(19)
(11) EP 3 604 698 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
05.02.2020  Patentblatt  2020/06

(21) Anmeldenummer: 19188574.8

(22) Anmeldetag:  26.07.2019
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
E03B 7/08(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(30) Priorität: 01.08.2018 DE 102018118651

(71) Anmelder: ABA Beul GmbH
57439 Attendorn (DE)

(72) Erfinder:
  • BREUER, Sascha
    57439 Attendorn (DE)
  • Der weitere Erfinder hat auf sein Recht verzichtet, als solcher bekannt gemacht zu werden.

(74) Vertreter: advotec. 
Patent- und Rechtsanwälte Bahnhofstrasse 4
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)

   


(54) VERFAHREN UND SPÜLSYSTEM ZUM SPÜLEN VON WASSERLEITUNGSNETZEN


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein Spülsystem zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden, insbesondere Trink- und/oder Brauchwasserleitungsnetze, wobei mittels Sensoren eine Wassertemperatur und/oder ein Wasserdurchfluss in einem mit einer Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossenen und mit einer Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen und Zapfstellen ausgebildeten Wasserleitungsnetz bestimmt wird, wobei mittels eines Spülventils einer Spülvorrichtung das Wasserleitungsnetz das Wasserleitungsnetz zumindest teilweise gespült wird, wobei mittels einer mit den Sensoren und dem Spülventil verbundenen Steuervorrichtung das Spülen des Wasserleitungsnetzes in Abhängigkeit von mit den Sensoren ermittelten Messwerten durch eine Betätigung des Spülventils initiiert wird, wobei die Steuervorrichtung die Messwerte der Sensoren über einen Zeitraum speichert, wobei die Betätigung des Spülventils unter Berücksichtigung der gespeicherten Messwerte durch die Steuervorrichtung erfolgt.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein Spülsystem zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden, insbesondere Trink- und/oder Brauchwasserleitungsnetze, wobei mittels Sensoren eine Wassertemperatur und/oder ein Wasserdurchfluss in einem mit einer Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen und mit einer Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen und Zapfstellen ausgebildeten Wasserleitungsnetz bestimmt wird, wobei mittels eines Spülventils eine Spülvorrichtung das Wasserleitungsnetz zumindest teilweise gespült wird, wobei mittels einer mit den Sensoren und dem Spülventil verbundenen Steuervorrichtung das Spülen des Wasserleitungsnetzes in Abhängigkeit mit den Sensoren ermittelten Messwerten durch eine Betätigung des Spülventils initiiert wird.

[0002] Derartige Verfahren und Spülsysteme sind hinreichend bekannt und werden regelmäßig zum Spülen von Wasserleitungsnetzen eingesetzt, um eine Einhaltung der einschlägigen Hygienevorschriften für Trink- und Brauchwasserleitungsnetze sicherstellen zu können. Unter anderem sind in der deutschen Trinkwasserverordnung Vorschriften zur Vermeidung von Kontaminationen des Trinkwassers durch Bakterien, die beispielsweise durch lange Stagnationszeiten des Wassers in den Leitungen entstehen können, geeignete Sicherheitsmaßnahmen zwingend vorgeschrieben. Insbesondere in großen Gebäuden, wie Wohnhäuser mit einer Mehrzahl von Wohneinheiten, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Schulen, Turnhallen, Hotels usw. muss jederzeit ein hygienekonformer Betrieb des Trink- und Brauchwassersleitungsnetzes sichergestellt werden. Näheres regelt die deutsche Trinkwasserverordnung in der zuletzt vor dem Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung gültigen Fassung.

[0003] Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist es bereits bekannt, die betreffenden Leitungen eines Wasserleitungsnetzes durch Spülen derselben von derartigen Kontaminationen zu befreien. So beschreibt die EP 2 096 214 A2 ein Trink- und Brauchwasserversorgungsnetz eines Gebäudes mit einer Wasserhauseinführung bzw. einem Hausanschluss, wobei die Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen ist, und verschiedenen, davon abgehenden innerhalb des Gebäudes verlegten Leitungen, denen Spülleitungen zugeordnet sind, die mit einem Abwasserabgang kommunizieren, der an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen ist.

[0004] Weiter ist es aus der DE 10 2014 208 261 A1 bekannt, eine Steuervorrichtung zum Spülen eines Wasserleitungsnetzes einzusetzen, wobei die Steuervorrichtung in Abhängigkeit von Sensoren, die eine Temperatur und ein verbrauchtes Volumen in einer Unterverteilungsleitung des Wasserleitungsnetzes messen, ein Spülventil betätigt. So ist es dann möglich, mittels der Steuervorrichtung eine bedarfsgerechte Spülung des Wasserleitungsnetzes durch die Betätigung des Spülventils zu initiieren und so Wasser einzusparen. Ein weiteres, über eine Steuervorrichtung betätigtes Spülventil ist aus der EP 3 020 877 A1 bekannt.

[0005] Nachteilig bei dem bekannten Verfahren bzw. Spülsystems ist, dass diese nur bei in neuen Gebäuden verlegten Wasserleitungsnetzen effektiv eingesetzt werden können. Zumindest muss eine Ausgestaltung des Wasserleitungsnetzes eines Gebäudes bekannt sein, um das Wasserleitungsnetz mit einem Spülventil nachrüsten zu können. Erst dann wird es möglich, die Steuervorrichtung für das Spülventil so einzustellen, dass bei bestimmten Messwerten von Sensoren oder nach einer Zeitvorgabe eine ausreichende Spülung des Wasserleitungsnetzes erfolgt, ohne dass zu viel Wasser verschwendet wird. Bei Gebäuden mit bestehenden Wasserleitungsnetzen oder Altbauten mit Wasserleitungsnetzen, bei denen die Ausgestaltung des jeweiligen Wasserleitungsnetzes nicht mehr bekannt, und daher nicht mehr ohne größeren Aufwand nachvollziehbar ist, können die betreffenden Spülventile nicht effektiv in Einsatz gebracht werden. So ist es beispielsweise möglich, dass bestimmte Leitungsstränge nicht ausreichend oder über das notwendige Maß hinaus gespült werden, da deren Verlauf und Verbindung innerhalb des Wasserleitungsnetzes nicht bekannt ist.

[0006] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und ein Spülsystem zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden vorzuschlagen, das auch effektiv an bereits vorhandenen Wasserleitungsnetzen einsetzbar ist.

[0007] Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruches 1 und ein Spülsystem mit den Merkmalen des Anspruchs 18 gelöst.

[0008] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden, insbesondere Trink- und/oder Brauchwasserleitungsnetze, wird mittels Sensoren eine Wassertemperatur und/oder ein Wasserdurchfluss in einem mit einer Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossenen und mit einer Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen und Zapfstellen ausgebildeten Wasserleitungsnetz bestimmt, wobei mittels eines Spülventils einer Spülvorrichtung das Wasserleitungsnetz zumindest teilweise gespült wird, wobei mittels einer mit den Sensoren in dem Spülventil verbundenen Steuervorrichtung des Spülen des Wasserleitungsnetzes in Abhängigkeit mit den Sensoren ermittelten Messwerten durch eine Betätigung des Spülventils initiiert wird, wobei die Steuervorrichtung die Messwerte der Sensoren über einen Zeitraum speichert, wobei die Betätigung des Spülventils unter Berücksichtigung der gespeicherten Messwerte durch die Steuervorrichtung erfolgt.

[0009] Demnach wird das Wasserleitungsnetz eines Gebäudes, welches mit Wasser bzw. Flüssigkeit gefüllt ist durch die Betätigung des Spülventils, die mittels der Steuervorrichtung initiiert wird, gespült. Bei der Steuervorrichtung kann es sich dabei um einen Computer mit einer darauf laufenden Software handeln, wobei die Steuervorrichtung an dem Spülventil oder auch räumlich getrennt von dem Spülventil positioniert sein kann. Weiter verfügt das Wasserleitungsnetz über Sensoren, die eine Wassertemperatur und/oder einen Wasserdurchfluss im Bereich des jeweiligen Sensors in einem Leitungsabschnitt des Wasserleitungsnetzes messen. Die Sensoren sind in bzw. an zumindest einer Unterverteilungsleitung, vorzugsweise in oder an der Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen positioniert bzw. angeschlossen. Die Unterverteilungsleitungen weisen regelmäßig Zapfstellen auf, über die Wasser aus dem Wasserleitungsnetz entnommen werden kann. Bei einer Entnahme von Wasser an einer Zapfstelle wird ein Wasserdurchfluss in einer Unterverteilungsleitung mit gegebenenfalls einer Änderung einer Wassertemperatur bewirkt. Diese Änderung der Wassertemperatur und/oder des Wasserdurchflusses wird mittels der Sensoren gemessen und an die Steuervorrichtung übermittelt. Die Steuervorrichtung ist daher auch mit dem Spülventil und den Sensoren verbunden, so dass Messwerte bzw. Steuersignale oder Daten ausgetauscht werden können. Eine derartige Kommunikationsverbindung kann über eine Kabelverbindung oder auch eine kabellose Funkverbindung ausgebildet werden. Die Steuervorrichtung ermittelt die Messwerte der Sensoren über einen Zeitraum bzw. eine Betriebsdauer des Wasserleitungsnetzes, wobei innerhalb des Zeitraums nicht zwangsläufig eine Entnahme von Wasser an einer Zapfstelle erfolgen muss. Wesentlich ist, dass die Steuervorrichtung die in dem Zeitraum ermittelten Messwerte der Sensoren speichert. Je nach einer eventuellen Änderung der Messwerte innerhalb des Zeitraums oder auch bei unveränderten Messwerten initiiert die Steuervorrichtung eine Betätigung des Spülventils. Das Spülventil bildet dabei zusammen mit einem freien Auslauf für das aus dem Spülventil ausströmende Wasser eine Spülvorrichtung aus. Die Spülvorrichtung kann dabei eine Mehrzahl von Spülventilen in dem Wasserleitungsnetz aufweisen. In diesem Fall ist es vorteilhaft, wenn die Mehrzahl von Spülventilen von der Steuervorrichtung gemeinsam gesteuert werden. Insgesamt ergibt sich dadurch, dass die Steuervorrichtung die Messwerte über den Zeitraum speichert die Möglichkeit die gespeicherte Messwerte zur Bestimmung eines Zeitpunkts und einer Dauer eines Spülvorgangs durch die Steuervorrichtung heranzuziehen. Genauere Kenntnisse über eine Ausbildung des Wasserleitungsnetzes müssen dann auch nicht mehr vorliegen, da die Steuervorrichtung den Spülvorgang in Abhängigkeit der durch die Sensoren ermittelten Messwerte in dem Zeitabschnitt initiieren und ausgestalten kann. Beispielsweise ist es möglich, den Spülvorgang erst dann durchzuführen, wenn in den Zeitabschnitt insgesamt keine ausreichende Wassermenge eine bestimmte Unterverteilungsleitung durchströmt hat, wobei der Spülvorgang dann so lange durchgeführt werden kann, bis der gewünschte Wasserdurchfluss an dem betreffenden Sensor realisiert wurde.

[0010] Als Sensoren können Volumensensoren, mit denen eine Strömungsgeschwindigkeit und/oder Durchflussmenge und/oder Temperatursensoren, mit denen eine Wassertemperatur in voneinander verschiedenen Unterverteilungsleitungen im Wasserleitungsnetz gemessen werden können, verwendet werden. So befinden sich in bestehenden Wasserleitungsnetzen regelmäßig bereits Volumensensoren oder Temperatursensoren zur Messung eines Volumenstroms bzw. einer Durchflussmenge bzw. einer Wassertemperatur, die von der Steuervorrichtung zur Gewinnung von Messwerten verwendet werden können. Weiter ist es auch möglich, in ein bestehendes Wasserleitungsnetz derartige Sensoren nachträglich zu integrieren, vorzugsweise in den jeweiligen Unterverteilungsleitungen des Wasserleitungsnetzes. Das Wasserleitungsnetz kann zur Verteilung von Kaltwasser und/oder Warmwasser dienen. Dabei kann das Wasserleitungsnetz aus einem Kaltwasserleitungsnetz und/oder einem Warmwasserleitungsnetz ausgebildet sein. Das Warmwasserleitungsnetz kann dann noch Warmwasserspeicher, Boiler, oder Wärmetauscher umfassen, die über eine Wasserhauseinführung indirekt mit Kaltwasser versorgt werden können.

[0011] Als Sensoren können auch Betriebssensoren, mit denen Betriebszustände von im Wasserleitungsnetz verbauten Armaturen und/oder Apparate gemessen werden, verwendet werden. Wesentlich bei den Sensoren ist, dass diese über eine elektrische Versorgungsleitung betrieben werden können und gegebenenfalls von der Steuervorrichtung oder einem anderen Steuergerät ausgelesen werden können. Sensoren können prinzipiell auch über eine Batterie oder einen Stromerzeuger autonom mit elektrischer Energie versorgt werden, wobei dann eine drahtlose Verbindung mit der Steuervorrichtung, beispielsweise über einen Funkstandard, möglich ist. Diese Sensoren können ohnehin im Wasserleitungsnetz vorhandene Sensoren sein, wie beispielsweise ein Thermoelement in einem Trinkwassererwärmer. Die Armaturen können elektronische Sanitärarmaturen oder jegliche Art von Ventil sein, welches eine mit der Steuervorrichtung erfassbare Zustandsinformation signalisieren kann. Eine Zustandsinformation kann beispielsweise einen Funktionszustand des Ventils - offen oder geschlossen - wiedergeben. Die Apparate können Betriebskomponenten, Pumpen, Filter, Spülkästen oder Spülventile umfassen. Über derartige Apparate kann die Steuervorrichtung ebenfalls einen Betriebszustand der jeweiligen Apparate ermitteln, beispielsweise die Drehzahl einer Pumpe, den Zustand eines Filters oder eine Betätigung eines Spülkastens. Wenn zum Beispiel eine elektronische Sanitärarmatur an einem Handwaschbecken von einem Benutzer berührungslos ausgelöst wird, strömt über diese Sanitärarmatur eine definierte Menge Wasser aus der betreffenden Unterverteilungsleitung aus, wobei die Steuervorrichtung dann anhand des Auslösesignals der elektronischen Sanitärarmatur die ausgeströmte Menge Wasser registrieren und als ein Messwert für den Wasserdurchfluss speichern kann.

[0012] Die Steuervorrichtung kann die Messwerte der Sensoren in regelmäßigen Zeitabständen, bei einer Änderung eines Messwertes oder kontinuierlich erfassen und speichern. So kann vorgesehen sein, dass die Steuervorrichtung beispielsweise die Drehzahl einer Pumpe oder einen mit einem Sensor gemessenen Temperaturwert kontinuierlich erfasst und speichert, oder auch in definierten Zeitabständen diese Messwerte ermittelt, um eine Datenmenge möglichst gering zu halten. Unter einer kontinuierlichen Erfassung wird auch eine Erfassung mit einer Abtastfrequenz verstanden, wobei unter regelmäßigen Zeitabständen ein Zeitabstand von zumindest mehreren Minuten, Stunden oder Tage verstanden wird.

[0013] Die Steuervorrichtung kann die Messwerte der Sensoren in dem Wasserleitungsnetz mit einer Kaltwasserinstallation, Warmwasserinstallation, Ringleitung, Baumstruktur, vermaschte Struktur, und/oder Stockwerkinstallation erfassen und speichern. Prinzipiell ist es daher unerheblich in welcher Art eines Wasserleitungsnetzes die Sensoren verbaut sind, wobei auch Kombinationen der vorgenannten Installationen in dem Wasserleitungsnetz vorhanden sein können.

[0014] Die Steuervorrichtung kann die in dem Zeitraum von zumindest einem Monat, bevorzugt zumindest einem Jahr, gespeicherten Messwerte berücksichtigen. Anhand der über diesen langen Zeitraum gespeicherten Messwerten kann die Steuervorrichtung dann bestimmen, ob gegebenenfalls an bestimmten Wochentagen, Monaten, Wochen oder einzelnen Tagen innerhalb eines Jahres Besonderheiten bei einer Nutzung des Wasserleitungsnetzes auftreten und diese Besonderheiten bei der Betätigung des Spülventils berücksichtigen. Beispielsweise kann ein Wasserverbrauch und damit ein Wasserdurchfluss an Wochenenden geringer sein als an Werktagen oder umgekehrt.

[0015] Die Steuervorrichtung kann die über den Zeitraum gespeicherten Messwerte der Sensoren hinsichtlich einer Relevanz für eine mikrobiologische Verunreinigung für jeden Sensor gewichten und bewerten, wobei die Betätigung des Spülventils in Abhängigkeit der Bewertung durch die Steuervorrichtung erfolgen kann. So liegt beispielsweise ein hygienegerechter Zustand in dem Wasserleitungsnetz vor, wenn das Wasser eine Temperatur von kleiner als 20° und größer 55°C aufweist, da dann eine Verkeimung des Wassers durch eine Reproduktion von Keimen gehemmt ist. In diesem Fall können beispielsweise Zeitabstände zur Betätigung des Spülventils verlängert werden.

[0016] Die Steuervorrichtung kann in Messwerten der Sensoren jeweils eine Kennzahl zuweisen, wobei die Kennzahl die Relevanz des Messwertes für eine mikrobiologische Verunreinigung, insbesondere mit Legionellen, wiedergeben kann. Die Kennzahl kann in diesem Fall eine relative, dimensionslose Zahl sein. Eine Kennzahl für Wassertemperatur, insbesondere für Kaltwasser, kann beispielsweise mit der Formel

ermittelt werden. Die Kennzahl für Wasserdurchfluss bzw. einer Wasserströmung kann beispielsweise mit der Formel

ermittelt werden. Dabei gilt als eine Voraussetzung für einen aus hygienischen Gesichtspunkten akzeptablen Wasserdurchfluss eine turbulente Strömung mit einer Reynoldszahl Re < 2300. Für eine kinematische Viskosität

kann eine Druckabhängigkeit vernachlässigt werden, da auftredende Druckunterschiede zu gering sind.

[0017] Weiter kann die Steuervorrichtung die Kennzahl unter Berücksichtigung einer für die mikrobiologische Verunreinigung relevanten zeitabhängigen Komponente und/oder einer messgrößenabhängigen Komponente bestimmen. Jede Zapfstelle bzw. jedes Spülventil eines Wasserleitungsnetzes hat einen zeitabhängigen Einfluss auf die die mikrobiologische Verunreinigung beeinflussenden Parameter des Wasserleitungsnetzes. So kann die zeitabhängige Komponente und die messgrößenabhängige Komponente funktional dargestellt werden, beispielsweise mit der Formel:



[0018] Ändert sich eine Temperatur an einer Messstelle bzw. einem Sensor durch eine Zapfstelle oder ein Spülventil nicht, so ist für diesen Messwert der Wassertemperatur λ (t) = 1 zu setzen. Insgesamt wird es so möglich aus der zeitabhängigen Komponente und der messgrößenabhängigen Komponente ein Kennfeld durch die Steuervorrichtung zu bestimmen, welches mit weiteren Kennfeldern, beispielsweise für eine Reynoldszahl, überlagert werden kann. Durch die Überlagerung dieser Kennfelder kann zum Beispiel auch für die Steuervorrichtung ermittelt werden, dass verschiedene Zapfstellen oder Spülventile einen Einfluss auf eine bestimmte Messstelle bzw. einen Sensor haben.

[0019] Die Steuervorrichtung kann aus den Kennzahlen einen Mittelwert der Kennzahlen bilden. Der Mittelwert kann mit der Formel

durch die Steuervorrichtung, hier für Temperatur und Strömung, berechnet werden. Wenn ein Wasserleitungsnetz aus hygienischen Gesichtspunkten optimal betrieben wird, wird ein resultierender Kennwert 1 oder nahe 1 betragen. Weicht eine Temperatur oder eine Reynoldszahl einer Messstelle eines Sensors ab, wird sich der Mittelwert der Kennzahlen um so weiter von der Kennzahl 1 wegbewegen, je gravierender die Abweichung ist.

[0020] Die Steuervorrichtung kann aus den Kennzahlen eine Matrix der Kennzahlen bilden. Die Matrix kann die Kennzahlen aller Messstellen bzw. Sensoren umfassen, wie im nachfolgenden Beispiel dargestellt:



[0021] Durch eine Zuordnung von Matrixpunkten der Matrix zu tatsächlichen Messstellen bzw. Sensoren können für eine Hygiene kritische Bereiche des Wasserleitungsnetzes lokalisiert werden. Darüber hinaus ist es möglich, ergänzend zu der Matrix mit den Kennzahlen oder auch ohne Kennzahlen durch die Steuervorrichtung eine Matrix abzubilden, die die für die Hygiene des Wassers relevanten Informationen enthält. Diese Matrix kann beispielsweise im Rahmen der Finite-Elemente-Methode von der Steuervorrichtung verarbeitet werden.

[0022] Die Betätigung des Spülventils kann in Abhängigkeit einer Abweichung einer Kennzahl, eines Mittelwertes oder einer Matrix von einer jeweiligen Bereichsvorgabe, für die Kennzahl, den Mittelwert oder die Matrix, durch die Steuervorrichtung erfolgen. Die Bereichsvorgabe kann zuvor definiert und in der Steuervorrichtung gespeichert sein. So ist stets sichergestellt, dass einer mikrobiologischen Verunreinigung des Wasserleitungsnetzes vorgebeugt wird.

[0023] Die Steuervorrichtung kann eine Musteranalyse der über den Zeitraum gespeicherten Messwerte der Sensoren durchführen. Im Rahmen der Musteranalyse können besondere Nutzungszeiträume, Wassertemperaturen und Wasserdurchflüsse von Zapfstellen parallel ermittelt werden. Beispielsweise kann die Steuervorrichtung eine Nutzung bestimmter Zapfstellen zu bestimmten Zeitpunkten in einem bestimmten Umfang ermitteln, wenn diese regelmäßig erfolgt. Ein Zeitpunkt für eine Spülung des Wasserleitungsnetzes bzw. einer betreffenden Unterverteilungsleitung kann so gegebenenfalls verzögert werden.

[0024] Die Steuervorrichtung kann daher eine Mustervorhersage auf Basis der über den Zeitraum gespeicherten Messwerte der Sensoren der Musteranalyse durchführen. Insgesamt wird es so möglich, ein Spülen des Wasserleitungsnetzes noch weiter zu optimieren, so dass es nicht zu einer Verschwendung von Wasser beim Spülen kommt. Darüber hinaus ist aber auch sichergestellt, dass das Wasserleitungsnetz stets hygienisch einwandfrei betrieben werden kann.

[0025] Die Steuervorrichtung kann die Messwerte unterschiedlicher Sensoren zueinander in Beziehung setzen und funktionale Abhängigkeiten der Sensoren ableiten. Dies wird möglich, wenn die Steuervorrichtung die Messwerte mittels statistischer Verfahren, beispielsweise Korrelationen untersucht. So kann die Steuervorrichtung dann auch ermitteln, dass eine Unterverteilungsleitung gespült wird, wenn an einer Zapfstelle ein Ventil geöffnet wird. Dieser direkte Zusammenhang von Zapfstelle und Unterverteilungsleitung könnte aufgrund einer Unkenntnis der Ausgestaltung des Wasserleitungsnetzes nicht bekannt gewesen sein, sich aber durch die Ableitung der funktionalen Zusammenhänge durch die Steuervorrichtung ergeben.

[0026] Die Steuervorrichtung kann aus der Musteranalyse eine Spülstrategie zur Betätigung des Spülventils ableiten. Die Spülstrategie kann sich dann nach dem Muster der Nutzung des Wasserleitungsnetzes richten, wobei eine Nutzungsänderung, beispielsweise bedingt durch eine Umnutzung des betreffenden Gebäudes, stets dazu führen kann, dass die Steuervorrichtung die Spülstrategie an das geänderte Nutzungsverhalten anpasst. Damit ist es auch nicht mehr erforderlich, die Steuervorrichtung in irgendeiner Form händisch einzustellen oder zu programmieren, da diese stets eine an das Nutzerverhalten optimierte Spülstrategie ausbilden und anwenden kann.

[0027] Insbesondere kann die Steuervorrichtung die Betätigung des Spülventils mittels künstlicher Intelligenz bestimmen. Unter künstlicher Intelligenz wird hier eine Automatisierung eines Spülverhaltens der Steuervorrichtung verstanden, bei der die Steuervorrichtung so programmiert ist, dass sie sich eigenständig an eine veränderte Nutzung des Wasserleitungsnetzes anpassen kann.

[0028] Das erfindungsgemäße Spülsystem zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden, insbesondere Trink- und/oder Brauchwasserleitungsnetze, umfasst eine Spülvorrichtung, eine Steuervorrichtung und ein mit einer Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossenes Wasserleitungsnetz, wobei das Wasserleitungsnetz eine Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen, Zapfstellen und Sensoren zur Bestimmung von einer Wassertemperatur und/oder eines Wasserdurchflusses umfasst, wobei mittels der Spülvorrichtung das Wasserleitungsnetz zumindest teilweise gespült werden kann, wobei die Spülvorrichtung ein Spülventil mit einem freien Auslauf aufweist, wobei die Steuervorrichtung mit den Sensoren und dem Spülventil verbunden ist, und ein Spülen des Wasserleitungsnetzes in Abhängigkeit von mit den Sensoren ermittelten Messwerten durch eine Betätigung des Spülventils initiierbar ist, wobei die Steuervorrichtung derart ausgebildet ist, dass die Messwerte der Sensoren über einen Zeitraum speicherbar sind, wobei die Betätigung des Spülventils unter Berücksichtigung der gespeicherten Messwerte durch die Steuervorrichtung ausführbar ist. Zu den Vorteilen des erfindungsgemäßen Spülsystems wird auf die Vorteilsbeschreibung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwiesen. Weitere vorteilhafte Ausführungsformen eines Spülsystems ergeben sich aus den Merkmalen der auf den Verfahrensanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüchen.

[0029] Nachfolgend wird die Erfindung anhand der Zeichnungen näher erläutert.

[0030] Es zeigen:
Fig. 1
einen Funktionsgraph einer Kennzahl für Kaltwasser;
Fig. 2
einen Funktionsgraph einer Kennzahl für Strömung.


[0031] An der Abszissenachse des in Fig. 1 dargestellten Funktionsgraphen für eine Kennzahl für eine Kaltwassertemperatur ist die Temperatur und an der Ordinatenachse die Kennzahl abgetragen. Eine Funktion der Kennzahl ergibt sich aus der Formel

wobei eine Kennzahl für Warmwasser prinzipiell in der Ordinatenachse gespiegelt und der Abszissenachse verschoben verlaufen würde.

[0032] Die Fig. 2 zeigt einen Funktionsgraphen für eine Kennzahl einer Wasserströmung bzw. einen Wasserdurchfluss in einem Rohr eines Wasserleitungsnetzes, wobei an der Abszissenachse eine Reynoldszahl und an der Ordinatenachse eine Kennzahl abgetragen ist. Eine Funktion der Kennzahl ergibt sich aus der Formel



[0033] Insbesondere kann die Reynoldszahl nur während einer laufenden Rohrströmung ermittelt werden. Das bedeutet, dass dem ermittelten Wert für die Reynoldszahl eine zeitabhängige Funktion überlagert werden muss. Die ermittelte Kennzahl driftet mit fortschreitender Zeit vom Normwert 1 weg, so dass auch bei in einer Leitung stehendem Wasser eine Stagnation berücksichtigt wird.


Ansprüche

1. Verfahren zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden, insbesondere Trink- und/oder Brauchwasserleitungsnetze, wobei mittels Sensoren eine Wassertemperatur und/oder ein Wasserdurchfluss in einem mit einer Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossenen und mit einer Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen und Zapfstellen ausgebildeten Wasserleitungsnetz bestimmt wird, wobei mittels eines Spülventils einer Spülvorrichtung das Wasserleitungsnetz zumindest teilweise gespült wird, wobei mittels einer mit den Sensoren und dem Spülventil verbundenen Steuervorrichtung das Spülen des Wasserleitungsnetzes in Abhängigkeit von mit den Sensoren ermittelten Messwerten durch eine Betätigung des Spülventils initiiert wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die Messwerte der Sensoren über einen Zeitraum speichert, wobei die Betätigung des Spülventils unter Berücksichtigung der gespeicherten Messwerte durch die Steuervorrichtung erfolgt.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass als Sensoren Volumensensoren, mit denen eine Strömungsgeschwindigkeit und/oder Durchflussmenge und/oder Temperatursensoren, mit denen eine Wassertemperatur in voneinander verschiedenen Unterverteilungsleitungen im Wasserleitungsnetz gemessen werden, verwendet werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass als Sensoren Betriebssensoren, mit denen Betriebszustände von im Wasserleitungsnetz verbauten Armaturen und/oder Apparate gemessen werden, verwendet werden.
 
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die Messwerte der Sensoren in regelmäßigen Zeitabständen, bei einer Änderung eines Messwertes oder kontinuierlich erfasst und speichert.
 
5. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die Messwerte der Sensoren in dem Wasserleitungsnetz mit einer Kaltwasserinstallation, Warmwasserinstallation, Ringleitung, Baumstruktur, vermaschte Struktur, und/oder Stockwerksinstallation erfasst und speichert.
 
6. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die in dem Zeitraum von zumindest einem Monat, bevorzugt zumindest einem Jahr, gespeicherten Messwerte berücksichtigt.
 
7. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die über den Zeitraum gespeicherten Messwerte der Sensoren hinsichtlich einer Relevanz für eine mikrobiologische Verunreinigung für jeden Sensor gewichtet und bewertet, wobei die Betätigung des Spülventils in Abhängigkeit der Bewertung durch die Steuervorrichtung erfolgt.
 
8. Verfahren nach Anspruch der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung den Messwerten der Sensoren jeweils eine Kennzahl zuweist, wobei die Kennzahl die Relevanz des Messwertes für eine mikrobiologische Verunreinigung, insbesondere mit Legionellen, widergibt.
 
9. Verfahren nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die Kennzahl unter Berücksichtigung einer für die mikrobiologische Verunreinigung relevanten zeitabhängigen Komponente und/oder einer messgrößenabhängigen Komponente bestimmt.
 
10. Verfahren nach Anspruch 8 oder 9,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung aus den Kennzahlen einen Mittelwert der Kennzahlen bildet.
 
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 10,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung aus den Kennzahlen eine Matrix der Kennzahlen bildet.
 
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 11,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Betätigung des Spülventils in Abhängigkeit einer Abweichung einer Kennzahl, eines Mittelwertes oder einer Matrix von einer jeweiligen Bereichsvorgabe durch die Steuervorrichtung erfolgt.
 
13. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung eine Musteranalyse der über den Zeitraum gespeicherten Messwerte der Sensoren durchführt.
 
14. Verfahren nach Anspruch 13,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung eine Mustervorhersage auf Basis der über den Zeitraum gespeicherten Messwerte der Sensoren durchführt.
 
15. Verfahren nach Anspruch 13 oder 14,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die Messwerte unterschiedlicher Sensoren zueinander in Beziehung setzt und funktionale Abhängigkeiten der Sensoren ableitet.
 
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 13 bis 15,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung aus der Musteranalyse eine Spülstrategie zur Betätigung des Spülventils ableitet.
 
17. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung die Betätigung des Spülventils mittels Künstlicher Intelligenz bestimmt.
 
18. Spülsystem zum Spülen von Wasserleitungsnetzen in Gebäuden, insbesondere Trink- und/oder Brauchwasserleitungsnetze, umfassend eine Spülvorrichtung, eine Steuervorrichtung und ein mit einer Wasserhauseinführung an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossenes Wasserleitungsnetz, wobei das Wasserleitungsnetz eine Mehrzahl von Unterverteilungsleitungen, Zapfstellen und Sensoren zur Bestimmung von einer Wassertemperatur und/oder eines Wasserdurchflusses umfasst, wobei mittels der Spülvorrichtung das Wasserleitungsnetz zumindest teilweise gespült werden kann, wobei die Spülvorrichtung ein Spülventil mit einem freien Auslauf aufweist, wobei die Steuervorrichtung mit den Sensoren und dem Spülventil verbunden ist, und ein Spülen des Wasserleitungsnetzes in Abhängigkeit von mit den Sensoren ermittelten Messwerten durch eine Betätigung des Spülventils initiierbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuervorrichtung derart ausgebildet ist, dass die Messwerte der Sensoren über einen Zeitraum speicherbar sind, wobei die Betätigung des Spülventils unter Berücksichtigung der gespeicherten Messwerte durch die Steuervorrichtung ausführbar ist.
 




Zeichnung







Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente