Einleitung
[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Formteils
aufweisend ein metallisches Massivglas sowie ein gemäß dem Verfahren hergestelltes
Formteil und dessen Verwendung.
[0002] Seit ihrer Entdeckung vor etwa 50 Jahren am California Institute of Technology sind
metallische Gläser Gegenstand umfangreicher Forschung. Im Laufe der Jahre gelang es,
die Prozessierbarkeit und Eigenschaften dieser Materialklasse kontinuierlich zu verbessern.
Waren die ersten metallischen Gläser noch einfache, binäre (aus zwei Komponenten aufgebaute)
Legierungen, deren Herstellung Abkühlraten im Bereich von 10
6 Kelvin pro Sekunde (K/s) erforderten, lassen sich neuere, komplexere Legierungen
bereits bei deutlich geringeren Abkühlraten im Bereich einiger K/s in den Glaszustand
überführen. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Prozessführung sowie die realisierbaren
Bauteile. Die Abkühlgeschwindigkeit, ab der eine Kristallisation der Schmelze ausbleibt
und die Schmelze im Glaszustand erstarrt, wird als kritische Abkühlrate bezeichnet.
Sie ist eine systemspezifische, stark von der Zusammensetzung der Schmelze abhängige
Größe, welche zudem die maximal erreichbaren Bauteildicken festlegt. Bedenkt man,
dass die in der Schmelze gespeicherte Wärmeenergie ausreichend schnell durch das System
abtransportiert werden muss, wird klar, dass sich aus Systemen mit hohen kritischen
Abkühlraten lediglich Bauteile mit geringer Dicke fertigen lassen. Anfänglich wurden
metallische Gläser daher meist nach dem Schmelzspinnverfahren (Englisch: melt spinning)
hergestellt. Die Schmelze wird hierbei auf ein rotierendes Kupferrad abgestreift und
erstarrt glasartig in Form von dünnen Bändern bzw. Folien mit Dicken im Bereich einiger
hundertstel bis zehntel Millimeter. Durch die Entwicklung neuer, komplexer Legierungen
mit deutlich geringeren kritischen Abkühlraten, können zunehmend andere Herstellungsverfahren
genutzt werden. Heutige Massivglas-bildende metallische Legierungen lassen sich bereits
durch Gießen einer Schmelze in gekühlte Kupferkokillen in den Glaszustand überführen.
Die realisierbaren Bauteildicken liegen dabei legierungsspezifisch im Bereich einiger
Millimeter bis Zentimeter. Derartige Legierungen werden als metallische Massivgläser
(Englisch:
bulk metallic glasses, BMG) bezeichnet. Heutzutage ist eine Vielzahl solcher Legierungssysteme bekannt.
Die Unterteilung metallischer Massivgläser erfolgt gewöhnlich anhand der Zusammensetzung,
wobei man das Legierungselement mit dem höchsten Gewichtsanteil als Basiselement bezeichnet.
Die bestehenden Systeme umfassen beispielsweise Edelmetall-basierte Legierungen wie
Gold-, Platin, und Palladium-basierte metallische Massivgläser, frühe Übergangsmetall
basierte Legierungen wie z.B. Titan- oder Zirkonium-basierte metallische Massivgläser,
späte Übergangsmetall-basierte Systeme auf Basis von Kupfer-, Nickel- oder Eisen,
aber auch Systeme auf Basis von seltenen Erden, z.B. Neodym oder Terbium.
[0003] Metallische Massivgläser weisen im Vergleich zu klassischen kristallinen Metallen
typischer Weise folgende Eigenschaften auf:
- eine höhere spezifische Festigkeit, was zum Beispiel dünnere Wandstärken ermöglicht,
- eine höhere Härte, wodurch die Oberflächen besonders kratzfest sein können,
- eine viel höhere elastische Dehnbarkeiten und Resilienzen,
- eine thermoplastische Formbarkeit und
- eine höhere Korrosionsbeständigkeit.
[0004] Es gibt verschieden Verfahren zur Herstellung von Formteilen aus metallischen Massivgläsern.
Zur Herstellung von dünnen Metallbändern mit einer Dicke von etwa 100 µm eignet sich
das Schmelzspinnverfahren wie es in
US4116682A beschrieben ist.
[0005] Auf Grund der hohen erzielbaren Abkühlraten lasse sich auf diese Weise auch Legierungen
amorph Verarbeiten, die vergleichsweise hohe kritische Abkühlraten aufweisen. Zur
Herstellung von Gussteilen mit Dimensionen im Bereich einiger Millimeter wurde spezielle
Legierungen entwickelt, die niedrigere kritische Abkühlraten aufweisen und auch bei
Gussdicken im Bereich einiger Millimeter noch amorph erstarren. Solche Legierungen
sind beispielsweise beschrieben in
US20150307975A1.
[0006] Der Stand der Technik hat gewisse Nachteile. Mittels Schmelzspinnen lasse sich zwar
dünne Strukturen mit einer hohen Homogenität herstellen, dickere Formteile mit einem
Durchmesser von mehr als 150 µm sind jedoch nicht einfach zugänglich. Mittels Schmelzgießen
lassen sich zwar dickere Formteile herstellen als durch Schmelzspinnen, jedoch weisen
diese Formteile häufig stark schwankende mechanische Eigenschaften auf.
[0007] Weiterhin lassen sich Formteile mit einer Dicke von weniger als 500 µm häufig nur
schwer mit Gussverfahren herstellen, da die Viskosität der Schmelze beim Gießen schnell
ansteigt.
[0008] Mittels Gussverfahren hergestellte Formteile aus metallischen Massivgläsern weisen
häufig eine hohe Heterogenität bezüglich der mechanischen Eigenschaften, z.B. der
Biegefestigkeit, auf. Dies macht den Einsatz von Formteilen aus metallischen Massivgläsern
in Präzisionsanwendungen, beispielsweise in der Feinmechanik schwierig oder unmöglich.
[0009] Weiterhin weisen gegossene Formteile häufig Defekte in Form von kleinsten Gaseinschlüssen
auf, die die mechanischen Eigenschaften negativ beeinflussen.
[0010] Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, ein Verfahren bereitzustellen, das
mindestens eins der vorgenannten Probleme löst.
[0011] Eine bevorzugte Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, ein Verfahren bereitzustellen,
das es erlaubt Formteile aufweisend ein metallisches Massivglas herzustellen, wobei
die Formteile definierte und homogene mechanische Eigenschaften aufweisen.
[0012] Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, ein Verfahren bereitzustellen, das
es erlaubt Formteile aufweisend ein metallisches Massivglas herzustellen, die eine
verringerte Zahl von Defekten, z.B. Lufteinschlüssen, aufweisen, gegenüber gegossenen
Formteilen.
[0013] Weiterhin war es eine Aufgabe der Erfindung ein verbessertes Verfahren bereitzustellen,
das es erlaubt, Formteile aufweisend ein metallisches Massivglas in weniger Arbeitsschritten
herzustellen.
[0014] Eine weitere bevorzugte Aufgabe der Erfindung war es, ein Verfahren bereit zu stellen,
mit dem mittels Gussverfahren Formteile aus metallischen Massivgläsern mit einem Durchmesser
von höchstens 600 µm, insbesondere höchstens 400 µm hergestellt werden können.
[0015] Ein Beitrag zur Lösung mindestens einer der genannten Aufgaben wird geleistet durch
die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche.
[0016] Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Formteils
aufweisend ein metallisches Massivglas, gekennzeichnet durch die folgenden Schritte:
- a) Bereitstellen einer Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas,
- b) wiederholtes plastisches Verformen der Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas
in mehreren Schritten mit einer Deformation Δd, wobei die Temperatur T1 der Vorform unterhalb der Glasübergangstemperatur des metallischen Massivglases liegt,
und
- c) Erwärmen der Vorform auf eine Temperatur T2 oberhalb der Glasübergangstemperatur und unterhalb der Kristallisationstemperatur
unter Erhalt eines Formteils aufweisend ein metallisches Massivglas,
wobei das plastische Verformen in Schritt b) so erfolgt, dass die Deformation Δd mit
zunehmender Schrittzahl zunimmt.
[0017] Optional können vor, während oder nach den genannten Schritten weitere Schritte durchgeführt
werden, solange die vorgegebene Reihenfolge der Schritte a) - c) eingehalten wird.
[0018] Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird eine Produktionsroute für Formteile aufweisend
ein metallisches Massivglas bereitgestellt. Die Form des Formteils ist erfindungsgemäß
nicht weiter beschränkt. In einer möglichen Ausführung kann das Formteil ausgewählt
sein aus der Gruppe bestehend aus Bändern, Quadern, Drähten, Stäben oder Blechen.
[0019] Besonders geeignet ist das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung von Formteilen,
insbesondere Blechen und Bändern mit einer Dicke von 100 - 600 µm, insbesondere 200
µm - 500 µm. Solche Formteile sind typischer Weise zu dick, um sie mittels Schmelzspinnen
herzustellen und zu dünn, um sie mittels Spritzgusses herzustellen.
[0020] Weiterhin können durch das erfindungsgemäße Verfahren bei gleichbleibenden Prozessparametern
mehrere Formteile mit homogenen mechanischen Eigenschaften erhalten werden, bezogen
auf die relative Standardabweichung über mehrere Bauteile. Bevorzugt ist die relative
Standardabweichung der Festigkeit bei mehreren erfindungsgemäß hergestellten Formteilen
nicht größer als 10 % und insbesondere nicht größer als 5%.
[0021] In einem Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Herstellung eines Formteils.
Das erfindungsgemäße Formteil weist ein metallisches Massivglas auf oder besteht daraus.
Unter metallischen Massivgläsern sind Legierungen zu verstehen, die metallischen Bindungscharakter
und gleichzeitig eine amorphe, also nicht-kristalline, Phase aufweisen. Im Rahmen
der Erfindung kann eine Legierung als metallisches Massivglas bezeichnet werden, wenn
die jeweilige Legierung in einem Körper mit Dimensionen von 1 mm x 1 mm x 1 mm unter
geeigneter Kühlrate in den Glaszustand gebracht werden kann.
[0022] Die metallischen Massivgläser können auf unterschiedlichen Elementen basieren. "Basiert"
meint in diesem Zusammenhang, dass das jeweils genannte Element auf das Gewicht der
Legierung bezogen den größten Anteil darstellt. Typische Bestandteile, die bevorzugt
auch die Basis der Legierung stellen können, können ausgewählt sein aus:
- A. Metallen aus Gruppe IA und IIA des Periodensystems, z.B. Magnesium (Mg), Calcium
(Ca),
- B. Metallen aus Gruppe IIIA und IVA, z.B. Aluminium (Al) oder Gallium (Ga),
- C. frühen Übergangsmetallen aus den Gruppen IVB bis VIIIB, wie z.B. Titan (Ti), Zirkon
(Zr), Hafnium (Hf), Niob (Nb), Tantal (Ta), Chrom (Cr), Molybdän (Mo), Mangan (Mn),
- D. späten Übergangsmetallen aus den Gruppen VIIIB, IB, IIB, wie z.B. Eisen (Fe), Kobalt
(Co), Nickel (Ni), Kupfer (Cu), Palladium (Pd), Platin (Pt), Gold (Au), Silber (Ag),
Zink (Zn),
- E. Seltenerdmetallen, wie z.B. Scandium (Sc), Yttrium (Y), Terbium (Tb), Lanthan (La),
Cer (Ce), Neodym Nd) oder Gadolinium (Gd)
- F. Nichtmetallen, wie z.B. Bor, Kohlenstoff, Phosphor, Silizium, Germanium, Schwefel
[0023] Bevorzugte Kombinationen von Elementen enthalten in metallischen Massivgläser sind
ausgewählt aus:
- Späten Übergangsmetallen und Nichtmetallen, wobei das späte Übergangsmetall die Basis
darstellt, beispielsweise Ni-P, Pd-Si, Au-Si-Ge, Pd-Ni-Cu-P, Fe-Cr-Mo-P-C-B
- Frühen und späten Übergangsmetallen, wobei beide Metalle die Basis darstellen können,
wie z.B. Zr-Cu, Zr-Ni, Ti-Ni, Zr-Cu-Ni- Al, Zr-Ti-Cu-Ni-Be
- Metalle aus Gruppe B mit Seltenerdmetallen, wobei das Metall B die Basis darstellt,
wie z.B. Al-La, Al-Ce, Al-La-Ni-Co, La-(Al/Ga)-Cu-Ni
- Metalle aus Gruppe A mit späten Übergangsmetallen, wobei das Metall A die Basis darstellt,
wie z.B. Mg-Cu, Ca-Mg-Zn, Ca-Mg-Cu
[0024] Weitere, besonders bevorzugte Beispiele für Legierungen, die metallischen Massivgläser
bilden, sind ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Ni-Nb-Sn, Co-Fe-Ta-B, Ca-Mg-Ag-Cu,
C-oFe-B-Si-Nb, Fe-Ga-(Cr, Mo)(P,C,B), Ti-Ni-Cu-Sn, Fe-Co-Ln-B, Co-(Al, Ga)-(P, B,
Si), Fe-B-Si-Nb und Ni-(Nb, Ta)-Zr-Ti. In einer Ausführungsform der Erfindung sind
Legierungen auf Basis von Kupfer und/oder Zirkon bevorzugt. Insbesondere kann das
metallische Massivglas eine Zr-Cu-Al-Nb-Legierung sein. Bevorzugt weist diese Zr-Cu-Al-Nb-Legierung
außer Zirkon zusätzlich 23,5 - 24,5% Gew.-% Kupfer, 3,5 - 4,0 Gew.-% Aluminium sowie
1,5 - 2,0 Gew.-% Niob auf, wobei sich die Gewichtsanteile zu 100 Gew.-% ergänzen.
Kommerziell erhältlich ist die letztgenannte Legierung unter dem Namen AMZ4® von der
Heraeus Deutschland GmbH. In einer weiteren, besonders bevorzugten Ausführungsform
kann das metallische Massivglas die Elemente Zirkon, Titan, Kupfer, Nickel und Aluminium
enthalten. Besonders gut geeignete metallische Massivgläser zur Herstellung von Formteilen
weisen die Zusammensetzung Zr
52,5Ti
5Cu
17,9Ni
14,6Al
10 und Zr
59,3Cu
28,8Al
10,4Nb
1,5 auf, wobei die Indizes at-% der jeweiligen Elemente in der Legierung angeben. Eine
weitere bevorzugte Gruppe von Legierungen kann die Elemente Zr, Al, Ni, Cu und Pd
enthalten, insbesondere Zr
60Al
10Ni
10Cu
15Pd
5 (Indizes in at.-%). Eine andere bevorzugte Gruppe von Legierungen enthält mindestens
85 Gew.-% Pt sowie Cu und Phosphor, wobei die Legierung weiterhin Co und/oder Nickel
enthalten kann, beispielswiese Pt
57.5Cu
14.5Ni
5P
23 (Indizes in at.-%).
[0025] In Schritt a) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine Vorform aufweisend ein metallisches
Massivglas bereitgestellt. Bevorzugt besteht die Vorform aus einem metallischen Massivglas.
In einer bevorzugten Ausführung wird die Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas
durch ein Gussverfahren, insbesondere Spritzguss oder Saugguss, hergestellt.
[0026] Beispielsweise können zur Herstellung dieser Vorform aufweisend ein metallisches
Massivglas die Ausgangskomponenten der Massivglas-bildenden Legierung unter Vakuum
im Lichtbogen geschmolzen werden, bis eine homogene Legierung entsteht. Die erhaltene
Legierung kann zum Beispiel durch Saug- oder Spritzguss zu einer Vorform aufweisend
ein metallisches Massivglas verarbeitet werden. Das Gussverfahren findet bevorzugt
in einer Argonatmosphäre statt. Bevorzugt ist die Vorform aufweisend ein metallisches
Massivglas ein Band, ein Quader, ein Draht, ein Stab oder ein Blech. Bevorzugt weist
die Vorform in der geringsten Ausdehnung einen massiven Durchmesser (also ohne Hohlräume
oder Aussparungen) von mindestens 1 mm auf.
[0027] Damit die Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas beim Gießen amorph erstarrt,
sollte die kritische Gussdicke nicht überschritten werden Die Schmelzen von optimierten
Legierungen weisen kritische Gussdicken von einem Millimeter oder mehr auf, sodass
bei ausreichender Kühlrate, z.B. in einer Kupferkokille mit optionaler Wasserkühlung,
komplett amorphe Vorformen aufweisend ein metallisches Massivglas erhalten werden
können. Wie Vorformen aufweisend ein metallisches Massivglas mittels Gussverfahren
hergestellt werden können, ist dem Fachmann bekannt.
[0028] Die erhaltene Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas weist bevorzugt einen
Gewichtsanteil an metallischem Massivglas auf, der mindestens 95%, insbesondere mindestens
98% beträgt. Besonders bevorzugt ist die Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas
vollständig amorph, gemessen mittels XRD durch Abwesenheit kristalliner Signale im
Diffraktogramm.
[0029] In Schritt b) wird die Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas wiederholt
plastisch verformt, wobei die Temperatur T
1 unterhalb der Glasübergangstemperatur des metallischen Massivglases liegt. Insbesondere
liegt die Temperatur T
1 während des Verformens mindestens 15% unter der Glasübergangstemperatur, gemessen
in °C. Erfindungsgemäß erfolgt das plastische Verformen in mehreren Verformungsschritten
jeweils mit einer Deformation Δd (Δd= d vor Verformungsschritt - d nach Verformungsschritt).
Der Durchmesser d der Vorform wird gemessen entlang der Verformungsrichtung im jeweiligen
Verformungsschritt. Erfindungsgemäß erfolgt das plastische Verformen in Schritt b)
derart, dass die Deformation Δd der Vorform aus metallischem Massivglas mit zunehmender
Schrittzahl zunimmt. In einer optionalen Ausführung kann die Deformation Δd mit zunehmender
Schrittzahl, nachdem sie zugenommen hat, wieder abnehmen. Beispielsweise kann die
Deformation Δd von 5 µm auf 50 µm ansteigen und anschließend wieder bis auf 5 µm oder
10 µm abfallen. Durch Verfahren, in denen die Deformation Δd erst ansteigt und anschließend
wieder abfällt können besonders dünne Formteile mit einem Durchmesser von weniger
als 300 µm effizient und homogen hergestellt werden.
[0030] Durch die zunehmende Deformation Δd mit zunehmenden Verformungsschritten können Verformungsschritte
eingespart werden, was das erfindungsgemäße Verfahren günstiger machen kann als herkömmliche
Verfahren, bei denen die Deformation Δd konstant gehalten wird. Bevorzugt beträgt
die Deformation Δd mindesten 1 µm, insbesondere mindestens 5 µm und ganz besonders
bevorzugt mindestens 10 µm. Höchstens kann die Deformation Δd maximal 100 µm, insbesondere
maximal 50 µm, pro Verformungsschritt betragen. Die Änderung der Deformation Δd mit
zunehmender Schrittzahl kann bevorzugt kontinuierlich oder schrittweise erfolgen.
Kontinuierlich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Deformation Δd mit jedem
weiteren Verformungsschritt ändert. Schrittweise bedeutet hier, dass jeweils mehrere
Verformungsschritte mit der gleichen Deformation Δd durchgeführt werden, bevor einer
oder mehrere Verformungsschritte mit der nächstgrößeren Deformation Δd erfolgen. Die
Zunahme der Deformation Δd mit zunehmenden Verformungsschritten kann linear ansteigen,
z.B. in Schritten von 5µm (Δd 5 µm→ Δd 10 µm→ Δd 15 µm→...) oder mit zunehmenden Verformungsschritten
weiter zunehmen, z.B. Δd 5 µm→ Δd 10 µm→ Δd 20 µm → Δd 50 µm, ....
[0031] Im Beispiel einer Vorform aus metallischem Massivglas in Form eines gegossenen Bandes
mit einer Dicke von 3 mm kann die Deformation Δd bei 5 µm im ersten Schritt beginnen
und mit einer Deformation Δd von 50 µm im letzten Schritt des Verformens enden, wobei
die finale Dicke des Bandes etwa 500 µm beträgt. In diesem Beispiel kann die Dickenreduktion
bevorzugt in 50 - 150 Schritten erfolgen.
[0032] Der Deformationsgrad pro Verformungsschritt liegt bevorzugt im Bereich von 0,1 -
0,5% des Durchmessers d, wobei der Deformationsgrad berechnet wird durch: (1 - (d
nach Verformungsschritt/d vor Verformungsschritt)). Bevorzugt kann der aufsummierte
Deformationsgrad Δd
gesamt der Vorform über alle Verformungsschritte bis zu 90% betragen, wobei der der aufsummierte
Deformationsgrad Δd
gesamt berechnet wird durch: (Δd
gesamt = 1- (d nach Verformung/d vor Verformung)).
[0033] Bevorzugt erfolgt das Verformen durch Walzen. Optional können zwei oder mehr Walzen
zum Verformen verwendet werden. In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform erfolgt
das Verformen, insbesondere Walzen, derart, dass das Formteil mit einer Kraft verformt
wird, die im Bereich der Sägezahnbildung (Engl.:
seration) im Spannungs-Dehnungsdiagramm liegt. Unter der Sägezahnbildung im Spannungs-Dehnungsdiagramm
ist ein Kurvenverlauf zu verstehen, bei dem es mit zunehmender Dehnung zu einem plötzlichen
Spannungsabfall kommt und dieser Vorgang sich mehrere Male wiederholt, bevor die Probe
bricht.
[0034] In einer bevorzugten Ausführung der Erfindung wird die Vorform aufweisend ein metallisches
Massivglas entweder bei jedem Verformungsschritt in dieselbe Richtung verformt oder
in verschiedene Richtungen. Wenn die Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas
in verschiedenen Richtungen verformt wird, können die Verformungsrichtungen von aufeinanderfolgenden
Verformungsschritten parallel oder senkrecht zueinander stehen. Durch eine senkrechte
Orientierung von aufeinander folgenden Verformungsschritten kann ein besonders homogenes
Material erhalten werden.
[0035] Die Zahl der Verformungsschritte, insbesondere Walzschritte, ist erfindungsgemäß
nicht weiter beschränkt. In einer bevorzugten Ausführung wird das Formteil in mindestens
zwei Verformungsschritten verformt, insbesondere in mindestens zehn Verformungsschritten
und ganz besonders bevorzugt in mindestens 30 Verformungsschritten und insbesondere
in mindestens 50 Verformungsschritten. Besonders bevorzugt wird die Vorform aufweisend
ein metallisches Massivglas in höchstens 300 Verformungsschritten, insbesondere höchstens
200 Verformungsschritten und ganz besonders bevorzugt in höchstens 150 oder höchstens
100 Verformungsschritten verformt.
[0036] Optional kann nach Schritt b) ein Umformen erfolgen. Das Umformen kann bevorzugt
ausgewählt sein aus Biegen, Hämmern und Tiefziehen.
[0037] In Schritt c) des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt ein Erwärmen der Vorform aufweisend
ein metallisches Massivglas auf eine Temperatur T
2 oberhalb der Glasübergangstemperatur und unterhalb der Kristallisationstemperatur
unter Erhalt eines Formteils aufweisend ein metallisches Massivglas. Bevorzugt besteht
das Formteil aus einem metallischen Massivglas. In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform
enthält das Formteil sowohl amorphes metallisches Massivglas als auch mindestens eine
kristalline Phase. Solche Mischungen aus amorphen und kristallinen Phasen werden auch
metallische-Massivglaskomposite genannt (engl.
bulk metallic glass composites, BMGC).
[0038] Bevorzugt erfolgt das Erwärmen in Schritt c) unterhalb der extrapolierten Anfangskristallisationstemperatur
(gemäß DIN EN ISO 11357-3:2018-07). Das durch das Verfahren hergestellte Formteil
kann mechanische Eigenschaften, insbesondere Festigkeiten, wie z.B. die Biegefestigkeit,
aufweisen, die denen der Vorform vor der Verformung ähneln. Bevorzugt erfolgt das
Erwärmen der Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas in Schritt c) so, dass
die Biegefestigkeit des erhaltenen Formteils dem Ausgangswert der Biegefestigkeit
der Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas in Schritt a) entspricht. Bevorzugt
ist die Biegefestigkeit nach Schritt c) höchstens 15%, insbesondere höchstens 10%
niedriger als die Biegefestigkeit der gegossenen Vorform. Im Rahmen der Erfindung
kann die Biegefestigkeit gemäß DIN EN ISO 7438:2016-07 in einem Biegeversuch bestimmt
werden. In einer bevorzugten Ausführungsform erfolgt das Erwärmen der Vorform aufweisend
ein metallisches Massivglas für eine Dauer von 0,1 bis 3000 s insbesondere von 5 bis
300 s. In einer besonders bevorzugten Ausführungsform wird das Erwärmen beendet, bevor
bei der jeweiligen Heizrate die Kristallisationstemperatur im TTT-Diagramm der Legierung
erreicht wird.
[0039] Bevorzugt erfolgt das Erwärmen der Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas
auf eine Temperatur T
2, die folgende Bedingung erfüllt: T
G < T
2 < T
G + (60/100) * (T
X - T
G), insbesondere die Bedingung T
G < T
2 < T
G + (30/100) * (T
X - T
G). Hierbei sind T
G die Glasübergangstemperatur und T
X die Kristallisationstemperatur. Unter diesen Bedingungen sind besonders vorteilhafte
mechanische Eigenschaften des fertigen Formteils erhältlich.
[0040] In einer bevorzugten Ausführungsform erfolgt das Erwärmen in Schritt c) unter Anlegen
eines zusätzlichen Drucks auf das Formteil. Dies kann zu besonders geringen Stück-zu-Stück
Abweichungen der mechanischen Eigenschaften der resultierenden Bauteile führen. Bevorzugt
beträgt der auf das Formteil ausgeübte Druck 1 bis 600 MPa, insbesondere 5 bis 300
MPa und ganz besonders bevorzugt 10 bis 150 MPa.
[0041] In einer besonders bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung erfolgt das Erwärmen in
Schritt c) als thermoplastisches Formen (engl.: thermoplastic forming, TPF). Durch
TPF können sich die gesamten Dimensionen des Formteils, z.B. die Dicke eines Blechs,
ändern oder alternativ können Strukturen in das Formteil geprägt werden, das heißt,
die Vorform wird lokal verformt. Alternativ kann durch TPF die Oberfläche des Formteils
verändert werden. Bevorzugt erfolgt das Erwärmen in einer beheizbaren Presse.
[0042] Bevorzugt kann die Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas zwischen zwei planparallelen
Flächen unter Druck gesetzt werden bzw. thermoplastisch geformt werden, wodurch flache
Formteile erhalten werden können. Flach bedeutet mit einer Schwankung der Dicke im
Bereich von höchstens 20% um den Mittelwert, z.B. +/- 200 µm bei einer mittleren Dicke
von 1 mm oder +/- 30 µm bei einer mittleren Dicke 150 µm.
[0043] In einer möglichen Ausführungsform der Erfindung kann das erhalten Bauteil nach Schritt
c) direkt und ohne weitere Behandlung für technische Anwendungen verwendet werden.
[0044] Beispielsweise kann mit dem erfindungsgemäßen Verfahren ein Formteil aufweisend ein
metallisches Massivglas erzeugt werden, wobei das Formteil in mindestens einer Dimension
einen Durchmesser von mindestens 200 µm aufweist. Das Formteil aufweisend ein metallisches
Massivglas kann bevorzug eine Biegefestigkeit (in N/mm
2) aufweisen, die höchstens 15 % unterhalb der Biegefestigkeit der gegossenen Legierung
liegt. Bevorzugt weist das Formteil in mindestens zwei Dimensionen einen Durchmesser
von mindestens 200 µm auf. In einer möglichen Ausführung der Erfindung weist das Formteil
eine Dicke auf, die nicht größer ist als 600 µm, insbesondere nicht größer als 400
µm. Bevorzugt ist das metallische Massivglas des Formteils, das diese Eigenschaften
aufweist, ausgewählt aus Zr
52,5Ti
5Cu
17,9Ni
14,6Al
10 und Zr
59,3Cu
28,8Al
10,4Nb
1,5, wobei die Indizes at-% der jeweiligen Elemente in der Legierung angeben.
[0045] Optional können sich anschließend an Schritt c) ein oder mehrere Nachbehandlungsschritte
des Formteils aufweisend ein metallisches Massivglas anschließen. Die Nachbehandlungsschritte
können beispielsweise ausgewählt sein aus Laserschneiden, Wasserstrahlschneiden, Fräsen,
Bohren, Schleifen, Polieren und Sandstrahlen.
[0046] Das erfindungsgemäße Verfahren kann zur Herstellung von Formteilen für verschiedenste
Anwendungen verwendet werden. Besonders vorteilhaft ist die Verwendung des Verfahrens
überall dort, wo Formteile erforderlich sind, die eine hohen geometrischen Präzision
und isotrope mechanische Eigenschaften aufweisen und mit geringer Stück-zu-Stück-Abweichung
herstellbar sind.
[0047] Besonders bevorzugt ist die Verwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Herstellung
von feinmechanischen Bauteilen, z.B. Federn, Zahnräder, etc. Beispielsweise können
solche Bauteile für die Herstellung von Uhren verwendet werden.
[0048] Abbildung 1 stellt eine mögliche Ausführungsform der Erfindung graphisch dar. Die
Verfahrensschritte werden von links nach rechts beschrieben. Zuerst wird durch ein
Gussverfahren eine Vorform aus metallischem Massivglas hergestellt (A). Die hergestellte
Vorform wird anschließend auf eine Temperatur T
1 unterhalb der Glasbildungstemperatur mittels Kaltwalzens verformt (B). Anschließend
wird die Vorform auf eine Temperatur T
2 oberhalb der Glasübergangstemperatur und unterhalb der Kristallisationstemperatur
unter Anlegen von Druck erwärmt (C). Danach folgen optional ein Polierschritt (D)
und optional ein Zuschneiden des Formteils auf eine bestimmte Form (E).
Messmethoden
DSC Messung
[0049] Die DSC-Messungen im Rahmen der Erfindung werden gemäß DIN EN ISO 11357-1:2017-02
und DIN EN ISO 11357-3:2018-07 durchgeführt. Die zu vermessende Probe in Form einer
dünnen Scheibe oder Folie, (ca. 80 - 100 mg) wird in die Messvorrichtung (NETZSCH
DSC 404F1, NETZSCH GmbH, Deutschland) gegeben. Die Aufheizrate beträgt 20,0 K/min.
Als Tiegelmaterial wird Al
2O
3 verwendet. Die Messung des Wärmeflusses erfolgt gegenüber einem leeren Referenztiegel,
sodass ausschließlich das thermische Verhalten der Probe gemessen wird.
[0050] Das Messverfahren erfolgt gemäß den folgenden Schritten:
- a) Die zu vermessende Probe wird mit der oben genannten Aufheizrate auf eine Temperatur
kurz unterhalb der Schmelztemperatur aufgeheizt (T=0,75*Tm) und der Wärmefluss gemessen.
Die Messung ist abgeschlossen, wenn kein Wärmefluss im Zusammenhang mit Phasenübergängen
mehr gemessen werden kann. Insbesondere wird die Messung beendet, wenn ein exothermes
Signal in Zusammenhang mit dem Kristallisationsvorgang vollständig erfasst ist. In
den hierin enthaltenen Beispielen wird z.B. von Raumtemperatur bis etwa 600°C gemessen.
- b) Die Probe lässt man auf Raumtemperatur abkühlen.
- c) Die Probe wird erneut mit derselben Aufheizrate auf dieselbe Temperatur aufgeheizt
wie in Schritt a) und der Wärmefluss wird gemessen.
- d) Die Messung aus Schritt c) wird von der Messung aus Schritt a) abgezogen, unter
Erhalt der Messdifferenz. Aus der Differenzmessung kann die Kristallisationsenthalpie,
falls vorhanden, durch Integralbildung bestimmt werden.
Glasübergangstemperatur
[0051] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird die Glasübergangstemperatur gemäß ASTM
E1365-03 wie folgt gemessen.
[0052] Die zu untersuchende Probe wird in einem DSC Gerät (NETZSCH DSC 404F1, NETZSCH GmbH,
Deutschland) in einen Tiegel gegeben. Das System wird nach dem folgenden Schema geheizt
und gekühlt und der jeweilige Wärmefluss in den Schritten a) und c) gemessen.
- a) Erwärmen auf eine Temperatur von 0,75*Tm mit einer Heizrate von 20 K/min.
- b) Abkühlen auf Raumtemperatur
- c) Erwärmen auf die gleiche Temperatur wie in Schritt a) mit der gleichen Heizrate
- d) Abkühlen auf Raumtemperatur
[0053] Als Resultat des Experiments wird die Enthalpie in Abhängigkeit von der Temperatur
für die Probe erhalten. In Schritt a) findet die Kristallisation der amorphen Probe
statt. In Schritt c) wird das thermische Verhalten der bereits vollständig kristallisierten
Probe aufgezeichnet.
Um die Glasübergangstemperatur zu bestimmen, wird die Messung aus Schritt c) von der
Messung aus Schritt a) subtrahiert. Die resultierende Kurve beinhaltet einen endothermen
Übergang bei niedrigere Temperatur und ein exothermes Signal bei höherer Temperatur.
Das Signal bei höherer Temperatur korrespondiert mit dem Kristallisationsvorgang.
Das endotherme Signal korrespondiert mit dem Glasübergang. Um die Glasübergangstemperatur
zu bestimmen, wird vor dem Glasübergangsbereich eine Tangentenlinie zur Basislinie
bestimmt (durch lineare Anpassung). Eine zweite Tangente wird im Wendepunkt (entsprechend
dem zeitlichen Spitzenwert der ersten Ableitung) des Glasübergangsbereichs bestimmt.
Der Temperaturwert am Schnittpunkt der beiden Tangenten gibt die Glasübergangstemperatur
an (T
f gemäß AST 1356-03).
Kristallisationstemperatur
[0054] Die Kristallisationstemperatur wurde mittels DSC gemäß der Norm DIN EN ISO 11357-3:2018-07
bestimmt. Diese Norm ist ausgelegt auf Polymere, kann jedoch analog für metallische
Gläser verwendet werden. Im Rahmen der Erfindung entspricht die Kristallisationstemperatur
der Peakkristallisationstemperatur T
p,c. wie sie in der hier genannten Norm verwendet wird. Die Aufheizrate betrug 20 K/min.
Beispiele
[0055] Die Legierung (Zr
59,3Cu
28,8Al
10,4Nb
1,5) wurde durch Schmelzen der Elemente im Vakuum-Lichtbogen hergestellt. Aus der hergestellten
Legierung wurde mittels Saugguss eine Vorform hergestellt, indem die homogene, flüssige
Schmelze der Legierung in eine Kupfergussform gefüllt wurde. Die Kupferform war auf
Raumtemperatur temperiert. Das erhaltene Gussteil in der Form eines Bandes hatte die
Maße von 3x15x40 mm.
[0056] Das erhaltene Gussteil in Form eines Bandes wurde in einer Walzanlage bei Raumtemperatur
mit zunehmenden Verformungsschritten auf ein Dicke von 0,5 mm gewalzt. Bei den Verformungsschritten
wurde mit einer Dickenreduktion von 5 µm begonnen und das Walzen endete bei eine Deformation
Δd von 50 µm pro Verformungsschritten nach 70 Walzvorgängen.
[0057] Anschließend wurde das kaltgewalzte Band über eine beheizte Presse unterhalb der
Kristallisationstemperatur im TTT-Diagramm der Legierung für 60 Sekunden erwärmt,
um die gewünschten Biegefestigkeit von etwa 2250 N/mm
2 einzustellen.
[0058] Gemäß dem beschriebenen Beispiel wurden 50 Formteile hergestellt. Für die erhaltenen
Bauteile wurde das Spannungs-Dehnungsverhalten gemessen mit 3-Punkt-Biegetest (gemäß
DIN EN ISO 7438:2016-07). Die Ergebnisse der Messungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1
| |
Biegefestigkeit [N/mm2] (Mittelwert) |
Standardabweichung [N/mm2] (Zahl der vermessenen Teile) |
| Gegossen |
2447 |
282 (10) |
| Gegossen und gewalzt |
1682 |
224 (6) |
| Gegossen, gewalzt, TPF |
2261 |
84 (10) |
[0059] Tabelle 1 fasst die gemessen Biegefestigkeiten der hergestellten Teile für unterschiedliche
Stufen der Herstellung zusammen und gibt für jeden Verarbeitungsschritt die Standardabweichung
der Biegefestigkeit über mehrere Teile an. Es ist zu erkennen, dass sich mit dem erfindungsgemäßen
Verfahren (3. Zeile) Formteile mit einer mittleren Biegefestigkeit von 2261 N/mm
2 erreichen lassen, die nahe dem Ausgangswert der gegossenen Vorform von 2447 N/mm
2 liegt, während sich die Homogenität der Bauteile (ausgedrückt durch die geringere
Standardabweichung) um den Faktor 3,4 erhöht hat gegenüber den gegossenen Teilen (Zeile
1).
1. Verfahren zur Herstellung eines Formteils aufweisend ein metallisches Massivglas,
gekennzeichnet durch die folgenden Schritte:
a. Bereitstellen einer Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas,
b. wiederholtes plastisches Verformen der Vorform aufweisend ein metallisches Massivglas
in mehreren Schritten mit einer Deformation Δd, wobei die Temperatur T1 der Vorform unterhalb der Glasübergangstemperatur des metallischen Massivglases liegt,
und
c. Erwärmen der Vorform auf eine Temperatur T2 oberhalb der Glasübergangstemperatur und unterhalb der Kristallisationstemperatur
unter Erhalt eines Formteils aufweisend ein metallisches Massivglas,
wobei das plastische Verformen in Schritt b) so erfolgt, dass die Deformation Δd mit
zunehmender Schrittzahl zunimmt.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1, wobei die Deformation Δd pro Verformungsschritt mindestens
1 µm, insbesondere mindestens 5 µm und höchstens 100 µm, insbesondere höchstens 50
µm beträgt.
3. Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2, wobei das Formteil in Schritt c) so erwärmt wird,
dass die Biegefestigkeit des Formteils nicht mehr als 15% unter dem Wert für die Vorform
in Schritt a) liegt.
4. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 3, wobei das Formteil in Schritt b) mindestens
in zwei und höchstens 300 Schritten plastisch verformt wird.
5. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 4, wobei das Erwärmen in Schritt c) unter
Anlegen eines Drucks auf das Formteil im Bereich von 1 bis 600 MPa erfolgt.
6. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 5, wobei der Druck zwischen zwei planparallelen
Oberflächen ausgeübt wird.
7. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 6, wobei das metallische Massivglas auf das
Gewicht bezogen als Hauptkomponente Zirkonium oder Kupfer aufweist.
8. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 7, wobei nach Schritt b) und vor Schritt c)
die Vorform umgeformt wird.
9. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 8, wobei das Umformen durch Hämmern, Tiefziehen
oder Biegen erfolgt.
10. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 9, wobei das wiederholte plastische Verformen
mit Hilfe mindestens einer Walze erfolgt.
11. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 - 10, wobei das wiederholte plastische Verformen
bei jedem Verformungsschritt in dieselbe Richtung oder in wechselnde Richtungen, insbesondere
in orthogonal zueinander liegenden Richtungen, erfolgt.
12. Verwendung des Formteils hergestellt nach dem Verfahren gemäß der Ansprüche 1 - 11
als Bauteil in einer Uhr.
13. Verwendung des Verfahrens gemäß einem der Ansprüche 1 - 11 zur Erzeugung von mehreren
Formteilen mit einer relativen Standardabweichung der Festigkeit, insbesondere der
Biegefestigkeit, von nicht mehr als 10%, insbesondere von nicht mehr als 5%.
14. Formteil aufweisend ein metallisches Massivglas wobei das Formteil in mindestens einer
Dimension einen Durchmesser von mindestens 200 µm aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Massivglas eine Biegefestigkeit aufweist, die höchstens 15 % unter
der Biegefestigkeit der gegossenen Legierung liegt.
15. Formteil gemäß Anspruch 14, wobei das Formteil in mindestens zwei Dimensionen einen
Durchmesser im Bereich von mindestens 200 µm aufweist.
16. Formteil gemäß den Ansprüchen 14 und 15, wobei das metallische Massivglas bezogen
auf das Gewicht als Hauptkomponente Zirkonium enthält.