(19)
(11) EP 3 885 459 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.09.2021  Patentblatt  2021/39

(21) Anmeldenummer: 20165742.6

(22) Anmeldetag:  26.03.2020
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C22C 29/06(2006.01)
C22C 1/05(2006.01)
C22C 29/08(2006.01)
C22C 38/00(2006.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
C22C 1/051; C22C 29/067; C22C 29/08; C22C 38/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: CERATIZIT Luxembourg S.à r.l.
8232 Mamer (LU)

(72) Erfinder:
  • Useldinger, Ralph
    8232 Mamer (LU)
  • Bertalan, Claudio
    8232 Mamer (LU)
  • Pereira Coelho, Leonel
    8232 Mamer (LU)

(74) Vertreter: Ciesla, Dirk et al
Plansee Group Service GmbH IP Department Metallwerk-Plansee-Strasse 71
6600 Reutte
6600 Reutte (AT)

   


(54) KOBALTFREIER WOLFRAMKARBID-BASIERTER HARTMETALLWERKSTOFF


(57) Es wird ein kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff bereitgestellt, mit 70-97 Gew.-% Hartstoffpartikeln, die zumindest überwiegend durch Wolframkarbid gebildet sind, und 3-30 Gew.-% eines metallischen Binders, der eine Eisen-Nickel-Basislegierung ist, die zumindest Eisen, Nickel und Chrom aufweist, mit einem Verhältnis von Fe zu (Ni + Fe) von 0,70 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95; einem Cr-Gehalt von 0,5 Gew.-% ≤ Cr/(Fe + Ni + Cr) und (i) für den Bereich 0,7 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,83:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 0,625 * (Fe/(Fe + Ni)) +3,2688) Gew.-% ; (ii) für den Bereich 0,83 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,85:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 27,5 * (Fe/(Fe + Ni)) + 25,575) Gew.-% und (iii) für den Bereich 0,85 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2,2 Gew.-%; mit optional einem Mo-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von
0 Gew.-% ≤ Mo/(Fe + Ni + Cr) ≤ 10 Gew.-%; mit optional einem V-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von 0 Gew.-% ≤ V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2 Gew.-%; und unvermeidlichen Verunreinigungen bis zu insgesamt maximal 1 Gew.-% des Hartmetallwerkstoffs.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft einen kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoff.

[0002] Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoffe sind Verbundwerkstoffe, bei denen zumindest überwiegend durch Wolframkarbid gebildete Hartstoffteilchen den überwiegenden Teil des Verbundwerkstoffs bilden und Zwischenräume zwischen den Hartstoffteilchen durch einen duktilen metallischen Binder gefüllt sind. Derartige Hartmetallwerkstoffe kommen seit vielen Jahren aufgrund ihrer vorteilhaften Materialeigenschaften, wie insbesondere hoher Härte in Verbindung mit guter Risszähigkeit in verschiedensten Bereichen, wie z.B. bei der Metallzerspanung, in Verschleißteilen, in Holzbearbeitungswerkzeugen, in Umformwerkzeugen, etc. zum Einsatz. Die Materialanforderungen bei der Anwendung solcher Hartmetallwerkstoffe in den verschiedenen Anwendungsbereichen sind dabei sehr unterschiedlich. Für manche Anwendungen ist hauptsächlich eine hohe Härte entscheidend, für andere Anwendungen z.B. eine gute Risszähigkeit Klc. Je nach Anwendung kann es neben einem guten Verhältnis von Härte zu Risszähigkeit Klc unter anderem auch auf eine hohe Korrosionsbeständigkeit und eine hohe Biegebruchfestigkeit ankommen.

[0003] Bei den meisten der derzeit kommerziell erhältlichen Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffen ist der duktile metallische Binder durch Kobalt oder eine Kobalt-Basislegierung gebildet. Unter einer Basislegierung eines Elementes ist dabei zu verstehen, dass dieses Element den größten Bestandteil der Legierung bildet. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1908/2006, der sogenannten REACH-Verordnung, werden Co-haltige Gemische und Stoffe in die Kategorie 1B hinsichtlich Kanzerogenität eingestuft, wenn deren Gehalt an Co > 0,1 % beträgt. Somit sind Co-haltige Hartmetallwerkstoffe sowie Hartmetallpulver und -granulate ebenfalls in die Krebskategorie 1B der Stoffe einzuordnen, die wahrscheinlich beim Menschen karzinogen sind. Im Hinblick darauf, dass immer wieder eine potentielle Gesundheitsgefährdung diskutiert wird, die von kobalthaltigen Materialien ausgehen soll, sowie darauf, dass die natürlichen Kobaltvorkommen häufig in Konfliktregionen zu finden sind, gibt es schon seit längerer Zeit Bestrebungen, alternative Bindersysteme zu entwickeln, die frei von Kobalt sind.

[0004] In diesem Zusammenhang werden auch Hartmetallwerkstoffe mit Binder auf Eisen-Nickel-Basis diskutiert, die grundsätzlich bei Raumtemperatur gute mechanische Eigenschaften besitzen und daher das Potential haben, herkömmliche Hartmetallwerkstoffe mit kobaltbasiertem Binder zu ersetzen. Als deutliche Nachteile gegenüber den herkömmlichen Hartmetallwerkstoffen mit kobaltbasiertem Binder zeigen diese Hartmetallwerkstoffe mit Binder auf Eisen-Nickel-Basis jedoch
  • eine geringere Korrosionsbeständigkeit und
  • eine ausgeprägte plastische Deformation bei hohen Temperaturen (geringe Kriechbeständigkeit).


[0005] Obwohl grundsätzlich versucht werden kann, diese Eigenschaften durch die Zugabe geringer Mengen weiterer Elemente oder Verbindungen zu verbessern, führen solche Zugaben auch zu zusätzlichen Problemen. Es kann insbesondere zu einer erheblichen Reduktion der Biegebruchfestigkeit aufgrund von Mischkarbid- und η-Phasen-Ausscheidungen und zu einer Verringerung der Prozessstabilität bei der Herstellung des Hartmetallwerkstoffs, insbesondere aufgrund einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Schwankungen in der Prozessatmosphäre bei der Herstellung, kommen.

[0006] Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, einen verbesserten kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoff bereitzustellen, der neben einer hohen Härte, einer guten Risszähigkeit Klc und einer relativ hohen Biegebruchfestigkeit BBF auch eine gute Korrosionsbeständigkeit und eine hohe Warmfestigkeit aufweist und sich ferner auch zuverlässig in einer üblichen Produktionsanlage für Hartmetallwerkstoffe herstellen lässt.

[0007] Die Aufgabe wird durch einen kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoff nach Anspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.

[0008] Der kobaltfreie Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoff hat: 70-97 Gew.-% Hartstoffpartikel, die zumindest überwiegend durch Wolframkarbid gebildet sind, und 3-30 Gew.-% eines metallischen Binders, der eine Eisen-Nickel-Basislegierung ist, die zumindest Eisen, Nickel und Chrom aufweist. Der Hartmetallwerkstoff hat ein Verhältnis von Fe zu (Ni + Fe) von 0,70 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95 und einen Cr-Gehalt von 0,5 Gew.-% ≤ Cr/(Fe + Ni + Cr) und
  1. (i) für den Bereich 0,7 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,83:
    Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 0,625 * (Fe/(Fe + Ni)) +3,2688) Gew.-%
  2. (ii) für den Bereich 0,83 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,85:
    Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 27,5 * (Fe/(Fe + Ni)) + 25,575) Gew.-%
  3. (iii) für den Bereich 0,85 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95:
    Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2,2 Gew.-%.
Der Hartmetallwerkstoff hat optional einen Mo-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von 0 Gew.-% ≤ Mo/(Fe + Ni + Cr) ≤ 10 Gew.-% und optional einen
V-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von 0 Gew.-% ≤ V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2 Gew.-%; sowie unvermeidliche Verunreinigungen bis zu insgesamt maximal 1 Gew.-% des Hartmetallwerkstoffs.

[0009] Im Rahmen der vorliegenden Beschreibung werden Gehalte und Verhältnisse von Elementen zueinander immer in Gewichtsverhältnissen bzw. Gewichtsprozent (Gew.-%) angegeben, solange nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist. Dabei werden die Verhältnisse dort, wo es sinnvoller ist - wie z.B. beim Anteil der Hartstoffpartikel und beim Anteil des metallischen Binders - bezogen auf den Hartmetallwerkstoff angegeben, jedoch dort, wo es auf das Verhältnis zu speziellen anderen Bestandteilen ankommt (z.B. im Verhältnis zu den anderen Bestandteilen des metallischen Binders) bezogen auf diese anderen Bestandteile.

[0010] Da das Verhältnis der beiden Hauptbestandteile des Binders Fe und Ni zueinander in dem Bereich 0,70 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95 liegt, also der Binder deutlich mehr Fe als Ni enthält (70-95 Gew.-% bezogen auf den Gesamtgehalt von (Fe + Ni)), wird ein guter Kompromiss im Hinblick auf die mechanischen Eigenschaften Härte, Risszähigkeit und Biegebruchfestigkeit erreicht. Bei einem noch höheren Anteil an Fe würde der Hartmetallwerkstoff zu spröde werden. Bei einem niedrigeren Anteil an Fe, d.h. einem höheren relativen Anteil an Ni, würden weder eine zufriedenstellende Härte noch eine zufriedenstellende Risszähigkeit erreicht.

[0011] Ohne die Zugabe von Cr besäße der Hartmetallwerkstoff jedoch keine zufriedenstellende Korrosionsbeständigkeit und hätte ein ausgeprägtes plastisches Verhalten bei hohen Temperaturen, also eine geringe Kriechbeständigkeit. Um einen ausreichenden positiven Effekt durch die Zugabe von Cr zu erzielen, beträgt der Anteil Cr/(Fe + Ni + Cr) von Cr zu dem Gesamtanteil von Fe, Ni und Cr zumindest 0,5 Gew.-%. Es wurde festgestellt, dass nur eine solche Mindestmenge an Cr in dem metallischen Binder zu einer zufriedenstellenden Korrosionsbeständigkeit und zu einer ausreichenden Verbesserung der Kriechbeständigkeit führt. Die Löslichkeit von Cr in dem metallischen Binder ist jedoch beschränkt. Bei einer die Löslichkeitsgrenze überschreitenden Zugabe von Cr kommt es zu Cr-haltigen Ausscheidungen in Form von Mischkarbiden, die die mechanischen Eigenschaften des Hartmetallwerkstoffs sehr nachteilig beeinflussen, insbesondere die Biegebruchfestigkeit stark reduzieren.

[0012] Die Löslichkeit von Cr in dem metallischen Binder ist ferner von dem Fe-Anteil des Binders (bzw. von dem Verhältnis Fe/(Fe + Ni)) abhängig. Je höher der Fe-Anteil ist, desto geringer ist die Löslichkeit von Cr in dem metallischen Binder. Bei niedrigerem Fe-Anteil, also höherem Ni-Anteil in dem metallischen Binder, ist die Cr-Löslichkeit höher.

[0013] Für die zuverlässige Herstellung eines kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs, ohne dass sich die mechanischen Eigenschaften negativ beeinflussende Mischkarbid- oder η-Phasen-Ausscheidungen bilden, ist ferner die Kohlenstoffbilanz in dem Hartmetallwerkstoff bei dem pulvermetallurgischen Herstellungsprozess entscheidend. Neben dem über die Ausgangspulver, wie z.B. WC-Pulver und Cr3C2-Pulver, vorgegebenen Anteile an Kohlenstoff wird die Kohlenstoffbilanz in dem Hartmetallwerkstoff auch wesentlich über die Prozessatmosphäre bei der Herstellung beeinflusst. In den üblicherweise für die Herstellung von Hartmetallwerkstoffen verwendeten Sinteröfen kann die Prozessatmosphäre nicht beliebig genau eingestellt werden, sondern insbesondere auch die Kohlenstoffbilanz ist mit erheblichen Toleranzen behaftet. Mit zunehmendem Cr-Gehalt wird das Prozessfenster der Kohlenstoffbilanz, innerhalb von dem sich weder Mischkarbid-Ausscheidungen noch Ausscheidungen von η-Phase bilden, immer kleiner.

[0014] Es wurde gefunden, dass es für eine prozessstabile Herstellbarkeit des kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs in üblichen industriellen Sinteröfen für die Produktion von Hartmetallwerkstoffen erforderlich ist, den Cr-Gehalt innerhalb einer sehr engen Bandbreite zu halten, wobei die Obergrenze des Cr-Gehalts stark vom Fe-Gehalt der Eisen-Nickel-Basislegierung des metallischen Binders abhängt. Bis zu einem Fe-Gehalt im Verhältnis zum (Fe + Ni)-Gesamtgehalt von etwa 83 Gew.-% können relativ große Mengen Cr bis nahe an die Löslichkeitsgrenze des Cr im metallischen Binder zugegeben werden, ohne die Toleranzanfälligkeit bei der Herstellung stark negativ zu beeinflussen. Ab einem Fe-Gehalt größer 83 Gew.-% bis 85 Gew.-% muss der maximale Cr-Gehalt jedoch stark reduziert werden, um eine stabile prozesssichere Herstellung zu ermöglichen. In dem Bereich oberhalb von Fe/(Fe + Ni) = 0,85 bleibt die Obergrenze der sinnvoll möglichen Cr-Zugabe hingegen wieder im Wesentlichen konstant. Die Obergrenze des Cr-Gehalts lässt sich dabei wie folgt ausdrücken:

für den Bereich 0,7 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,83:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 0,625 * (Fe/(Fe + Ni)) +3,2688) Gew.-%

für den Bereich 0,83 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,85:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 27,5 * (Fe/(Fe + Ni)) + 25,575) Gew.-%

und für den Bereich 0,85 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2,2 Gew.-%.



[0015] Es wurde gefunden, dass ein Mo-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von 0 Gew.-% ≤ Mo/(Fe + Ni + Cr) ≤ 10 Gew.-% die Eigenschaften des Hartmetallwerkstoffs nicht nachteilig beeinflusst. Ferner wurden auch keine starken nachteiligen Effekte bei einer Zugabe von V von bis zu V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2 Gew.-% beobachtet.

[0016] Die Hartstoffpartikel sind zumindest überwiegend durch Wolframkarbid gebildet. Bevorzugt können die Hartstoffpartikel dabei zumindest annähernd nur aus Wolframkarbid bestehen. Es sind jedoch auch neben dem Wolframkarbid geringe Mengen anderer Hartstoffpartikel möglich.

[0017] Gemäß einer Weiterbildung gilt 0,75 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,90. In diesem Fall werden besonders zuverlässig eine gute Korrosionsbeständigkeit und eine gute Kriechbeständigkeit erreicht.

[0018] Gemäß einer Weiterbildung beträgt der Gehalt des metallischen Binders 5 - 25 Gew.-%. Insbesondere in diesem Bereich können die Härte, die Risszähigkeit und die Biegebruchfestigkeit in einem für viele verschiedene Anwendungen vorteilhaften Bereich eingestellt werden.

[0019] Gemäß einer Weiterbildung gilt für den Mo-Gehalt: 0 Gew.-% ≤ Mo/(Fe + Ni+ Cr) ≤ 6 Gew.-%. In diesem Bereich ist besonders zuverlässig sichergestellt, dass der Mo-Gehalt die physikalischen Eigenschaften des Hartmetallwerkstoffs nicht nachteilig beeinflusst. Der Mo-Gehalt Mo/(Fe + Ni + Cr) kann bevorzugt > 0 Gew.-% sein.

[0020] Gemäß einer Weiterbildung gilt für den V-Gehalt: V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 1 Gew.-%. Da bei dem durch eine Eisen-Nickel-Basislegierung gebildeten metallischen Binder bei der Herstellung kein ausgeprägtes Kornwachstum der Wolframkarbidkörner auftritt, sind keine nennenswerten Vanadium-Gehalte erforderlich. Ferner kann eine unerwünschte Versprödung vermieden werden, indem der Vanadium-Gehalt möglichst gering gehalten wird.

[0021] Gemäß einer Weiterbildung gilt für den Cr-Gehalt: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≥ 1,5 Gew.-%. In diesem Fall wird durch einen relativ hohen Anteil von in der Eisen-Nickel-Basislegierung gelöstem Chrom eine gute Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit und der Kriechbeständigkeit erreicht. Bevorzugt gilt für den Cr-Gehalt: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≥ 2,0 Gew.-%. Wenn - unabhängig vom Verhältnis Fe/(Fe + Ni) - der Cr-Gehalt so gewählt wird, dass für den Cr-Gehalt gilt: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2,2 Gew.-%, dann kann über alle Eisengehalte der Herstellungsprozess besonders zuverlässig und stabil gegenüber Toleranzen durchgeführt werden.

[0022] Gemäß einer Weiterbildung beträgt die mittlere Korngröße des Wolframkarbid 0,05 - 12 µm. In diesem Fall können die Eigenschaften des kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs gezielt über die Einstellung der Korngröße an die jeweiligen Anwendungen angepasst werden. Da bei der Eisen-Nickel-Basislegierung des metallischen Binders im Unterschied zu Kobalt-basierten Bindersystemen kein starkes Kornwachstum der Wolframkarbidkörner auftritt, können auch sehr kleine mittlere Korngrößen durch eine entsprechende Wahl des Wolframkarbid-Ausgangspulvers eingestellt werden. Bevorzugt beträgt die mittlere Korngröße des Wolframkarbid 0,1 - 6 µm.

[0023] Weitere Vorteile und Zweckmäßigkeiten der Erfindung ergeben sich anhand der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen unter Bezugnahme auf die beigefügten Figuren.

[0024] Von den Figuren zeigen:
Fig. 1:
ein berechnetes Phasendiagramm für eine Hartmetallwerkstoff-Zusammensetzung aus Wolframkarbid mit 9,2 Gew.-% eines metallischen Eisen-Nickel-Binders mit einem Fe/(Fe + Ni)-Verhältnis von 0,85 und mit einem Chromgehalt von Cr/(Fe + Ni + Cr) = 2,2 Gew.-%;
Fig. 2:
ein berechnetes Phasendiagramm für eine Hartmetallwerkstoff-Zusammensetzung aus Wolframkarbid mit 9,2 Gew.-% eines metallischen Eisen-Nickel-Binders mit einem Fe/(Fe + Ni)-Verhältnis von 0,85 und mit einem Chromgehalt von Cr/(Fe + Ni + Cr) = 2,6 Gew.-%;
Fig. 3:
ein Fig. 1 und Fig. 2 entsprechendes berechnetes Phasendiagramm, jedoch für einen Chromgehalt von Cr/(Fe + Ni + Cr) = 3,0 Gew.-%;
Fig. 4:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte F;
Fig. 5:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte G;
Fig. 6:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte H;
Fig. 7:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte I;
Fig. 8:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte J;
Fig. 9:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte K;
Fig. 10:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte K und kürzerer Vorbehandlung durch Ätzen;
Fig. 11:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte M; und
Fig. 12:
eine lichtmikroskopische Aufnahme mit 1500-facher Vergrößerung des Hartmetallwerkstoffs gemäß der Sorte P.

AUSFÜHRUNGSFORM



[0025] Eine Ausführungsform des kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs wird im Folgenden zunächst allgemein beschrieben.

[0026] Der Hartmetallwerkstoff hat eine spezifische Zusammensetzung, die im Folgenden eingehender beschrieben wird.

[0027] Der Hartmetallwerkstoff besteht überwiegend, zu 70-97 Gew.-%, aus Hartstoffpartikeln, die zumindest überwiegend durch Wolframkarbid gebildet sind. Die Hartstoffpartikel können dabei aus Wolframkarbid bestehen. Der Hartmetallwerkstoff hat ferner 3-30 Gew.-% eines metallischen Binders. Bevorzugt kann der Anteil des metallischen Binders 5 - 25 Gew.-% des Hartmetallwerkstoffs betragen. Der metallische Binder ist eine Eisen-Nickel-Basislegierung, weist also Eisen und Nickel als Hauptbestandteile auf. Neben Eisen und Nickel weist der metallische Binder zumindest Chrom auf. Der Hartmetallwerkstoff ist kobaltfrei, d.h. er weist keinen Kobalt oder höchstens Spuren von Kobalt als unvermeidliche Verunreinigungen auf. Der Hartmetallwerkstoff kann optional ferner bis zu 10 Gew.-% Molybdän im Verhältnis zum Gesamtgehalt an Eisen, Nickel und Chrom aufweisen, d.h. Mo/(Fe + Ni + Cr) ≤ 10 Gew.-%, bis zu maximal 2 Gew.-% Vanadium im Verhältnis zum Gesamtgehalt an Eisen, Nickel und Chrom, d.h. V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2 Gew.-%, sowie bis zu insgesamt maximal 1 Gew.-% vom Hartmetallwerkstoff unvermeidliche Verunreinigungen. Bevorzugt gilt für den Mo-Gehalt: Mo/(Fe + Ni + Cr) ≤ 6 Gew.-%. Bevorzugt gilt für den V-Gehalt: V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 1 Gew.-%.

[0028] Die Eisen-Nickel-Basislegierung des metallischen Binders weist einen höheren Anteil an Eisen als an Nickel auf. Der Eisen-Anteil beträgt dabei 70-95 Gew.-% vom Gesamtgehalt (Fe + Ni) an Eisen und Nickel. Bevorzugt beträgt der Eisen-Anteil 75-90 Gew.-% vom Gesamtgehalt an Eisen und Nickel.

[0029] Der Chromgehalt des Hartmetallwerkstoffs beträgt zumindest 0,5 Gew.-% vom Gesamtgehalt (Fe + Ni + Cr) an Eisen, Nickel und Chrom. Bevorzugt kann der Chromgehalt zumindest 1,5 Gew.-% vom Gesamtgehalt an Eisen, Nickel und Chrom betragen, mehr bevorzugt zumindest 2,0 Gew.-%. Für den Fall eines Eisen-Nickel-Verhältnisses in dem Bereich 0,7 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,83 beträgt der Chrom-Gehalt im Verhältnis zum Gesamtgehalt (Fe + Ni + Cr) höchstens (- 0,625 * (Fe/(Fe + Ni)) + 3,2688) Gew.-%. Bei einem Eisen-Nickel-Verhältnis in dem Bereich 0,83 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,85 beträgt der Chrom-Gehalt im Verhältnis zum Gesamtgehalt (Fe + Ni + Cr) höchstens (- 27,5 * (Fe/(Fe + Ni)) + 25,575) Gew.-%. Bei einem noch höheren Eisen-Anteil beträgt der Chrom-Gehalt im Verhältnis zum Gesamtgehalt (Fe + Ni + Cr) höchstens 2,2 Gew.-%.

[0030] Im Folgenden werden unter Bezug auf die berechneten Phasendiagramme der Fig. 1 bis Fig. 3 beispielhaft die Probleme eingehender erläutert, die sich für die industrielle Herstellung von kobaltfreiem Wolframkarbid-basiertem Hartmetallwerkstoff mit einem durch eine Eisen-Nickel-Basislegierung gebildeten metallischen Binder ergeben, wenn Chrom hinzugegeben wird. In den Phasendiagrammen der Fig. 1 bis Fig. 3 ist auf der horizontalen Achse jeweils der Kohlenstoffgehalt in Gew.-% aufgetragen. Die Phasendiagramme wurden für einen Hartmetallwerkstoff mit einer Zusammensetzung von 9,2 Gew.-% metallischem Eisen-Nickel-Basislegierungs-Binder mit einem Verhältnis von Fe/(Fe + Ni) von 85 Gew.-%, Cr/(Fe + Ni + Cr) = 2,2 Gew.-% (Fig. 1) bzw. 2,6 Gew.-% (Fig. 2) bzw. 3,0 Gew.-% (Fig. 3), Rest Wolframkarbid berechnet.

[0031] In dem Phasendiagramm aus Fig. 1 (d.h. für einen Chromgehalt von Cr/(Fe + Ni + Cr) von 2,2 Gew.-%) ist bei 1000°C in etwa zwischen Kohlenstoffgehalten von 5,565 bis 5,64 Gew.-% der Bereich 10 ("fcc + WC") zu erkennen, der bei der Herstellung des kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs angestrebt wird, nämlich ein Bereich in dem Wolframkarbid-Körner und metallischer Binder vorliegen, ohne dass sich η-Phase ausbildet (wie bei niedrigerem Kohlenstoffgehalt, s. Bereich "fcc + WC + η") und ohne dass sich Mischkarbid-Ausscheidungen bilden (wie bei höherem Kohlenstoffgehalt, s. Bereich "fcc + WC + M7C3"). Bei einem Chromgehalt im Verhältnis zu dem Gesamtgehalt von Eisen, Nickel und Chrom von 2,2 Gew.-%, wie es in Fig. 1 zu sehen ist, muss der Kohlenstoffgehalt bei der Herstellung des Hartmetallwerkstoffs bereits innerhalb relativ enger Toleranzen gehalten werden, um Ausscheidungen zu vermeiden. Dies ist aber mit vertretbarem Aufwand noch möglich.

[0032] Wie bei einem Vergleich mit dem Fig. 2 dargestellten Phasendiagramm für einen Chrom-Gehalt von Cr/(Fe + Ni + Cr) = 2,6 Gew.-% ersichtlich ist, nimmt die Breite des gewünschten Bereichs 10 ("fcc + WC") mit zunehmendem Chrom-Gehalt jedoch stark ab. Wie in Fig. 3 ersichtlich, ist die Breite des Bereichs 10 bei einem Chrom-Gehalt von Cr/(Fe + Ni + Cr) von 3,0 Gew.-% nur noch sehr schmal. In dem Phasendiagramm in Fig. 3 erstreckt er sich bei 1000°C nur noch zwischen Kohlenstoffgehalten von ca. 5,565 Gew.-% bis ca. 5,605 Gew.-%. Mit anderen Worten nimmt bei zunehmendem Chromgehalt das Risiko von unerwünschten Mischkarbid- oder η-Phasen-Ausscheidungen schnell zu, wenn die Prozessatmosphäre und somit die Kohlenstoffbilanz nicht innerhalb enger Toleranzen gehalten werden kann.

[0033] Der kobaltfreie Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoff kann - je nach beabsichtigtem Anwendungsbereich - eine mittlere Korngröße des Wolframkarbid von 0,05 - 12 µm haben, bevorzugt von 0,1 - 6 µm. Die Bestimmung der mittleren Korngröße der Wolframkarbidkörner in dem Hartmetallwerkstoff kann gemäß der "equivalent circle diameter (ECD)"-Methode aus EBSD (electron backscatter diffraction)-Aufnahmen erfolgen. Diese Methode ist z.B. in "Development of a quantitative method for grain size measurement using EBSD"; Master of Science Thesis, Stockholm 2012, von Frederik Josefsson beschrieben.

[0034] Der kobaltfreie Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoff gemäß der Ausführungsform wurde pulvermetallurgisch hergestellt unter Verwendung von WC-Pulver mit einer Partikelgröße (FSSS, Fisher sieve sizes) von 0,6 µm bzw. 1,2 µm bzw. 1,95 µm für die Hartmetallwerkstoffe mit den verschiedenen Korngrößen; Fe-Pulver mit einer FSSS-Partikelgröße von 2,3 µm, Ni-Pulver mit einer FSSS-Partikelgröße von 2,5 µm, Cr3C2-Pulver mit einer FSSS-Partikelgröße von 1,5 µm, Mo2C-Pulver mit einer FSSS-Partikelgröße von 1,35 µm und VC-Pulver mit einer FSSS-Partikelgröße von 1 µm. Bei den Vergleichsbeispielen kam ferner noch Co-Pulver mit einer FSSS-Partikelgröße 0,9 µm zum Einsatz. Die Herstellung erfolgte durch Mischen der jeweiligen Ausgangspulver mit einem Lösungsmittel in einer Kugelmühle bzw. einem Attritor und anschließendes Sprühtrocknen in der üblichen Weise. Das resultierende Granulat wurde gepresst und in die gewünschte Form gebracht und wurde anschließend in herkömmlicher Weise gesintert, um den Hartmetallwerkstoff zu erhalten. Chrom kann bei der pulvermetallurgischen Herstellung des Hartmetallwerkstoffs z.B. als reines Metall oder in Form von Cr3C2- oder Cr2N-Pulver zugegeben werden. Mo kann bevorzugt in Form von Mo2C-Pulver zugegeben werden, es ist jedoch z.B. auch eine Zugabe als reines Metall oder als z.B. (W, Mo)C-Mischkarbid möglich. Fe, Ni, Cr können sowohl einzeln als auch in vorlegierter Form zugegeben werden.

BEISPIELE UND VERGLEICHSBEISPIELE



[0035] Es wurden erfindungsgemäße kobaltfreie Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoffe und Vergleichsbeispiele nach dem oben beschriebenen Verfahren hergestellt.

[0036] Die Zusammensetzung der hergestellten Hartmetallwerkstoffe ist in der nachfolgenden Tabelle 1 zusammengefasst.
TABELLE 1
Sorte WC-Korngröße [µm] WC [Gew.%] Co [Gew.%] Fe [Gew.%] Ni [Gew.%] Fe/(Fe+Ni) [Gew.%] Additive
Cr [Gew.%] V [Gew.%] Mo [Gew.%]
A 0.5 - 0.8 Rest 10 0 0 - 0,50 0,20 0,0
B 0.5 - 0.8 Rest 0 6,88 2,29 0,75 0 0 0
C 0.5 - 0.8 Rest 0 7,30 1,83 0,80 0 0 0
D 0.5 - 0.8 Rest 0 7,72 1,36 0,85 0 0 0
E 0.5 - 0.8 Rest 0 8,13 0,90 0,90 0 0 0
F 0.5 - 0.8 Rest 0 6,91 2,30 0,75 0,26 0 0
G 0.5 - 0.8 Rest 0 7,33 1,83 0,80 0,23 0 0
H 0.5 - 0.8 Rest 0 7,74 1,37 0,85 0,20 0 0
I 0.5 - 0.8 Rest 0 8,15 0,91 0,90 0,20 0 0
J 0.5 - 0.8 Rest 0 7,76 1,37 0,85 0,20 0 0,47
K 0.5 - 0.8 Rest 0 7,75 1,37 0,85 0,29 0 0
L 0.8 - 1.3 Rest 20 0 0 - 0 0 0
M 0.8 - 1.3 Rest 0 15,7 2,8 0,85 0,41 0 0
N 0.2 - 0,5 Rest 6,5 0 0 - 0,30 0,30 0
O 0,2 - 0,5 Rest 8 0 0 - 0,50 0,20 0
P 0,2 - 0,5 Rest 0 5,01 0,89 0,85 0,13 0 0
Q 0,2 - 0,5 Rest 0 5,01 0,89 0,85 0,13 0,06 0


[0037] Die Zuordnung als Beispiele und Vergleichsbeispiele ist in der nachfolgenden Tabelle 2 zusammengefasst. In der letzten Spalte ist dabei bei den Vergleichsbeispielen der Grund angegeben, warum es sich um Vergleichsbeispiele handelt.
TABELLE 2
Sorte Gefüge Beispiel/Vergleichsbeispiel Grund
A feinst Vergleichsbeispiel Co-basiert
B feinst Vergleichsbeispiel Cr-frei
C feinst Vergleichsbeispiel Cr-frei
D feinst Vergleichsbeispiel Cr-frei
E feinst Vergleichsbeispiel Cr-frei
F feinst Beispiel  
G feinst Beispiel  
H feinst Beispiel  
I feinst Beispiel  
J feinst Beispiel  
K feinst Vergleichsbeispiel zu hoher Cr-Gehalt
L fein Vergleichsbeispiel Co-basiert
M fein Beispiel  
N ultrafein Vergleichsbeispiel Co-basiert
O ultrafein Vergleichsbeispiel Co-basiert
P ultrafein Beispiel  
Q ultrafein Beispiel  


[0038] Die hergestellten Hartmetallwerkstoffe der Beispiele und Vergleichsbeispiele wurden jeweils im Hinblick auf die mittlere Korngröße untersucht. Ferner wurden an den hergestellten Hartmetallwerkstoffen die Vickers-Härte HV10, die Risszähigkeit KIC und die Biegebruchfestigkeit BBF ermittelt.

[0039] Die Bestimmung der Vickershärte HV10 erfolgte dabei gemäß ISO 3878:1991 ("Hardmetals - Vickers hardness test"). Die Risszähigkeit KIC in MPa • m1/2 wurde nach ISO 28079:2009 mit einer Prüflast (indentation load) von 10 kgf (entsprechend 98,0665 N) ermittelt. Die Biegebruchfestigkeit BBF wurde nach der Norm ISO 3327:2009 mit einem Prüfgegenstand mit zylindrischem Querschnitt (Form C) bestimmt.

[0040] Es wurden ferner Korrosionstests durchgeführt und die plastische Deformation bei erhöhten Temperaturen wurde untersucht. Die Korrosionsbeständigkeit und die Kriechbeständigkeit wurden qualitativ bewertet. Es wurden lichtmikroskopische Aufnahmen der Sorten angefertigt, von denen einige in den Fig. 4 bis Fig. 12 zu sehen sind. Die lichtmikroskopischen Aufnahmen wurden dabei jeweils mit 1500-facher Vergrößerung aufgenommen, bei Fig. 10 mit 500-facher Vergrößerung. Für die lichtmikroskopischen Aufnahmen wurden die Proben dabei jeweils in der üblichen Weise durch Ätzen vorbehandelt, wobei das Ätzen außer für die Aufnahme von Fig. 10 jeweils für zwei Minuten erfolgte. Für die Aufnahme von Fig. 10 wurde hingegen nur für 10 Sekunden geätzt, um Chromkarbid-Ausscheidungen besser sichtbar zu machen.

[0041] Die Ergebnisse der Messungen sind in der nachfolgenden Tabelle 3 zusammengefasst.
TABELLE 3
Sorte WC-Korngröße [µm] Härte [HV10] KIC [MPa·m1/2] BBF [MPa] Korrosionsbeständigkeit Kriechbeständigkeit
A 0.5 - 0.8 1680 9,4 3700 gut gut
B 0.5 - 0.8 1520 11,5 3225 schlecht schlecht
C 0.5 - 0.8 1540 12,0 3450 schlecht schlecht
D 0.5 - 0.8 1590 10,8 3540 sehr schlecht sehr schlecht
E 0.5 - 0.8 1630 9,6 3210 sehr schlecht sehr schlecht
F 0.5 - 0.8 1580 10,7 3430 mittel-gut mittel-gut
G 0.5 - 0.8 1560 10,8 3680 mittel mittel
H 0.5 - 0.8 1600 10,7 3850 mittel mittel
I 0.5 - 0.8 1650 9,5 3450 schlechtmittel schlechtmittel
J 0.5 - 0.8 1600 10,5 3800 mittel mittel
K 0.5 - 0.8 1610 10,4 2800 mittel mittel
L 0.8 - 1.3 1070 18,0 3400 schlecht schlecht
M 0.8 - 1.3 1120 17,8 3300 mittel mittel
N 0.2 - 0,5 2030 7,2 3800 gut gut
O 0,2 - 0,5 1880 7,5 4300 gut gut
P 0,2 - 0,5 1910 8,2 4000 mittel mittel
Q 0,2 - 0,5 1970 7,6 3700 mittel mittel


[0042] Aus Tabelle 3 ist ersichtlich, dass der herkömmliche kobalthaltige Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoff der Sorte A, die neben Kobalt auch Chrom und Vanadium aufweist, insgesamt in Bezug auf Härte, Risszähigkeit, Biegebruchfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Kriechbeständigkeit gute Ergebnisse zeigt.

[0043] Auch die herkömmlichen kobalthaltigen Hartmetallwerkstoffe der Sorten N und O, die ebenfalls neben Kobalt auch Chrom und Vanadium aufweisen, zeigen sowohl eine gute Korrosionsbeständigkeit als auch eine gute Kriechbeständigkeit. Aufgrund ihrer kleineren mittleren Korngröße und ihres geringeren Anteils an metallischem Binder zeigen diese Sorten N und O zwar eine höhere Härte und eine höhere Biegebruchfestigkeit, andererseits aber auch eine gegenüber der Sorte A deutlich verringerte Risszähigkeit.

[0044] Die ebenfalls als Vergleichsbeispiel dienende Sorte L eines kobalthaltigen Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs, der weder Chrom noch Vanadium zusätzlich zu dem Kobalt aufweist, zeigt zwar aufgrund seines höheren Gehalts an metallischem Binder eine sehr hohe Risszähigkeit auf, jedoch sind die Korrosionsbeständigkeit und die Kriechbeständigkeit jeweils schlecht.

[0045] Bei den Vergleichsbeispielen der Sorten B, C, D und E handelt es sich jeweils um kobaltfreie Wolframkarbid-basierte Hartmetallwerkstoffe, bei denen der metallische Binder jeweils eine Eisen-Nickel-Basislegierung ist, die kein Chrom aufweist. Die Sorten B, C, D und E unterscheiden sich in dem Eisen-Nickel-Verhältnis des metallischen Binders. Der Gesamtgehalt (Fe + Ni) an Eisen und Nickel wurde dabei derart angepasst, dass das resultierende Volumen des Binders im Wesentlichen dem eines herkömmlichen kobalthaltigen Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs mit 10 Gew.-% Kobaltbinder entspricht. Aus Tabelle 3 ist ersichtlich, dass die Vergleichsbeispiele der Sorten B, C, D und E zwar akzeptable Ergebnisse bezüglich der Härte HV10, der Risszähigkeit KIC und der Biegebruchfestigkeit BBF zeigen, jedoch die Korrosionsbeständigkeit und die Kriechbeständigkeit jeweils schlecht bzw. sogar sehr schlecht ist. Dabei verschlechtern sich Korrosionsbeständigkeit und Kriechbeständigkeit mit zunehmendem prozentualen Eisenanteil des metallischen Binders.

[0046] Die Beispiele von kobaltfreien Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffen der Sorten F, G, H und I unterscheiden sich von den Vergleichsbeispielen der Sorten B, C, D und E im Wesentlichen durch die Zugabe von geringen Mengen Chrom. Wie aus Tabelle 3 ersichtlich ist, wird durch die Chromzugabe die Härte HV10 tendenziell leicht erhöht und die Risszähigkeit KIC verringert sich tendenziell leicht. Die Chromzugabe wirkt sich positiv auf die Biegebruchfestigkeit BBF aus. Wie ebenfalls zu sehen ist, verbessert die Chromzugabe signifikant die Korrosionsbeständigkeit sowie die Kriechbeständigkeit. Es werden insgesamt gute Werte für die Härte HV10, die Risszähigkeit KIC und die Biegebruchfestigkeit BBF erreicht. Insgesamt werden gegenüber den Vergleichsbeispielen der Sorten B, C, D und E auch deutliche Verbesserungen in der Korrosionsbeständigkeit und der Kriechbeständigkeit erzielt. Für den Bereich von Fe/(Fe + Ni) bis zu 0,85 Gew.-% werden insgesamt physikalische Eigenschaften erreicht, die zwar nicht ganz die Werte herkömmlichen kobalthaltigen Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffs (wie z.B. von Sorte A) erreichen, aber doch insgesamt diesen sehr nahe kommen. Für den Bereich Fe/(Fe + Ni) > 0,85 (s. Sorte I) werden verglichen damit eine etwas schlechtere Korrosionsbeständigkeit und eine etwas schlechtere Kriechbeständigkeit erreicht, die aber für einige Anwendungen durchaus noch ausreichend sein können.

[0047] Wie aus einem Vergleich des Vergleichsbeispiels der Sorte K mit dem Beispiel der Sorte H hervorgeht, wirkt sich eine Erhöhung der zugegebenen Menge Chrom zwar nicht unmittelbar nachteilig auf die Härte HV10 und die Risszähigkeit KIC aus, jedoch ist auch keine weitere Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit und der Kriechbeständigkeit zu beobachten. Die erhöhte Chrom-Zugabe führt aber zu einer signifikanten Verschlechterung der Biegebruchfestigkeit BBF. In der lichtmikroskopischen Aufnahme der Sorte K von Fig. 10, bei der die Sorte K zur Vorbehandlung nur 10 Sekunden angeätzt wurde, ist zu erkennen, dass sich Mischkarbid-Ausscheidungen gebildet haben, auf die die signifikante Verschlechterung der Biegebruchfestigkeit BBF zurückgeführt wird.

[0048] Wie aus einem Vergleich der Beispiele der Sorten H und J hervorgeht, wirkt sich eine Zugabe von Molybdän hingegen nicht nachteilig auf die erzielbaren physikalischen Eigenschaften aus.

[0049] Bei einem Vergleich des Beispiels der Sorte M mit dem Vergleichsbeispiel der kobalthaltigen Sorte L ergibt sich, dass sich auch bei insgesamt höheren Anteilen des metallischen Binders an dem Hartmetallwerkstoff akzeptable physikalische Eigenschaften im Vergleich zu herkömmlichen kobalthaltigen Hartmetallwerkstoffen erreichen lassen.

[0050] Wie ein Vergleich mit der Sorte P ergibt, werden auch bei einem insgesamt geringeren Gehalt des metallischen Binders und verringerter mittlerer Korngröße der Wolframkarbidkörner eine akzeptable Korrosionsbeständigkeit und eine akzeptable Kriechbeständigkeit erzielt. Aufgrund der geringeren mittleren Korngröße und des geringeren Anteils des metallischen Binders wird dabei einerseits zwar eine höhere Härte erzielt und aufgrund der geringeren mittleren Korngröße wird eine erhöhte Biegebruchfestigkeit erzielt, andererseits sinkt die Risszähigkeit KIC dabei aber auch erwartungsgemäß ab. Insgesamt sind die erzielten physikalischen Eigenschaften aber im Vergleich zu herkömmlichen kobalthaltigen Wolframkarbid-basierten Hartmetallwerkstoffen der Sorten N und O durchaus akzeptabel.

[0051] Aus einem Vergleich der Sorten P und Q ist ersichtlich, dass die Zugabe geringer Mengen Vanadium zu einer leichten Erhöhung der Härte führt, aber mit einer Verringerung der Risszähigkeit und der Biegebruchfähigkeit einhergeht.


Ansprüche

1. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff, mit 70-97 Gew.-% Hartstoffpartikeln, die zumindest überwiegend durch Wolframkarbid gebildet sind, und
3-30 Gew.-% eines metallischen Binders, der eine Eisen-Nickel-Basislegierung ist, die zumindest Eisen, Nickel und Chrom aufweist, mit einem Verhältnis von Fe zu (Ni + Fe) von 0,70 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95;
einem Cr-Gehalt von
0,5 Gew.-% ≤ Cr/(Fe + Ni + Cr) und

(i) für den Bereich 0,7 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,83:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 0,625 * (Fe/(Fe + Ni)) +3,2688) Gew.-%

(ii) für den Bereich 0,83 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,85:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ (- 27,5 * (Fe/(Fe + Ni)) + 25,575) Gew.-%

(iii) für den Bereich 0,85 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,95:
Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2,2 Gew.-%;

mit optional einem Mo-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von 0 Gew.-% ≤ Mo/(Fe + Ni + Cr) ≤ 10 Gew.-%;
mit optional einem V-Gehalt im Verhältnis zu (Fe + Ni + Cr) von 0 Gew.-% ≤ V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2 Gew.-%;
und unvermeidlichen Verunreinigungen bis zu insgesamt maximal 1 Gew.-% des Hartmetallwerkstoffs.
 
2. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach Anspruch 1, wobei 0,75 ≤ Fe/(Fe + Ni) ≤ 0,90.
 
3. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach Anspruch 1 oder 2, wobei der Gehalt des metallischen Binders 5 - 25 Gew.-% beträgt.
 
4. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei für den Mo-Gehalt gilt: 0 Gew.-% ≤ Mo/(Fe + Ni+ Cr) ≤ 6 Gew.-%.
 
5. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei für den V-Gehalt gilt: V/(Fe + Ni + Cr) ≤ 1 Gew.-%.
 
6. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei für den Cr-Gehalt gilt: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≥ 1,5 Gew.-%.
 
7. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach Anspruch 6, wobei für den Cr-Gehalt gilt: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≥ 2,0 Gew.-%.
 
8. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach einem der vorangehenden Ansprüche, wobei für den Cr-Gehalt gilt: Cr/(Fe + Ni + Cr) ≤ 2,2 Gew.-%.
 
9. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach einem der vorangehenden Ansprüche, mit einer mittleren Korngröße des Wolframkarbid von 0,05 - 12 µm.
 
10. Kobaltfreier Wolframkarbid-basierter Hartmetallwerkstoff nach Anspruch 6, mit einer mittleren Korngröße des Wolframkarbid von 0,1 - 6 µm.
 




Zeichnung






















Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur