(19)
(11) EP 3 757 493 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
30.12.2020  Patentblatt  2020/53

(21) Anmeldenummer: 19020402.4

(22) Anmeldetag:  25.06.2019
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F25J 3/04(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: Linde GmbH
82049 Pullach (DE)

(72) Erfinder:
  • Lautenschlager, Tobias
    82194 Gröbenzell (DE)

(74) Vertreter: Imhof, Dietmar 
Linde GmbH Intellectual Property EMEA Dr.-Carl-von-Linde-Straße 6-14
82049 Pullach
82049 Pullach (DE)

   


(54) VERFAHREN UND ANLAGE ZUR GEWINNUNG EINES STICKSTOFFREICHEN UND EINES SAUERSTOFFREICHEN LUFTPRODUKTS UNTER EINSATZ EINER TIEFTEMPERATURZERLEGUNG VON LUFT


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung eines stickstoffreichen Luftprodukts durch Tieftemperaturzerlegung von Luft in einer Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300), die ein Rektifikationskolonnensystem (10) mit einer auf einem ersten Druckniveau betriebenen Hochdruckkolonne (11) und einer auf einem zweiten Druckniveau unterhalb des ersten Druckniveaus betriebenen Niederdruckkolonne (12) aufweist. Es ist vorgesehen, dass das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt, dass unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne (11) in einem ersten Kondensatorverdampfer (111) ein erstes Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig auf die Hochdruckkolonne (11) zurückgeführt wird, dass unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne (12) in einem zweiten Kondensatorverdampfer (121) ein zweites Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne (11) zurückgeführt wird, dass in einen Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne (12) eingespeist wird, und dass aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Flüssigkeit entnommen, in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung unterworfen, verdampft oder in den überkritischen Zustand überführt, und zur Bereitstellung des sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts verwendet wird. Eine entsprechende Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300) ist ebenfalls Gegenstand der vorliegenden Erfindung.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Anlage zur Gewinnung eines stickstoffreichen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen Luftprodukts unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung von Luft gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Patentansprüche.

Stand der Technik



[0002] Die Herstellung von Luftprodukten in flüssigem oder gasförmigem Zustand durch Tieftemperaturzerlegung von Luft in Luftzerlegungsanlagen ist bekannt und beispielsweise bei H.-W. Häring (Hrsg.), Industrial Gases Processing, Wiley-VCH, 2006, insbesondere Abschnitt 2.2.5, "Cryogenic Rectification", beschrieben.

[0003] Luftzerlegungsanlagen weisen Rektifikationskolonnensysteme auf, die herkömmlicherweise als Zweikolonnensysteme, insbesondere als klassische Linde-Doppelkolonnensysteme, aber auch als Drei- oder Mehrkolonnensysteme ausgebildet sein können. Neben den Rektifikationskolonnen zur Gewinnung von Stickstoff und/oder Sauerstoff in flüssigem und/oder gasförmigem Zustand, also den Rektifikationskolonnen zur Stickstoff-Sauerstoff-Trennung, können Rektifikationskolonnen zur Gewinnung weiterer Luftkomponenten, insbesondere der Edelgase Krypton, Xenon und/oder Argon, vorgesehen sein. Häufig werden dabei die Begriffe "Rektifikation" und "Destillation" sowie "Kolonne" und "Säule" bzw. hieraus zusammengesetzte Begriffe synonym verwendet.

[0004] Die Rektifikationskolonnen der genannten Rektifikationskolonnensysteme werden auf unterschiedlichen Druckniveaus betrieben. Bekannte Doppelkolonnensysteme weisen eine sogenannte Hochdruckkolonne (auch als Druckkolonne, Mitteldruckkolonne oder untere Kolonne bezeichnet) und eine sogenannte Niederdruckkolonne (auch als obere Kolonne bezeichnet) auf. Die Hochdruckkolonne wird typischerweise auf einem Druckniveau von 4 bis 7 bar, insbesondere ca. 5,3 bar, betrieben. Die Niederdruckkolonne wird auf einem Druckniveau von typischerweise 1 bis 2 bar, insbesondere ca. 1,4 bar, betrieben. In bestimmten Fällen können in einer oder in beiden Rektifikationskolonnen auch höhere Druckniveaus eingesetzt werden. Bei den hier und nachfolgend angegebenen Drücken handelt es sich um Absolutdrücke am Kopf der jeweils angegebenen Kolonnen.

[0005] Die Erzeugung von Stickstoff auf einem Druckniveau von ca. 10 bar bei gleichzeitig großen Produktionsmengen ist in herkömmlichen Luftzerlegungsanlagen mit vernünftigen Ausbeuten häufig nicht möglich. Der Stickstoff fällt hier zum Großteil als Niederdruckprodukt an und muss daher verdichtet werden. Der restliche Teil kann unter dem Druck der Hochdruckkolonne gewonnen werden, muss aber, da diese in dem erwähnten niedrigeren Druckbereich betrieben wird, ebenfalls nachverdichtet werden, um den erwünschen Produktdruck zu erzielen. Letzteres gilt auch für alternative Ausgestaltungen, in denen ausschließlich die Hochdruckkolonne zur Stickstoffproduktion verwendet wird.

[0006] Herkömmliche Doppelkolonnensysteme zur Tieftemperaturzerlegung von Luft weisen lediglich zur Kondensation von Kopfgas der Hochdruckkolonne einen Kondensatorverdampfer (zu dem Begriff siehe unten), den sogenannten Hauptkondensator, auf. Wenn große Mengen an Druckstickstoff gewonnen werden sollen, also insbesondere für die soeben erläuterte Aufgabe, kann ein abgewandeltes Doppelsäulenverfahren zum Einsatz kommen, bei dem grundsätzlich höhere Drücke verwendet werden. Dadurch ist es möglich, Kopfgas der Niederdruckkolonne in einem Kopfkondensator zu gegen sauerstoffangereicherte Flüssigkeit aus dem Rektifikationskolonnensystem zu kondensieren. Aufgrund der höheren verwendeten Druckniveaus kann hierbei außerdem gasförmiger Stickstoff aus der Hochdruckkolonne direkt, d.h. ohne weitere Verdichtung, auf einem entsprechenden Druckniveau bereitgestellt werden. Entsprechende Verfahren sind beispielsweise aus der US 4,453,957 A und der EP 3 290 843 A2 bekannt.

[0007] Verfahren und Anlagen, die in der soeben erläuterten Weise zur Erzeugung von gasförmigem Stickstoff auf entsprechenden Druckniveaus optimiert sind, sind häufig nicht zur gleichzeitigen Gewinnung von gasförmigem Drucksauerstoff bzw. entsprechenden gasförmigen, sauerstoffreichen Luftprodukten eingerichtet, weshalb herkömmlicherweise dann, wenn auch derartige Luftprodukte bereitgestellt werden sollen, auf im Sinne der Stickstoffproduktion möglicherweise nachteiligere Verfahren und Anlagen zurückgegriffen werden muss.

[0008] Die vorliegende Erfindung stellt sich daher die Aufgabe, ein Verfahren und eine Luftzerlegungsanlage anzugeben, mittels welchem bzw. welcher größere Mengen an gasförmigem Stickstoff auf einem deutlich überatmosphärischen Druckniveau und zugleich ein gasförmiges, sauerstoffreiches Luftprodukt in vorteilhafter Weise bereitgestellt werden können.

Offenbarung der Erfindung



[0009] Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Erfindung ein Verfahren und eine Anlage zur Gewinnung eines stickstoffreichen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen Luftprodukts unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung von Luft mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche vor. Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Patentansprüche und der nachfolgenden Beschreibung.

[0010] Vor der Erläuterung der Merkmale und Vorteile der vorliegenden Erfindung werden einige Grundlagen der vorliegenden Erfindung näher erläutert und nachfolgend verwendete Begriffe definiert.

[0011] Die in einer Luftzerlegungsanlage eingesetzten Vorrichtungen sind in der zitierten Fachliteratur, beispielsweise bei Häring (s.o.) in Abschnitt 2.2.5.6, "Apparatus", beschrieben. Sofern die nachfolgenden Definitionen nicht hiervon abweichen, wird daher zum Sprachgebrauch, der im Rahmen der vorliegenden Anmeldung verwendet wird, ausdrücklich auf die zitierte Fachliteratur verwiesen.

[0012] Flüssigkeiten und Gase können im hier verwendeten Sprachgebrauch reich oder arm an einer oder an mehreren Komponenten sein, wobei "reich" für einen Gehalt von wenigstens 75%, 90%, 95%, 99%, 99,5%, 99,9% oder 99,99% und "arm" für einen Gehalt von höchstens 25%, 10%, 5%, 1%, 0,1% oder 0,01% auf Mol-, Gewichts- oder Volumenbasis stehen kann. Der Begriff "überwiegend" kann der Definition von "reich" entsprechen. Flüssigkeiten und Gase können ferner angereichert oder abgereichert an einer oder mehreren Komponenten sein, wobei sich diese Begriffe auf einen Gehalt in einer Ausgangsflüssigkeit oder einem Ausgangsgas beziehen, aus der oder dem die Flüssigkeit oder das Gas gewonnen wurde. Die Flüssigkeit oder das Gas sei "angereichert", wenn diese oder dieses zumindest den 1,1-fachen, 1,5-fachen, 2-fachen, 5-fachen, 10-fachen 100-fachen oder 1.000-fachen Gehalt, und "abgereichert", wenn diese oder dieses höchstens den 0,9-fachen, 0,5-fachen, 0,1-fachen, 0,01-fachen oder 0,001-fachen Gehalt einer entsprechenden Komponente, bezogen auf die Ausgangsflüssigkeit oder das Ausgangsgas, enthält. Ist hier beispielsweise von "Sauerstoff", "Stickstoff" oder "Argon" die Rede, sei hierunter auch eine Flüssigkeit oder ein Gas verstanden, die bzw. das reich an Sauerstoff oder Stickstoff ist, jedoch nicht notwendigerweise ausschließlich hieraus bestehen muss.

[0013] Die vorliegende Anmeldung verwendet zur Charakterisierung von Drücken und Temperaturen die Begriffe "Druckniveau" und "Temperaturniveau", wodurch zum Ausdruck gebracht werden soll, dass entsprechende Drücke und Temperaturen in einer entsprechenden Anlage nicht in Form exakter Druck- bzw. Temperaturwerte verwendet werden müssen, um das erfinderische Konzept zu verwirklichen. Jedoch bewegen sich derartige Drücke und Temperaturen typischerweise in bestimmten Bereichen, die beispielsweise ± 1%, 5%, 10% oder 20% um einen Mittelwert liegen. Entsprechende Druckniveaus und Temperaturniveaus können dabei in disjunkten Bereichen liegen oder in Bereichen, die einander überlappen. Insbesondere schließen beispielsweise Druckniveaus unvermeidliche oder zu erwartende Druckverluste ein. Entsprechendes gilt für Temperaturniveaus. Bei den bezüglich der Druckniveaus in bar angegebenen Werten handelt es sich um Absolutdrücke.

[0014] Ist hier von "Entspannungsmaschinen", "Expansionsturbinen" oder dergleichen die Rede, seien darunter typischerweise bekannte Turboexpander verstanden. Diese Entspannungsmaschinen können insbesondere auch mit Verdichtern bzw. Boostern gekoppelt sein. Bei diesen Verdichtern kann es sich insbesondere um Turboverdichter handeln. Eine entsprechende Kombination aus Turboexpander und Turboverdichter wird typischerweise auch als "Turbinenbooster" bezeichnet. In einem Turbinenbooster sind der Turboexpander und der Turboverdichter mechanisch gekoppelt, wobei die Kopplung drehzahlgleich (beispielsweise über eine gemeinsame Welle) oder drehzahlunterschiedlich (beispielsweise über ein geeignetes übersetzendes Getriebe) erfolgen kann. Allgemein wird hier der Begriff "Verdichter" verwendet, auch wenn es sich um einen mit einem Turboexpander gekoppelten Booster handelt.

[0015] Ein "Hauptluftverdichter" zeichnet sich dadurch aus, dass durch ihn die gesamte, der Luftzerlegungsanlage zugeführte und dort zerlegte Luft verdichtet wird. Hingegen wird in einem oder mehreren optional vorgesehenen weiteren Verdichtern, beispielsweise Nachverdichtern, nur jeweils ein Anteil dieser bereits zuvor im Hauptluftverdichter verdichteten Luft weiter verdichtet. Entsprechend stellt der "Hauptwärmetauscher" einer Luftzerlegungsanlage den Wärmetauscher dar, in dem zumindest der überwiegende Anteil der der Luftzerlegungsanlage zugeführten und dort zerlegten Luft abgekühlt wird. Dies erfolgt zumindest zum Teil im Gegenstrom zu Stoffströmen, die aus der Luftzerlegungsanlage ausgeleitet werden. Solche "ausgeleiteten" Stoffströme oder "Produkte" sind im hier verwendeten Sprachgebrauch Fluide, die nicht mehr an anlageninternen Kreisläufen teilnehmen, sondern diesen dauerhaft entzogen werden.

[0016] Ein "Wärmetauscher" zum Einsatz im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann in fachüblicher Art ausgebildet sein. Er dient zur indirekten Übertragung von Wärme zwischen zumindest zwei z.B. im Gegenstrom zueinander geführten Fluidströmen, beispielsweise einem warmen Druckluftstrom und einem oder mehreren kalten Fluidströmen oder einem tiefkalten flüssigen Luftprodukt und einem oder mehreren warmen bzw. wärmeren, ggf. aber auch noch tiefkalten Fluidströmen. Ein Wärmetauscher kann aus einem einzelnen oder mehreren parallel und/oder seriell verbundenen Wärmetauscherabschnitten gebildet sein, z.B. aus einem oder mehreren Plattenwärmetauscherblöcken. Es handelt sich beispielsweise um einen Plattenwärmetauscher (engl. Plate Fin Heat Exchanger). Ein derartiger Wärmetauscher weist "Passagen" auf, die als voneinander getrennte Fluidkanäle mit Wärmeaustauschflächen ausgebildet und parallel und durch andere Passagen getrennt zu "Passagengruppen" zusammengeschlossen sind. Kennzeichen eines Wärmetauschers ist, dass in ihm zu einem Zeitpunkt Wärme zwischen zwei mobilen Medien ausgetauscht wird, nämlich wenigstens einem abzukühlenden und wenigstens einem zu erwärmenden Fluidstrom.

[0017] Als "Kondensatorverdampfer" wird ein Wärmetauscher bezeichnet, in dem ein erster, kondensierender Fluidstrom in indirekten Wärmeaustausch mit einem zweiten, verdampfenden Fluidstrom tritt. Jeder Kondensatorverdampfer weist einen Verflüssigungsraum und einen Verdampfungsraum auf. Verflüssigungs- und Verdampfungsraum weisen Verflüssigungs- bzw. Verdampfungspassagen auf. In dem Verflüssigungsraum wird die Kondensation (Verflüssigung) des ersten Fluidstroms durchgeführt, in dem Verdampfungsraum die Verdampfung des zweiten Fluidstroms. Der Verdampfungs- und der Verflüssigungsraum werden durch Gruppen von Passagen gebildet, die untereinander in Wärmeaustauschbeziehung stehen.

[0018] Die relativen räumlichen Begriffe "oben", "unten", "über", "unter", "oberhalb", "unterhalb", "neben", "nebeneinander", "vertikal", "horizontal" etc. beziehen sich hier auf die räumliche Ausrichtung der Komponenten einer Luftzerlegungsanlage im Normalbetrieb. Unter einer Anordnung zweier Komponenten "übereinander" wird hier verstanden, dass das sich obere Ende der unteren der beiden Komponenten auf niedrigerer oder gleicher geodätischer Höhe befindet wie das untere Ende der oberen der beiden Komponenten und sich die Projektionen der beiden Apparateteile in einer horizontalen Ebene überschneiden. Insbesondere können die beiden Komponenten genau übereinander angeordnet sein, d.h. die Achsen der beiden Komponenten senkrecht zur Horizontalen verlaufen auf derselben vertikalen Geraden. Die Achsen der beiden Komponenten müssen jedoch nicht genau senkrecht übereinander liegen, sondern können auch gegeneinander versetzt sein, insbesondere wenn einer der beiden Komponenten, beispielsweise eine Rektifikationskolonne oder ein Kolonnenteil mit geringerem Durchmesser, denselben Abstand zum Blechmantel einer Coldbox aufweisen soll wie ein anderer mit größerem Durchmesser.

Vorteile der Erfindung



[0019] Die vorliegende Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass sich zur Gewinnung von Stickstoff auf einem Druckniveau wie eingangs erläutert, d.h. einem Druckniveau von ca. 10 bar oder allgemeiner von 7 bis 12 bar, eine Abwandlung einer herkömmlichen Luftzerlegungsanlage besonders vorteilhaft nutzen lässt, und dass sich damit in einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung auch ein sauerstoffreiches, gasförmiges Luftprodukt unter Druck in besonders vorteilhafter Weise und in unterschiedlichen Reinheiten bereitstellen lässt. In der erfindungsgemäß eingesetzten Abwandlung wird dabei ein Doppelkolonnensystem eingesetzt, das im Gegensatz zu klassischen Verfahren bzw. Luftzerlegungsanlagen auf einem höheren Druckniveau bzw. auf zwei höheren Druckniveaus betrieben wird. Die entsprechenden Kolonnen derartigen Doppelkolonnenanordnung werden auch hier als Hochdruckkolonne und Niederdruckkolonne bezeichnet, wobei zumindest die Hochdruckkolonne jedoch hier auf einem deutlich höheren Druckniveau als die Hochdruckkolonne einer bekannten Luftzerlegungsanlage betrieben wird. Die Erfindung geht dabei insbesondere von einem Verfahren bzw. einer entsprechenden Anlage aus, wie sie aus der eingangs erwähnten Patentliteratur bekannt sind.

[0020] Durch den Betrieb der Hochdruckkolonne auf einem entsprechenden höheren Druckniveau kann dieser Kopfgas entnommen werden, welches direkt, d.h. ohne eine weitere Verdichtung, als Stickstoffprodukt auf einem gewünschten Produktdruck bereitgestellt werden kann. Durch den Einsatz der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Luftzerlegungsanlage bzw. eines entsprechenden Verfahrens erübrigt sich damit der Einsatz von Nachverdichtern für ein entsprechendes Stickstoffprodukt bzw. eine grundsätzlich ebenfalls mögliche Innenverdichtung, wie sie aus dem Stand der Technik bekannt ist. Durch die erfindungsgemäß vorgeschlagenen Maßnahmen kann ferner ein sauerstoffreiches Luftprodukt in gasförmigem Zustand unter Druck gewonnen werden. Das erfindungsgemäß vorgeschlagene Verfahren kann grundsätzlich auch zur Gewinnung weiterer Luftprodukte wie flüssigem Sauerstoff, Argon und dergleichen verwendet und entsprechend erweitert werden. Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich jedoch insbesondere auf die Gewinnung von druckbeaufschlagtem, gasförmigem Stickstoff und Sauerstoff bzw. eines entsprechenden stickstoffreichen Luftprodukts und eines entsprechenden sauerstoffreichen Luftprodukts.

[0021] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird also eine an sich bekannte Abwandlung einer herkömmlichen Luftzerlegungsanlage dahingehend vorgenommen, dass die Hochdruckkolonne und die Niederdruckkolonne jeweils mit Kondensatorverdampfern betrieben werden, die Kopfgas der entsprechenden Kolonnen verflüssigen und auf diese zurückführen. In herkömmlichen Luftzerlegungsanlagen wird, wie erwähnt, lediglich der sogenannte Hauptkondensator zur Kondensation von Kopfgas der Hochdruckkolonne verwendet, sofern keine weiteren Kolonnen wie beispielsweise zur Argonproduktion vorhanden sind. Kopfgas der Niederdruckkolonne wird in herkömmlichen Verfahren typischerweise nicht verflüssigt, weil hierzu auch die verwendeten Drücke nicht ausreichen. Vielmehr wird in herkömmlichen Anlagen ein Rücklauf auf die Niederdruckkolonne ausschließlich durch Flüssigkeit aus der Hochdruckkolonne gebildet.

[0022] Das gasförmige, sauerstoffreiche Luftprodukt wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung aus Flüssigkeit gebildet, die in einem Verdampfungsraum des Kondensatorverdampfers vorliegt wird, welcher das Kopfgas der Niederdruckkolonne kühlt und kondensiert, und der hier allgemein als "zweiter" Kondensatorverdampfer bezeichnet wird. Die Bildung des gasförmigen, sauerstoffreichen Luftprodukts aus dieser Flüssigkeit umfasst eine Innenverdichtung, wie sie grundsätzlich aus dem Bereich der Luftzerlegung bekannt ist.

[0023] Bei der Innenverdichtung wird herkömmlicherweise ein gasförmiges, druckbeaufschlagtes Luftprodukt dadurch gebildet, dass dem Rektifikationskolonnensystem ein tiefkaltes, flüssiges Luftprodukt entnommen, einer Druckerhöhung auf einen Produktdruck unterworfen, und auf dem Produktdruck durch Erwärmen in den gasförmigen oder überkritischen Zustand überführt wird. Beispielsweise können mittels herkömmlicher Innenverdichtung gasförmiger, druckbeaufschlagter Sauerstoff, gasförmiger, druckbeaufschlagter Stickstoff und/oder gasförmiges, druckbeaufschlagtes Argon erzeugt werden. Die Innenverdichtung bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer alternativ ebenfalls möglichen externen Verdichtung und ist z.B. bei Häring (s.o.) in Abschnitt 2.2.5.2, "Internal Compression", erläutert. Anlagen zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei der eine entsprechende Innenverdichtung zum Einsatz kommt, sind auch in der US 2007/0209389 A1 und in der WO 2015/127648 A1 gezeigt. Die vorliegende Erfindung setzt die Innenverdichtung in Zusammenhang mit der Flüssigkeit aus dem erwähnten zweiten Kondensatorverdampfer ein.

[0024] Insgesamt schlägt die vorliegende Erfindung zur Erzielung der zuvor erläuterten Vorteile ein Verfahren zur Gewinnung eines stickstoffreichen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen Luftprodukts unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung von Luft in einer Luftzerlegungsanlage vor. Die Luftzerlegungsanlage weist ein Rektifikationskolonnensystem mit einer auf einem ersten Druckniveau betriebenen Hochdruckkolonne und einer auf einem zweiten Druckniveau unterhalb des ersten Druckniveaus betriebenen Niederdruckkolonne auf. Details hierzu wurden bereits erläutert. Wie erwähnt, stellt das erfindungsgemäß eingesetzte Rektifikationskolonnensystem dabei insbesondere eine Abwandlung eines herkömmlichen Doppelkolonnensystems dar.

[0025] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird Druckluft abgekühlt und zumindest in die Hochdruckkolonne eingespeist. Je nach der Verdichtung der Druckluft, die auch in Anteilen auf unterschiedliche Druckniveaus erfolgen kann, kann dabei eine Entspannung vor der Einspeisung erfolgen, beispielsweise in einer Entspannungsmaschine oder in einem Entspannungsventil. Die Druckluft kann bei der Abkühlung auch zumindest teilweise verflüssigt werden bzw. können zumindest ein abgekühlter Druckluftstrom in gasförmigem und zumindest ein abgekühlter Druckluftstrom in verflüssigtem Zustand verwendet werden. Die vorliegende Erfindung ist nicht auf bestimmte Ausgestaltungen der Lufteinspeisung beschränkt. Ein Teil der verdichteten Druckluft kann auch teilabgekühlt und danach entspannt, jedoch aus der Anlage ausgeleitet werden. Auf diese Weise kann Kälte gewonnen werden, indem diese entspannte Druckluft in einem Hauptwärmetauscher gegen später in das Rektifikationskolonnensystem eingespeiste Druckluft erwärmt wird.

[0026] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird, wie erwähnt, die Hochdruckkolonne auf einem höheren Druckniveau als in herkömmlichen Anlagen betrieben, so dass im Rahmen der vorliegenden Erfindung das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt. Im Rahmen des erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verfahrens beträgt das zweite Druckniveau vorteilhafterweise 3 bis 5 bar, die Niederdruckkolonne wird also auf ebenfalls auf einem höheren Druckniveau als herkömmlicherweise der Fall betrieben. Auf diese Weise kann im Rahmen der vorliegenden Erfindung Kopfgas der Hochdruckkolonne direkt als Druckstickstoffprodukt bereitgestellt werden, das ohne Nachverdichtung auf einem gewünschten Produktdruck vorliegt.

[0027] Ferner wird unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne erfindungsgemäß in einem ersten Kondensatorverdampfer ein erstes Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig auf die Hochdruckkolonne zurückgeführt. Es kann auch nur ein Teil eines entsprechenden Kondensats auf die Hochdruckkolonne zurückgeführt und ein weiterer Teil des Kondensats als Flüssigstickstoffprodukt aus der Luftzerlegungsanlage ausgeführt werden.

[0028] Außerdem wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne in einem zweiten Kondensatorverdampfer ein zweites Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne zurückgeführt. Insbesondere kann ein Teil des entsprechenden verflüssigten Kopfgases der Niederdruckkolonne dabei auch nach der Verflüssigung mittels einer Pumpe auf die Hochdruckkolonne zurückgeführt werden.

[0029] Sämtliche im Rahmen der Erfindung eingesetzten bzw. dem Rektifikationskolonnensystem oder ihrer beiden Rektifikationskolonnen entnommenen bzw. in diese eingespeisten Stoffströme können gegeneinander abgekühlt (unterkühlt) werden, wozu entsprechende Unterkühler (auch als Unterkühlungsgegenströmer bezeichnet) verwendet werden können. Derartige Unterkühler können auch zu größeren Einheiten zusammengefasst werden, die mehr als zwei Stoffströme einem wechselseitigen Wärmeaustausch miteinander unterwerfen.

[0030] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird in einen Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne eingespeist. Aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers wird Flüssigkeit entnommen, in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung unterworfen, verdampft oder in den überkritischen Zustand überführt, und zur Bereitstellung des sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts verwendet.

[0031] Durch den Einsatz der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere durch die Innenverdichtung der Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer, kann im Zuge des für die Bereitstellung von Druckstickstoff optimierten Verfahrens in besonderes vorteilhafter Weise auch ein entsprechendes Drucksauerstoffprodukt bereitgestellt werden. Der innenverdichtete Stoffstrom bzw. die zur Bildung dieses Stoffstroms verwendete Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer stellt die einzige Flüssigkeit mit einem Sauerstoffgehalt von mehr als 40% in einer entsprechenden Anlage dar, und diese kann daher, mit oder ohne anschließende weitere Aufbereitung, vorteilhafterweise als Sauerstoffprodukt genutzt werden.

[0032] Durch die nach der Innenverdichtung erfolgende Überführung in den gasförmigen oder überkritischen Zustand wird dem Prozess keine wertvolle Kälte entzogen, wie dies im Falle einer direkten Ausleitung der Fall wäre. Dies ist besonders vorteilhaft, weil in Luftzerlegungsanlagen, die zur Bereitstellung von gasförmigem Druckstickstoff in der erläuterten Art optimiert sind, typischerweise eine vergleichsweise geringe Kälteleistung installiert ist. Der minimale Innenverdichtungsdruck, also das Druckniveau, auf den die Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer in flüssigem Zustand gebracht wird, liegt bei ca. 6 bar, was im Q-T-Profil ausgesprochen gut zu der bei ca. 10 bar bereitgestellten Prozessluft passt. Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird in Ausgestaltungen beispielsweise ein Innenverdichtungsdruck von 6 bis 10 bar verwendet. Des weiteren können jedoch auch höhere Innenverdichtungsdrücke sinnvoll erzeugt werden, insbesondere dann, wenn eine weitere Aufreinigung des Drucksauerstoffprodukt in einer anschließenden nichtkryogenen Sauerstoffanreicherung erfolgen soll. Typische Drücke, auf die im Rahmen der vorliegenden Erfindung das stickstoffreiche, gasförmige Druckprodukt bereitgestellt wird, liegen bei beispielsweise 7 bis 10 bar.

[0033] Das erfindungsgemäß vorgeschlagene Verfahren bietet insbesondere auch deshalb besondere Vorteile, weil hierbei ansonsten zur Spülung des Verdampfungsraums verwendete Flüssigkeit als gasförmiges Produkt abgegeben wird. Daher bleibt die Kältebilanz im Vergleich zu einer flüssigen Abgabe im Wesentlichen unberührt, so dass eine bis zu 20% der Menge des stickstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts entsprechende Menge in Form des sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts abgezogen werden kann. Mit anderen Worten wird in einer Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt in einer Menge bereitgestellt, die bei 1 bis 20% einer Menge liegt, in der das stickstoffreiche, gasförmige Luftprodukt bereitgestellt wird.

[0034] Reicht eine Reinheit der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers entnommenen, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfenen und verdampften oder in den überkritischen Zustand überführten Flüssigkeit für den beabsichtigten Verwendungszweck, beispielsweise für eine sauerstoffangereicherte Verbrennung aus, kann diese ohne die Zusammensetzung beeinflussende Maßnahmen als das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt verwendet werden. Der Sauerstoffgehalt der Flüssigkeit aus dem zweiten Kondensatorverdampfer liegt, wie erwähnt, bei mehr als 40% Sauerstoff, insbesondere bei 60 bis 78% Sauerstoff, auf molarer Basis.

[0035] Bei einem höheren Reinheitsbedarf kann die aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene und verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit zur Bereitstellung als das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt jedoch auch der bereits kurz angesprochenen nichtkryogenen Sauerstoffanreicherung unterworfen werden. Als besonders vorteilhaft im Zusammenhang mit den erfindungsgemäß vorgeschlagenen Maßnahmen haben sich dabei die Druckwechseladsorption und/oder eine Membrantrennung erwiesen. Der Grund dafür ist insbesondere der, dass die aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene und verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit vollständig frei von Wasser und Kohlendioxid ist, was für die Weiterverwendung in einem entsprechenden Verfahren besondere Vorteile bietet.

[0036] Die Druckwechseladsorption kann insbesondere in Form einer sogenannten Vakuumdruckwechseladsorption durchgeführt werden, die sich dadurch auszeichnet, dass ein unteratmosphärischer Desorptionsdruck von beispielsweise 100 bis 900 mbar oder 200 bis 800 mbar verwendet wird.

[0037] Die nichtkryogene Sauerstoffanreicherung kann insbesondere auf einen Gehalt von 80 bis 95% auf molarer Basis erfolgen, wenn eine Druckwechseladsorption eingesetzt werden, und auf einen Gehalt von 80 bis 99,9% auf molarer Basis, wenn ein Membranverfahren verwendet wird.

[0038] Ein Membranverfahren ist deshalb von besonderem Vorteil, weil hier die zur Stofftrennung benötigte Energie dem Fluid per Druckreduktion entzogen wird (der Gradient der Partialdrücke des Sauerstoffes treibt die Stofftrennung). Im Vergleich zu einer (Vakuum-)Druckwechseladsorption sind die in einem Membranverfahren eingesetzten Apparate kostengünstig, platzsparend, wartungsarm und erzeugen keine zusätzlichen Schallemissionen. Zudem ist die Anfahrzeit in einem Membranverfahren sehr kurz. Als Membranmaterial zur Sauerstofftrennung bieten sich beispielsweise Polyimid oder Poly(p-Phenylenoxid) an.

[0039] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann der Verdampfungsraum des zweiten Kopfkondensators insbesondere auf einem Druckniveau von 1,2 bis 2,5 bar betrieben werden. Die Sumpfflüssigkeit der Niederdruckkolonne wird also vor der Einspeisung in den Verdampfungsraum ausgehend von dem zweiten Druckniveau auf dieses Druckniveau entspannt und die Flüssigkeit wird dem Verdampfungsraum auf diesem Druckniveau entnommen.

[0040] Die flüssige Druckerhöhung der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kopfkondensators entnommenen Flüssigkeit kann insbesondere auf ein Druckniveau von 5 bis 80 bar erfolgen. Wie erwähnt, kann hierdurch eine besonders gute Adaption an die ansonsten durch den Hauptwärmetauscher geführten Stoffströme erfolgen. Liegt die flüssige Druckerhöhung der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kopfkondensators entnommenen Flüssigkeit auf ein Druckniveau deutlich über 8 bis 10 bar, so kann es aus Kostengründen sinnvoll sein, die zu verdampfende Flüssigkeit in einem separaten Tauscher gegen Prozessluft anzuwärmen.

[0041] In einem Verfahren gemäß einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung wird, wie bereits teilweise angesprochen, Luft auf mindestens das erste Druckniveau verdichtet, wobei ein erster Anteil dieser Luft in Form eines oder mehrerer Druckluftströme in einem Hauptwärmetauscher der Luftzerlegungsanlage abgekühlt und in die Hochdruckkolonne eingespeist wird. Dieser erste Anteil wird insbesondere bis zum kalten Ende durch den Hauptwärmetauscher geführt und dabei auf ein Temperaturniveau von -150 bis - 180 °C abgekühlt. Hingegen wird ein zweiter Anteil dieser Luft in dem Hauptwärmetauscher abgekühlt, und zwar vorteilhafterweise nur auf ein Zwischentemperaturniveau von -50 bis -150 °C, entspannt, in dem Hauptwärmetauscher erwärmt und aus der Luftzerlegungsanlage ausgeleitet. Auf diese Weise kann ein Kälteverlust in der Anlage ausgeglichen werden.

[0042] Die vorliegende Erfindung erstreckt sich, wie erwähnt, ferner auf eine Luftzerlegungsanlage, die zur Durchführung eines entsprechenden Verfahrens eingerichtet ist, und die die in dem zugehörigen unabhängigen Patentanspruch angegebenen Mittel aufweist. Zu weiteren Details sei auf diesen unabhängigen Patentanspruch und die obigen Erläuterungen bezüglich des erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verfahrens verwiesen, die eine entsprechende Luftzerlegungsanlage in gleicher Weise betreffen.

[0043] Die Erfindung wird nachfolgend auf die beigefügten Figuren näher erläutert, die bevorzugte Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung veranschaulichen.

[0044] Kurze Beschreibung der Zeichnungen

Figur 1 veranschaulicht eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung in vereinfachter schematischer Darstellung.

Figur 2 veranschaulicht eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung in vereinfachter schematischer Darstellung.

Figur 3 veranschaulicht eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung in vereinfachter schematischer Darstellung.



[0045] In den Figuren sind einander baulich oder funktional entsprechende Elemente mit identischen Bezugszeichen angegeben und werden Übersichtlichkeit halber nicht wiederholt erläutert.

Ausführliche Beschreibung der Zeichnungen



[0046] In den Figuren 1 bis 3 sind jeweils mit 100, 200 und 300 bezeichnete Luftzerlegungsanlagen gemäß besonders bevorzugter Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung in stark vereinfachter, schematischer Darstellung als Prozessflussdiagramme veranschaulicht.

[0047] Ein sogenannter warmer Teil der entsprechenden Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 ist jeweils nicht im Detail veranschaulicht, sondern zusammengefasst mit 1 angegeben. Zur fachüblichen Ausgestaltung eines entsprechenden warmen Teils einer Luftzerlegungsanlage sei auf die eingangs zitierte Fachliteratur verwiesen. Der warme Teil einer Luftzerlegungsanlage umfasst insbesondere den sogenannten Hauptluftverdichter sowie eine diesem nachgeschaltete Vorkühleinrichtung, beispielsweise in Form eines Direktkontaktkühlers. Ferner umfasst der warme Teil einer entsprechenden Luftzerlegungsanlage typischerweise eine Reinigungseinrichtung für die in der Luftzerlegungsanlage zu bearbeitende Luft, die typischerweise als Adsorberstation mit geeigneten Molsiebadsorbern eingerichtet ist. Diese können insbesondere im Wechselbetrieb gefahren und unter Verwendung eines Regeneriergases betrieben werden, wie nachfolgend auch noch erläutert. Zur besseren Unterscheidung und einfacheren Bezugnahme ist eine entsprechende Adsorberstation, die jedoch explizit in dem warmen Teil 1 der Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 bereitgestellt ist, mit 2 bezeichnet.

[0048] In den Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 wird jeweils ein verdichteter und entsprechend aufgereinigter Einsatzluftstrom a bereitgestellt, der Luft umfasst, welche in einem Rektifikationskolonnensystem 10 bearbeitet wird. Das Rektifikationskolonnensystem 10 umfasst dabei eine Hochdruckkolonne 11 und eine Niederdruckkolonne 12. Ein wesentlicher Aspekt der hier veranschaulichten Ausgestaltung ist der, dass die Hochdruckkolonne 11 und die Niederdruckkolonne 12 jeweils Kopfkondensatoren 111 bzw. 121 aufweisen. Unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne wird dabei in dem hier als "erstem" Kopfkondensator bezeichneten Kopfkondensator 111 ein Kondensat gebildet, das hier auch als "erstes" Kondensat bezeichnet wird. Dieses erste Kondensat wird zumindest zum Teil auf die Hochdruckkolonne 11 zurückgeführt. In dem hier als "zweitem" Kopfkondensator bezeichneten Kopfkondensator 121 wird unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne ein Kondensat gebildet, das hier als "zweites" Kondensat bezeichnet wird, und das teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne 12 zurückgeführt wird. Weitere Details werden weiter unten erläutert.

[0049] Ein weiterer gemeinsamer Aspekt der in den Figuren 1 bis 3 veranschaulichten Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 ist der, dass drei Teilströme b, c und d des Einsatzluftstroms a gebildet und jeweils einer Abkühlung in einem Hauptwärmetauscher 3 unterworfen werden. Die Teilströme b werden dabei bis zum kalten Ende durch den Hauptwärmetauscher 3 geführt und letztlich in die Hochdruckkolonne 11 eingespeist. Der Teilstrom c wird hingegen in dem Hauptwärmetauscher 3 nur teilabgekühlt, in einer gebremsten Turbine 4 entspannt, in dem Hauptwärmetauscher 3 wieder erwärmt, und an die Atmosphäre A abgegeben. Die Bildung und Entspannung des Teilstroms c ist optional.

[0050] Die in den Figuren 1 bis 3 veranschaulichten, gemäß Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung ausgebildeten Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 zeichnen sich ferner dadurch aus, dass das erste Druckniveau, auf dem die Hochdruckkolonne 11 betrieben wird, deutlich oberhalb des Druckniveaus liegt, auf dem in herkömmlichen Luftzerlegungsanlagen die Hochdruckkolonnen der verwendeten Doppelkolonnensysteme betrieben werden. Details zu entsprechenden Drücken wurden bereits erläutert.

[0051] Als eines der Hauptprodukte der Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300, die in den Figuren 1 bis 3 veranschaulicht sind, wird jeweils Druckstickstoff bereitgestellt, der vom Kopf der Hochdruckkolonne 11 in Form eines Stoffstroms e abgezogen, in dem Hauptwärmetauscher 3 erwärmt und aus den Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 ausgeleitet wird. Ein hier nicht gesondert bezeichneter Teilstrom des Stoffstroms e kann warmseitig des Hauptwärmetauschers 3 abgezweigt und beispielsweise als Dichtgas verwendet werden.

[0052] Vom Kopf der Hochdruckkolonne 11 wird ferner ein weiterer Stoffstrom f abgezogen, durch den bereits erwähnten ersten Kondensatorverdampfer 111 geführt und dort zumindest teilweise verflüssigt. Ein Anteil der entsprechend gebildeten Flüssigkeit wird in Form eines Stoffstroms g auf die Hochdruckkolonne 11 zurückgeführt, ein weiterer Anteil kann in Form eines Stoffstroms h als Flüssigstickstoffprodukt an die Anlagengrenze geführt werden.

[0053] Aus dem Sumpf der Hochdruckkolonne 11 wird ein mit Sauerstoff angereicherter Stoffstrom i ausgeführt, durch einen Unterkühler 14 geleitet, und danach in die Niederdruckkolonne 12 entspannt. Kopfgas der Niederdruckkolonne 12 wird dieser in Form eines Stoffstroms k entnommen und durch den Kondensatorverdampfer 121 geführt. Wiederum kann ein Anteil hiervon in Form eines Stoffstroms I auf die Niederdruckkolonne 12 zurückgeführt werden. Ein weiterer Anteil wird in Form eines Stoffstroms m mittels einer Pumpe 15 durch einen Unterkühler 16 geführt und anschließend in die Hochdruckkolonne 12 eingespeist.

[0054] Aus dem Sumpf der Niederdruckkolonne 12 wird ein Stoffstrom n abgezogen, der ebenfalls durch den Unterkühler 16 sowie anschließend durch einen Unterkühler 17 geführt und danach in einen Verdampfungsraum des Kopfkondensators 121 entspannt wird. Gas aus dem Verdampfungsraum des Kondensatorverdampfers 121 wird in Form eines Stoffstroms p entnommen und dabei optional, soweit vorhanden, durch den Unterkühler 13 sowie den Unterkühler 17 geführt. Der Stoffstrom p wird danach in dem Hauptwärmetauscher 3 erwärmt und kann beispielsweise als Regeneriergas in der Adsorberstation 2 verwendet werden, die in dem warmen Teil 1 der Luftzerlegungsanlagen 100, 200 und 300 bereitgestellt ist.

[0055] Aus dem Verdampfungsraum des Kondensatorverdampfers 121 wird jeweils Flüssigkeit in Form eines Stoffstroms q abgezogen, mittels einer Pumpe 19 in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung unterworfen, in dem Hauptwärmetauscher 3 verdampft oder in den überkritischen Zustand überführt, und zur Bereitstellung eines sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts verwendet, das ein weiteres Hauptprodukt der Luftzerlegungsanlagen 100, 200, 300 gemäß den Figuren 1 bis 3 darstellt.

[0056] In der Luftzerlegungsanlage 100 gemäß Figur wird dabei der verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Stoffstrom q in stofflich unveränderter Zusammensetzung einem Verbraucher 101 zugeführt.

[0057] Dagegen zeichnet sich die in Figur 2 veranschaulichte Luftzerlegungsanlage 200 insbesondere dadurch gegenüber der in Figur 1 veranschaulichten Luftzerlegungsanlage 100 aus, dass der verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Stoffstrom q einer Druckwechseladsorption 201 unterworfen wird. Auf diese Weise kann ein weiter an Sauerstoff angereicherter Stoffstrom r mit dem oben erläuterten Sauerstoffgehalt und ein Abgasstrom s gebildet werden.

[0058] Die in Figur 3 veranschaulichte Luftzerlegungsanlage 300 stellt eine Variante der Luftzerlegungsanlage 200 gemäß Figur 2 dar. Auch in dieser Variante wird eine weitere Sauerstoffanreicherung vorgenommen, und zwar in einer Membrantrennung 301. Wiederum können ein weiter an Sauerstoff angereicherter Stoffstrom t und ein Abfallstrom u gebildet werden.


Ansprüche

1. Verfahren zur Gewinnung eines stickstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts und eines sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts unter Einsatz einer Tieftemperaturzerlegung von Luft in einer Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300), die ein Rektifikationskolonnensystem (10) mit einer auf einem ersten Druckniveau betriebenen Hochdruckkolonne (11) und einer auf einem zweiten Druckniveau unterhalb des ersten Druckniveaus betriebenen Niederdruckkolonne (12) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt, dass unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne (11) in einem ersten Kondensatorverdampfer (111) ein erstes Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig auf die Hochdruckkolonne (11) zurückgeführt wird, dass unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne (12) in einem zweiten Kondensatorverdampfer (121) ein zweites Kondensat gebildet und teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne (11) zurückgeführt wird, dass in einen Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne (12) eingespeist wird, und dass aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Flüssigkeit entnommen, in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung unterworfen, verdampft oder in den überkritischen Zustand überführt, und zur Bereitstellung des sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts verwendet wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt in einer Menge bereitgestellt wird, die bei 1 bis 20% einer Menge liegt, in der das stickstoffreiche, gasförmige Luftprodukt bereitgestellt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem die aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene und verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit ohne die Zusammensetzung beeinflussende Maßnahmen als das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt verwendet wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem die aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) entnommene, in flüssigem Zustand der Druckerhöhung unterworfene und verdampfte oder in den überkritischen Zustand überführte Flüssigkeit zur Bereitstellung als das sauerstoffreiche, gasförmige Luftprodukt einer nichtkryogenen Sauerstoffanreicherung unterworfen wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, bei dem die nichtkryogene Sauerstoffanreicherung unter Verwendung einer Druckwechseladsorption (201) und/oder unter Verwendung einer Membrantrennung (301) durchgeführt wird.
 
6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) auf einem Druckniveau von 1,2 bis 2,5 bar betrieben wird.
 
7. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die in flüssigem Zustand erfolgende Druckerhöhung der aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) entnommenen Flüssigkeit auf ein Druckniveau von 5 bis 80 bar vorgenommen wird.
 
8. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die Flüssigkeit aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) mit einem Sauerstoffgehalt von mehr als 40% entnommen wird.
 
9. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem Luft auf mindestens das erste Druckniveau verdichtet wird, wobei ein erster Anteil dieser Luft in Form eines oder mehrerer Druckluftströme in einem Hauptwärmetauscher (3) der Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300) abgekühlt und in die Hochdruckkolonne (11) eingespeist wird, und wobei ein zweiter Anteil dieser Luft in dem Hauptwärmetauscher (3) abgekühlt, entspannt, in dem Hauptwärmetauscher (3) erwärmt und aus der Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300) ausgeleitet wird.
 
10. Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300), die ein Rektifikationskolonnensystem (10) mit einer für einen Betrieb auf einem ersten Druckniveau eingerichteten Hochdruckkolonne (11) und einer auf für einen Betrieb auf einem zweiten Druckniveau unterhalb des ersten Druckniveaus eingerichteten Niederdruckkolonne (12) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das erste Druckniveau bei 7 bis 12 bar liegt, dass Mittel bereitgestellt sind, die dafür eingerichtet sind, unter Verwendung von Kopfgas der Hochdruckkolonne (11) in einem ersten Kondensatorverdampfer (111) ein erstes Kondensat zu bilden und teilweise oder vollständig auf die Hochdruckkolonne (11) zurückzuführen, dass Mittel bereitgestellt sind, die dafür eingerichtet sind, in einem zweiten Kondensatorverdampfer (121) unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne (12) ein zweites Kondensat zu bilden und teilweise oder vollständig auf die Niederdruckkolonne (11) zurückzuführen, dass Mittel bereitgestellt sind, die dafür eingerichtet sind, in einen Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Sumpfflüssigkeit aus der Niederdruckkolonne (12) einzuspeisen, und dass Mittel bereitgestellt sind, die dafür eingerichtet sind, aus dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensatorverdampfers (121) Flüssigkeit zu entnehmen, in flüssigem Zustand einer Druckerhöhung zu unterwerfen, zu verdampfen oder in den überkritischen Zustand zu überführen, und zur Bereitstellung des sauerstoffreichen, gasförmigen Luftprodukts zu verwenden.
 
11. Luftzerlegungsanlage (100, 200, 300) nach Anspruch 10, die zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 eingerichtet ist.
 




Zeichnung













Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur