchs.

[0006] Allerdings verschwindet mit dem Flüssigkeitsbad über der Niederdrucksäule auch die Möglichkeit, einen Spülstrom zu entnehmen und Schwersiedende, insbesondere Propan, auszuschleusen. Dies wird bei der Erfindung dadurch kompensiert, dass ein Spülstrom vom Sumpf der Hochdrucksäule abgezogen wird. Oberhalb dieser Entnahme (und der Zuspeisung der Einsatzluft) ist ein Sperrbodenabschnitt vorgesehen, der die Schwersiedenden, insbesondere Propan, im Sumpf der Hochdrucksäule zurückhält. Der sauerstoffangereicherte Flüssigstrom für die Niederdrucksäule wird oberhalb des Sperrbodenabschnitts entnommen und enthält weniger Schwersiedende und insbesondere praktisch kein Propan mehr. Schon mit zwei theoretischen Böden in dem Sperrbodenabschnitt werden bei einem Propangehalt von 0,0075 ppm in der Luft stromabwärts der Luftreinigung (mit einer beispielhaften Annahme für Propanrückhaltung im Molekularsieb der Luftreinigung von ca. 85%) 99,8 % des Propans mit dem Spülstrom entfernt. Auch N2O wird dabei zu 84 % abgeschieden (relativ zu der N2O-Menge, welche die Luftreinigung passiert). Die Abscheidungsgrade anderer Komponenten liegen bei 69 % bei C2H6, 15 % bei C2H4 und etwa 2,5 % bei Methan, das weniger kritisch ist. Unter "Schwersiedenden" werden hier Stoffe verstanden, die eine höhere Verdampfungstemperatur als Sauerstoff aufweisen.

[0007] Grundsätzlich kann mit den genannten Maßnahmen ein sicherer Betrieb der Anlage gewährleistet werden. Diese Maßnahmen sind für sich bekannt aus WO 2016131545 A1, werden dort aber bei relativ hohem Verfahrensdruck angewendet, der dazu führt, dass es keine Vorverflüssigung gibt, also keine Verflüssigung der Einsatzluft stromaufwärts der Destillation, sondern die gesamte Luft gasförmig in die Hochdrucksäule eingeleitet wird.

[0008] Insgesamt gibt es folgende Unterschiede zwischen dem eingangs genannten Verfahren gemäß US 2004244417 A1, Figur 2 und demjenigen von WO 2016131545 A1 :
US 2004244417 A1 WO 2016131545 A1
Hoher Luftdruck, deutlich über Hochdrucksäulendruck. Gesamtluft wird lediglich auf Hochdrucksäulendruck verdichtet.
10 % Flüssigkeitsproduktion Gasförmiger Hochdruck-Stickstoff als Hauptprodukt
Großer Drosselstrom (Gesamtluft ohne Turbinenluft) über 232 Kein Drosselstrom
Badverdampfer Forced-Flow-Verdampfer
Restgasturbine macht nur Kälte (treibt keinen Kaltverdichter an) Restgasturbine mach nur Druck (treibt Kaltverdichter an)


[0009] Die beiden Verfahren haben einen derart unterschiedlichen Charakter, dass eine Kombination für den unvoreingenommenen Fachmann in keinem Fall in Frage käme.

[0010] Die Einsatzluft enthält bei US 2004244417 A1 wegen des relativ geringen Drucks im Prozess (beziehungsweise relativ geringer Druckdifferenz zu den aus dem Rektifikationssystem austretenden Strömen) auch einen geringfügigen Flüssiganteil bei der Einspeisung in die Hochdrucksäule - dies gälte selbst bei sehr geringer Flüssigproduktgewinnung oder reinem Gasbetrieb. Deshalb würde relativ viel Flüssigkeit im Sumpf der Hochdrucksäule landen, wenn man die oben genannten Maßnahmen (siehe auch WO 2016131545 A1) auf eines dieser Verfahren anwendete. Diese Menge würde insgesamt mit dem Spülstrom abgezogen und die Produktausbeute spürbar verringern beziehungsweise den Energieverbrauch der Anlage negativ beeinflussen.

[0011] Aus diesem Grunde enthält Patentanspruch 1 noch ein weiteres Merkmal, gemäß dem der gasförmige Stickstoffstrom aus der Hochdrucksäule vor seiner Anwärmung im Hauptwärmetauscher in einem Unterkühlungs-Gegenströmer in indirektem Wärmeaustausch mit dem sauerstoffangereicherter Flüssigstrom aus der Hochdrucksäule angewärmt wird. Es erscheint auf den ersten Blick unklar, was diese Maßnahme mit der Ausschleusung der Schwersiedenden zu tun haben soll. Sie führt jedenfalls zu einer Erhöhung der Enthalpie des gasförmigen Stickstoffstroms beim Eintritt in den Hauptwärmetauscher. Da die Enthalpiedifferenz eines Bilanzkreises um das Destillationssäulen-System herum (bei unveränderten Produktmengen und konstantem Wärmeeinfall aus der Umgebung) unverändert bleibt, bewirkt dies eine Temperaturerhöhung am kalten Ende des Hauptwärmetauschers. Dies spürt der sich abkühlende Einsatzluftstrom; er weist daher ebenfalls eine höhere Enthalpie und eine höhere Temperatur als ohne Anwärmung des Stickstoffs im Unterkühlungs-Gegenströmer auf. Diese Enthalpieerhöhung verhindert oder vermindert eine Vorverflüssigung der Luft und führt in vielen Fällen sogar dazu, dass der Luftstrom am Eintritt in die Hochdrucksäule leicht überhitzt ist, seine Temperatur also etwas über der Taupunktstemperatur liegt; die Temperaturdifferenz zum Taupunkt beträgt im Fall der Überhitzung beispielsweise 1,4 K (beim Verfahren mit "Zurückpumpen" von Niederdrucksäulen-LIN in die Hochdrucksäule und Entnahme des Stickstoffproduktes hauptsächlich aus der Hochdrucksäule) . Damit enthält die Einsatzluft beim Eintritt in die Hochdrucksäule keine Flüssigkeit mehr, und der Spülstrom besteht nur noch aus der Rücklaufflüssigkeit, die unten aus dem Sperrbodenabschnitt austritt.

[0012] Bezogen auf eine Einsatzluftmenge von 100.000 Nm3/h ist diese durch die Anwärmung des Druckstickstoffs im Unterkühlungs-Gegenströmer erzeugte Überhitzung der Einsatzluft wesentlich und entspricht einer Flüssigproduktion von ca. 1.000 Nm3/h Flüssigstickstoff. Es kann also beispielsweise etwa 1 % der Luftmenge als Flüssigprodukt gewonnen, ohne dass Vorverflüssigung entsteht; vielmehr kann die gesamte Luftmenge gasförmig in die Hochdrucksäule eingeleitet werden. Aber auch bei höheren Mengen an Flüssigstickstoffproduktion (bis etwa 2 % der Luftmenge) bleibt eine gewisse Überhitzung im Luftstrom bestehen, da mit steigender Flüssigproduktion der Einsatzluftdruck angehoben wird.

[0013] In einem konkreten Zahlenbeispiel für eine Anlage mit 100.000 Nm3/h Einsatzluft und einer Flüssigproduktion von weniger als 0,1 % der Einsatzluftmenge wird im Folgenden die Erfindung mit einer Betriebsweise ohne Leitung des Druckstickstoffs durch den Unterkühlungs-Gegenströmer verglichen. Verzichtet man auf diese Maßnahmen, strömen 96.600 Nm3/h Luft mit 8,50 bar und einem Dampfanteil von 0,9966864 in die Hochdrucksäule ein, das heißt 320 Nm3/h Luft gehen flüssig in die Hochdrucksäule (Vorverflüssigung). Betreibt man das Verfahren demgegenüber erfindungsgemäß, werden 96.105 Nm3/h unter 8.55 bar mit einer Überhitzung von 1,405 K (mit ähnlicher Größe des Hauptwärmetauscher bzw. mit gleicher mittleren Temperatur im Hauptwärmetauscher im Vergleich zum Fall mit Anwärmung des Druckstickstoffs im Unterkühlungs-Gegenströmer) in die Hochdrucksäule eingespeist. Obwohl diese Temperaturdifferenz zum Taupunkt auf den ersten Blick gering wirkt, hat sie einen sehr großen Effekt auf den Prozess, weil sie ja die gesamte in die Hochdrucksäule einströmende Luftmenge betrifft.

[0014] Mit Hilfe der erfindungsgemäßen Anwärmung des Druckstickstoffs im Unterkühlungs-Gegenströmer wird also der Anteil der Luft, die flüssig in die Hochdrucksäule geleitet wird, bei einem Verfahren reduziert, bei dem ansonsten mehr Vorverflüssigung auftreten würde. Diese "Reduktion" kann bis Null gehen oder auch darüber hinaus zu einer Überhitzung der in die Hochdrucksäule eingespeisten Luft führen, also zu einer Erwärmung über den Taupunkt hinaus. Die Erfindung bezieht sich nicht auf Verfahren, bei denen bereits ohne Einleitung des Druckstickstoffs in den Unterkühlungs-Gegenströmer keine Vorverflüssigung auftritt.

[0015] Die beschriebene Maßnahme ist apparativ relativ einfach, aber sehr wirksam. Sie nutzt eine ohnehin benötigte Apparatur, den Unterkühlungs-Gegenströmer, und erlaubt eine stabile Einstellung der Spülstrommenge, die aus dem Hochdrucksäulensumpf entnommen wird, bei guter Produktausbeute und relativ geringem Energieverbrauch. Insgesamt ergibt sich ein besonders effizientes Verfahren zur Gewinnung von Druckstickstoff.

[0016] Die Betriebsdrücke bei dem erfindungsgemäßen Verfahren betragen: Niederdrucksäule (am Kopf):
beispielsweise 4,0 bis 7,0 bar, vorzugsweise 4,5 bis 6,5 bar

[0017] Hochdrucksäule (am Kopf):
beispielsweise 7 bis 12 bar, vorzugsweise 8 bis 11 bar

[0018] Niederdrucksäulen-Kopfkondensator auf der Verdampfungsseite:
beispielsweise 1,5 bis 3,5 bar, vorzugsweise 1,9 bis 3,2 bar

[0019] Mit Hilfe der Erfindung kann die Vorverflüssigung reduziert werden. In einzelnen Fällen wird noch eine verminderte Vorverflüssigung auftreten. Vorzugsweise wird die Vorverflüssigung durch die Erfindung jedoch vollständig beseitigt, das heißt, die Einsatzluft strömt komplett gasförmig unter Tautemperatur oder mit leichter Überhitzung in die Hochdrucksäule. Unter "leichter Überhitzung" wird hier eine Temperaturdifferenz von mindestens 0,1 K, beispielsweise (je nach Flüssigproduktion) 0,1 K bis 2,0 K, vorzugsweise 0,2 K bis 1,8 K verstanden.

[0020] Vorzugsweise wird der als Forced-Flow-Verdampfer betriebene Verdampfungsraum mit einer sauerstoffreichen Flüssigkeit aus der Niederdrucksäule betrieben; diese kann insbesondere aus dem Sumpf der Niederdrucksäule stammen. Das im Verdampfungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators erzeugte Gas wird vorzugsweise als Restgas in dem Hauptwärmetauscher auf eine Zwischentemperatur angewärmt und anschließend in einer Restgasturbine arbeitsleistend entspannt, danach wieder in den Hauptwärmetauscher eingeführt und auf etwa Umgebungstemperatur angewärmt. Hierdurch kann auf wirtschaftliche Weise Kälte für das Verfahren gewonnen werden.

[0021] Die Restgasturbine kann von einem elektrischen Generator oder von einem Verdichter gebremst werden. Letzterer kann zum Beispiel das angewärmte entspannte Restgas oder einen Teil davon verdichten.

[0022] Weiter erhöht werden kann die Effizienz des Verfahrens, wenn auch der Verdampfungsraum des Hauptkondensators als Forced-Flow-Verdampfer ausgebildet ist.

[0023] Die Erfindung betrifft außerdem eine Vorrichtung gemäß Patentanspruch 10. Die erfindungsgemäße Vorrichtung kann durch Vorrichtungsmerkmale ergänzt werden, die den Merkmalen einzelner, mehrerer oder aller abhängigen Verfahrensansprüche entsprechen.

[0024] Die Erfindung sowie weitere Einzelheiten der Erfindung werden im Folgenden anhand von in den Zeichnungen schematisch dargestellten Ausführungsbeispielen näher erläutert. Hierbei zeigen:
Figur 1a
ein erstes Ausführungsbeispiel der Erfindung mit Generatorturbine,
Figur 1b
eine Variante von Figur 1a mit Gewinnung eines Flüssigstickstoffprodukts,
Figur 2
ein zweites Ausführungsbeispiel der Erfindung mit Booster-Turbine,
Figur 3
eine Variante von Figur 2 und
Figur 4
ein drittes Ausführungsbeispiel der Erfindung mit Entnahme von GAN-Produkt aus beiden Säulen.


[0025] Über Leitung 1 strömt in Figur 1a verdichtete und gereinigte Einsatzluft heran. Die anfänglichen Stufen eines Luftverdichters, einer Vorkühlung und einer Luftreinigung sind hier nicht dargestellt und werden bei den Ausführungsbeispielen in bekannter Weise ausgeführt. Die Luft 1 wird in dem Hauptwärmetauscher 2 auf fast ihren Taupunkt abgekühlt und strömt mit gewisser Überhitzung über Leitung 3 in den Sumpf der Hochdrucksäule 4 des Destillationssäulen-Systems. Das Destillationssäulen-System weist außerdem einen Hauptkondensator 5, eine Niederdrucksäule 6 und einen Niederdrucksäulen-Kopfkondensator 7 auf. Die beiden Kondensatoren sind als Kondensator-Verdampfer ausgebildet; ihre Verdampfungsräume werden jeweils als Forced-Flow-Verdampfer betrieben.

[0026] Erfindungsgemäß weist die Hochdrucksäule 4 einen Sperrbodenabschnitt 8 auf, der unmittelbar oberhalb der Stelle angeordnet ist, an der die Einsatzluft 3 eingeleitet wird. Er besteht beispielsweise aus ein bis fünf, vorzugsweise aus zwei bis drei klassischen Rektifizierböden. Alternativ kann auch ein Abschnitt geordneter Packung von beispielsweise ein bis fünf, vorzugsweise zwei bis drei theoretischen Böden eingesetzt werden. Dieser Abschnitt hält schwersiedende Bestandteile der Luft, insbesondere Propan zurück, die mit einem Spülstrom 9A (Purge) aus dem Sumpf der Hochdrucksäule 4 entnommen und mit diesem aus dem Destillationssäulen-System entfernt werden. Der Spülstrom 9B kann dazu, wie dargestellt, in einem warmen Abfallstrom 10 eingeführt werden.

[0027] Oberhalb des Sperrbodenabschnitts 8 wird ein sauerstoffangereicherter Flüssigstrom 11 aus der Hochdrucksäule 4 entnommen, in einem Unterkühlungs-Gegenströmer 12 abgekühlt und über Leitung 13 der Niederdrucksäule 6 an einer Zwischenstelle zugeführt. Dieser Strom ist praktisch frei von Propan und anderen schwersiedenden Komponenten. Dies gilt dann auch für alle anderen sauerstoffreichen Fraktionen in der Niederdrucksäule, insbesondere für die Sumpfflüssigkeit, die sowohl im Hauptkondensator 5 (über Leitung 14) als auch im Niederdrucksäulen-Kopfkondensator 7 (über die Leitungen 15 und 16) gefahrlos verdampft werden kann. Im Niederdrucksäulen-Kopfkondensator 7 kann problemlos eine vollständige Verdampfung durchgeführt werden. Mit zwei theoretischen Böden in dem Sperrbodenabschnitt werden bei einem Propangehalt von 0,0075 ppm in der Luft stromabwärts der Luftreinigung (mit einer beispielhaften Annahme für Propanrückhaltung im Molekularsieb der Luftreinigung von ca. 85%) 99,8 % des Propans mit dem Spülstrom entfernt. Auch N2O wird dabei zu 84 % abgeschieden (relativ zu der N2O-Menge, welche die Luftreinigung passiert). Die Abscheidungsgrade anderer Komponenten liegen bei 69 % bei C2H6, 15 % bei C2H4 und etwa 2,5 % bei Methan, das weniger kritisch ist.

[0028] Im Hauptkondensator 5 wird ein Teil 18 des Stickstoff-Kopfgases 17 der Hochdrucksäule 4 kondensiert. Der dabei gewonnene flüssige Stickstoff 19 wird als Rücklauf in die Hochdrucksäule 4 zurückgeleitet. Der Niederdrucksäulen-Kopfkondensator verflüssigt Kopfgas 20 der Niederdrucksäule 6. Dabei erzeugter flüssiger Stickstoff 21 wird in die Niederdrucksäule 6 zurückgeleitet. Ein Teil davon wird gleich wieder als Flüssigstickstoffstrom 22 aus der Niederdrucksäule 6 abgezogen. (Alternativ könnte dieser Strom auch direkt vom Verflüssigungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators 7 abgenommen werden.) Eine Pumpe 23 bringt den Flüssigstickstoffstrom 22 auf etwa Hochdrucksäulendruck. Die Druckflüssigkeit 24 wird über den Unterkühlungs-Gegenströmer 12 und Leitung 25A/25B auf den Kopf der Hochdrucksäule 4 aufgegeben.

[0029] Ein gasförmiger Stickstoffstrom vom Kopf der Hochdrucksäule 4 wird über Leitung 17/26A/26B entnommen und zunächst erfindungsgemäß im Unterkühlungs-Gegenströmer 12 angewärmt. Anschließend wird der Stickstoff 27 im Hauptwärmetauscher auf etwas Umgebungstemperatur angewärmt und kann bei 28 als gasförmiges Druckstickstoffprodukt unter Hochdrucksäulendruck abgezogen werden. In diesem Beispiel wird er allerdings noch weiter verdichtet durch einen oder z. B. zwei Stickstoffverdichter 29, 30 jeweils mit Zwischen- beziehungsweise Nachkühlung, sodass das endgültige Druckstickstoffprodukt 31 (PGAN) hier einen Druck von beispielsweise 120 oder 150 bar aufweist.

[0030] Durch die Verdampfung der Niederdrucksäulen-Sumpfflüssigkeit 16 in dem Niederdrucksäulen-Kopfkondensator 7 wird ein Restgas 32 erzeugt, das zunächst im Unterkühlungs-Gegenströmer 12 angewärmt wird. Anschließend strömt es über Leitung 33 zum Hauptwärmetauscher 2, in dem es auf eine Zwischentemperatur angewärmt wird. Anschließend wird es in einer Restgasturbine 35 mit Bypass 37 arbeitsleistend entspannt. Das entspannte Restgas wird in zwei Teilen wieder in den Hauptwärmetauscher eingeführt und auf etwa Umgebungstemperatur angewärmt. Ein erster Teil 38 wird über Leitung 39 als Regeneriergas der Luftreinigung zugeführt. Der Rest 40 wird über Leitung 10 in die Atmosphäre (ATM) abgegeben.

[0031] Ein Teil 41 des Kopfgases der Niederdrucksäule 6 wird über die Leitungen 42 und 43 und durch den Unterkühlungs-Gegenströmer 12 und den Hauptwärmetauscher 2 als Dichtgas (Seal) abgegeben.

[0032] Die Linie 44 zeigt den Bilanzkreis um das Destillationssäulen-System. Sie schneidet die Spülgasleitung 9A, die Restgasleitung 33 und die Dichtgasleitung 41 und vor Allem die Einsatzluftleitung 3 und die Druckstickstoffleitung 27 (hier fett dargestellt). H_Luft bedeutet die Enthalpie des Luftstroms, H_Prod die Enthalpie der Produktströme, WPump die durch die Pumpe 23 eingebrachte Wärme.

[0033] Figur 1b unterscheidet sich nur dadurch von Figur 1a, dass ein Teil 125C des im Unterkühlungs-Gegenströmer 12 angewärmten Flüssigstickstoffs 22 als Flüssigprodukt LIN abgezogen wird. Alternativ kann der gesamte Strom 25A über Leitung 125C geführt werden; das gesamte gasförmige Stickstoffprodukt, das aus der Niederdrucksäule 6 stammt, wird dann über Leitung 41 aus der Niederdrucksäule 6 abgezogen.

[0034] Figur 2 unterscheidet sich nur dadurch von Figur 1a, dass die Turbine 35 von einem Verdichter 236 gebremst wird. Dieser bringt den Teil 39 des angewärmten entspannten Restgases auf den Druck, der benötigt wird, um es als Regeneriergas in der Luftreinigung einzusetzen. Dadurch kann der Druck im Destillationssäulen-System und am Austritt des (nicht dargestellten) Luftverdichters reduziert und die Energie direkt am Luftverdichter gespart werden. Beispielsweise wird dabei der Druck am MAC um ca. 500 mbar oder sogar mehr abgesenkt.

[0035] In Figur 3 wird abweichend von Figur 2 das gesamte entspannte und angewärmte Restgas 339 im turbinengetriebenen Verdichter 236 verdichtet. Ein erster Teil 340 des verdichteten Restgases wird wie in Figur 2 als Regeneriergas eingesetzt; der Rest 341 wird in einem Drosselventil entspannt und in die Atmosphäre (Atm) abgelassen.

[0036] Bei dem Verfahren von Figur 4 wird im Unterschied zu den vorangegangenen Ausführungsbeispielen kein flüssiger Stickstoff aus der Niederdrucksäule 6 in die Hochdrucksäule gepumpt. Vielmehr wird das gesamte Stickstoffprodukt der Niederdrucksäule 6 über Leitung 41/42 direkt gasförmig entnommen und im Warmen in einem weiteren Stickstoffverdichter 129 auf Hochdrucksäulendruck gebracht. Es kann dann dem Produkt aus der Hochdrucksäule 28 zugemischt oder separat über Leitung 43 abgezogen werden.


Ansprüche

1. Verfahren zur Gewinnung von Druckstickstoff durch Tieftemperaturzerlegung von Luft in einem Destillationssäulen-System, das eine Hochdrucksäule (4), eine Niederdrucksäule (6) sowie einen Hauptkondensator (5) und einen Niederdrucksäulen-Kopfkondensator (7) aufweist, die beide als Kondensator-Verdampfer ausgebildet sind, wobei

- verdichtete und gereinigte Einsatzluft (1) in einem Hauptwärmetauscher (2) abgekühlt und mindestens zum größten Teil gasförmig in die Hochdrucksäule (4) eingeleitet (3) wird,

- ein sauerstoffangereicherter Flüssigstrom (11, 13) aus der Hochdrucksäule (4) entnommen und in die Niederdrucksäule eingeleitet wird und

- ein gasförmiger Stickstoffstrom (17, 26A, 26B, 27) aus der Hochdrucksäule (4) entnommen, im Hauptwärmetauscher (2) angewärmt und als gasförmiges Druckstickstoffprodukt (28, 31) abgezogen wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

- der Verdampfungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators (7) als Forced-Flow-Verdampfer ausgebildet ist,

- die Hochdrucksäule (4) einen Sperrbodenabschnitt (8) aufweist, der unmittelbar oberhalb der Stelle angeordnet ist, an der die Einsatzluft (3) eingeleitet wird, und ein bis fünf theoretische beziehungsweise praktische Böden aufweist,

- der sauerstoffangereicherte Flüssigstrom (11), der in die Niederdrucksäule (6) eingeleitet wird, oberhalb des Sperrbodenabschnitts (8) aus der Hochdrucksäule (4) entnommen wird,

- unterhalb der Sperrbodenabschnitts (8) ein Spülstrom (9A) entnommen und aus dem Destillationssäulen-System entfernt (9B) wird und

- der gasförmige Stickstoffstrom (26A, 26B) vor seiner Anwärmung im Hauptwärmetauscher (2) in einem Unterkühlungs-Gegenströmer (12) in indirektem Wärmeaustausch mit dem sauerstoffangereicherten Flüssigstrom (11) aus der Hochdrucksäule (4) angewärmt und damit der Anteil der Luft, die flüssig in die Hochdrucksäule geleitet wird, reduziert wird.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die verdichtete, gereinigte und abgekühlte Einsatzluft (1) vollständig gasförmig in die Hochdrucksäule (4) eingeleitet (3) wird und insbesondere um mindestens 0,1 K oder mindestens 0,2 K überhitzt ist.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass

- der Niederdrucksäule (6) eine sauerstoffreiche Flüssigkeit (15, 16) entnommen und dem Verdampfungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators (7) zugeleitet wird,

- das im Verdampfungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators (7) erzeugte Gas als Restgas (32, 33) in dem Hauptwärmetauscher (2) auf eine Zwischentemperatur angewärmt und anschließend (34) in einer Restgasturbine (35) arbeitsleistend entspannt wird und

- das arbeitsleistend entspannte Restgas (38, 40) wieder in den Hauptwärmetauscher (2) eingeführt und auf etwa Umgebungstemperatur angewärmt wird.


 
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Restgasturbine (35) von einem Generator (36) gebremst wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Restgasturbine (35) von einem Verdichter (236) gebremst wird, der auf etwa Umgebungstemperatur angewärmtes entspanntes Restgas (39, 339) verdichtet, wobei der Verdichter insbesondere im Warmen betrieben wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass auch der Verdampfungsraum des Hauptkondensators (5) als Forced-Flow-Verdampfer ausgebildet ist.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass ein Flüssigstickstoffstrom (22) aus der Niederdrucksäule (6) oder aus dem Verflüssigungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators (7) abgezogen und mittels einer Pumpe (23) in die Hochdrucksäule (4) eingeführt wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass ein gasförmiger Stickstoffstrom (41) aus der Niederdrucksäule (6) abgezogen und als gasförmiges Druckstickstoffprodukt (PGAN, Seal) gewonnen wird.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass ein Flüssigstickstoffstrom (22) aus der Niederdrucksäule (6) entnommen, in dem Unterkühlungs-Gegenströmer (12) angewärmt und als Flüssigstickstoffprodukt (125C, LIN) abgezogen wird.
 
10. Vorrichtung zur Gewinnung von Druckstickstoff durch Tieftemperaturzerlegung von Luft mit einem Destillationssäulen-System, das eine Hochdrucksäule (4), eine Niederdrucksäule (6) sowie einen Hauptkondensator (5) und einen Niederdrucksäulen-Kopfkondensator (7) aufweist, die beide als Kondensator-Verdampfer ausgebildet sind,

- mit einem Hauptwärmetauscher (2) zum Abkühlen verdichteter und gereinigter Einsatzluft (1) und mit Mitteln (3) zum Einleiten im Hauptwärmetauscher (2) abgekühlter Einsatzluft in Gasform in die Hochdrucksäule (4),

- mit Mitteln zum Entnehmen eines sauerstoffangereicherten Flüssigstroms (11, 13) aus der Hochdrucksäule (4) und zum Einleiten des sauerstoffangereicherten Flüssigstroms (11, 13) in die Niederdrucksäule und

- mit einer Produktleitung zum Entnehmen eines gasförmigen Stickstoffstroms (17, 26A, 26B, 27) aus der Hochdrucksäule (4) zum Anwärmen des gasförmigen Stickstoffstroms (17, 26A, 26B, 27) im Hauptwärmetauscher (2) und zum Abziehen des angewärmten gasförmigen Stickstoffstroms (17, 26A, 26B, 27) als gasförmiges Druckstickstoffprodukt (28, 31),

dadurch gekennzeichnet, dass

- der Verdampfungsraum des Niederdrucksäulen-Kopfkondensators (7) als Forced-Flow-Verdampfer ausgebildet ist,

- die Hochdrucksäule (4) einen Sperrbodenabschnitt (8) aufweist, der unmittelbar oberhalb der Stelle angeordnet ist, an der die Einsatzluft (3) eingeleitet wird, und ein bis fünf theoretische beziehungsweise praktische Böden aufweist und

- die Mittel zum Entnehmen eines sauerstoffangereicherten Flüssigstroms (11, 13) aus der Hochdrucksäule (4) oberhalb des Sperrbodenabschnitts (8) mit der Hochdrucksäule (4) verbunden sind,

wobei die Vorrichtung ferner

- eine Spülleitung zum Entnehmen eines Spülstrom (9A) aus der Hochdrucksäule (4) und zum Entfernen (9B) des Spülstroms aus dem Destillationssäulen-System, wobei die Spülleitung unterhalb des Sperrbodenabschnitts (8) mit der Hochdrucksäule (4) verbunden ist und

- einen Unterkühlungs-Gegenströmer (12) zum Anwärmen des gasförmigen Stickstoffstroms (26A, 26B) vor seiner Anwärmung im Hauptwärmetauscher (2) in indirektem Wärmeaustausch mit dem sauerstoffangereicherten Flüssigstrom (11) aus der Hochdrucksäule (4)

aufweist.
 




Zeichnung



















Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente