[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft einen Zellstoff, der zur Herstellung einer Lyocellfaser
mit einstellbarem Weißgrad geeignet ist, sowie die korrespondierende Faser und Produkte,
die eine derartige Faser enthalten.
Stand der Technik
[0002] Lyocellfasern werden in einer Vielzahl an Anwendungen verwendet. Dabei wird häufig
aufgereinigte Cellulose als Rohstoff verwendet, mit einem sehr geringen Anteil an
von Cellulose verschiedenen Bestandteilen. Allerdings wurden in den vergangenen Jahren
Anstrengungen unternommen, um die Rohstoffbasis für Lyocellprodukte zu verbreitern,
durch den Einsatz von Cellulosen mit einem erhöhten Anteil an Lignin und/oder Hemicellulosen.
So offenbaren beispielsweise die JPH10158925 die Zumischung von Hemicellulose zur
Erzeugung einer Lyocellfaser, die
US2009324926 die Verwendung von Hemicellulose im Rahmen einer Filterherstellung, die
US2003186055 eine Faserherstellung mit dem Zusatz von Hemicellulose und die
EP2929071 die Herstellung eines cellulosischen Formkörpers nach dem Viskoseverfahren durch
Zugabe von Xylan zu Cellulosexanthogenat.
[0003] US 6514613 offenbart die Herstellung eines cellulosischen Formkörpers aus einem hemireichen
(>7%) Zellstoff.
US6440523 aus der gleichen Patentfamilie beansprucht die Herstellung einer Lyocell Faser aus
diesem hemireichen Zellstoff. In allen Fällen soll durch die Verwendung der Hemicellulosen
erreicht werden, dass auf den Einsatz hochaufgereinigter Cellulose verzichtet werden
kann, ohne dass dabei wesentliche Eigenschaften zu stark komprimitiert werden.
[0004] Unter Hemizellulosen versteht man im Allgemeinen im Holz vorliegend als kurzkettige
Polymere aus C5 und/oder C6-Zuckern. Im Gegensatz zu Zellulose weisen sie Seitengruppen
auf und können daher nur in viel geringerem Ausmaß Kristalle bilden. Ihre Grundbausteine
sind Mannose, Xylose, Glucose, Rhamnose, Galactose. Die Seitengruppen bestehen vorzugsweise
aus Arabinosegruppen, Acetylgruppen und Galactoseresten sowie O-Acetylgruppen und
4-O-Methylglucuronsäureseitengruppen. Es ist bekannt, dass sich Mannane vorzugsweise
mit Zellulose assoziiert finden, während Xylane eher mit Lignin assoziieren. Zusammengefasst
haben die Hemizellulosen einen großen Einfluss auf die Hydrophylie, sowie die Zugänglichkeit
und Abbaubarkeit des Zellulose-Ligninverbundes. Die Zusammensetzung der Hemicellulosen
ist je nach verwendeter Holzart stark unterschiedlich. Im Laufe des Verarbeitungsprozesses
werden Seitenketten zum Teil abgetrennt und die Polymerketten aufgespalten. Im Rahmen
dieser Erfindung umfasst die Bezeichnung Hemizellulosen solche in ihrer nativen Struktur
wie auch solche, die durch ihre Verarbeitung verändert wurden und ebenfalls solche,
die durch gezielte chemische Modifikation für den jeweiligen Verwendungszweck eingestellt
wurden.
Problemstellung
[0005] Fasern, welche nach dem Lyocellverfahren hergestellt wurden, werden in verschiedensten
Anwendungen eingesetzt. Für viele dieser Anwendungen ist es wünschenswert, wenn man
den Weißgrad der Faser einfach einstellen könnte. Der Einsatz an färbenden Additiven
scheitert bei der Faserherstellung häufig schon daran, dass dadurch die komplexe Prozesschemie
bei der Lyocellfaserherstellung nicht länger kontinuierlich stabil gehalten werden
kann. Die Anfärbung einer Lyocellfaser nach deren Herstellung zur Farbanpassung ist
wiederum nachteilig, da damit zusätzliche Prozessschritte und Kosten verbunden sind,
gleichzeitig kann insbesondere eine feine Farbabstimmung problematisch sein. Weiterhin
wäre es bei vielen Anwendungen von Lyocellfasern sinnvoll, wenn thermische Belastungen
aufgezeichnet und visualisiert werden könnten.
Kurze Beschreibung der Erfindung
[0006] Die vorliegende Erfindung löst diese Probleme mit der Bereitstellung eines spezifisch
adaptierten Zellstoffs, einer daraus hergestellten Faser sowie weiterer in den Ansprüchen
und der nachfolgenden Beschreibung angegebenen Aspekten.
[0007] Insbesondere stellt die vorliegende Erfindung die folgenden Aspekte zur Verfügung,
sowie die in den Unteransprüchen als auch der Beschreibung angeführten bevorzugten
Ausführungsformen.
- 1. Verwendung eines Zellstoffs mit einem Hemicelulosegehalt von mindestens 5 Gew.-%,
wobei der Hemicelluloseanteil mindestens 5% Mannan/Mannose enthält, zur Herstellung
einer Lyocellfaser mit thermochromen Eigenschaften.
- 2. Verwendung nach Ausführungsform 1 , wobei der Anteil an Hemicellulosen 7 Gew.-%
oder mehr beträgt, bevorzugt 10 Gew.-% oder mehr.
- 3. Verwendung nach mindestens einer der vorstehenden Ausführungsformen, wobei die
im Zellstoff vorliegenden Hemizellulosen in nativem Zustand vorliegen, durch Verarbeitungsprozesse
chemisch verändert oder in einem separaten Prozessschritt chemisch modifiziert bzw.
funktionalisiert und anschließend eingemischt wurden.
- 4. Verwendung nach einer der vorstehenden Ausführungsformen, wobei der Zellstoff dadurch
gekennzeichnet ist, dass das Verhältnis der in der Hemicellulose enthaltenen C5/Xylan
- zur - C6/Mannan Fraktion (C5/C6-Verhältnis) im Bereich von 125:1 bis 1:3 liegt.
- 5. Verwendung nach Ausführungsform 4, wobei das C5/C6-Verhältnis im Bereich von 25:1
bis 1:2 liegt, bevorzugt im Bereich von 1,4:1 bis 1:2 oder im Bereich von 25:1 bis
2:1.
- 6. Lyocellfaser, erhalten aus einem Zellstoff und/oder Zellstoffgemisch nach mindestens
einer der Ausführungsformen 1 bis 5.
- 7. Lyocellfaser nach Ausführungsform 6, wobei die Faser eine Stapelfaser ist.
- 8. Lyocellfaser nach mindestens einer der Ausführungsformen 6 und 7, wobei die Faser
nach Exposition von 195°C für weniger als 1 Minute, bevorzugt 45 Sekunden, eine Reduktion
des Weißgrads von 5% oder mehr im Vergleich mit einer Lyocellfaser mit einem Hemicellulosegehalt
von 5 Gew.-% oder weniger zeigt.
- 9. Produkt, umfassend eine Faser nach mindestens einer der Ausführungsformen 6 bis
8.
- 10. Produkt nach Ausführungsform 9, ausgewählt unter Vließstoffen (nonwoven Fabrics)
und anderen textilen Stoffen.
- 11. Produkt nach Ausführungsform 9 und/oder 10, wobei die Lyocellfaser nach einem
der Ansprüche 6 bis 8 mit mindestens einer anderen Faser vermischt vorliegt.
- 12. Verwendung einer Faser nach einer der Ausführungsformen 6 bis 8 oder eines Produkts
nach einer der Ausführungsformen 9 bis 12 als thermischer Indikator.
- 13. Verwendung einer Faser nach einer der Ausführungsformen 6 bis 8 oder eines Produkts
nach einer der Ausführungsformen 9 bis 12 zur Herstellung eines Produkts mit einer
dauerhaften Farbnuancenanpassung der Farbe der erfindungsgemäßen Lyocellfaser.
- 14. Verwendung einer Zusammensetzung umfassend Mannan/Mannose und Xylan/Xylose, wobei
diese Komponenten in einem Gewichstverhältnis von 1:10 bis 10.1 vorliegen, zur Bereitstellung
einer Lyocellfaser mit einem thermisch induzierbaren Indikatorsystem zum Nachweis
thermischer Belastungen und/oder zur Anpassung des Weißgrades
- 15. Verfahren zur Herstellung eines Zellstoffes und/oder Zellstoffgemisches, das eine
charakteristische Veränderung des Weisswertes bei einer Referenzexposition (195 Grad,
[0008] Expositionszeit 45 Sekunden) zeigt, umfassend die folgenden Schritte:
- a) Feststellen der Hemicellulosezusammensetzung eines Rohstoffes oder eines Zellstoffes,
- b) Ermitteln der dadurch entstehenden Weisswertabweichung von der gewünschten Weisswertabweichung
aufgrund von Erfahrungswerten und/oder einer Referenzdatenbank und/oder durch direkte
Messung,
- c) Wenn der Datenbankwert und/oder der aktuelle Messwert eine Abweichung von der gewünschten
Weisswertabweichung zeigt, Einmischung mindestens eines zweiten Stoffs, ausgewählt
unter Hemicellulosen und Mischungen daraus, von welchem ebenfalls die Schritte a)
und b) durchlaufen wurden und/oder eine Referenzmessung der resultierenden Mischung
gemacht wird, bis sich die gewünschte Weisswertabweichung durch Messung zeigt und/oder
durch Datenbankinterpretation zu erwarten ist,
- d) Optionale Ergänzung der Referenzdatenbank durch die Messwerte des Schritts c).
Kurze Beschreibung der Figur
[0009] Figur 1 zeigt Weißgrade für unterschiedliche Fasertypen nach thermischer Belastung
und/oder Wäsche bzw. Bleichbehandlung für die in Beispiel 1 hergestellten und getesteten
textilen Flächen aus den erfundenen Fasern.
Detaillierte Beschreibung der Erfindung
[0010] Überraschend wurde gefunden, dass ein Zellstoff als Ausgangsmaterial zur Herstellung
von Lyocellfasern mit einem spezifischen Gehalt an und einer spezifischen Zusammensetzung
an Hemicellulosen geeignet ist, die eingangs gestellten Aufgaben zu lösen.
[0011] Hemizellulose im Sinne der vorliegenden Erfindung sind im Holz vorliegende Komponenten
in Form kurzkettiger Polymere aus C5 und/oder C6-Zuckern. Im Gegensatz zu Zellulose
weisen sie Seitengruppen auf und können daher nur in viel geringerem Ausmaß Kristalle
bilden. Ihre Grundbausteine sind Mannose, Xylose, Glucose, Rhamnose, Galactose. Die
Seitengruppen bestehen vorzugsweise aus Arabinosegruppen, Acetylgruppen und Galactoseresten
sowie O-Acetylgruppen und 4-O-Methylglucuronsäureseitengruppen. Es ist bekannt, dass
sich Mannane vorzugsweise mit Zellulose assoziiert finden, während Xylane eher mit
Lignin assoziieren. Die Zusammensetzung der Hemicellulosen ist je nach verwendeter
Holzart stark unterschiedlich. Im Laufe des Verarbeitungsprozesses bei der Herstellung
von Zellstoff werden Seitenketten zum Teil abgetrennt und die Polymerketten aufgespalten.
Im Rahmen dieser Erfindung umfasst die Bezeichnung Hemizellulosen solche in ihrer
nativen Struktur wie auch solche, die durch ihre Verarbeitung verändert wurden und
ebenfalls solche, die durch gezielte chemische Modifikation für den jeweiligen Verwendungszweck
eingestellt wurden. Ebenfalls umfasst sind auch kurzkettige Zellulosen und andere
Polyosen mit einem DP von bis zu 500.
[0012] Es hat sich gezeigt, dass der gezielte Einsatz der Hemicellulosen, also der Summe
an unterschiedlichen Poly-, Oligo-, Di- oder auch Monosacchariden, die im Holzrohstoff
natürlich vorkommen, in Lyocellfasern die Möglichkeit eröffnen, entweder durch Konditionierung
den Weißgrad individuell anzupassen, oder aber ein thermisches Indikatorsystem in
der Faser zur Verfügung zu stellen, das in reproduzierbarer Weise thermische Belastungen
aufzeichnen kann.
[0013] Dabei macht sich die Erfindung die Möglichkeit zu Eigen, dass die vorliegende Erfindung
die technische Lehre bereitstellt, da die meisten der in Hemicellulosen enthaltenen
Zuckerverbindungen auf eine thermische Belastung mit einem Bildungsprozess von Chromophoren
(
Thomas Rosenau et al., Isolation and identification of residual chromophores incellulosic
materials, 2004) reagieren. Dies führt erfindungsgemäß zu einer Farbverschiebung bzw. Verfärbung
'weg von weiss' und bevorzugt zu den entsprechenden gelb-braun Nuancen im Übergang
zu schwarz, also grundlegenden Vergilbungsprozessen. Dadurch kann insbesondere eine
gezielte und einfache Farbanpassung an die Farbnuancen anderer Fasern, insbesondere
Naturfasern erreicht werden. Einmal eingetretene Bildungen von Chromophoren sind für
übliche Faseranwendungen ausreichend stabil, da sie sich auch bei Behandlungen wie
kurze Spülvorgänge, Handwäschen und auch Haushalts üblichen Waschvorgängen etc. nicht
mehr verändern. Es hat sich gezeigt, dass lediglich mit starken industriellen Wasch-
und/oder Bleichprozessen, welche aber ggf. noch weitere Auswirkungen auf die Faser
haben -Abnahme der Fasereigenschaften z.B. Festigkeiten - derartige Verfärbungen entfernt
werden können. Im Rahmen einer üblichen Faser- oder Textilproduktanwendung ist dagegen
die Verfärbung im Rahmen dieser Betrachtungen als irreversibel zu sehen.
[0014] Da der Einsatz dieser Hemicellulosen auch keine unüberwindbaren Probleme im Lyocell-Faserspinnprozess
hervorruft, kann erfindungsgemäß eine neue und überraschende Funktionalität für Lyocellprodukte
bereitgestellt werden, die sich einfach und zuverlässig im Rahmen des Spinnprozesses
realisieren lässt.
[0015] Andererseits erlaubt diese Erkenntnis auch den Einsatz des erfindungsgemäß zu verwendenden
Zellstoffs im Rahmen von Faser internen Indikatorsystemen zur Feststellung oder Überwachung
thermischer Belastungen. Dadurch, dass die im Rahmen der vorliegenden Erfindung gezielt
zugesetzten oder zumindest nicht entfernten Hemicellulosen bei thermischer Belastung
mit der Bildung von Chromophoren reagieren, kann ein in gewissem Maß irreversibles
thermochromes (weitgehend fälschungssicheres) Indikationssystem bereitgestellt werden,
das auf der Verfärbung von Zusatzbestandteilen basiert, welche in einem Faserherstellungsverfahren
einer Lyocellfaser über die Spinnmasse mitgegeben werden. Das Indikationssystem kann,
wenn gewünscht, nach bestimmten Produktionsschritten wieder entfernt werden.
[0016] Die erfindungsgemäß einzusetzenden Hemicellulosen und die daraus enstehenden Chromophore
sind in Standard-Lyocellfasern in nur sehr niedrigen Konzentrationen vorhanden, so
dass der erfindungsgemäße Effekt bislang unerkannt blieb, da er nur bei spezifischen
thermischen Behandlungen auftritt. Erfindungsgemäß wird durch die Einführung von zusätzlichen
Hemicellulosen das potentielle Spektrum an Chromophoren deutlich erweitert. Bei einer
thermischen Behandlung ab 170°C werden diese aus den zugesetzten Polysacchariden gebildet
und führen dadurch zu einer deutlichen Weissgradveränderung.
[0017] Durch geeignete Kombination der beteiligen Hemicellulosen im Zellstoff lassen sich
sowohl die Start- und Endtemperatur des Verfärbungsprozessfensters steuern, als auch
die für eine definierte Farbveränderung relevante Expositionsdauer. Bei gegebener
O
2 Konzentration um die Faser herum sind diese Werte genau reproduzierbar und insbesondere
in Bezug auf den Lebensdauerzeithorizont einer zu einem Textil verarbeiteten Faser
auch langzeitstabil. Diese Langzeitstabilität passt gut zu einer in Europa typischen
Garantiezeit von 2 Jahren. D.h. es lässt sich einerseits eine Farbanpassung mit der
ausreichenden Stabilität realisieren (bei Mischungen unterschiedlicher Fasern oder
bei einer gezielten Farbnuancenanpassung einer Lyocellfaser allein), andererseits
kann so relativ einfach eine thermische Falschbehandlung eines Textilproduktes innerhalb
der Garantiezeit belegt werden (z.B. zu heiss behandelt).
[0018] Ein Messverfahren zur Feststellung dieser Farbveränderung ist die Feststellung der
Weisswertabweichung. Dies ist aber nur ein exemplarisches Messverfahren, da die erfindungsgemässe
charakteristische Farbveränderung auch durch andere beliebige Messverfahren festgestellt
und in ein (Prüf)Verfahren einbezogen werden kann.
[0019] Im Gegensatz zu elektronikfreien Visualisierungssystemen, welche das Überschreiten
einer bestimmten Temperatur signalisieren, kann im Rahmen der vorliegenden Erfindung
ab einer bestimmten Temperatur auch die Expositionszeit miterfasst werden. Dies hat
den Vorteil, dass dadurch ein Mass für die 'Schlechtbehandlung' über die Messung mitberücksichtigt
wird: Wenn sehr viel 'zu heiss' behandelt wird (also am oberen Ende des Temperaturfensters
oder gar darüber), reicht eine sehr kurze Expositionszeit für eine relevante Farbveränderung.
Bei einer Exposition an der Untergrenze des thermischen Reaktionsbereiches muss eine
Exposition bereits lange oder sehr lange andauern. Die Nichtlinearität dieses Mechanismus
kann dahingehend genutzt werden, dass z.B. mehrere Fasern mit unterschiedlichen Farbveränderungstemperaturfenstern
zu einem Garn verwoben werden. Wenn dabei einzelne Fasern bereits bei relativ tiefen
Temperaturen eine Farbveränderung erleben, und andere wiederum erst bei wirklich überhöhten
Temperaturen überhaupt zu reagieren beginnen, kann ein Temperatur sensitives Indikatorsystem
für ein sehr breites Temperaturspektrum erzeugt werden. Ein solches Garn kann somit
indirekt auch die thermischen Einwirkungen kumulieren, ähnlich einem Dosimeter bei
ionisierender oder radioaktiver Strahlung.
[0020] Die erfindungsgemässe Faser oder ein daraus resultierendes Mischprodukt aus mehreren
Fasertypen kann durch die erfindungsgemässe Konditionierung des thermochromen Verhaltens
derart aufgebaut werden, dass sich die Farbveränderung bei einer gegebenen Einwirktemperatur
über Sekunden, Minuten oder gar Stunden hinzieht.
[0021] Dadurch, dass diese thermochromen Hilfsstoffe durch den Lyocellprocess in die Faser
eingebettet wurden, und nicht etwa nur oberflächlich aufgetragen wurden sind sie 'tamper
proof', das heisst relativ gut gegenüber Umgehungsversuchen und Fälschungsanstrengungen
gesichert.
[0022] Die Auswaschbarkeit der eingebetteten Hemicellulose (z.B. nach bestimmten Arbeitsschritten)
erlaubt eine Produktionsüberwachung auf zu hohe Temperatureinwirkungen ohne, dass
diese Indikation im Endprodukt permanent verbleibt.
[0023] Der erfindungsgemäße Zellstoff zeichnet sich dadurch aus, dass er einen Anteil von
5 Gew.-% oder mehr an Hemicellulosen enthält, wobei der Anteil an Mannan/Mannose in
der Hemicellulose mindestens 5% beträgt. Bevorzugt beträgt der Anteil an Mannan/Mannose
in der Hemicellulose 7% oder mehr, stärker bevorzugt 10%. Der Hemicelluloseanteil
beträgt bevorzugt 7 Gew.-% oder mehr, stärker bevorzugt 10 Gew.-% oder mehr. Es hat
sich gezeigt, dass beide Bedingungen für den Erfolg der vorliegenden Erfindung wesentlich
sind, da bei geringem Hemicellulosegehalt selbst ein ausreichend hoher Anteil an Mannan/Mannose
in der Hemicellulose nicht ausreichend ist, um die erfindungsgemäßen Effekte hervorzurufen.
In Ausführungsformen enthält der erfindungsgemäße Zellstoff mehr als 14 Gew.-% Hemicellulosen,
bevorzugt mit einem Verhältnis von Xylan zu Mannan (Gew.-% / Gew.-%) von mehr als
1,5, bevorzugt mehr als 1,6, stärker bevorzugt von mehr als 2. In anderen Ausführungsformen
beträgt dieses Verhältnis weniger als 1,5, bevorzugt weniger als 1,4 und in Ausführungsformen
weniger als 1,3.
[0024] Die hier verwendeten Zellstoffe, die bevorzugt im Rahmen der vorliegenden Erfindung
eingesetzt werden, zeigen, wie bereits ausgeführt, einen relativ hohen Gehalt an Hemizellulosen
mit der hier definierten Zusammensetzung. Im Vergleich mit Standardzellstoffen mit
geringen Hemizellulosengehalt, verwendet insbesondere im Stand der Technik für die
Herstellung von Standard Lyocellfasern, zeigen die bevorzugt im Rahmen der vorliegenden
Erfindung eingesetzten Zellstoffe auch noch weitere Unterschiede, die nachfolgend
aufgeführt sind.
[0025] Im Vergleich mit Standardzellstoffen zeigen die bevorzugt im Rahmen der vorliegenden
Erfindung eingesetzten Zellstoffe eine eher fluffig Anschauung. Dies resultiert nach
der Vermahlung (während der Herstellung von Startmaterialien für die Herstellung von
Spinnlösungen für den Lyocellprozess) in einer Partikelgrößenverteilung mit einem
hohen Anteil an größeren Partikeln. Resultierend daraus ist die Schüttdichte viel
geringer, im Vergleich mit Standardzellstoffen mit einem geringen Hemizellulosengehalt.
Eine derart niedrige Schüttdichte erfordert Adaptionen im Hinblick auf Dosierungsparameter
(z.B. Dosierung unter Verwendung von mindestens zwei Vorratsbehältern) bei der Herstellung
der Spinnlösungen. Zusätzlich zeigen die im Rahmen der vorliegenden Erfindung vorzugsweise
eingesetzten Zellstoffe ein Imprägnierungsverhalten gegenüber NMMO, das im Vergleich
mit Standardzellstoffen zeigt, dass hier die Imprägnierung schwieriger ist. Dies kann
überprüft werden durch die Evaluierung des Imprägnierungsverhaltens mit der Cobb-Evaluierung.
Während Standardzellstoffe typischerweise einen Cobb-Wert von mehr als 2,8 g/g zeigen
(bestimmt in Übereinstimmung mit DIN EN ISO 535 mit Adaptionen im Hinblick auf die
Verwendung einer wässrigen Lösung von 78% NMMO bei 75°C mit einer Imprägnierungszeit
von zwei Minuten) zeigen die vorzugsweise im Rahmen der vorliegenden Erfindung eingesetzten
Zellstoffe Cobb-Werte von etwa 2,3 g/g. Dies erfordert Adaptionen während der Herstellung
von Spinnlösungen, wie erhöhte Lösungszeit (z.B. erläutert in
WO 94/28214 und
WO 96/33934) und/oder Temperaturanpassung und/oder erhöhte Scherung während der Auflösung (z.B.
WO 96/33221,
WO 98/05702 und
WO 94/8217). Dies ermöglicht die Herstellung von Spinnlösungen die es ermöglichen, die hier
beschriebenen Zellstoffe in einem Standardlyocellverfahren einzusetzen).
[0026] In einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung zeigt der Zellstoff,
verwendet für die Herstellung von Lyocellprodukten, vorzugsweise Fasern, wie hier
beschrieben, eine SCAN-Viskosität im Bereich von 300 bis 440 ml/g, insbesondere 320
bis 420 ml/g, stärker bevorzugt 320 bis 400 ml/g. Die SCAN-Viskosität wird in Übereinstimmung
mit SCAN-CM 15:99 bestimmt, unter Verwendung einer Cupriethylendiaminlösung, einer
Methode die dem Fachmann bekannt ist und die mit kommerziell erhältlichen Vorrichtungen
durchgeführt werden kann, wie mit der Vorrichtung Auto PulplVA PSLRheotek, erhältlich
von der Firma PSL-Reotek. Die SCAN-Viskosität ist ein wichtiger Parameter der insbesondere
die Verarbeitung der Zellstoffe bei der Herstellung von Spinnlösungen beeinflusst.
Selbst wenn zwei Zellstoffe eine große Übereinstimmung im Hinblick auf ihre Zusammensetzung
etc. zeigen, führen unterschiedliche SCAN-Viskositäten zu einem vollständig verschiedenen
Verhalten während der Verarbeitung. In einem direkten Lösungsspinnverfahren, wie dem
Lyocellverfahren wird der Zellstoff in NMMO als solches aufgelöst. Es existiert kein
Reifungsschritt, vergleichbar beispielsweise mit dem Viskoseverfahren, wo der Polymerisationsgrad
der Zellulose an die Bedürfnisse des Verfahrens angepasst werden kann. Daher sind
die Spezifikationen für die Viskosität eines Rohzellstoffes typischerweise für den
Lyocellprozess in einem kleinen Zielfenster. Ansonsten können Probleme während der
Produktion auftreten. In Übereinstimmung mit der vorliegenden Erfindung wurde gefunden,
dass die Zellstoffviskosität vorzugsweise wie zuvor beschrieben ist. Geringere Viskositäten
führen zu einer Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften der Lyocellprodukte.
Höhere Viskositäten können insbesondere zu einer erhöhten Viskosität der Spinnlösung
führen, so dass das Spinnen insgesamt langsamer wird. Mit geringeren Spinngeschwindigkeiten
werden auch geringere Zugverhältnisse erhalten, was erneut einen signifikanten Einfluss
auf die Faserstruktur und die Fasereigenschaften haben kann (
Cabohydrate Polymers 2018, 181, 893-901). Dies würde Verfahrensadaptionen erfordern, die zu einer Kapazitätsverringerung
führen würden. Die Verwendung von Zellstoffen mit den hier definierten Viskositäten
ermöglicht dem gegenüber eine einfache Verarbeitung und die Herstellung von Produkten
hoher Qualität.
[0027] Der Ausdruck "Lyocellprozess", bzw. die Ausdrücke "Lyocelltechnologie" und "Lyocellverfahren",
sowie sie hier verwendet werden, benennen einen Direktlösungsprozess von Holzcellulosezellstoff
oder anderen Zellulose basierten Ausgangsmaterialien in einem polaren Lösungsmittel
(z.B. N-Methylmorpholin-n-oxid (NMMO, NMO) oder ionischen Flüssigkeiten). Kommerziell
wird diese Technologie verwendet um eine Gruppe an Cellulosestapelfasern herzustellen,
kommerziell erhältlich von der Lenzing AG, Lenzing, Österreich unter der Marke TENCEL®
oder TENCEL™), die weit verbreitet in der Textilindustrie oder der Nonwoven-Industry
verwendet werden. Andere Zelluloseformkörper erhalten durch die Lyocelltechnologie
wurden auch bereits hergestellt. In Übereinstimmung mit diesem Verfahren wird die
Zelluloselösung üblicherweise in einem sogenannten dry-wet-spinning-Verfahren extrudiert,
unter Verwendung eines Formungswerkzeugs und die geformte Lösung erreicht z.B. nach
dem Passieren eines Air-Gaps in ein Fällbad, wo der geformte Körper erhalten wird
durch das Ausfällen der Cellulose. Der Formkörper wird gewaschen und optional getrocknet,
nach weiteren Behandlungsschritten. Ein Verfahren für die Herstellung von Lyocellfasern
ist z.B. beschrieben in
US 4246221,
WO 93/19230,
WO 95/02082 oder
WO 97/38153. Soweit die vorliegende Erfindung die Nachteile des Standes der Technik diskutiert,
und auf die einzigartigen Eigenschaften der neuen Produkte, hier offenbart und beansprucht,
insbesondere im Kontext des Einsatzes von Laborausrüstungen (insbesondere im Stand
der Technik) oder im Zusammenhang von (semi-kommerziellen) Pilotanlagen und kommerziellen
Faserspinneinheiten ist die vorliegende Erfindung so zu verstehen, dass sie auf Einheiten
verweist, die im Hinblick auf ihre respektiven Produktionskapazitäten wie folgt definiert
werden können:
Semi-kommerzielle Pilotanlage: etwa 1 kt/a
Kommerzielle Einheit größer 30 kt/a
[0028] Mit einem üblichen Lyocell-Spinnverfahren kann aus diesem Zellstoff eine Lyocellfaser
erhalten werden, wobei der Gehalt an Hemicellulose und der Anteil an Mannan/Mannose
sowie das Verhältnis C6/C5 im Wesentlichen unverändert bleibt. So können Fasern erhalten
werden, die einerseits durch gezielte Konditionierung eine gewünschte Farbnuancenanpassung
erreichen, andererseits Fasern erhalten werden, die als interne Indikatoren für thermische
Belastungen in Faseranwendungen oder als Herkunftsnachweis (durch gezielten Abruf
der Verfärbung bei thermischer Belastung) dienen können.
[0029] Die im Rahmen der vorliegenden Erfindung bereitgestellten Fasern weisen vorzugsweise
einen wie folgt definierten einstellbaren Weißgrad auf: Die Faser zeigt nach einer
Exposition von 195°C für weniger als 1 Minute, bevorzugt 45 Sekunden, eine Reduktion
des Weißgrads von 5% oder mehr, vorzugsweise 10% oder mehr, wie beispielsweise 20%
oder mehr, im Vergleich mit einer Lyocellfaser mit einem Hemicellulosegehalt von weniger
als 5 Gew.-%.
Ausführungsformen
[0030] In einer bevorzugten Ausführungsform wird ein Zellstoff bereit gestellt, welcher
Hemicellulosen in entsprechend abgestimmter Zusammensetzung in einer Menge im Bereich
von 5 bis 25 Gew.-%, in Ausführungsformen 7 bis 25 Gew.-% enthält. Dieser maßgeschneiderte
Zellstoff wird anschliessend im Rahmen eines Lyocellverfahrens zu Spinnmasse verarbeitet,
so dass daraus die erfindungsgemässe Faser produziert werden kann.
[0031] Die nachfolgenden spezifischen Ausführungsformen zeigen exemplarische Produkte und
Einsatzmöglichkeiten der erfindungsgemäßen Technologie.
[0032] In einer bevorzugten Ausführungsform wird die erfindungsgemässe Faser als Stapelfaser
zu einem Garn und weiter zu einem textilen Produkt verarbeitet. Dies hat die Eigenschaft,
dass (insbesondere für unberechtigte Garantieforderungen) zum Beispiel ein relativ
einfacher Nachweis eines zu heissen Bügelns erbracht werden kann. Dieser 'Schlechtbehandlungsnachweis'
kann zusätzlich durch die Kombination von Fasern mit Heimcellulose und Fasern ohne
Hemicellulosen im selben Garn verbessert werden: Unter dem Mikroskop ist die Farbveränderung
einzelner Fasern des Garn leicht ersichtlich und durch die Tatsache, dass nur eine
selektive Verfärbung stattgefunden hat, lassen sich andere Farbveränderungsprozesse
(Ausbleichen, Verfärben, usw.) ausschliessen.
[0033] In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform wird aus dem beschriebenen Zellstoff
mittels Lyocellverfahren entweder direkt aus der Spinnmasse oder über einen Stapelfaserprozess
und weitere dem Experten bekannte Verarbeitungsschritte ein Nonwoven hergestellt,
das die mit dem Lyocellprozess inkorporierte Begleitstoffe enthält. Ein derartiges
Produkt kann z.B. für ein Filtersystem verwendet werden, das optisch durch Verfärbung
anzeigt, wenn es oberhalb seines vorgesehenen Betriebstemperaturbereichs benutzt wurde.
[0034] In einer weiteren Ausführungsform wird aus der erfindungsgemässen Faser erneut ein
Nonwoven und daraus ein Filter hergestellt. Dieser Filter wird zur Formgebung plissiert
und thermisch stabilisiert. Der thermochrome Nachweis erlaubt die Kontrolle der Belastung
über den Produktionsprozess, so dass Fehler im Produktionsprozess einfach optisch
kontrolliert werden können.
[0035] In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform wird die über den Stapelfaserbildungsprozess
hergestellte und zu einem Garn geformte erfindungsgemässe Faser mit einem weiteren
Garn auf Kunststoffbasis (z.B. aus Polyamid, also zumindest ein thermoplastischer
Kunststoff, der idealerweise einen passenden Schmelzbereich aufweist und ebenfalls
idealerweise genügend Chemikalien resistent für den optionalen nachfolgend beschriebenen
Auswaschprozess ist) zu einem textilen Produkt verarbeitet und dann (z.B. für Kragen
von bügelfreien Hemden) mittels eines thermischen unterstützten Formgebungsprozesses
(als Variante thermisches Fixieren) in die gewünschte Form gebracht. Dabei werden
die Produktionsbedingungen überwacht und durch die Hemicellulose im Endprodukt wird
ein Nachweis für falsche Behandlung (Bügel zu heiss [oder Bügeln überhaupt bei bügelfreier
Ware]) durch den Endkunden möglich.
[0036] In einer weiteren Ausführungsform wird die erfindungsgemäße Faser einem Produkt beigemischt,
so dass durch gezielten Abruf der thermisch Induzierten Verfärbung ein Echtheitsnachweis
möglich wird, da beispielsweise gefälschte Markentextilprodukte die thermischen Indikatorfasern
nicht aufweisen. So kann beispielsweise Markenpiraterie einfach nachgewiesen werden.
[0037] Farbveränderungstendenzen basierend auf Temperaturprofilen und Zusammensetzungsprofilen
der Hemicellulosen lassen sich beispielsweise in Form von Datenbanken speichern und
einfach abrufen. Dazu wird mittels einer Datenverarbeitungsanlage eine Datenbank angelegt,
unterhalten und verwendet, um die Werte vom Beginn einer Weisswertabweichung (untere
Temperaturgrenze, bei der die Farbveränderung einsetzt), obere Temperaturgrenze, bei
welcher eine weitere Temperaturerhöhung zu einer nur noch unbedeutenden Farbveränderung
führt (wenn nicht schon der Zersetzungsprozess der Faser einsetzt), Expositionszeiten
und dazugehörige Weisswertabweichungen, Zusammensetzung des Zellstoffes und Anteile
zumindest einzelner Komponenten aufzuzeichnen. Damit können einerseits komplette Prozessabläufe
kontinuierlich datenbasiert optimiert werden. Mittels dieser Datenbank kann die Einstellung
einer gezielten Farbveränderungscharakteristik unterstützt werden, sei es durch Mischung
von Zellstoffen oder der zur Zellstoffherstellung verwendeten Rohstoffe.
[0038] Die vorliegende Erfindung stellt also eine generell anwendbare Technologie zur gezielten
und reproduzierbaren Einstellung des Farbänderungsverhaltens einer Lyocellfaser zur
Verfügung. Diese kann durch die folgenden Schritte erreicht werden:
- a) Feststellen der Hemicellulosezusammensetzung eines Rohstoffes oder eines Zellstoffes.
- b) Ermitteln der dadurch entstehenden Weisswertabweichung von der gewünschten Weisswertabweichung
aufgrund von Erfahrungswerten und/oder einer Referenzdatenbank und/oder durch direkte
Messung.
- c) Wenn der Datenbankwert und/oder der aktuelle Messwert eine Abweichung von der gewünschten
Weisswertabweichung zeigt, Anpassung der Hemicellulosenzusammensetzung durch Einmischung
mindestens eines zweiten Stoffs, von welchem ebenfalls die Schritte a) und b) durchlaufen
wurden bzw. die entsprechenden Daten vorliegen und/oder Referenzmessung der resultierenden
Mischung, bis sich die gewünschte Weisswertabweichung durch Messung zeigt und/oder
durch Datenbankinterpretation zu erwarten ist.
- d) Optionale Ergänzung der Referenzdatenbank durch die Messwerte des in Schritt c)
optional gemessenen Werts.
So können weitere Erfahrungswerte gesammelt und die Datenbank erweitert werden, so
dass für weitere gewünschte Farbänderungsverhalten die Datenlage so umfangreich und
ausreichend ist, dass auf konkrete Messungen weitestgehend verzichtet werden kann.
[0039] Soweit in dieser Anmeldung auf Parameter Bezug genommen wird, werden diese wie hierbeschrieben
bestimmt. Dabei ist wesentlich, dass diese Parameter erhalten werden mit den Fasern
als solches, umfassend maximal 1 Gew.-% Additive, wie Mattierungsmittel etc. Allerdings
können die hier beschriebenen Fasern selbstverständlich konventionelle Additive in
üblichen Mengen ausweisen, soweit dies nicht die Herstellung von Spinnlösungen und/oder
das Herstellungsverfahren der Fasern beeinträchtigt.
[0040] Das nachfolgende Beispiel zeigt die konkrete Anwendung der erfindungsgemäßen Technologie
für ein konkretes Beispiel eines erfindungsgemäßen Zellstoffs im Vergleich mit einer
Standard Lyocellfaser.
Beispiel 1:
[0041] Im Lyocell Prozess werden aus 2 Zellstoffen Lyocell Fasern - Lyocell Standard und
Lyocell thermochrom - hergestellt.
Der Lyocell Prozess bestehend aus folgenden Schritten:
- (1) Lösung des Zellstoffs in dem Lösungsmittel N-Methylmorpholin-oxid (NMMO) zur Herstellung
einer Spinnmasse
- (2) Extrusion der Spinnmasse über einen Luftspalt in ein wässriges Fällbad zur Bildung
von Filamenten
- (3) Nachfolgendes Waschen der Filamente
- (4) Schneiden der Filamente in Stapelfasern (38 mm) und anschließendes Trocknen.
Zur Herstellung der Fasern werden 2 verschiedene Zellstofftypen mit verschiedenen
Hemigehalten verwendet:
| Zucker [%ATS] |
Lyocell Standard |
Lyocell thermochrom |
| Glucan |
95.5 |
82.2 |
| Xylan |
2.3 |
8.3 |
| Mannan |
0.2 |
5.7 |
| Arabinan |
<0.1 |
0.3 |
| Rhaman |
<0.1 |
<0.1 |
| Galactan |
<0.1 |
0.2 |
[0042] Aus Lyocell Fasern (1.3 dtex / 38 mm / glänzend) wird Nm 50 Ringgarn hergestellt,
dieses Ringgarn wird auf einer Strickmaschine (Lawson&Hemphill FAK-S Sampler knitting
machine, Zylinder mit 260 Nadeln, 24 Nadeln per inch, 54 gauge) zu Strickstrümpfen
aus 100% Lyocell Standard bzw. 100% Lyocell thermochrom hergestellt.
Die Normalfarbwerte werden an den gefalteten Strickstrümpfen mittels Datacolor 600
Messgerät (Datacolor Match Pigment und Datacolor Tools) in einem Messbereich von 400
bis 700 ηm ermittelt. Die Umrechnung in den Weißgrad Berger erfolgte rechnerisch nach
der Formel WB = Y + 3*(Z-X).
[0043] Die textile Fläche wird einer thermischen Fixierung bei 195°C für 45 sec (Heißluft)
unterzogen, dabei kommt es zu einer "Vergilbung", die bei der Lyocell thermochrom
stärker auftritt als bei der Lyocell Standard. Vergleicht man den Weißgrad Berger
der Rohware und der Ware nach thermischen Fixierung, so sinkt der Weißgrad bei Lyocell
Standard um 42% und bei Lyocell thermochrom um 75%.
Der Unterschied im Weissgrad, der durch die thermische Fixierung hervorgerufen wurde,
ist durch Wäsche reversibel.
[0044] Bedingungen Wäsche: Flottenverhältnis 1:30. 1g/l Kieralon JET, 1g/l Soda, 1g/l Persoftal
L, 1g/l Albaflow FFA. 20 min bei 80°C, anschließend spülen. Trocknen auf einem auf
50°C beheizten Metallstab unter leichter Spannung zur Glättung der Strümpfe.
Durch eine oxidative Bleiche lassen sich auch die Weissgradunterschiede an allen Prozessstufen
angleichen.
Die oxidative Bleiche wird unter folgenden Bedingungen durchgeführt: Flottenverhältnis
1:30. 1 equivalent H2O2 (50%), 0.25 Equivalenten NaOH, 1g/l Prestogen D2000, 2g/l
Kieralon JET, 0.8g/l Kappafos D11. 40°C - -1,5°/' auf 90°C - 60 Minuten - 2°/' abkühlen
auf 70°C. Anschliessend warm und kalt spülen.
Tabelle 1: Unterschiede Weissgrad Berger Lyocell Standard vs Lycoell thermochrom:
| Behandlungsart |
Fasertype |
Berger Weißgrad |
| Rohware |
Lyocell Standard |
72,9 |
| Lyocell thermochrom |
58,8 |
| therm. Fixierung |
Lyocell Standard |
42,5 |
| Lyocell thermochrom |
14,5 |
| Wäsche |
Lyocell Standard |
72,9 |
| Lyocell thermochrom |
61,1 |
| Wäsche / therm. Fixierung |
Lyocell Standard |
54,2 |
| Lyocell thermochrom |
45,2 |
| therm. Fixierung / Wäsche |
Lyocell Standard |
64,7 |
| Lyocell thermochrom |
50,5 |
| therm. Fixierung / Bleiche |
Lyocell Standard |
81,5 |
| Lyocell thermochrom |
79,1 |
| Bleiche |
Lyocell Standard |
82,8 |
| Lyocell thermochrom |
79,1 |
[0045] Diese Beispiele zeigen die Praktikabilität der vorliegenden Erfindung. Durch den
Einsatz eines Zellstoffs mit höherem Hemicellulosegehalt lässt sich zuverlässig der
Weißgrad einstellen, bzw. die thermische Behandlung bei hoher Temperatur lässt sich
an der erfindungsgemäßen Probe deutlich durch die Bestimmung des Weißgrads nachweisen.
1. Verwendung eines Zellstoffs mit einem Hemicelulosegehalt von mindestens 5 Gew.-%,
wobei der Hemicelluloseanteil mindestens 5% Mannan/Mannose enthält, zur Herstellung
einer Lyocellfaser mit thermochromen Eigenschaften.
2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei der Anteil an Hemicellulosen 7 Gew.-% oder mehr
beträgt, bevorzugt 10 Gew.-% oder mehr.
3. Verwendung nach mindestens einem der vorstehenden Ansprüche, wobei die im Zellstoff
vorliegenden Hemizellulosen in nativem Zustand vorliegen, durch Verarbeitungsprozesse
chemisch verändert oder in einem separaten Prozessschritt chemisch modifiziert bzw.
funktionalisiert und anschließend eingemischt wurden.
4. Verwendung nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei der Zellstoff dadurch gekennzeichnet ist, dass das Verhältnis der in der Hemicellulose enthaltenen C5/Xylan - zur - C6/Mannan Fraktion
(C5/C6-Verhältnis) im Bereich von 125:1 bis 1:3 liegt.
5. Verwendung nach Anspruch 4, wobei das C5/C6-Verhältnis im Bereich von 25:1 bis 1:2
liegt, bevorzugt im Bereich von 1,4:1 bis 1:2 oder im Bereich von 25:1 bis 2:1.
6. Lyocellfaser, erhalten aus einem Zellstoff und/oder Zellstoffgemisch nach mindestens
einem der Ansprüche 1 bis 5.
7. Lyocellfaser nach Anspruch 6, wobei die Faser eine Stapelfaser ist.
8. Lyocellfaser nach mindestens einem der Ansprüche 6 und 7, wobei die Faser nach Exposition
von 195°C für weniger als 1 Minute, bevorzugt 45 Sekunden, eine Reduktion des Weißgrads
von 5% oder mehr im Vergleich mit einer Lyocellfaser mit einem Hemicellulosegehalt
von 5 Gew.-%oder weniger zeigt.
9. Produkt, umfassend eine Faser nach mindestens einem der Ansprüche 6 bis 8.
10. Produkt nach Anspruch 9, ausgewählt unter Vließstoffen (nonwoven Fabrics) und anderen
textilen Stoffen.
11. Produkt nach Anspruch 9 und/oder 10, wobei die Lyocellfaser nach einem der Ansprüche
6 bis 8 mit mindestens einer anderen Faser vermischt vorliegt.
12. Verwendung einer Faser nach einem der Ansprüche 6 bis 8 oder eines Produkts nach einem
der Ansprüche 9 bis 12 als thermischer Indikator.
13. Verwendung einer Faser nach einem der Ansprüche 6 bis 8 oder eines Produkts nach einem
der Ansprüche 9 bis 12 zur Herstellung eines Produkts mit einer dauerhaften Farbnuancenanpassung
der Farbe der erfindungsgemäßen Lyocellfaser.
14. Verwendung einer Zusammensetzung umfassend Mannan/Mannose und Xylan/Xylose, wobei
diese Komponenten in einem Gewichstverhältnis von 1:10 bis 10.1 vorliegen, zur Bereitstellung
einer Lyocellfaser mit einem thermisch induzierbaren Indikatorsystem zum Nachweis
thermischer Belastungen und/oder zur Anpassung des Weißgrades
15. Verfahren zur Herstellung eines Zellstoffes und/oder Zellstoffgemisches, das eine
charakteristische Veränderung des Weisswertes bei einer Referenzexposition (195 Grad,
Expositionszeit 45 Sekunden) zeigt, umfassend die folgenden Schritte:
a) Feststellen der Hemicellulosezusammensetzung eines Rohstoffes oder eines Zellstoffes,
b) Ermitteln der dadurch entstehenden Weisswertabweichung von der gewünschten Weisswertabweichung
aufgrund von Erfahrungswerten und/oder einer Referenzdatenbank und/oder durch direkte
Messung,
c) Wenn der Datenbankwert und/oder der aktuelle Messwert eine Abweichung von der gewünschten
Weisswertabweichung zeigt, Einmischung mindestens eines zweiten Stoffs, ausgewählt
unter Hemicellulosen und Mischungen daraus, von welchem ebenfalls die Schritte a)
und b) durchlaufen wurden und/oder eine Referenzmessung der resultierenden Mischung
gemacht wird, bis sich die gewünschte Weisswertabweichung durch Messung zeigt und/oder
durch Datenbankinterpretation zu erwarten ist,
d) Optionale Ergänzung der Referenzdatenbank durch die Messwerte des Schritts c).