(19)
(11) EP 3 796 676 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
24.03.2021  Patentblatt  2021/12

(21) Anmeldenummer: 20193254.8

(22) Anmeldetag:  28.08.2020
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
H04R 25/00(2006.01)
G10L 21/0232(2013.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(30) Priorität: 18.09.2019 DE 102019214220

(71) Anmelder: Sivantos Pte. Ltd.
Singapore 539775 (SG)

(72) Erfinder:
  • KAMKAR-PARSI, Homayoun
    91058 Erlangen (DE)
  • HAIN, Jens
    91077 Kleinsendelbach (DE)

(74) Vertreter: FDST Patentanwälte 
Nordostpark 16
90411 Nürnberg
90411 Nürnberg (DE)

   


(54) VERFAHREN ZUM BETRIEB EINES HÖRGERÄTS UND HÖRGERÄT


(57) Es wird ein Verfahren zum Betrieb eines Hörgeräts (2) angegeben, wobei das Hörgerät (2) ein Mikrofon (4) aufweist, mittels welchem Umgebungsschall aufgenommen wird und in ein Eingangssignal (I) umgewandelt wird, welches einen Nutzanteil (S) und einen Störanteil (N) aufweist, wobei eine Stationarität (st_I) des Eingangssignals (I) bestimmt wird, wobei ein Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) des Eingangssignals (I) abhängig von einem Skalierungsfaktor (sc) bestimmt wird, wobei der Skalierungsfaktor (sc) stationaritätsabhängig bestimmt wird, nämlich anhand einer Funktion (F), welche den Skalierungsfaktor (sc) in Abhängigkeit der Stationarität (st_I) des Eingangssignals (I) angibt. Weiter wird ein entsprechendes Hörgerät (2) angegeben.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörgeräts sowie ein Hörgerät.

[0002] Ein Hörgerät dient allgemein zur Ausgabe von Schall an einen Nutzer des Hörgeräts. Hierzu weist ein Hörgerät zunächst ein Mikrofon auf, mit welchem Schall aus der Umgebung, d.h. Umgebungsschall, aufgenommen wird. Dadurch wird ein elektrisches Eingangssignal erzeugt, welches zur weiteren Bearbeitung einer Signalverarbeitung zugeführt wird. Diese erzeugt dann ein elektrisches Ausgangssignal, welches über einen Hörer des Hörgeräts an den Nutzer als Schall ausgegeben wird. Ein Hörgerät wird typischerweise vom Nutzer im oder am Ohr getragen.

[0003] Eine spezielle Ausgestaltung eines Hörgeräts ist ein Hörgerät zum Ausgleich eines Hördefizits eines hörgeschädigten Nutzers. Bei einem solchen Hörgerät wird das Eingangssignal in der Signalverarbeitung anhand eines individuellen Audiogramms des Nutzers modifiziert und dabei typischerweise verstärkt, um das Hördefizit auszugleichen.

[0004] Das Verhalten des Hörgeräts ist üblicherweise durch einen oder mehrere Betriebsparameter charakterisiert, welche situationsabhängig einstellbar sind, um in verschiedenen Umgebungssituationen ein möglichst optimales Hörerlebnis zu gewährleisten. Um das Hörgerät situationsabhängig einzustellen, ist es erforderlich, die Umgebungssituation zu charakterisieren oder zu klassifizieren. Ein wichtiger Parameter hierfür ist das Signal-zu-Rausch-Verhältnis der Umgebung, d.h. das Verhältnis von Nutzsignal zu Störsignal. Ein Nutzsignal ist ein Signal, welches für den Nutzer von Interesse ist und daher möglichst deutlich an diesen ausgegeben werden soll, beispielsweise die Stimme eines Sprechers, mit welchem der Nutzer sich unterhält. Ein Störsignal ist hingegen ein Signal, welches unterdrückt werden soll, da es das Nutzsignal überdeckt und somit dessen Verständlichkeit negativ beeinflusst. Beispiele für Störsignale sind sogenannter "babble noise", Hintergrundgeräusche, andere Sprecher, mit welchen der Nutzer sich nicht unterhält sowie Umwelt- oder Maschinengeräusche.

[0005] Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist nicht ohne Weiteres zugänglich, da zu dessen Berechnung die Pegel des Nutzanteils und des Störanteils separat ermittelt werden müssen, um anschließend deren Verhältnis zu bestimmen. Da Nutzsignale und Störsignale aber gleichzeitig vorliegen, überlagern sich diese und werden vom Mikrofon gemeinsam aufgenommen. Im Eingangssignal ist somit üblicherweise sowohl ein Nutzanteil als auch ein Störanteil vorhanden. Eine Trennung dieser beiden Anteile zwecks Berechnung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses ist nicht ohne Weiteres möglich. Eine näherungsweise Berechnung mittels anderer Größen, welche besser zugänglich sind, ist unter Umständen stark fehlerbehaftet.

[0006] Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der Erfindung ein verbessertes Verfahren zum Betrieb eines Hörgeräts anzugeben sowie ein entsprechendes Hörgeräts. Speziell soll die Bestimmung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses in der Umgebung verbessert werden. Insbesondere soll eine möglichst gute Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses vorgenommen werden. Die Schätzung soll insbesondere ohne eine explizite Trennung von Nutzanteil und Störanteil auskommen.

[0007] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 sowie durch ein Verfahren mit den Merkmalen gemäß Anspruch 14. Vorteilhafte Ausgestaltungen, Weiterbildungen und Varianten sind Gegenstand der Unteransprüche. Dabei gelten die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Verfahren sinngemäß auch für das Hörgerät und umgekehrt. Sofern nachfolgend Verfahrensschritte beschrieben werden, ergeben sich vorteilhafte Ausgestaltungen für das Hörgerät insbesondere dadurch, dass dieses ausgebildet ist, einen oder mehrere dieser Verfahrensschritte auszuführen.

[0008] Das Verfahren dient zum Betrieb eines Hörgeräts und ist demnach ein Betriebsverfahren. Während des Verfahrens wird das Hörgerät insbesondere von einem Nutzer im oder am Ohr getragen und zur Ausgabe von Umgebungsschall genutzt. Das Hörgerät weist ein Mikrofon auf, mittels welchem Umgebungsschall aufgenommen wird und in ein Eingangssignal umgewandelt wird. Das Mikrofon ist vorzugsweise ein omnidirektionales Mikrofon, d.h. kein Richtmikrofon, und weist somit insbesondere keine Vorzugsrichtung zur Aufnahme von Schall auf. Analog hierzu ist das Eingangssignal vorzugsweise ein omnidirektionales Signal. Der Umgebungsschall ist ein akustisches Signal. Das Eingangssignal ist ein elektrisches Signal. Das Eingangssignal weist einen Nutzanteil und einen Störanteil auf. Der Nutzanteil ist ein Signal, welches für den Nutzer von Interesse ist und daher möglichst deutlich an diesen ausgegeben werden soll. Der Störanteil ist hingegen ein Signal, welches unterdrückt werden soll, da es den Nutzanteil überdeckt und somit dessen Verständlichkeit negativ beeinflusst. Das Hörgerät weist weiterhin vorzugsweise eine Signalverarbeitung auf, welcher das Eingangssignal zur weiteren Bearbeitung zugeführt wird. Die Signalverarbeitung erzeugt dann ein elektrisches Ausgangssignal, welches über einen Hörer des Hörgeräts an den Nutzer als Schall ausgegeben wird.

[0009] Bei dem Verfahren wird eine Stationarität des Eingangssignals bestimmt. Hierzu weist das Hörgerät und insbesondere dessen Signalverarbeitung zweckmäßigerweise einen Stationaritätsdetektor auf, welchem das Eingangssignal zugeführt wird und welcher die Stationarität ausgibt. Unter Stationarität wird allgemein ein Maß für die Variabilität eines Signals im Verlauf der Zeit verstanden. Ein Signal, welches sich mit der Zeit wenig ändert, weist eine höhere Stationarität auf als ein Signal, welches sich im Vergleich dazu stärker ändert. Die Stationarität eines Signals allgemein wird beispielsweise dadurch gemessen, dass die zeitliche Änderung eines Frequenzspektrums des Signals gemessen wird und daraus dann ein Wert für die Stationarität abgeleitet wird. Je weniger und je langsamer sich das Frequenzspektrum ändert, desto höher ist die Stationarität. Alternativ oder zusätzlich wird das Signal, speziell dessen Frequenzspektrum, auf ein oder mehrere vorgegebene Merkmale untersucht und abhängig vom Vorliegen oder von der Ausgeprägtheit dieser Merkmale die Stationarität bestimmt.

[0010] Bei dem Verfahren wird ein Signal-zu-Rausch-Verhältnis des Eingangssignals abhängig von einem Skalierungsfaktor bestimmt, vorzugsweise fortlaufend. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird kurz auch lediglich als SNR bezeichnet. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist ein Maß für die relativen Anteile des Nutzanteils und des Störanteils im gesamten Eingangssignal und somit auch im Umgebungsschall. Der Skalierungsfaktor wird stationaritätsabhängig bestimmt, nämlich anhand einer Funktion, welche den Skalierungsfaktor in Abhängigkeit der Stationarität des Eingangssignals angibt. Die Funktion ist beispielsweise in einem Speicher des Hörgeräts, speziell der Signalverarbeitung, hinterlegt. Die Funktion weist für den Skalierungsfaktor vorzugsweise einen Wertebereich von 0 bis 1 auf, besonders bevorzugt von 0,5 bis 1. Mit anderen Worten: die Funktion gibt vorzugsweise einen Wert im Bereich von 0 bis 1 zurück, besonders bevorzugt von 0,5 bis 1. Andere Wertebereiche sind grundsätzlich auch möglich und geeignet.

[0011] Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird zweckmäßigerweise im Betrieb des Hörgeräts dazu genutzt, dieses situationsabhängig und somit möglichst optimal einzustellen. Mit anderen Worten: abhängig vom Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird zweckmäßigerweise ein Betriebsparameter des Hörgeräts eingestellt. Vorzugsweise wird das Signal-zu-Rausch-Verhältnis vor einer Verwendung noch geglättet, z.B. mittels einer zeitlichen, insbesondere rollierenden Mittelwertbildung.

[0012] Ein wesentlicher Aspekt der Erfindung ist der stationaritätsabhängige Skalierungsfaktor, durch dessen Verwendung das Signal-zu-Rausch-Verhältnis abhängig von der Stationarität des Eingangssignals bestimmt wird. Auf diese Weise ist die Bestimmung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses deutlich präziser und es wird eine verbesserte Einstellung des Hörgeräts realisiert.

[0013] Die Erfindung geht zunächst davon aus, dass im Eingangssignal sowohl ein Nutzanteil als auch ein Störanteil enthalten sind und dass diese beiden Anteile zunächst nicht getrennt zur Berechnung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses zur Verfügung stehen. Daher wird vorliegend das Signal-zu-Rausch-Verhältnis anhand des Eingangssignals bestimmt, genauer gesagt geschätzt. Das mit dem Verfahren bestimmte Signal-zu-Rausch-Verhältnis entspricht also nicht zwingend dem tatsächlichen Signal-zu-Rausch-Verhältnis, sondern stellt eine Schätzung dar. Mit anderen Worten: das Signal-zu-Rauschverhältnis wird insbesondere ohne genaue Kenntnis des Nutzanteils und des Störanteils näherungsweise errechnet.

[0014] Umgebungen mit einem hohen Störanteil sind typischerweise entsprechend laut, d.h. das entsprechende Eingangssignal weist einen hohen Pegel auf. Bei einem solch hohen Pegel ist häufig, jedoch nicht zwingend, der Störanteil relativ zum Nutzanteil groß, sodass also das Signal-zu-Rausch-Verhältnis gering ist. In erster Näherung kann somit durch eine einfache Pegelmessung am Eingangssignal eine grobe Einschätzung des wahrscheinlich vorliegenden Signal-zu-Rausch-Verhältnisses gewonnen werden. Dieser Ansatz ist jedoch problematisch, da auch Situationen möglich sind, in welchen der Störanteil gering ist, der Nutzanteil selbst jedoch demgegenüber sehr laut. Dann ist zwar das Signal-zu-Rausch-Verhältnis hoch, der Pegel jedoch auch, sodass die Einschätzung anhand der einfachen Pegelmessung entsprechend fehlerhaft ist.

[0015] Das oben genannte Problem sei nachfolgend anhand eines konkreten Anwendungsfalls beschrieben: in einer zweckmäßigen Ausgestaltung wird eine Direktionalität des Hörgeräts abhängig vom Signal-zu-Rausch-Verhältnis eingestellt. Direktionalität bezeichnet allgemein ein Fokussieren des Hörgeräts auf eine bestimmte Hörrichtung unter Abschwächung oder Ausblendung anderer Richtungen. Hierzu wird beispielsweise ein Beamformer verwendet, welcher eine Richtkeule aufweist, mit einer einstellbaren Breite. Die Breite der Richtkeule wird nun abhängig vom Signal-zu-Rausch-Verhältnis eingestellt. Je niedriger das Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist, desto kleiner wird die Breite eingestellt, sodass nur noch Signale an den Nutzer ausgegeben werden, welche aus einer bestimmten Richtung stammen und überwiegend Nutzsignale sind. Dadurch werden Störsignale aus anderen Richtungen ausgeblendet. Falls nun ein einzelner Sprecher in einer ansonsten leisen Umgebung sehr laut spricht, wird jedoch aufgrund des hohen Pegels eine geringe Breite und somit eine hohe Direktionalität eingestellt, obwohl dies an sich nicht notwendig ist. Dadurch gehen Signale außerhalb der Richtkeule verloren, obwohl diese vorteilhaft zu einem insgesamt natürlicheren Hörerlebnis beitragen würden, ohne die Verständlichkeit des Nutzanteils zu stark zu beeinträchtigen.

[0016] Vorliegend wird das Signal-zu-Rausch-Verhältnis geschätzt und dabei zusätzlich die Stationarität des Eingangssignals berücksichtigt, sodass die Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses insgesamt verbessert ist. Die Schätzung erhält mit der Stationarität sozusagen eine zusätzliche Dimension, welche eine Unterscheidung und Klassifikation der Umgebungssituation ermöglicht. Konkret angewandt auf den oben beispielhaft beschriebenen Anwendungsfall bedeutet dies: Falls der Störanteil gering ist, der Nutzanteil allerdings sehr laut, ist die Stationarität des Eingangssignals insgesamt gering, wohingegen im Fall eines lauten Störanteils die Stationarität im Vergleich dazu hoch ist. Trotz eines ähnlichen Pegels, können dann Situationen mit stark unterschiedlichem tatsächlichem Signal-zu-Rausch-Verhältnis zuverlässig unterschieden werden und die Umgebung wird korrekt klassifiziert. Das geschätzte Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird entsprechend mittels des Skalierungsfaktors angepasst und entspricht dann eher dem tatsächlichen Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Abseits des explizit genannten Anwendungsfalls, ist somit jegliche Einstellung des Hörgeräts, welche abhängig vom Signal-zu-Rausch-Verhältnis durchgeführt wird, deutlich verbessert.

[0017] Wie das Signal-zu-Rausch-Verhältnis konkret errechnet wird, ist für das grundlegende Konzept zunächst nicht wesentlich, vielmehr kommt es zunächst nur darauf an, dass die Stationarität berücksichtigt wird. Hinsichtlich der Berechnung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses ist jedoch eine Ausgestaltung besonders bevorzugt, bei welcher ein Eingangspegel des Eingangssignals gemessen wird und bei welcher ein geschätzter Störanteil des Eingangssignals bestimmt wird. Der geschätzte Störanteil wird mit dem Skalierungsfaktor multipliziert, sodass sich ein skalierter, geschätzter Störanteil ergibt. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird dann errechnet, indem eine Differenz aus dem Eingangspegel und dem skalierten, geschätzten Störanteil gebildet wird und indem das Signal-zu-Rausch-Verhältnis als Verhältnis der Differenz zum skalierten, geschätzten Störanteil errechnet wird. Dieses Vorgehen wird durch die nachfolgende Formel ausgedrückt:





[0018] Dabei ist E = S+N der Eingangspegel, welcher zusammengesetzt ist aus dem Nutzanteil S (signal) und dem Störanteil N (noise). Der Skalierungsfaktor ist mit sc bezeichnet, der geschätzte Störanteil mit N_est. Der skalierte, geschätzte Störanteil entspricht demnach sc*N_est.

[0019] Sowohl der Eingangspegel als auch der geschätzte Störanteil werden direkt aus dem Eingangssignal abgeleitet, insbesondere ohne Kenntnis des Nutzanteils und des Störanteils für sich genommen, d.h. eine Trennung von Störanteil und Nutzanteil erfolgt nicht.

[0020] Grundsätzlich ist es möglich, das Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu bestimmen, indem das Verhältnis von Eingangspegel zu geschätztem Störanteil berechnet wird, sodass der Eingangspegel als Näherung für den tatsächlichen Nutzanteil verwendet wird und der geschätzte Störanteil als Näherung für den tatsächlichen Störanteil:



[0021] Für einen gegenüber dem Störanteil sehr geringen Nutzanteil, d.h. für S « N, und unter der Annahme, dass der Störanteil in etwa dem geschätzten Störanteil entspricht, d.h. N ≈ N_est, liefert diese Formel lediglich positive Werte für das Signal-zu-Rausch-Verhältnis, gemessen in dB. Mit anderen Worten: Fälle mit einem negativen Signal-zu-Rausch-Verhältnis (in dB) können nicht dargestellt werden.

[0022] Die Darstellung eines negativen Signal-zu-Rausch-Verhältnisses ist hingegen möglich in einer vorteilhaften Ausgestaltung, bei welcher vom Eingangssignal der geschätzte Störanteil zunächst subtrahiert wird:



[0023] Zusätzlich wird zweckmäßigerweise der stationaritätsabhängige Skalierungsfaktor angewendet, um den Anteil und Einfluss des geschätzten Störanteils einzustellen, sodass sich die oben bereits genannte Formel ergibt:



[0024] In einer ebenfalls geeigneten Variante wird der Skalierungsfaktor im Nenner ausgelassen und der geschätzte Nutzanteil im Zähler wird lediglich durch den geschätzten Störanteil geteilt. Die Verwendung des Skalierungsfaktors im Nenner führt zwar zu einem zusätzlichen Offset, welcher jedoch gering ist. Demgegenüber steht eine vorteilhaft vereinfachte Handhabung und Implementierung der Berechnung durch die Verwendung des Skalierungsfaktors im Nenner, da dann zur Berechnung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses lediglich zwei Größen benötigt werden, nämlich der Eingangspegel und der skalierte, geschätzte Störanteil.

[0025] Durch den Skalierungsfaktor lässt sich das Signal-zu-Rausch-Verhältnis genauer bestimmen und mit geringerem Fehler schätzen. Falls der Nutzanteil größer ist als der Störanteil, wird zweckmäßigerweise keine oder lediglich eine geringe Korrektur mittels des Skalierungsfaktors vorgenommen. Je geringer jedoch der Nutzanteil gegenüber dem Störanteil ist, desto höher ist die Stationarität des Eingangssignals insgesamt und desto mehr ist dieses vom Störanteil dominiert. Hier wird ein stärkerer Ausgleich benötigt, um gegebenenfalls auch ein negatives Signal-zu-Rausch-Verhältnis darzustellen. Entsprechend wird mit größerer Stationarität ein größerer Skalierungsfaktor angewendet, sodass die Schätzung des Nutzanteils, welcher durch den Zähler (S + N - sc*N_est) ausgedrückt wird, stärker nach unten korrigiert wird.

[0026] Bevorzugterweise weist das Hörgerät einen ersten Pegelmesser auf, mit welchem der Eingangspegel bestimmt wird, und einen insbesondere separaten, zweiten Pegelmesser, mit welchem der geschätzte Störanteil bestimmt wird. Das Eingangssignal wird demnach zwei unterschiedlichen Pegelmessern zugeführt. Die Pegelmesser sind insbesondere Teile der Signalverarbeitung. Mit dem einen Pegelmesser wird der Eingangspegel gemessen, mit dem anderen Pegelmesser wird der Störanteil im Eingangssignal geschätzt, indem der zweite Pegelmesser derart eingestellt ist, dass dieser vorrangig den Pegel des Störanteils misst, also auf den Nutzanteil weniger stark anspricht als auf den Störanteil. Die beiden Pegelmesser sind demnach unterschiedlich konfiguriert, um an dem gleichen Signal, nämlich dem Eingangssignal, unterschiedliche Pegelmessungen durchzuführen.

[0027] Insgesamt werden somit zur Bestimmung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses lediglich zwei Pegelmesser und ein Stationaritätsdetektor benötigt, welchen jeweils lediglich das Eingangssignal zugeführt wird. In einer zweckmäßigen und besonders einfachen Ausgestaltung wird dann das Signal-zu-Rausch-Verhältnis lediglich mittels zweier Pegelmessungen und einer Stationaritätsmessung am Eingangssignal ermittelt. In einer vorteilhaften Weiterbildung kommen noch ein oder mehrere weitere Messungen hinzu.

[0028] In einer geeigneten Ausgestaltung wird der geschätzte Störanteil mit einem Pegelmesser bestimmt, welcher mit zwei asymmetrischen Zeitkonstanten betrieben wird. Dieser Pegelmesser ist insbesondere der zuvor genannte zweite Pegelmesser zur Bestimmung des geschätzten Störanteils. Durch die Verwendung eines solchen asymmetrischen Pegelmessers wird die Pegelmessung am Eingangssignal verzerrt und auf den Störanteil fokussiert.

[0029] Besonders vorteilhaft ist eine Ausgestaltung, bei welcher der Pegelmesser, d.h. insbesondere der zweite Pegelmesser, mit einer Einschwingzeit (attack) betrieben wird, welche größer ist als eine Ausschwingzeit (release) des Pegelmessers. Ein solcher Pegelmesser mit langsamer Einschwingzeit und schneller Ausschwingzeit wird auch als "minimum tracker" bezeichnet. Die Einschwingzeit und die Ausschwingzeit sind jeweils eine Zeitkonstante des Pegelmessers. Durch die im Vergleich zur Ausschwingzeit größere, d.h. längere Einschwingzeit ist beim Ansprechen des Pegelmessers eine entsprechende Trägheit realisiert, welche dazu führt, dass der Nutzanteil, welcher im Vergleich zum Störanteil als weniger stationär oder sogar als nicht-stationär angenommen wird, zur Pegelmessung weniger beiträgt als der Störanteil, welcher als stationär im Vergleich zum Nutzanteil angenommen wird.

[0030] Die Funktion, welche den Skalierungsfaktor in Abhängigkeit der Stationarität des Eingangssignals angibt, ist vorzugsweise derart ausgebildet, dass mit größerer Stationarität des Eingangssignals ein größerer Skalierungsfaktor bestimmt wird. Mit anderen Worten: für eine größere Stationarität gibt die Funktion einen größeren Skalierungsfaktor zurück. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Nutzanteil eher nicht-stationär ist im Vergleich zum Störanteil und umgekehrt, dass der Störanteil eher stationär ist im Vergleich zum Nutzanteil. Eine größere Stationarität indiziert somit ein schlechteres, d.h. geringeres Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Mit größerer Stationarität des Eingangssignals ist demnach der Anteil des Nutzanteils am Eingangssignal geringer, sodass eine größere Korrektur erforderlich ist, welche durch den größeren Skalierungsfaktor dann realisiert ist. In einer besonders einfachen Ausgestaltung ist die Funktion linear oder alternativ abschnittsweise linear und ansonsten konstant.

[0031] Die Funktion ist beispielsweise als Rechenvorschrift oder als Tabelle in einem Speicher des Hörgeräts, speziell der Signalverarbeitung hinterlegt.

[0032] In einer zweckmäßigen Ausgestaltung ist die Funktion mittels einer Eichmessung vorgegeben. Bei der Eichmessung wird für verschiedene Verhältnisse von einem Nutzanteil und einem Störanteil ein tatsächliches Signal-zu-Rausch-Verhältnis bestimmt und dieses mit dem errechneten Signal-zu-Rausch-Verhältnis verglichen. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird vorzugsweise mit der oben genannten Formel errechnet, sodass dann der Skalierungsfaktor als Variable verbleibt und bestimmt wird, insbesondere gemäß folgender oder einer ähnlichen Formel:

Es wird also ein bekannter Störanteil mit einem bekannten Nutzanteil gemischt, um ein Eingangssignal zu erhalten, dessen tatsächlicher Störanteil und tatsächlicher Nutzanteil somit bekannt sind. Dann wird das tatsächliche Signal-zu-Rausch-Verhältnis gemäß SNR = S/N bestimmt und mit dem Ergebnis der Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses verglichen und daraus der Skalierungsfaktor ermittelt. Logischerweise wird auch der geschätzte Störanteil ermittelt, insbesondere wie im Verfahren vorgesehen. Dies wird nun für mehrere verschiedene Signal-zu-Rausch-Verhältnisse wiederholt. Die Stationarität des Eingangssignals wird für jedes Signal-zu-Rausch-Verhältnis ebenfalls bestimmt, sodass insgesamt der Skalierungsfaktor als Funktion der Stationarität dargestellt wird.

[0033] Der Störanteil an sich muss allerdings nicht zwangsläufig stationär sein, sondern kann auch nicht-stationär sein und weist wie das Eingangssignal insgesamt eine grundsätzlich variable Stationarität auf. Ein Beispiel für einen Störanteil mit geringer Stationarität ist sogenannter "babble noise". Ein Beispiel für einen Störanteil mit hoher Stationarität sind sogenannte langzeitgemittelte Sprachspektren, kurz LTASS (long-term average speech spectrum). Je nach Stationarität des Störanteils liefert die verfahrensgemäße Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses unter Umständen unterschiedliche Ergebnisse, obwohl das tatsächliche Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR = S/N eigentlich dasselbe ist. Die Ergebnisse weichen typischerweise insbesondere umso mehr ab, umso geringer das tatsächliche Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist. Somit ergibt sich insgesamt das Problem, dass besonders bei einem Eingangssignal, bei welchem der Nutzanteil im Vergleich zum Störanteil gering ist und bei welchem der Störanteil eine geringe Stationarität aufweist, der Nutzanteil überschätzt wird und die verfahrensgemäße Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses vom tatsächlichen Signal-zu-Rausch-Verhältnis abweicht, nämlich insbesondere zu hoch ist, d.h. das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird überschätzt. Dies hängt insbesondere mit der Schätzung des geschätzten Störanteils zusammen, da bei dessen Bestimmung mit dem oben beschriebenen Pegelmesser vorrangig stationäre Anteile berücksichtigt werden. Ein stark nicht-stationärer Störanteil wird somit nur unvollständig oder gar nicht erfasst, sodass der Störanteil mit abnehmender Stationarität desselben zunehmen unterschätzt wird. Dieses Problem wird in einer vorteilhaften Ausgestaltung dadurch gelöst, dass die Funktion für den Skalierungsfaktor abhängig von einer Stationarität des Störanteils angepasst wird. Der Skalierungsfaktor wird demnach einerseits abhängig von einer ersten Stationarität, nämlich der Stationarität des Eingangssignals insgesamt, bestimmt und andererseits zusätzlich auch abhängig von einer zweiten Stationarität, nämlich der Stationarität des Störanteils. Dabei wird die Stationarität des Störanteils an sich nicht zwingend konkret gemessen, sondern zweckmäßigerweise indirekt bestimmt, indem eine Eingangsdynamik des Eingangssignals bestimmt wird und dann angenommen wird, dass mit geringerer Eingangsdynamik die Stationarität des Störanteils größer ist. Mit anderen Worten: die Stationarität des Störanteils wird geeigneterweise dadurch bestimmt, dass unterhalb eines Schwellwerts für eine Eingangsdynamik des Eingangssignals angenommen wird, dass ein stationärer Störer vorliegt und der Störanteil somit stationär ist, also eine bestimmte Stationarität aufweist.

[0034] Vorteilhafterweise wird die Funktion abhängig von der Stationarität des Störanteils derart angepasst, dass die Funktion für eine geringere Stationarität des Störanteils einen größeren Skalierungsfaktor zurückgibt, d.h. der Skalierungsfaktor wird nach oben hin korrigiert, sodass der skalierte, geschätzte Störanteil mit abnehmender Stationarität größer ist und die Unterschätzung des Störanteils korrigiert wird.

[0035] Die Stationarität des Störanteils wird in einer geeigneten Ausgestaltung bestimmt, indem die zeitliche Dynamik des Eingangssignals (d.h. die Eingangsdynamik) analysiert wird, nämlich indem ein Maximalpegel und ein Minimalpegel des Eingangssignals ermittelt und miteinander verglichen werden. Hierzu werden zweckmäßigerweise ein dritter und ein vierter Pegelmesser verwendet, welchen das Eingangssignal zugeführt wird. Der dritte Pegelmesser misst den Maximalpegel, der vierte Pegelmesser misst dagegen den Minimalpegel, oder umgekehrt. Hierzu werden die beiden Pegelmesser zweckmäßigerweise einerseits jeweils mit asymmetrischen Zeitkonstanten betrieben und andererseits mit im Vergleich zueinander entgegengesetzten Zeitkonstanten. Darunter wird verstanden, dass der Pegelmesser, welcher den Maximalpegel misst, mit einer geringen Einschwingzeit und einer großen Ausschwingzeit betrieben wird und der Pegelmesser, welcher den Minimalpegel misst, umgekehrt mit einer großen Einschwingzeit und einer geringen Ausschwingzeit.

[0036] Beispielsweise wird dann die Differenz zwischen oder das Verhältnis von dem Maximalpegel und dem Minimalpegel ermittelt. Der Maximalpegel und der Minimalpegel werden vorzugsweise fortlaufend innerhalb eines mitlaufenden Zeitintervalls bestimmt. Auf diese Weise wird vorteilhaft die Stationarität des Störanteils anhand des Eingangssignals ermittelt, ohne den Störanteil selbst kennen zu müssen. Dabei wird ausgenutzt, dass speziell bei niedrigem tatsächlichem Signal-zu-Rausch-Verhältnis eine höhere Stationarität des Störanteils zu einer niedrigeren Differenz zwischen Maximalpegel und Minimalpegel führt. Mit anderen Worten: je geringer die Differenz, desto höher die Stationarität für ein gegebenes Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Die Ausführungen gelten analog bei Verwendung des Verhältnisses von Maximalpegel und Minimalpegel. Das Verhältnis oder die Differenz werden in einer Ausgestaltung direkt als Maß für die Stationarität des Störanteils verwendet.

[0037] Besonders zweckmäßig ist die Verwendung mehrerer unterschiedlicher Funktionen, welche für Störanteile mit unterschiedlicher Stationarität optimiert sind.

[0038] In einer zweckmäßigen Ausgestaltung wird die Funktion für den Skalierungsfaktor abhängig von einer Stationarität des Störanteils angepasst, indem die Funktion für den Skalierungsfaktor abhängig von der Stationarität des Störanteils aus wenigstens zwei Basisfunktionen ausgewählt wird. Je nach Stationarität wird demnach eine von mehreren Basisfunktionen ausgewählt, um einen je nach Umgebungssituation optimalen Skalierungsfaktor zu erhalten. In einem besonders einfachen Ausführungsbeispiel sind zwei Basisfunktionen vorhanden, eine erste Basisfunktion für stationäre oder überwiegend stationäre Störanteile und eine zweite Basisfunktion für nicht-stationäre oder überwiegend nicht-stationäre Störanteile. Im Rahmen des Verfahrens wird zunächst die Stationarität des Störanteils bestimmt, insbesondere wie bereits beschrieben aus dem Eingangssignal. Je nach Stationarität wird dann eine der Basisfunktionen ausgewählt und als Funktion verwendet, um den Skalierungsfaktor zu bestimmen. Vorzugsweise wird auf die Basisfunktion für stationäre oder überwiegend stationäre Störanteile umgeschaltet oder übergeblendet, sobald eine Eingangsdynamik des Eingangssignals einen vorgegebenen Schwellwert unterschreitet, also hinreichend gering ist.

[0039] Alternativ zur oben genannten, diskreten Auswahl aus mehreren Basisfunktionen, wird in einer ebenfalls vorteilhaften Ausgestaltung die Funktion für den Skalierungsfaktor abhängig von einer Stationarität des Störanteils angepasst, indem die Funktion aus mehreren Basisfunktionen und in Abhängigkeit von der Stationarität des Störanteils zusammengemischt wird. Hierzu sind in einer geeigneten Ausgestaltung zwei Basisfunktionen vorhanden und die Funktion wird bestimmt, indem die beiden Basisfunktionen in einem Mischverhältnis miteinander gemischt werden, welches abhängig ist von der Stationarität des Störanteils. Dadurch ist ein besonders weicher Übergang bei der Verwendung unterschiedlicher Basisfunktionen realisiert. Die Basisfunktionen sind zweckmäßigerweise wie zuvor bereits beschrieben ausgebildet.

[0040] Zum Mischen der Basisfunktionen weist das Hörgerät, speziell dessen Signalverarbeitung, in einer geeigneten Ausgestaltung einen Mischer auf, welchem die Skalierungsfaktoren aus mehreren Basisfunktionen zugeführt werden. Der Mischer mischt dann diese Skalierungsfaktoren abhängig von der Stationarität in einem entsprechenden Mischverhältnis und gibt dann selbst einen Skalierungsfaktor aus, welcher schließlich mit dem geschätzten Störanteil multipliziert wird, um den skalierten, geschätzten Störanteil zu ermitteln.

[0041] Die weiter oben beschriebene Eichmessung wird zweckmäßigerweise analog angewendet, um verschiedene Basisfunktionen zu bestimmen. Die Eichmessung wird dann nicht nur für verschiedene Signal-zu-Rausch-Verhältnisse ausgeführt, sondern mehrfach für verschiedene Signal-zu-Rausch-Verhältnisse, wobei jeweils ein Störanteil mit einer anderen Stationarität verwendet wird. In einem besonders einfachen Ausführungsbeispiel wird die Eichmessung zweimal durchgeführt, einmal mit einem Störanteil mit geringer Stationarität und einmal mit einem Störanteil mit hoher Stationarität, sodass die Eichmessung zwei entsprechende Basisfunktionen liefert.

[0042] In einer geeigneten Ausgestaltung weist das Hörgerät mehrere Frequenzkanäle auf, sodass das Eingangssignal auf diese mehreren Frequenzkanäle aufgeteilt wird. Die Frequenzkanäle sind dann einzeln von der Signalverarbeitung modifizierbar. Zur Ausgabe werden die Frequenzkanäle insbesondere wieder zusammengeführt. Zur Aufteilung auf die verschiedenen Frequenzkanäle wird beispielsweise eine Filterbank verwendet. Insgesamt weist das Hörgerät insbesondere wenigstens 2, bevorzugt wenigstens 3 Frequenzkanäle auf und vorzugsweise 8 bis 128 Frequenzkanäle. Geeignet ist beispielsweise eine Ausgestaltung mit 48 Frequenzkanälen.

[0043] Das Eingangssignal erstreckt sich über einen bestimmten Frequenzbereich, insbesondere den hörbaren Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz oder einen Teilbereich davon, vorzugsweise von 100 Hz bis 12 kHz. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird nun entweder über den gesamten Frequenzbereich des Eingangssignals ermittelt oder lediglich über einen Teilbereich.

[0044] In einer besonders zweckmäßigen Ausgestaltung weist das Hörgerät wie beschrieben mehrere Frequenzkanäle auf und das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird für jeden Frequenzkanal einer Teilanzahl der Frequenzkanäle wie zuvor beschrieben errechnet, sodass sich mehrere Signal-zu-Rausch-Verhältnisse ergeben, aus welchen dann ein Mittelwert gebildet wird, welcher ein gemitteltes Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist, welches auch als globales Signal-zu-Rausch-Verhältnis bezeichnet wird. Für jeden der Teilanzahl der Frequenzkanäle wird sozusagen separat ein eigenes, lokales Signal-zu-Rausch-Verhältnis ermittelt. Bei der Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses werden somit explizit nicht alle Frequenzkanäle berücksichtigt, sondern einige Frequenzkanäle ausgelassen, indem lediglich eine Teilanzahl der Frequenzkanäle berücksichtigt wird. Dadurch ist es vorteilhaft möglich, die Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses auf die relevanteren Frequenzkanäle zu beschränken und somit den Betrieb des Hörgeräts weiter zu optimieren. Der Mittelwert wird insbesondere mittels einer Mittelwerteinheit des Hörgeräts, speziell der Signalverarbeitung, gebildet. Die Teilanzahl der Frequenzkanäle deckt vorzugsweise einen einzelnen, zusammenhängenden Frequenzbereich ab, dies ist jedoch nicht zwingend. Geeignet ist auch eine Ausgestaltung, bei welcher mehrere gemittelte Signal-zu-Rausch-Verhältnisse ermittelt werden, nämlich für unterschiedliche Frequenzbereiche.

[0045] Die Bestimmung des Signal-zu-Rauschverhältnisses muss nicht zwingend vollständig für jeden der Frequenzkanäle separat vorgenommen werden, vielmehr ist es ausreichend, dass einzelne Berechnungen, Bestimmungen, Ermittlungen oder Messungen frequenzabhängig, d.h. für einzelne Frequenzkanäle vorgenommen werden, wobei andere Berechnungen, Bestimmungen, Ermittlungen oder Messungen dann global, d.h. nicht frequenzabhängig vorgenommen werden. Beispielsweise wird der Eingangspegel frequenzabhängig und somit separat für jeden einzelnen Frequenzkanal ermittelt, der geschätzte Störanteil wird jedoch global anhand des summierten Eingangspegels aller Frequenzkanäle ermittelt. In einer anderen beispielhaften und geeigneten Variante wird die Stationarität des Eingangssignals frequenzabhängig bestimmt, gemittelt und dann der Skalierungsfaktor bestimmt und der Eingangspegel sowie der geschätzte Störanteil werden demgegenüber global ermittelt. Geeignet ist auch eine Ausgestaltung, bei welcher der geschätzte Störanteil nicht global, sondern frequenzabhängig bestimmt wird.

[0046] Besonders zweckmäßig ist eine Ausgestaltung, bei welcher die Teilanzahl der Frequenzkanäle einen Frequenzbereich bis 1,5 kHz, d.h. es werden lediglich niedrige Frequenzen bei der Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses berücksichtigt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der genannte Frequenzbereich für die Wahrnehmung von Lautstärke durch den Nutzer relevanter ist, als andere Frequenzbereiche. Möglich und ebenfalls geeignet sind aber auch Varianten, bei welchen alternativ oder zusätzlich andere Frequenzbereiche abgedeckt werden.

[0047] Wie bereits angedeutet, wird abhängig vom geschätzten Signal-zu-Rausch-Verhältnis ein Betriebsparameter des Hörgeräts eingestellt. In einer bevorzugten Ausgestaltung ist der Betriebsparameter ein Parameter eines Beamformers, z.B. eine Direktionalität oder eine Breite einer Richtkeule des Beamformers, oder ein Parameter einer Störgeräuschreduktion, z.B. ein Dämpfungsfaktor oder eine Filterfrequenz oder ein Filterfrequenzband eines Filters. Durch die verbesserte Ermittlung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses sind auch die Einstellung des Betriebsparameters und der Betrieb des Hörgeräts insgesamt entsprechend verbessert. So wird beispielsweise die Breite der Richtkeule eines Beamformers für größere Signal-zu-Rausch-Verhältnisse verringert, d.h. ein räumlicher Filter wird verengt, um eine Fokussierung zu realisieren, mittels welcher Störanteile aus der Umgebung unterdrückt werden.

[0048] Das Hörgerät ist bevorzugterweise ein Hörgerät zum Ausgleich eines Hördefizits eines hörgeschädigten Nutzers. Bei einem solchen Hörgerät wird das Eingangssignal in der Signalverarbeitung anhand eines individuellen Audiogramms des Nutzers mittels einer Modifikationseinheit modifiziert und dabei insbesondere verstärkt, um das Hördefizit auszugleichen. Das beschriebene Verfahren ist jedoch vorteilhaft auch auf andere Hörgeräte anwendbar, z.B. Kopfhörer, Headsets, Telefone, Smartphones und dergleichen.

[0049] Eine oder mehrere der beschriebenen Funktionen oder Verfahrensschritte sind in dem Hörgerät und speziell in dessen Signalverarbeitung insbesondere programmtechnisch oder schaltungstechnisch realisiert oder eine Kombination hiervon. Die Signalverarbeitung ist zur Durchführung eines oder mehrerer der beschriebenen Funktionen oder Verfahrensschritte beispielswiese als ein Mikroprozessor oder als ein ASIC ausgebildet oder als eine Kombination hiervon.

[0050] Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen jeweils schematisch:
Fig. 1
ein Hörgerät,
Fig. 2
eine Funktion für einen Skalierungsfaktor,
Fig. 3
ein tatsächliches und ein geschätztes Signal-zu-Rausch-Verhältnisses für einen stationären Störanteil,
Fig. 4
ein tatsächliches und ein geschätztes Signal-zu-Rausch-Verhältnisses für einen nicht-stationären Störanteil,
Fig. 5
eine Variante der Funktion aus Fig. 2,
Fig. 6
ein tatsächliches und ein geschätztes Signal-zu-Rausch-Verhältnisses für einen stationären Störanteil,
Fig. 7
ein tatsächliches und ein geschätztes Signal-zu-Rausch-Verhältnisses für einen nicht-stationären Störanteil,
Fig. 8
eine Variante des Hörgeräts aus Fig. 1.


[0051] In Fig. 1 ist ein Ausführungsbeispiel für ein Hörgerät 2 dargestellt. Eine Variante des Hörgeräts 2 ist in Fig. 8 gezeigt. Während eines Verfahrens zum Betrieb wird des Hörgeräts 2 wird dieses von einem nicht dargestellten Nutzer im oder am Ohr getragen und zur Ausgabe von Umgebungsschall genutzt. Das Hörgerät 2 weist ein Mikrofon 4 auf, mittels welchem Umgebungsschall aufgenommen wird und in ein Eingangssignal I umgewandelt wird. Das Mikrofon 4 ist hier ein omnidirektionales Mikrofon, sodass das Eingangssignal I ein omnidirektionales Signal ist. Das Eingangssignal I weist einen Nutzanteil S (signal) und einen Störanteil N (noise) auf. Das Hörgerät 2 weist in den gezeigten Beispielen eine Signalverarbeitung 6 auf, welcher das Eingangssignal I zur weiteren Bearbeitung zugeführt wird. Die Signalverarbeitung 6 erzeugt ein elektrisches Ausgangssignal O, welches über einen Hörer 8 des Hörgeräts 2 an den Nutzer als Schall ausgegeben wird. Vorliegend ist das Hörgerät 2 speziell ein Hörgerät 2 zum Ausgleich eines Hördefizits eines hörgeschädigten Nutzers. Entsprechend wird das Eingangssignal I in der Signalverarbeitung 6 anhand eines individuellen Audiogramms des Nutzers mittels einer Modifikationseinheit 10 modifiziert und dabei insbesondere verstärkt, um das Hördefizit auszugleichen. Die hier beschriebenen Konzepte sind jedoch auch auf andere Hörgeräte anwendbar.

[0052] Im Betrieb des Hörgeräts 2 wird eine Stationarität st_I des Eingangssignals I bestimmt. Hierzu weist das Hörgerät 2 einen Stationaritätsdetektor 12 auf, welchem das Eingangssignal I zugeführt wird und welcher die Stationarität st_I ausgibt. Unter Stationarität wird allgemein ein Maß für die Variabilität eines Signals im Verlauf der Zeit verstanden.

[0053] Weiter wird ein Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR des Eingangssignals I abhängig von einem Skalierungsfaktor sc bestimmt. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR ist ein Maß für die relativen Anteile des Nutzanteils S und des Störanteils N im gesamten Eingangssignal I und somit auch im Umgebungsschall. Der Skalierungsfaktor sc wird stationaritätsabhängig bestimmt, nämlich anhand einer Funktion F, welche den Skalierungsfaktor sc in Abhängigkeit der Stationarität st_I des Eingangssignals I angibt. Zwei Beispiele für eine solche Funktion F sind in den Fig. 2 und 5 gezeigt.

[0054] Vorliegend wird das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR anhand des Eingangssignals I bestimmt, genauer gesagt geschätzt. Das mit dem Verfahren bestimmte Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR entspricht also nicht zwingend dem tatsächlichen Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t, sondern stellt eine Schätzung dar. Die Fig. 3, 4, 6 und 7 zeigen Vergleiche des geschätzten Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR mit dem tatsächlichen Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t, wobei bei der Bestimmung des geschätzten Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR in den Fig. 3 und 4 die Funktion F aus Fig. 2 verwendet wurde und bei der Bestimmung des geschätzten Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR in den Fig. 6 und 7 die Funktion F aus Fig. 5.

[0055] Das geschätzte Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR wird beispielsweise genutzt, um einen Betriebsparameter P des Hörgeräts 2 einzustellen. Der Betriebsparameter P ist z.B. ein Parameter eines Beamformers oder ein Parameter einer Störgeräuschreduktion.

[0056] Wie das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR konkret errechnet wird, ist für das grundlegende Konzept zunächst nicht wesentlich, vielmehr kommt es zunächst nur darauf an, dass die Stationarität st_I berücksichtigt wird. In den hier gezeigten Ausführungsbeispielen wird speziell ein Eingangspegel E des Eingangssignals I gemessen und ein geschätzter Störanteil N_est des Eingangssignals I bestimmt. Der geschätzte Störanteil N_est wird mit dem Skalierungsfaktor sc multipliziert, sodass sich ein skalierter, geschätzter Störanteil sc*N_est ergibt. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR wird dann errechnet, indem eine Differenz aus dem Eingangspegel E und dem skalierten, geschätzten Störanteil sc*N_est gebildet wird und indem das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR als Verhältnis der Differenz zum skalierten, geschätzten Störanteil sc*N_est errechnet wird. Dieses Vorgehen wird durch die nachfolgende Formel ausgedrückt:



[0057] Sowohl der Eingangspegel E als auch der geschätzte Störanteil N_est werden direkt aus dem Eingangssignal I abgeleitet, ohne Kenntnis des Nutzanteils S und des Störanteils N. Eine Trennung von Störanteil N und Nutzanteil S erfolgt nicht.

[0058] Der Zähler in obiger Formel entspricht einem geschätzten Nutzanteil, der Nenner einem geschätzten Störanteil, sodass insgesamt ein geschätztes Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR errechnet wird. Mit der angegebenen Formel ist vor Allem auch eine Darstellung eines negativen Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR möglich. In einer nicht gezeigten Variante wird in der genannten Formel der Skalierungsfaktor sc im Nenner ausgelassen und der geschätzte Nutzanteil im Zähler wird lediglich durch den geschätzten Störanteil N_est geteilt.

[0059] In den gezeigten Beispielen weist das Hörgerät 2 einen ersten Pegelmesser 14 auf, mit welchem der Eingangspegel E bestimmt wird, und einen separaten, zweiten Pegelmesser 16, mit welchem der geschätzte Störanteil N_est bestimmt wird. Das Eingangssignal I wird demnach zwei unterschiedlichen Pegelmessern 14, 16 zugeführt. Mit dem zweiten Pegelmesser 16 wird der Störanteil N im Eingangssignal E geschätzt, indem der zweite Pegelmesser 16 derart eingestellt ist, dass dieser vorrangig den Pegel des Störanteils N misst, also auf den Nutzanteil S weniger stark anspricht. Die beiden Pegelmesser 14, 16 sind demnach unterschiedlich konfiguriert, um an dem Eingangssignal I, unterschiedliche Pegelmessungen durchzuführen. Der zweite Pegelmesser 16 wird hier mit zwei asymmetrischen Zeitkonstanten betrieben, nämlich mit einer Einschwingzeit (attack), welche größer ist als eine Ausschwingzeit (release). Der zweite Pegelmesser 16 wird daher auch als "minimum tracker" bezeichnet.

[0060] Die Funktionen F in den Fig. 2 und 5, welche jeweils den Skalierungsfaktor sc in Abhängigkeit der Stationarität st_I angeben, sind derart ausgebildet, dass mit größerer Stationarität st_I des Eingangssignals E ein größerer Skalierungsfaktor sc bestimmt wird. In den Fig. 2 und 5 ist die Stationarität st_I horizontal aufgetragen und nimmt von links nach rechts betrachtet ab. Der Skalierungsfaktor sc ist vertikal aufgetragen und nimmt von unten nach oben hin zu. Die Funktionen F bilden die Überlegung ab, dass mit größerer Stationarität st_I der Anteil des Nutzanteils S am Eingangssignal E geringer ist, sodass eine größere Korrektur erforderlich ist, welche durch den größeren Skalierungsfaktor sc dann realisiert ist. Die hier beispielhaft gezeigten Funktionen F sind insgesamt stufenartig oder rampenartig ausgebildet und verlaufen hierzu auf einem Mittenabschnitt ungefähr linear und auf Seitenabschnitten ansonsten überwiegend konstant. Die beiden explizit gezeigten Funktionen F der Fig. 2 und 5 unterscheiden sich einerseits hinsichtlich des Wertebereiches für den Skalierungsfaktor sc und andererseits hinsichtlich der Position des Mittenabschnitts, also in welchem Wertebereich für die Stationarität st_I die jeweilige Funktion F näherungsweise linear verläuft. In Fig. 2 weist die Funktion F für den Skalierungsfaktor sc einen Wertebereich von 0,51 bis 0,8 auf. In Fig. 5 weist die Funktion F für den Skalierungsfaktor sc einen Wertebereich von 0,59 bis 0,95 auf und liegt insgesamt höher als die Funktion F in Fig. 2.

[0061] Die Funktion F in Fig. 2 wurde mittels einer Eichmessung wie in den Fig. 3 und 4 illustriert ermittelt. Analoges gilt für die Funktion F der Fig. 5 bezüglich der Fig. 6 und 7. Bei der jeweiligen Eichmessung wird für verschiedene Verhältnisse von einem Nutzsignal S und einem Störsignal N zunächst das tatsächliche Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t bestimmt, welches in den Fig. 3, 4, 6 und 7 jeweils horizontal aufgetragen und in dB angegeben ist. Das tatsächliche Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t wird dann mit dem gemäß obiger Formel und mit der jeweiligen Funktion F errechneten Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR verglichen. Das errechnet Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR ist in den Fig. 3, 4, 6 und 7 jeweils vertikal aufgetragen und ebenfalls in dB angegeben. Gezeigt sind jeweils mehrere Punktwolken W, in Fig. 3 konkret 11 Stück, von welchen eine exemplarisch mit einem Kreis markiert ist. Auch in den Fig. 4 und 7 sind jeweils 11 Punktwolken W erkennbar, in Fig. 6 dagegen nur 10. Vorliegend wurde für die Punktwolken W in einer jeweiligen der Fig. 3, 4, 6, 7 das gleiche Nutzsignal S verwendet und der mittlere Pegel des Störsignals N schrittweise erhöht. Eine jeweilige Punktwolke W ergibt sich dadurch, dass die Signal-zu-Rausch-Verhältnisse SNR, SNR_t für verschiedene Zeitpunkte aufgetragen werden, wobei der Pegel für das Nutzsignal S zeitlich fluktuiert, da das Nutzsignal S z.B. Sprache ist, welche entsprechend zeitlich variiert.

[0062] In den Fig. 3 und 6 wurde jeweils ein stationärer Störanteil S verwendet, nämlich sogenannte langzeitgemittelte Sprachspektren, kurz LTASS (long-term average speech spectrum). In dem Fig. 4 und 7 wurde dagegen ein nicht-stationärer Störanteil S, nämlich sogenannter "babble noise" verwendet. Aus den Figuren wird unmittelbar deutlich, dass die Funktion F der Fig. 2 besser geeignet ist für Störanteile S mit hoher Stationarität st_N und dass die Funktion F der Fig. 5 besser geeignet ist für Störanteile N mit niedriger Stationarität st_N. Wie Fig. 4 zeigt, wird das Signal-zu-Rauschverhältnis SNR für wenig stationäre Störanteile N hin zu einem geringen, tatsächlichen Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t zunehmend überschätzt, wohingegen die Schätzung für stationäre Störanteils N sehr gut ist, wie Fig. 3 zeigt. Die Fig. 6 und 7 zeigen ein umgekehrtes Ergebnis bei Anwendung der Funktion F gemäß Fig. 5. Wie Fig. 7 zeigt, ist die Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR für nicht-stationäre Störanteile N sehr gut, wie Fig. 6 zeigt wird das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR bei stationären Störanteilen N unterschätzt.

[0063] Je nach Stationarität st_N des Störanteils N liefert die verfahrensgemäße Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR somit unter Umständen unterschiedliche Ergebnisse, obwohl das jeweils zugrundeliegende, tatsächliche Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t = S/N eigentlich dasselbe ist. Deutlich wird, dass besonders bei einem Eingangssignal I, bei welchem der Nutzanteil S im Vergleich zum Störanteil N gering ist und bei welchem der Störanteil N eine geringe Stationarität st_N aufweist, der Nutzanteil S überschätzt wird und die verfahrensgemäße Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR zu hoch ist. Dies wird auch deutlich mit Blick auf den geschätzten Störanteil N_est. Bei dessen Bestimmung mit dem oben beschriebenen Pegelmesser 16 werden vorrangig stationäre Anteile berücksichtigt, sodass ein stark nicht-stationärer Störanteil N nur unvollständig oder gar nicht erfasst wird und der Störanteil N mit abnehmender Stationarität st_N desselben zunehmen unterschätzt wird. Dieses Problem wird vorliegend dadurch gelöst, dass die Funktion F für den Skalierungsfaktor sc abhängig von der Stationarität st_N des Störanteils N angepasst wird. Die Anpassung der Funktion F ist hier derart, dass diese für eine geringere Stationarität st_N des Störanteils N einen größeren Skalierungsfaktor sc zurückgibt, d.h. der Skalierungsfaktor sc wird mit abnehmender Stationarität st_N nach oben hin korrigiert. Dies wird beim Vergleich der Fig. 2 und 5 deutlich: der Skalierungsfaktor wird gemäß der Funktion F der Fig. 5, welche für nicht-stationäre Störanteile N optimiert ist, deutlich größer gewählt als gemäß der Funktion F in Fig. 2, welche für stationäre Störanteile N optimiert ist.

[0064] Bei dem Hörgerät 2 in Fig. 2 wird lediglich eine einzelne Funktion F für den Skalierungsfaktor sc verwendet. In der Variante des Hörgeräts 2 gemäß Fig. 8 dagegen werden mehrere unterschiedliche Basisfunktionen B verwendet, welche für Störanteile N mit unterschiedlicher Stationarität st_N optimiert sind. Bei dem Hörgerät 2 der Fig. 8 wird dann die Funktion F für den Skalierungsfaktor sc abhängig von einer Stationarität st_N des Störanteils N angepasst, indem die Funktion F aus mehreren Basisfunktionen B und in Abhängigkeit von der Stationarität st_N zusammengemischt wird. Im gezeigten Ausführungsbeispiel sind zwei Basisfunktionen B vorhanden und die Funktion F wird bestimmt, indem die beiden Basisfunktionen B in einem Mischverhältnis miteinander gemischt werden, welches abhängig ist von der Stationarität st_N. Dadurch ist ein weicher Übergang bei der Verwendung unterschiedlicher Basisfunktionen B realisiert. Beispielsweise werden die beiden Funktionen F der Fig. 2 und 5 jeweils als eine Basisfunktion B verwendet.

[0065] Zum Mischen der Basisfunktionen B weist das Hörgerät 2 in Fig. 8 einen Mischer 18 auf, welchem die Skalierungsfaktoren sc aus mehreren Basisfunktionen B zugeführt werden. Der Mischer 18 mischt dann diese Skalierungsfaktoren sc abhängig von der Stationarität st_N in einem entsprechenden Mischverhältnis und gibt dann selbst einen Skalierungsfaktor sc aus, welcher schließlich mit dem geschätzten Störanteil N_est multipliziert wird, um den skalierten, geschätzten Störanteil sc*N_est zu ermitteln.

[0066] In einer nicht gezeigten Variante des Hörgeräts 2 wird die Funktion F für den Skalierungsfaktor sc abhängig von der Stationarität st_N des Störanteils N angepasst, indem die Funktion F für den Skalierungsfaktor sc aus wenigstens zwei Basisfunktionen B ausgewählt wird, beispielsweise den in den Fig. 2 und 5 gezeigten Funktionen F.

[0067] In einer möglichen Ausgestaltung weist das Hörgerät 2 mehrere, hier nicht explizit dargestellt Frequenzkanäle auf, sodass das Eingangssignal I auf diese mehreren Frequenzkanäle aufgeteilt wird. Die Bestimmung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR erfolgt dann analog auch für einige oder alle der übrigen Frequenzkanäle. Zur Ausgabe werden die Frequenzkanäle wieder zusammengeführt. Zur Aufteilung auf die verschiedenen Frequenzkanäle wird beispielsweise eine Filterbank verwendet. Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR wird beispielsweise für jeden Frequenzkanal einer Teilanzahl der Frequenzkanäle wie zuvor beschrieben errechnet, sodass sich mehrere Signal-zu-Rausch-Verhältnisse SNR ergeben, aus welchen dann in einer Mittelwerteinheit ein Mittelwert gebildet wird, welcher ein gemitteltes Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR ist, welches auch als globales Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR bezeichnet wird. Für jeden der Teilanzahl der Frequenzkanäle wird sozusagen separat ein eigenes, lokales Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR ermittelt. Bei der Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR werden somit explizit nicht alle Frequenzkanäle berücksichtigt, sondern einige Frequenzkanäle ausgelassen, indem lediglich eine Teilanzahl der Frequenzkanäle berücksichtigt wird. Beispielsweise deckt die Teilanzahl der Frequenzkanäle einen Frequenzbereich bis 1,5 kHz ab, d.h. es werden lediglich niedrige Frequenzen bei der Schätzung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses SNR berücksichtigt.

[0068] Die Bestimmung des Signal-zu-Rauschverhältnisses SNR muss nicht zwingend vollständig für jeden der Frequenzkanäle separat vorgenommen werden, vielmehr ist es ausreichend, dass einzelne Berechnungen, Bestimmungen, Ermittlungen oder Messungen frequenzabhängig, d.h. für einzelne Frequenzkanäle vorgenommen werden, wobei andere Berechnungen, Bestimmungen, Ermittlungen oder Messungen dann global, d.h. nicht frequenzabhängig vorgenommen werden. Beispielsweise wird bei dem Hörgerät 2 in Fig. 2 die Stationarität st_I des Eingangssignals I frequenzabhängig und lediglich für eine Teilanzahl der Frequenzkanäle bestimmt, gemittelt und dann der Skalierungsfaktor sc bestimmt. Der Eingangspegel E sowie der geschätzte Störanteil N_est werden global oder frequenzabhängig ermittelt.

[0069] Die Stationarität st_N des Störanteils N wird in den gezeigten Ausführungsbeispielen bestimmt, indem die zeitliche Dynamik des Eingangssignals I analysiert wird, nämlich indem ein Maximalpegel Emax und ein Minimalpegel Emin des Eingangssignals I ermittelt und miteinander verglichen werden. Beispielsweise wird die Differenz zwischen oder das Verhältnis von dem Maximalpegel Emax und dem Minimalpegel Emin ermittelt. Auf diese Weise wird die Stationarität st_N ermittelt, ohne den Störanteil N explizit kennen zu müssen. Dabei wird ausgenutzt, dass speziell bei niedrigem tatsächlichem Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_t eine höhere Stationarität st_N des Störanteils N zu einer niedrigeren Differenz zwischen Maximalpegel Emax und Minimalpegel Emin führt. Die Funktion F wird dann derart angepasst, dass mit größerer Differenz eine geringere Stationarität st_N angenommen wird und daher ein entsprechend angepasster Skalierungsfaktor sc verwendet wird. Vorliegend werden ein dritter und vierter Pegelmesser 20 verwendet, welchen das Eingangssignal I zugeführt wird und welche den Maximalpegel Emax sowie den Minimalpegel Emin bestimmen und somit auch die Stationarität st_N.

Bezugszeichenliste



[0070] 
2
Hörgerät
4
Mikrofon
6
Signalverarbeitung
8
Hörer
10
Modifikationseinheit
12
Stationaritätsdetektor
14
erster Pegelmesser
16
zweiter Pegelmesser
18
Mischer
20
dritter und vierter Pegelmesser
E
Eingangspegel
Emax
Maximalpegel
Emin
Minimalpegel
F
Funktion
I
Eingangssignal
N
Störanteil
N_est
geschätzter Störanteil
O
Ausgangssignal
P
Betriebsparameter
S
Nutzanteil
sc
Skalierungsfaktor
sc*N_est
skalierter, geschätzter Störanteil
SNR
(geschätztes) Signal-zu-Rausch-Verhältnis SNR_ttatsächliches Signal-zu-Rausch-Verhältnis
st_I
Stationarität des Eingangssignals
st_N
Stationarität des Störanteils
W
Punktwolke



Ansprüche

1. Verfahren zum Betrieb eines Hörgeräts (2),

- wobei das Hörgerät (2) ein Mikrofon (4) aufweist, mittels welchem Umgebungsschall aufgenommen wird und in ein Eingangssignal (I) umgewandelt wird, welches einen Nutzanteil (S) und einen Störanteil (N) aufweist,

- wobei eine Stationarität (st_I) des Eingangssignals (I) bestimmt wird,

- wobei ein Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) des Eingangssignals (I) abhängig von einem Skalierungsfaktor (sc) bestimmt wird,

- wobei der Skalierungsfaktor (sc) stationaritätsabhängig bestimmt wird, nämlich anhand einer Funktion (F), welche den Skalierungsfaktor (sc) in Abhängigkeit der Stationarität (st_I) des Eingangssignals (I) angibt.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,

- wobei ein Eingangspegel (E) des Eingangssignals (I) gemessen wird,

- wobei ein geschätzter Störanteil (N_est) des Eingangssignals (I) bestimmt wird und mit dem Skalierungsfaktor (sc) multipliziert wird, sodass sich ein skalierter, geschätzter Störanteil (sc*N_est) ergibt,

- wobei das Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) errechnet wird, indem eine Differenz aus dem Eingangspegel (E) und dem skalierten, geschätzten Störanteil (sc*N_est) gebildet wird und indem das Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) als Verhältnis der Differenz zum skalierten, geschätzten Störanteil (sc*N_est) errechnet wird.


 
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2,
wobei das Hörgerät (2) einen ersten Pegelmesser (14) aufweist, mit welchem der Eingangspegel (E) bestimmt wird, und einen zweiten Pegelmesser (16), mit welchem der geschätzte Störanteil (N_est) bestimmt wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
wobei der geschätzte Störanteil (N_est) mit einem Pegelmesser (16) bestimmt wird, welcher mit zwei asymmetrischen Zeitkonstanten betrieben wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4,
wobei der Pegelmesser (16) mit einer Einschwingzeit betrieben wird, welche größer ist als eine Ausschwingzeit des Pegelmessers (16).
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
wobei die Funktion (F) derart ausgebildet ist, dass mit größerer Stationarität (st_I) ein größerer Skalierungsfaktor (sc) bestimmt wird.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
wobei die Funktion (F) mittels einer Eichmessung vorgegeben ist, bei welcher für verschiedene Verhältnisse von einem Nutzanteil (S) und einem Störanteil (N) ein tatsächliches Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR_t) bestimmt wird und dieses mit dem errechneten Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) verglichen wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7,
wobei die Funktion (F) für den Skalierungsfaktor (sc) abhängig von einer Stationarität (st_N) des Störanteils (N) angepasst wird.
 
9. Verfahren nach Anspruch 8,
wobei die Stationarität (st_N) des Störanteils (N) bestimmt wird, indem die zeitliche Dynamik des Eingangssignals (I) analysiert wird, nämlich indem ein Maximalpegel und (Emax) ein Minimalpegel (Emin) des Eingangssignals (I) ermittelt werden und miteinander verglichen werden.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 oder 9,
wobei die Funktion (F) für den Skalierungsfaktor (sc) abhängig von der Stationarität (st_N) des Störanteils (N) aus wenigstens zwei Basisfunktionen (B) ausgewählt wird.
 
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 oder 9,
wobei zwei Basisfunktionen (B) vorhanden sind und die Funktion (F) bestimmt wird, indem die beiden Basisfunktionen (B) in einem Mischverhältnis miteinander gemischt werden, welches abhängig ist von der Stationarität (st_N) des Störanteils (N).
 
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11,
wobei das Hörgerät (2) mehrere Frequenzkanäle aufweist,
wobei das Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) für jeden Frequenzkanal einer Teilanzahl der Frequenzkanäle errechnet wird, sodass sich mehrere Signal-zu-Rausch-Verhältnisse (SNR) ergeben, aus welchen dann ein Mittelwert gebildet wird, welcher ein gemitteltes Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) ist.
 
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12,
wobei abhängig vom Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) ein Betriebsparameter (P) des Hörgeräts (2) eingestellt wird,
wobei der Betriebsparameter (P) ein Parameter eines Beamformers ist oder ein Parameter einer Störgeräuschreduktion.
 
14. Hörgerät (2), welches ausgebildet ist zur Durchführung eines Verfahrens gemäß einem der Ansprüche 1 bis 13.
 




Zeichnung
















Recherchenbericht









Recherchenbericht