[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Anlage zur Gewinnung eines
stickstoffreichen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen Luftprodukts unter Einsatz
einer Tieftemperaturzerlegung von Luft gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Patentansprüche.
Stand der Technik
[0003] Luftzerlegungsanlagen weisen Rektifikationskolonnensysteme auf, die herkömmlicherweise
als Zweikolonnensysteme, insbesondere als klassische Linde-Doppelkolonnensysteme,
aber auch als Drei- oder Mehrkolonnensysteme ausgebildet sein können. Neben den Rektifikationskolonnen
zur Gewinnung von Stickstoff und/oder Sauerstoff in flüssigem und/oder gasförmigem
Zustand, also den Rektifikationskolonnen zur Stickstoff-Sauerstoff-Trennung, können
Rektifikationskolonnen zur Gewinnung weiterer Luftkomponenten, insbesondere der Edelgase
Krypton, Xenon und/oder Argon, vorgesehen sein. Häufig werden dabei die Begriffe "Rektifikation"
und "Destillation" sowie "Kolonne" und "Säule" bzw. hieraus zusammengesetzte Begriffe
synonym verwendet.
[0004] Die Rektifikationskolonnen der genannten Rektifikationskolonnensysteme werden auf
unterschiedlichen Druckniveaus betrieben. Bekannte Doppelkolonnensysteme weisen eine
sogenannte Hochdruckkolonne (auch als Druckkolonne, Mitteldruckkolonne oder untere
Kolonne bezeichnet) und eine sogenannte Niederdruckkolonne (auch als obere Kolonne
bezeichnet) auf. Die Hochdruckkolonne wird typischerweise auf einem Druckniveau von
4 bis 7 bar, insbesondere ca. 5,3 bar, betrieben. Die Niederdruckkolonne wird auf
einem Druckniveau von typischerweise 1 bis 2 bar, insbesondere ca. 1,4 bar, betrieben.
In bestimmten Fällen können in einer oder in beiden Rektifikationskolonnen auch höhere
Druckniveaus eingesetzt werden. Bei den hier und nachfolgend angegebenen Drücken handelt
es sich um Absolutdrücke am Kopf der jeweils angegebenen Kolonnen.
[0005] Die Erzeugung von Stickstoff auf einem Druckniveau von ca. 10 bar bei gleichzeitig
großen Produktionsmengen ist in herkömmlichen Luftzerlegungsanlagen mit vernünftigen
Ausbeuten häufig nicht möglich. Der Stickstoff fällt hier zum Großteil als Niederdruckprodukt
an und muss daher verdichtet werden. Der restliche Teil kann unter dem Druck der Hochdruckkolonne
gewonnen werden, muss aber, da diese in dem erwähnten niedrigeren Druckbereich betrieben
wird, ebenfalls nachverdichtet werden, um den erwünschen Produktdruck zu erzielen.
Letzteres gilt auch für alternative Ausgestaltungen, in denen ausschließlich die Hochdruckkolonne
zur Stickstoffproduktion verwendet wird.
[0006] Herkömmliche Doppelkolonnensysteme zur Tieftemperaturzerlegung von Luft weisen lediglich
zur Kondensation von Kopfgas der Hochdruckkolonne einen Kondensatorverdampfer (zu
dem Begriff siehe unten), den sogenannten Hauptkondensator, auf. Wenn große Mengen
an Druckstickstoff gewonnen werden sollen, also insbesondere für die soeben erläuterte
Aufgabe, kann ein abgewandeltes Doppelsäulenverfahren zum Einsatz kommen, bei dem
grundsätzlich höhere Drücke verwendet werden. Dadurch ist es möglich, Kopfgas der
Niederdruckkolonne in einem Kopfkondensator zu gegen sauerstoffangereicherte Flüssigkeit
aus dem Rektifikationskolonnensystem zu kondensieren. Aufgrund der höheren verwendeten
Druckniveaus kann hierbei außerdem gasförmiger Stickstoff aus der Hochdruckkolonne
direkt, d.h. ohne weitere Verdichtung, auf einem entsprechenden Druckniveau bereitgestellt
werden. Entsprechende Verfahren sind beispielsweise aus der
US 4,453,957 A und der
EP 3 290 843 A2 bekannt.
[0007] Verfahren und Anlagen, die in der soeben erläuterten Weise zur Erzeugung von gasförmigem
Stickstoff auf entsprechenden Druckniveaus optimiert sind, sind häufig nicht zur gleichzeitigen
Gewinnung von gasförmigem Drucksauerstoff bzw. entsprechenden gasförmigen, sauerstoffreichen
Luftprodukten eingerichtet, weshalb herkömmlicherweise dann, wenn auch derartige Luftprodukte
bereitgestellt werden sollen, auf im Sinne der Stickstoffproduktion möglicherweise
nachteiligere Verfahren und Anlagen zurückgegriffen werden muss.
[0008] Die vorliegende Erfindung stellt sich daher die Aufgabe, ein Verfahren und eine Luftzerlegungsanlage
anzugeben, mittels welchem bzw. welcher größere Mengen an gasförmigem Stickstoff auf
einem deutlich überatmosphärischen Druckniveau und zugleich ein gasförmiges, sauerstoffreiches
Luftprodukt in vorteilhafter Weise bereitgestellt werden können.
Offenbarung der Erfindung
[0009] Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Erfindung ein Verfahren und eine Anlage
zur Gewinnung eines stickstoffreichen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen Luftprodukts
unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung von Luft mit den Merkmalen der unabhängigen
Patentansprüche vor. Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung sind Gegenstand der
abhängigen Patentansprüche und der nachfolgenden Beschreibung.
[0010] Vor der Erläuterung der Merkmale und Vorteile der vorliegenden Erfindung werden einige
Grundlagen der vorliegenden Erfindung näher erläutert und nachfolgend verwendete Begriffe
definiert.
[0011] Die in einer Luftzerlegungsanlage eingesetzten Vorrichtungen sind in der zitierten
Fachliteratur, beispielsweise bei Häring (s.o.) in Abschnitt 2.2.5.6, "Apparatus",
beschrieben. Sofern die nachfolgenden Definitionen nicht hiervon abweichen, wird daher
zum Sprachgebrauch, der im Rahmen der vorliegenden Anmeldung verwendet wird, ausdrücklich
auf die zitierte Fachliteratur verwiesen.
[0012] Flüssigkeiten und Gase können im hier verwendeten Sprachgebrauch reich oder arm an
einer oder an mehreren Komponenten sein, wobei "reich" für einen Gehalt von wenigstens
75%, 90%, 95%, 99%, 99,5%, 99,9% oder 99,99% und "arm" für einen Gehalt von höchstens
25%, 10%, 5%, 1%, 0,1% oder 0,01% auf Mol-, Gewichts- oder Volumenbasis stehen kann.
Der Begriff "überwiegend" kann der Definition von "reich" entsprechen. Flüssigkeiten
und Gase können ferner angereichert oder abgereichert an einer oder mehreren Komponenten
sein, wobei sich diese Begriffe auf einen Gehalt in einer Ausgangsflüssigkeit oder
einem Ausgangsgas beziehen, aus der oder dem die Flüssigkeit oder das Gas gewonnen
wurde. Die Flüssigkeit oder das Gas sei "angereichert", wenn diese oder dieses zumindest
den 1,1-fachen, 1,5-fachen, 2-fachen, 5-fachen, 10-fachen 100-fachen oder 1.000-fachen
Gehalt, und "abgereichert", wenn diese oder dieses höchstens den 0,9-fachen, 0,5-fachen,
0,1-fachen, 0,01-fachen oder 0,001-fachen Gehalt einer entsprechenden Komponente,
bezogen auf die Ausgangsflüssigkeit oder das Ausgangsgas, enthält. Ist hier beispielsweise
von "Sauerstoff", "Stickstoff" oder "Argon" die Rede, sei hierunter auch eine Flüssigkeit
oder ein Gas verstanden, die bzw. das reich an Sauerstoff oder Stickstoff ist, jedoch
nicht notwendigerweise ausschließlich hieraus bestehen muss.
[0013] Die vorliegende Anmeldung verwendet zur Charakterisierung von Drücken und Temperaturen
die Begriffe "Druckniveau" und "Temperaturniveau", wodurch zum Ausdruck gebracht werden
soll, dass entsprechende Drücke und Temperaturen in einer entsprechenden Anlage nicht
in Form exakter Druck- bzw. Temperaturwerte verwendet werden müssen, um das erfinderische
Konzept zu verwirklichen. Jedoch bewegen sich derartige Drücke und Temperaturen typischerweise
in bestimmten Bereichen, die beispielsweise ± 1%, 5%, 10% oder 20% um einen Mittelwert
liegen. Entsprechende Druckniveaus und Temperaturniveaus können dabei in disjunkten
Bereichen liegen oder in Bereichen, die einander überlappen. Insbesondere schließen
beispielsweise Druckniveaus unvermeidliche oder zu erwartende Druckverluste ein. Entsprechendes
gilt für Temperaturniveaus. Bei den bezüglich der Druckniveaus in bar angegebenen
Werten handelt es sich um Absolutdrücke.
[0014] Ist hier von "Entspannungsmaschinen", "Expansionsturbinen" oder dergleichen die Rede,
seien darunter typischerweise bekannte Turboexpander verstanden. Diese Entspannungsmaschinen
können insbesondere auch mit Verdichtern bzw. Boostern gekoppelt sein. Bei diesen
Verdichtern kann es sich insbesondere um Turboverdichter handeln. Eine entsprechende
Kombination aus Turboexpander und Turboverdichter wird typischerweise auch als "Turbinenbooster"
bezeichnet. In einem Turbinenbooster sind der Turboexpander und der Turboverdichter
mechanisch gekoppelt, wobei die Kopplung drehzahlgleich (beispielsweise über eine
gemeinsame Welle) oder drehzahlunterschiedlich (beispielsweise über ein geeignetes
übersetzendes Getriebe) erfolgen kann. Allgemein wird hier der Begriff "Verdichter"
verwendet, auch wenn es sich um einen mit einem Turboexpander gekoppelten Booster
handelt.
[0015] Ein "Hauptluftverdichter" zeichnet sich dadurch aus, dass durch ihn die gesamte,
der Luftzerlegungsanlage zugeführte und dort zerlegte Luft verdichtet wird. Hingegen
wird in einem oder mehreren optional vorgesehenen weiteren Verdichtern, beispielsweise
Nachverdichtern, nur jeweils ein Anteil dieser bereits zuvor im Hauptluftverdichter
verdichteten Luft weiter verdichtet. Entsprechend stellt der "Hauptwärmetauscher"
einer Luftzerlegungsanlage den Wärmetauscher dar, in dem zumindest der überwiegende
Anteil der der Luftzerlegungsanlage zugeführten und dort zerlegten Luft abgekühlt
wird. Dies erfolgt zumindest zum Teil im Gegenstrom zu Stoffströmen, die aus der Luftzerlegungsanlage
ausgeleitet werden. Solche "ausgeleiteten" Stoffströme oder "Produkte" sind im hier
verwendeten Sprachgebrauch Fluide, die nicht mehr an anlageninternen Kreisläufen teilnehmen,
sondern diesen dauerhaft entzogen werden.
[0016] Ein "Wärmetauscher" zum Einsatz im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann in fachüblicher
Art ausgebildet sein. Er dient zur indirekten Übertragung von Wärme zwischen zumindest
zwei z.B. im Gegenstrom zueinander geführten Fluidströmen, beispielsweise einem warmen
Druckluftstrom und einem oder mehreren kalten Fluidströmen oder einem tiefkalten flüssigen
Luftprodukt und einem oder mehreren warmen bzw. wärmeren, ggf. aber auch noch tiefkalten
Fluidströmen. Ein Wärmetauscher kann aus einem einzelnen oder mehreren parallel und/oder
seriell verbundenen Wärmetauscherabschnitten gebildet sein, z.B. aus einem oder mehreren
Plattenwärmetauscherblöcken. Es handelt sich beispielsweise um einen Plattenwärmetauscher
(engl. Plate Fin Heat Exchanger). Ein derartiger Wärmetauscher weist "Passagen" auf,
die als voneinander getrennte Fluidkanäle mit Wärmeaustauschflächen ausgebildet und
parallel und durch andere Passagen getrennt zu "Passagengruppen" zusammengeschlossen
sind. Kennzeichen eines Wärmetauschers ist, dass in ihm zu einem Zeitpunkt Wärme zwischen
zwei mobilen Medien ausgetauscht wird, nämlich wenigstens einem abzukühlenden und
wenigstens einem zu erwärmenden Fluidstrom.
[0017] Als "Kondensatorverdampfer" wird ein Wärmetauscher bezeichnet, in dem ein erster,
kondensierender Fluidstrom in indirekten Wärmeaustausch mit einem zweiten, verdampfenden
Fluidstrom tritt. Jeder Kondensatorverdampfer weist einen Verflüssigungsraum und einen
Verdampfungsraum auf. Verflüssigungs- und Verdampfungsraum weisen Verflüssigungs-
bzw. Verdampfungspassagen auf. In dem Verflüssigungsraum wird die Kondensation (Verflüssigung)
des ersten Fluidstroms durchgeführt, in dem Verdampfungsraum die Verdampfung des zweiten
Fluidstroms. Der Verdampfungs- und der Verflüssigungsraum werden durch Gruppen von
Passagen gebildet, die untereinander in Wärmeaustauschbeziehung stehen.
[0018] Die relativen räumlichen Begriffe "oben", "unten", "über", "unter", "oberhalb", "unterhalb",
"neben", "nebeneinander", "vertikal", "horizontal" etc. beziehen sich hier auf die
räumliche Ausrichtung der Komponenten einer Luftzerlegungsanlage im Normalbetrieb.
Unter einer Anordnung zweier Komponenten "übereinander" wird hier verstanden, dass
das sich obere Ende der unteren der beiden Komponenten auf niedrigerer oder gleicher
geodätischer Höhe befindet wie das untere Ende der oberen der beiden Komponenten und
sich die Projektionen der beiden Apparateteile in einer horizontalen Ebene überschneiden.
Insbesondere können die beiden Komponenten genau übereinander angeordnet sein, d.h.
die Achsen der beiden Komponenten senkrecht zur Horizontalen verlaufen auf derselben
vertikalen Geraden. Die Achsen der beiden Komponenten müssen jedoch nicht genau senkrecht
übereinander liegen, sondern können auch gegeneinander versetzt sein, insbesondere
wenn einer der beiden Komponenten, beispielsweise eine Rektifikationskolonne oder
ein Kolonnenteil mit geringerem Durchmesser, denselben Abstand zum Blechmantel einer
Coldbox aufweisen soll wie ein anderer mit größerem Durchmesser.
Vorteile der Erfindung
[0019] Die vorliegende Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass sich zur Gewinnung von
Stickstoff auf einem Druckniveau wie eingangs erläutert, d.h. einem Druckniveau von
ca. 10 bar oder allgemeiner von 7 bis 12 bar, eine Abwandlung einer herkömmlichen
Luftzerlegungsanlage besonders vorteilhaft nutzen lässt, und dass sich damit in einer
erfindungsgemäßen Ausgestaltung auch ein sauerstoffreiches, gasförmiges Luftprodukt
unter Druck in besonders vorteilhafter Weise und in unterschiedlichen Reinheiten bereitstellen
lässt. In der erfindungsgemäß eingesetzten Abwandlung wird dabei ein Doppelkolonnensystem
eingesetzt, das im Gegensatz zu klassischen Verfahren bzw. Luftzerlegungsanlagen auf
einem höheren Druckniveau bzw. auf zwei höheren Druckniveaus betrieben wird. Die entsprechenden
Kolonnen derartigen Doppelkolonnenanordnung werden auch hier als Hochdruckkolonne
und Niederdruckkolonne bezeichnet, wobei zumindest die Hochdruckkolonne jedoch hier
auf einem deutlich höheren Druckniveau als die Hochdruckkolonne einer bekannten Luftzerlegungsanlage
betrieben wird. Die Erfindung geht dabei insbesondere von einem Verfahren bzw. einer
entsprechenden Anlage aus, wie sie aus der eingangs erwähnten Patentliteratur bekannt
sind.
[0020] Durch den Betrieb der Hochdruckkolonne auf einem entsprechenden höheren Druckniveau
kann dieser Kopfgas entnommen werden, welches direkt, d.h. ohne eine weitere Verdichtung,
als Stickstoffprodukt auf einem gewünschten Produktdruck bereitgestellt werden kann.
Durch den Einsatz der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Luftzerlegungsanlage bzw. eines
entsprechenden Verfahrens erübrigt sich damit der Einsatz von Nachverdichtern für
ein entsprechendes Stickstoffprodukt bzw. eine grundsätzlich ebenfalls mögliche Innenverdichtung,
wie sie aus dem Stand der Technik bekannt ist. Durch die erfindungsgemäß vorgeschlagenen
Maßnahmen kann ferner ein sauerstoffreiches Luftprodukt in gasförmigem Zustand unter
Druck gewonnen werden. Das erfindungsgemäß vorgeschlagene Verfahren kann grundsätzlich
auch zur Gewinnung weiterer Luftprodukte wie flüssigem Sauerstoff, Argon und dergleichen
verwendet und entsprechend erweitert werden. Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen
sich jedoch insbesondere auf die Gewinnung von druckbeaufschlagtem, gasförmigem Stickstoff
und Sauerstoff bzw. eines entsprechenden stickstoffreichen Luftprodukts und eines
entsprechenden sauerstoffreichen Luftprodukts.
[0021] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird also eine an sich bekannte Abwandlung einer
herkömmlichen Luftzerlegungsanlage dahingehend vorgenommen, dass die Hochdruckkolonne
und die Niederdruckkolonne jeweils mit Kondensatorverdampfern betrieben werden, die
Kopfgas der entsprechenden Kolonnen verflüssigen und auf diese zurückführen. In herkömmlichen
Luftzerlegungsanlagen wird, wie erwähnt, lediglich der sogenannte Hauptkondensator
zur Kondensation von Kopfgas der Hochdruckkolonne verwendet, sofern keine weiteren
Kolonnen wie beispielsweise zur Argonproduktion vorhanden sind. Kopfgas der Niederdruckkolonne
wird in herkömmlichen Verfahren typischerweise nicht verflüssigt, weil hierzu auch
die verwendeten Drücke nicht ausreichen. Vielmehr wird in herkömmlichen Anlagen ein
Rücklauf auf die Niederdruckkolonne ausschließlich durch Flüssigkeit aus der Hochdruckkolonne
gebildet.
[0022] Das gasförmige, sauerstoffreiche Luftprodukt wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung
aus Flüssigkeit gebildet, die in einem Verdampfungsraum des Kondensatorverdampfers
vorliegt wird, welcher das Kopfgas der Niederdruckkolonne kühlt und kondensiert, und
der hier allgemein als "zweiter" Kondensatorverdampfer bezeichnet wird. Die Bildung
des gasförmigen, sauerstoffreichen Luftprodukts aus dieser Flüssigkeit umfasst eine
Innenverdichtung, wie sie grundsätzlich aus dem Bereich der Luftzerlegung bekannt
ist.
[0023] Bei der Innenverdichtung wird herkömmlicherweise ein gasförmiges, druckbeaufschlagtes
Luftprodukt dadurch gebildet, dass dem Rektifikationskolonnensystem ein tiefkaltes,
flüssiges Luftprodukt entnommen, einer Druckerhöhung auf einen Produktdruck unterworfen,
und auf dem Produktdruck durch Erwärmen in den gasförmigen oder überkritischen Zustand
überführt wird. Beispielsweise können mittels herkömmlicher Innenverdichtung gasförmiger,
druckbeaufschlagter Sauerstoff, gasförmiger, druckbeaufschlagter Stickstoff und/oder
gasförmiges, druckbeaufschlagtes Argon erzeugt werden. Die Innenverdichtung bietet
eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer alternativ ebenfalls möglichen externen Verdichtung
und ist z.B. bei Häring (s.o.) in Abschnitt 2.2.5.2, "Internal Compression", erläutert.
Anlagen zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei der eine entsprechende Innenverdichtung
zum Einsatz kommt, sind auch in der
US 2007/0209389 A1 und in der
WO 2015/127648 A1 gezeigt. Die vorliegende Erfindung setzt die Innenverdichtung in Zusammenhang mit
der Flüssigkeit aus dem erwähnten zweiten Kondensatorverdampfer ein.
[0024] Insgesamt schlägt die vorliegende Erfindung zur Erzielung der zuvor erläuterten Vorteile
ein Verfahren zur Gewinnung eines stickstoffreichen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen
Luftprodukts unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung von Luft in einer Luftzerlegungsanlage
vor. Die Luftzerlegungsanlage weist ein Rektifikationskolonnensystem mit einer auf
einem ersten Druckniveau betriebenen Hochdruckkolonne und einer auf einem zweiten
Druckniveau unterhalb des ersten Druckniveaus betriebenen Niederdruckkolonne auf.
Details hierzu wurden bereits erläutert. Wie erwähnt, stellt das erfindungsgemäß eingesetzte
Rektifikationskolonnensystem dabei insbesondere eine Abwandlung eines herkömmlichen
Doppelkolonnensystems dar.
[0025] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird Druckluft abgekühlt und zumindest in die
Hochdruckkolonne eingespeist. Je nach der Verdichtung der Druckluft, die auch in Anteilen
auf unterschiedliche Druckniveaus erfolgen kann, kann dabei eine Entspannung vor der
Einspeisung erfolgen, beispielsweise in einer Entspannungsmaschine oder in einem Entspannungsventil.
Die Druckluft kann bei der Abkühlung auch zumindest teilweise verflüssigt werden bzw.
können zumindest ein abgekühlter Druckluftstrom in gasförmigem und zumindest ein abgekühlter
Druckluftstrom in verflüssigtem Zustand verwendet werden. Die vorliegende Erfindung
ist nicht auf bestimmte Ausgestaltungen der Lufteinspeisung beschränkt. Ein Teil der
verdichteten Druckluft kann auch teilabgekühlt und danach entspannt, jedoch aus der
Anlage ausgeleitet werden. Auf diese Weise kann Kälte gewonnen werden, indem diese
entspannte Druckluft in einem Hauptwärmetauscher gegen später in das Rektifikationskolonnensystem
eingespeiste Druckluft erwärmt wird.
[0026] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird, wie erwähnt, die Hochdruckkolonne auf
einem höheren Druckniveau als in herkömmlichen Anlagen betrieben, so dass im Rahmen
der vorliegenden Erfindung das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt. Im Rahmen
des erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verfahrens beträgt das zweite Druckniveau vorteilhafterweise
3 bis 5 bar, die Niederdruckkolonne wird also auf ebenfalls auf einem höheren Druckniveau
als herkömmlicherweise der Fall betrieben. Auf diese Weise kann im Rahmen der vorliegenden
Erfindung Kopfgas der Hochdruckkolonne direkt als Druckstickstoffprodukt bereitgestellt
werden, das ohne Nachverdichtung auf einem gewünschten Produktdruck vorliegt.
[0027] Ferner wird unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne erfindungsgemäß in
einem ersten Kondensatorverdampfer ein erstes Kondensat gebildet und teilweise oder
vollständig auf die Hochdruckkolonne zurückgeführt. Es kann auch nur ein Teil eines
entsprechenden Kondensats auf die Hochdruckkolonne zurückgeführt und ein weiterer
Teil des Kondensats als Flüssigstickstoffprodukt aus der Luftzerlegungsanlage ausgeführt
werden.
[0028] Außerdem wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung unter Verwendung von Kopfgas der
Niederdruckkolonne in einem zweiten Kondensatorverdampfer ein zweites Kondensat gebildet
und teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne zurückgeführt. Insbesondere
kann ein Teil des entsprechenden verflüssigten Kopfgases der Niederdruckkolonne dabei
auch nach der Verflüssigung mittels einer Pumpe auf die Hochdruckkolonne zurückgeführt
werden.
[0029] Sämtliche im Rahmen der Erfindung eingesetzten bzw. dem Rektifikationskolonnensystem
oder ihrer beiden Rektifikationskolonnen entnommenen bzw. in diese eingespeisten Stoffströme
können gegeneinander abgekühlt (unterkühlt) werden, wozu entsprechende Unterkühler
(auch als Unterkühlungsgegenströmer bezeichnet) verwendet werden können. Derartige
Unterkühler können auch zu größeren Einheiten zusammengefasst werden, die mehr als
zwei Stoffströme einem wechselseitigen Wärmeaustausch miteinander unterwerfen.
[0030] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird in einen Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers
Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne eingespeist. Aus dem Verdampfungsraum
des zweiten Kondensatorverdampfers wird Flüssigkeit entnommen, in flüssigem Zustand
einer Druckerhöhung unterworfen, verdampft oder in den überkritischen Zustand überführt,
und zur Bereitstellung des sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts verwendet.
[0031] Durch den Einsatz der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere durch
die Innenverdichtung der Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer, kann im
Zuge des für die Bereitstellung von Druckstickstoff optimierten Verfahrens in besonderes
vorteilhafter Weise auch ein entsprechendes Drucksauerstoffprodukt bereitgestellt
werden. Der innenverdichtete Stoffstrom bzw. die zur Bildung dieses Stoffstroms verwendete
Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer stellt die einzige Flüssigkeit mit
einem Sauerstoffgehalt von mehr als 40% in einer entsprechenden Anlage dar, und diese
kann daher, mit oder ohne anschließende weitere Aufbereitung, vorteilhafterweise als
Sauerstoffprodukt genutzt werden.
[0032] Durch die nach der Innenverdichtung erfolgende Überführung in den gasförmigen oder
überkritischen Zustand wird dem Prozess keine wertvolle Kälte entzogen, wie dies im
Falle einer direkten Ausleitung der Fall wäre. Dies ist besonders vorteilhaft, weil
in Luftzerlegungsanlagen, die zur Bereitstellung von gasförmigem Druckstickstoff in
der erläuterten Art optimiert sind, typischerweise eine vergleichsweise geringe Kälteleistung
installiert ist. Der minimale Innenverdichtungsdruck, also das Druckniveau, auf den
die Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer in flüssigem Zustand gebracht
wird, liegt bei ca. 6 bar, was im Q-T-Profil ausgesprochen gut zu der bei ca. 10 bar
bereitgestellten Prozessluft passt. Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird in Ausgestaltungen
beispielsweise ein Innenverdichtungsdruck von 6 bis 10 bar verwendet. Des weiteren
können jedoch auch höhere Innenverdichtungsdrücke sinnvoll erzeugt werden, insbesondere
dann, wenn eine weitere Aufreinigung des Drucksauerstoffprodukt in einer anschließenden
nichtkryogenen Sauerstoffanreicherung erfolgen soll. Typische Drücke, auf die im Rahmen
der vorliegenden Erfindung das stickstoffreiche, gasförmige Druckprodukt bereitgestellt
wird, liegen bei beispielsweise 7 bis 10 bar.
[0033] Das erfindungsgemäß vorgeschlagene Verfahren bietet insbesondere auch deshalb besondere
Vorteile, weil hierbei ansonsten zur Spülung des Verdampfungsraums verwendete Flüssigkeit
als gasförmiges Produkt abgegeben wird. Daher bleibt die Kältebilanz im Vergleich
zu einer flüssigen Abgabe im Wesentlichen unberührt, so dass eine bis zu 20% der Menge
des stickstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts entsprechende Menge in Form des sauerstoffreichen,
gasförmigen Luftprodukts abgezogen werden kann. Mit anderen Worten wird in einer Ausgestaltung
der vorliegenden Erfindung das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt in einer Menge
bereitgestellt, die bei 1 bis 20% einer Menge liegt, in der das stickstoffreiche,
gasförmige Luftprodukt bereitgestellt wird.
[0034] Reicht eine Reinheit der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers
entnommenen, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfenen und verdampften
oder in den überkritischen Zustand überführten Flüssigkeit für den beabsichtigten
Verwendungszweck, beispielsweise für eine sauerstoffangereicherte Verbrennung aus,
kann diese ohne die Zusammensetzung beeinflussende Maßnahmen als das sauerstoffreiche,
gasförmige Luftprodukt verwendet werden. Der Sauerstoffgehalt der Flüssigkeit aus
dem zweiten Kondensatorverdampfer liegt, wie erwähnt, bei mehr als 40% Sauerstoff,
insbesondere bei 60 bis 78% Sauerstoff, auf molarer Basis.
[0035] Bei einem höheren Reinheitsbedarf kann die aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers
entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene und verdampfte oder
in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit zur Bereitstellung als das sauerstoffreiche,
gasförmige Luftprodukt jedoch auch der bereits kurz angesprochenen nichtkryogenen
Sauerstoffanreicherung unterworfen werden. Als besonders vorteilhaft im Zusammenhang
mit den erfindungsgemäß vorgeschlagenen Maßnahmen haben sich dabei die Druckwechseladsorption
und/oder eine Membrantrennung erwiesen. Der Grund dafür ist insbesondere der, dass
die aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers entnommene, in flüssigem
Zustand der Druckerhöhung unterworfene und verdampfte oder in den überkritischen Zustand
überführte Flüssigkeit vollständig frei von Wasser und Kohlendioxid ist, was für die
Weiterverwendung in einem entsprechenden Verfahren besondere Vorteile bietet.
[0036] Die Druckwechseladsorption kann insbesondere in Form einer sogenannten Vakuumdruckwechseladsorption
durchgeführt werden, die sich dadurch auszeichnet, dass ein unteratmosphärischer Desorptionsdruck
von beispielsweise 100 bis 900 mbar oder 200 bis 800 mbar verwendet wird.
[0037] Die nichtkryogene Sauerstoffanreicherung kann insbesondere auf einen Gehalt von 80
bis 95% auf molarer Basis erfolgen, wenn eine Druckwechseladsorption eingesetzt werden,
und auf einen Gehalt von 80 bis 99,9% auf molarer Basis, wenn ein Membranverfahren
verwendet wird.
[0038] Ein Membranverfahren ist deshalb von besonderem Vorteil, weil hier die zur Stofftrennung
benötigte Energie dem Fluid per Druckreduktion entzogen wird (der Gradient der Partialdrücke
des Sauerstoffes treibt die Stofftrennung). Im Vergleich zu einer (Vakuum-)Druckwechseladsorption
sind die in einem Membranverfahren eingesetzten Apparate kostengünstig, platzsparend,
wartungsarm und erzeugen keine zusätzlichen Schallemissionen. Zudem ist die Anfahrzeit
in einem Membranverfahren sehr kurz. Als Membranmaterial zur Sauerstofftrennung bieten
sich beispielsweise Polyimid oder Poly(p-Phenylenoxid) an.
[0039] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann der Verdampfungsraum des zweiten Kopfkondensators
insbesondere auf einem Druckniveau von 1,2 bis 2,5 bar betrieben werden. Die Sumpfflüssigkeit
der Niederdruckkolonne wird also vor der Einspeisung in den Verdampfungsraum ausgehend
von dem zweiten Druckniveau auf dieses Druckniveau entspannt und die Flüssigkeit wird
dem Verdampfungsraum auf diesem Druckniveau entnommen.
[0040] Die flüssige Druckerhöhung der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kopfkondensators
entnommenen Flüssigkeit kann insbesondere auf ein Druckniveau von 5 bis 80 bar erfolgen.
Wie erwähnt, kann hierdurch eine besonders gute Adaption an die ansonsten durch den
Hauptwärmetauscher geführten Stoffströme erfolgen. Liegt die flüssige Druckerhöhung
der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kopfkondensators entnommenen Flüssigkeit
auf ein Druckniveau deutlich über 8 bis 10 bar, so kann es aus Kostengründen sinnvoll
sein, die zu verdampfende Flüssigkeit in einem separaten Tauscher gegen Prozessluft
anzuwärmen.
[0041] In einem Verfahren gemäß einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung wird, wie bereits teilweise angesprochen, Luft auf mindestens das erste
Druckniveau verdichtet, wobei ein erster Anteil dieser Luft in Form eines oder mehrerer
Druckluftströme in einem Hauptwärmetauscher der Luftzerlegungsanlage abgekühlt und
in die Hochdruckkolonne eingespeist wird. Dieser erste Anteil wird insbesondere bis
zum kalten Ende durch den Hauptwärmetauscher geführt und dabei auf ein Temperaturniveau
von -150 bis - 180 °C abgekühlt. Hingegen wird ein zweiter Anteil dieser Luft in dem
Hauptwärmetauscher abgekühlt, und zwar vorteilhafterweise nur auf ein Zwischentemperaturniveau
von -50 bis -150 °C, entspannt, in dem Hauptwärmetauscher erwärmt und aus der Luftzerlegungsanlage
ausgeleitet. Auf diese Weise kann ein Kälteverlust in der Anlage ausgeglichen werden.
[0042] Die vorliegende Erfindung erstreckt sich, wie erwähnt, ferner auf eine Luftzerlegungsanlage,
die zur Durchführung eines entsprechenden Verfahrens eingerichtet ist, und die die
in dem zugehörigen unabhängigen Patentanspruch angegebenen Mittel aufweist. Zu weiteren
Details sei auf diesen unabhängigen Patentanspruch und die obigen Erläuterungen bezüglich
des erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verfahrens verwiesen, die eine entsprechende Luftzerlegungsanlage
in gleicher Weise betreffen.
[0043] Die Erfindung wird nachfolgend auf die beigefügten Figuren näher erläutert, die bevorzugte
Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung veranschaulichen.
[0044] Kurze Beschreibung der Zeichnungen
Figur 1 veranschaulicht eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung in vereinfachter schematischer Darstellung.
Figur 2 veranschaulicht eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung in vereinfachter schematischer Darstellung.
Figur 3 veranschaulicht eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung in vereinfachter schematischer Darstellung.
[0045] In den Figuren sind einander baulich oder funktional entsprechende Elemente mit identischen
Bezugszeichen angegeben und werden Übersichtlichkeit halber nicht wiederholt erläutert.
Ausführliche Beschreibung der Zeichnungen
[0046] In den Figuren 1 bis 3 sind jeweils mit 100, 200 und 300 bezeichnete Luftzerlegungsanlagen
gemäß besonders bevorzugter Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung in stark vereinfachter,
schematischer Darstellung als Prozessflussdiagramme veranschaulicht.
[0047] Ein sogenannter warmer Teil der entsprechenden Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und
300 ist jeweils nicht im Detail veranschaulicht, sondern zusammengefasst mit 1 angegeben.
Zur fachüblichen Ausgestaltung eines entsprechenden warmen Teils einer Luftzerlegungsanlage
sei auf die eingangs zitierte Fachliteratur verwiesen. Der warme Teil einer Luftzerlegungsanlage
umfasst insbesondere den sogenannten Hauptluftverdichter sowie eine diesem nachgeschaltete
Vorkühleinrichtung, beispielsweise in Form eines Direktkontaktkühlers. Ferner umfasst
der warme Teil einer entsprechenden Luftzerlegungsanlage typischerweise eine Reinigungseinrichtung
für die in der Luftzerlegungsanlage zu bearbeitende Luft, die typischerweise als Adsorberstation
mit geeigneten Molsiebadsorbern eingerichtet ist. Diese können insbesondere im Wechselbetrieb
gefahren und unter Verwendung eines Regeneriergases betrieben werden, wie nachfolgend
auch noch erläutert. Zur besseren Unterscheidung und einfacheren Bezugnahme ist eine
entsprechende Adsorberstation, die jedoch explizit in dem warmen Teil 1 der Luftzerlegungsanlagen
100, 200 und 300 bereitgestellt ist, mit 2 bezeichnet.
[0048] In den Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 wird jeweils ein verdichteter und entsprechend
aufgereinigter Einsatzluftstrom a bereitgestellt, der Luft umfasst, welche in einem
Rektifikationskolonnensystem 10 bearbeitet wird. Das Rektifikationskolonnensystem
10 umfasst dabei eine Hochdruckkolonne 11 und eine Niederdruckkolonne 12. Ein wesentlicher
Aspekt der hier veranschaulichten Ausgestaltung ist der, dass die Hochdruckkolonne
11 und die Niederdruckkolonne 12 jeweils Kopfkondensatoren 111 bzw. 121 aufweisen.
Unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne wird dabei in dem hier als "erstem"
Kopfkondensator bezeichneten Kopfkondensator 111 ein Kondensat gebildet, das hier
auch als "erstes" Kondensat bezeichnet wird. Dieses erste Kondensat wird zumindest
zum Teil auf die Hochdruckkolonne 11 zurückgeführt. In dem hier als "zweitem" Kopfkondensator
bezeichneten Kopfkondensator 121 wird unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne
ein Kondensat gebildet, das hier als "zweites" Kondensat bezeichnet wird, und das
teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne 12 zurückgeführt wird. Weitere
Details werden weiter unten erläutert.
[0049] Ein weiterer gemeinsamer Aspekt der in den Figuren 1 bis 3 veranschaulichten Luftzerlegungsanlagen
100, 200 und 300 ist der, dass drei Teilströme b, c und d des Einsatzluftstroms a
gebildet und jeweils einer Abkühlung in einem Hauptwärmetauscher 3 unterworfen werden.
Die Teilströme b werden dabei bis zum kalten Ende durch den Hauptwärmetauscher 3 geführt
und letztlich in die Hochdruckkolonne 11 eingespeist. Der Teilstrom c wird hingegen
in dem Hauptwärmetauscher 3 nur teilabgekühlt, in einer gebremsten Turbine 4 entspannt,
in dem Hauptwärmetauscher 3 wieder erwärmt, und an die Atmosphäre A abgegeben. Die
Bildung und Entspannung des Teilstroms c ist optional.
[0050] Die in den Figuren 1 bis 3 veranschaulichten, gemäß Ausgestaltungen der vorliegenden
Erfindung ausgebildeten Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 zeichnen sich ferner
dadurch aus, dass das erste Druckniveau, auf dem die Hochdruckkolonne 11 betrieben
wird, deutlich oberhalb des Druckniveaus liegt, auf dem in herkömmlichen Luftzerlegungsanlagen
die Hochdruckkolonnen der verwendeten Doppelkolonnensysteme betrieben werden. Details
zu entsprechenden Drücken wurden bereits erläutert.
[0051] Als eines der Hauptprodukte der Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300, die in den
Figuren 1 bis 3 veranschaulicht sind, wird jeweils Druckstickstoff bereitgestellt,
der vom Kopf der Hochdruckkolonne 11 in Form eines Stoffstroms e abgezogen, in dem
Hauptwärmetauscher 3 erwärmt und aus den Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 ausgeleitet
wird. Ein hier nicht gesondert bezeichneter Teilstrom des Stoffstroms e kann warmseitig
des Hauptwärmetauschers 3 abgezweigt und beispielsweise als Dichtgas verwendet werden.
[0052] Vom Kopf der Hochdruckkolonne 11 wird ferner ein weiterer Stoffstrom f abgezogen,
durch den bereits erwähnten ersten Kondensatorverdampfer 111 geführt und dort zumindest
teilweise verflüssigt. Ein Anteil der entsprechend gebildeten Flüssigkeit wird in
Form eines Stoffstroms g auf die Hochdruckkolonne 11 zurückgeführt, ein weiterer Anteil
kann in Form eines Stoffstroms h als Flüssigstickstoffprodukt an die Anlagengrenze
geführt werden.
[0053] Aus dem Sumpf der Hochdruckkolonne 11 wird ein mit Sauerstoff angereicherter Stoffstrom
i ausgeführt, durch einen Unterkühler 14 geleitet, und danach in die Niederdruckkolonne
12 entspannt. Kopfgas der Niederdruckkolonne 12 wird dieser in Form eines Stoffstroms
k entnommen und durch den Kondensatorverdampfer 121 geführt. Wiederum kann ein Anteil
hiervon in Form eines Stoffstroms I auf die Niederdruckkolonne 12 zurückgeführt werden.
Ein weiterer Anteil wird in Form eines Stoffstroms m mittels einer Pumpe 15 durch
einen Unterkühler 16 geführt und anschließend in die Hochdruckkolonne 12 eingespeist.
[0054] Aus dem Sumpf der Niederdruckkolonne 12 wird ein Stoffstrom n abgezogen, der ebenfalls
durch den Unterkühler 16 sowie anschließend durch einen Unterkühler 17 geführt und
danach in einen Verdampfungsraum des Kopfkondensators 121 entspannt wird. Gas aus
dem Verdampfungsraum des Kondensatorverdampfers 121 wird in Form eines Stoffstroms
p entnommen und dabei optional, soweit vorhanden, durch den Unterkühler 13 sowie den
Unterkühler 17 geführt. Der Stoffstrom p wird danach in dem Hauptwärmetauscher 3 erwärmt
und kann beispielsweise als Regeneriergas in der Adsorberstation 2 verwendet werden,
die in dem warmen Teil 1 der Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 bereitgestellt
ist.
[0055] Aus dem Verdampfungsraum des Kondensatorverdampfers 121 wird jeweils Flüssigkeit
in Form eines Stoffstroms q abgezogen, mittels einer Pumpe 19 in flüssigem Zustand
einer Druckerhöhung unterworfen, in dem Hauptwärmetauscher 3 verdampft oder in den
überkritischen Zustand überführt, und zur Bereitstellung eines sauerstoffreichen,
gasförmigen Luftprodukts verwendet, das ein weiteres Hauptprodukt der Luftzerlegungsanlagen
100, 200, 300 gemäß den Figuren 1 bis 3 darstellt.
[0056] In der Luftzerlegungsanlage 100 gemäß Figur wird dabei der verdampfte oder in den
überkritischen Zustand überführte Stoffstrom q in stofflich unveränderter Zusammensetzung
einem Verbraucher 101 zugeführt.
[0057] Dagegen zeichnet sich die in Figur 2 veranschaulichte Luftzerlegungsanlage 200 insbesondere
dadurch gegenüber der in Figur 1 veranschaulichten Luftzerlegungsanlage 100 aus, dass
der verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Stoffstrom q einer Druckwechseladsorption
201 unterworfen wird. Auf diese Weise kann ein weiter an Sauerstoff angereicherter
Stoffstrom r mit dem oben erläuterten Sauerstoffgehalt und ein Abgasstrom s gebildet
werden.
[0058] Die in Figur 3 veranschaulichte Luftzerlegungsanlage 300 stellt eine Variante der
Luftzerlegungsanlage 200 gemäß Figur 2 dar. Auch in dieser Variante wird eine weitere
Sauerstoffanreicherung vorgenommen, und zwar in einer Membrantrennung 301. Wiederum
können ein weiter an Sauerstoff angereicherter Stoffstrom t und ein Abfallstrom u
gebildet werden.
1. Verfahren zur Gewinnung eines stickstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts und eines
sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung
von Luft in einer Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300), die ein Rektifikationskolonnensystem
(10) mit einer auf einem ersten Druckniveau betriebenen Hochdruckkolonne (11) und
einer auf einem zweiten Druckniveau unterhalb des ersten Druckniveaus betriebenen
Niederdruckkolonne (12) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt, dass unter Verwendung von Kopfgas der
Hochdruckkolonne (11) in einem ersten Kondensatorverdampfer (111) ein erstes Kondensat
gebildet und teilweise oder vollständig auf die Hochdruckkolonne (11) zurückgeführt
wird, dass unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne (12) in einem zweiten
Kondensatorverdampfer (121) ein zweites Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig
auf die Niederdruckkolonne (11) zurückgeführt wird, dass in einen Verdampfungsraum
des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne
(12) eingespeist wird, und dass aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers
(121) Flüssigkeit entnommen, in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung unterworfen,
verdampft oder in den überkritischen Zustand überführt, und zur Bereitstellung des
sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts verwendet wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt in
einer Menge bereitgestellt wird, die bei 1 bis 20% einer Menge liegt, in der das stickstoffreiche,
gasförmige Luftprodukt bereitgestellt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem die aus dem Verdampfungsraum des zweiten
Kondensatorverdampfers (121) entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene
und verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit ohne die
Zusammensetzung beeinflussende Maßnahmen als das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt
verwendet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem die aus dem Verdampfungsraum des zweiten
Kondensatorverdampfers (121) entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene
und verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit zur Bereitstellung
als das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt einer nichtkryogenen Sauerstoffanreicherung
unterworfen wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4, bei dem die nichtkryogene Sauerstoffanreicherung unter
Verwendung einer Druckwechseladsorption (201) und/oder unter Verwendung einer Membrantrennung
(301) durchgeführt wird.
6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der Verdampfungsraum des
zweiten Kondensatorverdampfers (121) auf einem Druckniveau von 1,2 bis 2,5 bar betrieben
wird.
7. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die in flüssigem Zustand
erfolgende Druckerhöhung der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers
(121) entnommenen Flüssigkeit auf ein Druckniveau von 5 bis 80 bar vorgenommen wird.
8. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die Flüssigkeit aus dem Verdampfungsraum
des zweiten Kondensatorverdampfers (121) mit einem Sauerstoffgehalt von mehr als 40%
entnommen wird.
9. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem Luft auf mindestens das erste
Druckniveau verdichtet wird, wobei ein erster Anteil dieser Luft in Form eines oder
mehrerer Druckluftströme in einem Hauptwärmetauscher (3) der Luftzerlegungsanlage
(100, 200, 300) abgekühlt und in die Hochdruckkolonne (11) eingespeist wird, und wobei
ein zweiter Anteil dieser Luft in dem Hauptwärmetauscher (3) abgekühlt, entspannt,
in dem Hauptwärmetauscher (3) erwärmt und aus der Luftzerlegungsanlage (100, 200,
300) ausgeleitet wird.
10. Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300), die ein Rektifikationskolonnensystem (10) mit
einer für einen Betrieb auf einem ersten Druckniveau eingerichteten Hochdruckkolonne
(11) und einer auf für einen Betrieb auf einem zweiten Druckniveau unterhalb des ersten
Druckniveaus eingerichteten Niederdruckkolonne (12) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt, dass Mittel bereitgestellt sind, die
dafür eingerichtet sind, unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne (11) in
einem ersten Kondensatorverdampfer (111) ein erstes Kondensat zu bilden und teilweise
oder vollständig auf die Hochdruckkolonne (11) zurückzuführen, dass Mittel bereitgestellt
sind, die dafür eingerichtet sind, in einem zweiten Kondensatorverdampfer (121) unter
Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne (12) ein zweites Kondensat zu bilden
und teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne (11) zurückzuführen, dass
Mittel bereitgestellt sind, die dafür eingerichtet sind, in einen Verdampfungsraum
des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne
(12) einzuspeisen, und dass Mittel bereitgestellt sind, die dafür eingerichtet sind,
aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Flüssigkeit zu entnehmen,
in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung zu unterwerfen, zu verdampfen oder in den
überkritischen Zustand zu überführen, und zur Bereitstellung des sauerstoffreichen,
gasförmigen Luftprodukts zu verwenden.
11. Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300) nach Anspruch 10, die zur Durchführung eines
Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 eingerichtet ist.