(19)
(11) EP 3 943 363 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
26.01.2022  Patentblatt  2022/04

(21) Anmeldenummer: 20187102.7

(22) Anmeldetag:  22.07.2020
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B61L 19/06(2006.01)
B61L 23/06(2006.01)
B61L 27/00(2022.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
B61L 2027/0044; B61L 27/0038; B61L 23/06; B61L 19/06
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: Siemens Mobility AG
8304 Wallisellen (CH)

(72) Erfinder:
  • BLESS, Remo
    9242 Oberuzwil (CH)
  • SCHRAG, Thomas
    8627 Grüningen (CH)

(74) Vertreter: Deffner, Rolf 
Siemens Mobility GmbH Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) EISENBAHNLEITSYSTEM MIT BEDIENHEMMUNG


(57) Zur weiteren Automatisierung des von einem Leitsystem (11) geführten Bahnbetriebs wird eine auf der Leitebene (1) implementierte sichere Bedienhemmung beim Ausgeben von Befehlen an ein Stellwerk (211) vorgeschlagen. Anstelle einer Stellwerktyp-abhängigen Kommunikation (47) zwischen einem Warnsystem (213) und dem Stellwerk (211) erfolgt eine Bedienerlaubnis-Anfrage (41) auf getrennten Kanälen vom Leitsystem (11) aus. Die Bedienerlaubnis-Antwort (42) wird ebenfalls auf zwei Kanälen je einer Bedienhemmungskomponente (441, 442) zugeführt. Diese Bedienerlaubnis-Antwort (42) wird im Leitsystem der Bedieneingabe-Komponente (40) und unabhängig der Befehlsausgabe-Komponente (43) zugeführt, um im Fall einer negativen Bedienerlaubnis-Antwort (42) eine sichere Bedienhemmung zu gewährleisten.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Eisenbahnleitsystem mit einer Bedienhemmung gemäss dem Patentanspruch 1.

[0002] Die Überwachung und Steuerung des Bahnbetriebs werden in verschiedene Ebenen unterteilt: Die einzelnen Ebenen sind die Leitebene, die Sicherheitsebene und die Schutzebene. Zur Erläuterung dieser Ebenen wird auf die FIG 1 Bezug genommen.

[0003] Die Leitebene 1 wird gebildet durch ein oder mehrere verteilte Eisenbahnleitsysteme 11. Im Folgenden werden diese Eisenbahnleitsysteme nur noch verkürzt mit dem Begriff «Leitsystem» bezeichnet. Jedes Leitsystem 11 wird von mindestens einem Bedienplatz 12 aus bedient. Von der Leitebene 1 aus können das Bedienpersonal über die vorgenannten Bedienplätze 12 aber auch Automatik-Komponenten (zB Zuglenkung) Befehle an die darunter liegende Sicherheitsebene 2 ausgeben. Solche Leitsysteme 11 sind bekannt. Dazu wird rein beispielhaft auf die Quellen [1] und [2] verwiesen.

[0004] Die Sicherheitsebene 2 ist gegliedert in eine sogenannte Innenanlage 21 und eine Aussenanlage 22. Die Innenanlage 2 wird gebildet durch Stellwerke 211 mit zugehörigen optionalen Stellwerkarbeitsplätzen 212. Die Aussenanlage 22 enthält (in unvollständiger Aufzählung) die eisenbahntechnischen Komponenten mit Weichen 221, Gleisfreimeldern 222, Signalen 223, Zugsicherungseinrichtungen 224 wie zB eine Balise und die Radio Block Centers RBC (RBC's sind in FIG 1 nicht dargestellt). Die Stellwerke 211 und die Radio Block Center RBC sorgen für einen kollisionsfreien Verkehr auf den Gleisen und garantieren insbesondere die Sicherheit für die Fahrzeuge. Diese Sicherheit muss die Erfordernisse von SIL 4 gemäss EN 50128 [3] erfüllen.

[0005] Die Schutzebene 3 wird gebildet aus den verkehrenden Fahrzeugen/Zügen 30 und ihrer Zugsicherungseinrichtungen 31. Zur Schutzebene 3 können auch Personen 31 für den Unterhalt der Eisenbahnanlagen subsummiert werden.

[0006] Die bestehende Architektur der Leittechnik arbeitet mit einer sogenannten Bedieneingabe-Komponente, welche Bedienungen vom Bedienpersonal an entsprechenden Leittechnik-Arbeitsplätzen oder von internen Automatik-Komponenten wie zB Zuglenkung (vorstehend nicht explizit erläutert) in Stellwerktyp-unabhängiger Form entgegennimmt. Diese Bedieneingabe-Komponente wandelt die Bedienungen in eine Stellwerktyp-spezifische Befehlsfolge um und übergibt diese an eine entsprechende Befehlsausgabe-Komponente. Die Befehlsausgabe-Komponente wandelt die Befehle in das definitive Stellwerkspezifische Format zur Weiterleitung an das betreffende Stellwerk.

[0007] Im Falle einer Zugfahrstrassen-Einstellung handelt es sich dabei um eine nicht kritische Bedienung. Diese Bedienung wird als Regelbedienung bezeichnet. Die Sicherheitsebene mit dem Stellwerk gewährleistet in diesem Fall die erforderliche Sicherheit (für die Fahrzeuge) und stellt Fahrstrassen nur ein, falls alle dazu notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind.

[0008] Aufgrund der hohen Zugsdichte und eines faktisch auf 24h ausgedehnten Bahnbetriebs sind Bau- und Unterhaltsarbeiten meistens bei laufendem Bahnbetrieb auszuführen, ggf unter Sperrung eines von mehreren parallel verlaufenden Geleisen. Diese Personen für Bau und Unterhalt im Gleisbereich müssen bei herannahenden Fahrzeugen/Zügen gewarnt werden, damit sie sich rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich begeben können. Zu diesem Zweck wird heute vorwiegend speziell ausgebildetes Warnpersonal (Sicherheitswärter oder Warner und gegebenenfalls zusätzliche Vorwarner) eingesetzt, welches frühzeitig eine Warnung auslöst und die rechtzeitige Auslösung der automatisch aus der Schutzebene angesteuerten Alarmmittel wie Blinklichter und Sirenen überwacht.

[0009] Die Bahnbetreiber möchten diesen Warnprozess durch den Einsatz von Technik verbessern. Dazu soll auf der Sicherheitsebene ein Warnsystem eingesetzt werden, welches die (mobilen) Warneinrichtungen im Gleisbereich (Schutzebene) geeignet ansteuert. Ein solches Warnsystem auf der Sicherheitsebene wird im Folgenden «signalgesteuertes Warnsystem» oder auch kurz «Warnsystem» genannt, in englischer Sprache «Signal Controlled Warning System» SCWS. Dieses Warnsystem darf nicht mit den im Gleisbereich befindlichen Warneinrichtungen (Schutzebene) verwechselt werden: Die Warneinrichtungen sollen vom Warnsystem (Sicherheitsebene) angesteuert werden.

[0010] Damit ein solches Warnsystem Warnungen in jedem Fall rechtzeitig auslösen kann, muss auch sichergestellt werden, dass gewisse Bedienungen des Stellwerks wie insbesondere das Einstellen von bestimmten Fahrstrassen, welche es einem Zug erlauben, einen bestimmten Abschnitt zu befahren zu verhindern respektive zu verzögern.

[0011] Diese Verhinderung respektive Verzögerung von Bedien-Handlungen für das Stellwerk, auch Bedienhemmung genannt, kann grundsätzlich durch eine entsprechende Kommunikation zwischen dem Warnsystem und dem betreffenden Stellwerk gelöst werden. Die bisher bekannte Lösung verwendet den Ansatz mit der vorstehend erwähnten direkten Kommunikation zwischen Warnsystem und spezifischem Stellwerk. Diese Lösung hat folgende Nachteile:
  1. i) Diese Stellwerktyp-spezifische Lösung muss für jeden Stellwerktyp neu realisiert werden und eignet sich insbesondere nicht für sogenannte Relais-Stellwerke.
  2. ii) Auf der Leitebene können so vorgenommene Bedienungen zwar keine Gefährdung des Baustellenpersonals bewirken, doch erfolgt keine differenzierte Rückmeldung an die Leitebene, warum eine so vorgenommene Bedienung nicht ausgeführt wurde.


[0012] Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades werden darüber hinaus die meisten Stellwerke auf den Bahnhöfen nicht mehr mit Bedienpersonal bedient, sondern ausschliesslich von der darüberliegenden Leitebene aus mittels übertragenen Befehlen ferngesteuert.

[0013] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde für ein Leitsystem eine Bedienhemmung anzugeben, so dass Gefährdungen von Baustellenpersonal sicher ausgeschlossen werden können und die vorerwähnten Nachteile bei einer stellwerkspezifischen Lösung ausgeschlossen werden.

[0014] Diese Aufgabe wird für ein Leitsystem mit einer Bedienhemmung gemäss den im unabhängigen Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen angegeben.

[0015] Bezüglich des Leitsystems mit einer Bedienhemmung wird diese Aufgabe erfindungsgemäss gelöst durch ein

[0016] Eisenbahnleitsystem mit einer Bedienhemmung zur Übermittlung von Befehlen vom Leitsystem an ein Stellwerk für eine Bahnanlage, wobei dem Stellwerk ein Warnsystem zugeordnet ist, das eine an der Bahnanlage befindliche Warneinrichtung ansteuert,
das sich dadurch auszeichnet, dass
das Leitsystem vor Übermittlung eines Befehls an das Stellwerk eine Bedienerlaubnis-Anfrage an das Warnsystem richtet und erst nach Erhalt einer positiven Bedienerlaubnis-Antwort vom Warnsystem die Bedienhemmung aufhebt und den Befehl an das Stellwerk übermittelt.

[0017] Das erfindungsgemässe Leitsystem weist mit den zusätzlichen Funktionseinheiten - die in Hardware und/oder Software realisiert werden - folgende Vorteile auf:

[0018] A) Dadurch dass das Leitsystem vor Übermittlung eines Befehls an das Stellwerk eine Bedienerlaubnis-Anfrage an das Warnsystem richtet und erst nach Erhalt einer positiven Bedienerlaubnis-Antwort vom Warnsystem die Bedienhemmung aufhebt,
sind die vom Leitsystem abgegebenen Befehle an das Stellwerk vom Warnsystem her freigegeben und erfolgt die Kommunikation auf der Leitsystem-Ebene und benötigt keine spezifische Anpassung der Schnittstelle zwischen Stellwerk und Warnsystem, da diese direkte Schnittstelle entfällt.

[0019] B) Dadurch dass das Leitsystem vor Übermittlung eines Befehls an das Stellwerk eine Bedienerlaubnis-Anfrage an das Warnsystem richtet und erst nach Erhalt einer positiven Bedienerlaubnis-Antwort vom Warnsystem die Bedienhemmung aufhebt,
sind die vom Leitsystem abgegebenen Befehle an das Stellwerk vom Warnsystem her freigegeben und erfordern keine Rückfrage beim Baustellenwarnpersonal.

[0020] C) Dadurch dass das Leitsystem vor Übermittlung eines Befehls an das Stellwerk eine Bedienerlaubnis-Anfrage an das Warnsystem richtet und erst nach Erhalt einer positiven Bedienerlaubnis-Antwort vom Warnsystem die Bedienhemmung aufhebt,
sind die vom Leitsystem abgegebenen Befehle an das Stellwerk vom Warnsystem her freigegeben und Baustellen können vom Betriebsablauf her genau gleich behandelt werden wie der übrige Bahnbetrieb - mit zB vom Fahrpersonal abgegebenen Abfahrbefehlen auf einem Perron - und erfordern vor Ort keine Stellwerkbedienungen.

[0021] Vorteilhafte Weiterentwicklungen des erfindungsgemässen Leitsystems beinhalten:
  1. i) Durch die Zuführung der Bedienerlaubnis-Antwort einer im Leitsystem enthaltenen Bedieneingabe-Komponente und einer im Leitsystem enthaltenen Befehlsausgabe-Komponente, bleibt bei einer Fehlfunktion in einer der vorstehend genannten zwei Komponenten die Bedienhemmung erhalten. Damit ist für diesen Fall die geforderte Sicherheit auch auf Ebene des Leitsystems sichergestellt (Anspruch 3).
  2. ii) Durch die Übertragung der Bedienerlaubnis-Anfrage an das Warnsystem und die Bedienerlaubnis-Antwort vom Warnsystem auf je zwei getrennten Kanälen erfolgt, bleibt bei einer Fehlfunktion der Übertragung die Bedienhemmung erhalten (Anspruch 4).
  3. iii) Durch eine Bedienerlaubnis-Antwort mit der Ausprägung «noch nicht freigegeben» festgelegte Zeitdauer für eine nachfolgende Bedienerlaubnis-Antwort mit der Ausprägung «Freigabe» und durch Nichtempfang einer weiteren Bedienerlaubnis-Antwort innerhalb der Zeitdauer hat die Annullation eines Befehls den Vorteil, dass Blockierungen auf der Ebene des Leitsystems nur während der festgelegten Zeitdauer möglich sind (Anspruch 6).
  4. iv) Durch die zweikanalige Übermittlung von vom Stellwerk entstammenden Zustandsinformationen an das Warnsystem und dadurch dass das Warnsystem gemäss diesen Zustandsinformationen und gemäss im Warnsystem gespeicherten Topologie-Daten der Bahnanlage eine Bedienerlaubnis-Antwort generiert, ist die Sicherheit im der Warnanlage zugeordneten Streckenabschnitt unabhängig realisiert (Anspruch 10).
  5. v) Durch die Übermittlung von Zustandsinformationen der Warneinrichtungen an das Warnsystem und durch die Abhängigkeit einer Bedienerlaubnis-Antwort von diesen Zustandsinformationen der Warneinrichtungen, kann eine Bedienhemmung auch bei einer defekten Warneinrichtung sichergestellt werden (Anspruch 11).


[0022] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Warnsystem mit einer angeschlossenen Warnanlage. Die Erfindung ist jedoch nicht auf diesen Anwendungsfall allein beschränkt, sondern kann auch angewendet werden für weitere bisher stellwerktyp-abhängig vorgenommene Kommunikation mit der Sicherheitsebene zugeordneten Komponenten, wie zB Bahnübergänge.

[0023] Die Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnung beispielsweise näher erläutert. Dabei zeigen:

Figur 1 Übersicht über die verschiedenen Ebenen der Überwachung und Steuerung des Bahnbetriebs;

Figur 2 Ergänzung der in FIG 1 gezeigten Übersicht mit einem Warnsystem und einer zugehörigen Warnanlage;

Figur 3 Struktur und Funktion der involvierten Komponenten auf der Leitebene zur Ansteuerung eines Warnsystems.



[0024] In einer Übersicht zeigt FIG 1 die verschiedenen Ebenen zur Überwachung und Steuerung des Bahnbetriebs wie folgt:
Die Leitebene 1 enthält wenigstens ein Leitsystem 11 und zugehörige Bedienplätze 12. In FIG 1 ist nur ein Leitsystem 11 und nur ein Bedienplatz 12 gezeigt, tatsächlich sind in der Praxis eine Mehrzahl von (verteilten) Leitsystemen 11 und eine Mehrzahl von Bedienplätzen 12 pro Leitsystem 11 vorhanden.

[0025] Die Sicherheitsebene 2 ist gegliedert in eine Innenanlage 21 und eine Aussenanlage 22. Die Innenanlage 21 enthält ein Stellwerk 211 mit einem optionalen Stellwerkbedienplatz 212, zB in einem Bahnhof. Die Aussenanlage 22 enthält in nicht abschliessender Aufzählung die eisenbahntechnischen Komponenten wie zB Weichen 221, Gleisfreimelder 222, Signale 223 und Zugsicherungseinrichtungen 224, zB Balisen 224. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Signale 223 fehlen können bei einem Bahnbetrieb gemäss ETCS Level 2 oder ETCS Level 3.

[0026] Die Schutzebene enthält die auf den Gleisen sich bewegenden Fahrzeuge/Züge 30, die zugseitigen Sicherungseinrichtungen 31, zB Antennen 31 und allfällige Personen 32 im Gleisbereich.

[0027] FIG 2 zeigt für ein Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung die Anordnung eines Warnsystems 213 in der Innenanlage der Sicherheitsebene 2. Dieses Warnsystem 213 ist mit dem Leitsystem 11 und mit der Warnanlage 225 verbunden. Rein beispielhaft sind als Warnanlagenkomponenten eine Warnleuchte 225 und ein Horn/Sirene 225 gezeigt. In der Realität sind jedoch eine Mehrzahl von solchen Warnleuchten 225 und Sirenen 225 installiert.

[0028] Die konkrete Ausgestaltung für ein Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung einer Verbindung der Warnanlage 213 mit dem Leitsystem 11 ist der FIG 3 zu entnehmen.

[0029] Ausgehend von einem Leitsystem-Bedienplatz 12, der mit einer Bedieneingabe-Komponente 40 verbunden ist, erfolgt vor Abgabe eines Befehls an das Stellwerk 211 eine Bedienerlaubnis-Anfrage 41 an das Warnsystem 213. Diese Bedienerlaubnis-Anfrage 41 wird auf getrennten Kanälen - also zweikanalig - an je eine voneinander unabhängige betriebene Bedienhemmungskomponente 441 und 442 zugeführt. Die Bedienhemmungskomponenten 441 und 442 sind - da eine sicherheitsrelevante Funktion erfüllend - je mit unterschiedlich konfiguriertem Software-Code realisiert, der unabhängig voneinander auf zwei Prozessorsystemen abläuft. Auf getrennten Kanälen - also zweikanalig - erfolgt von diesen Bedienhemmungskomponenten 441 und 442 die Weitergabe der Bedienerlaubnis-Anfrage 41 an das Warnsystem 213. Das Warnsystem 213 gibt eine Bedienerlaubnis-Antwort 42 ebenfalls zweikanalig an die Bedienhemmungskomponenten 441 und 442. Die Bedienerlaubnis-Antwort 42 ist vorzugsweise mit folgenden Antwortausprägungen spezifiziert:
  1. i) «Freigabe»,
  2. ii) «noch nicht freigegeben».
Eine Bedienerlaubnis-Antwort 42 mit der Antwortausprägung «Freigabe» wird auch als positive Bedienerlaubnis-Antwort 42 bezeichnet. Eine erste Bedienerlaubnis-Antwort 42 soll innerhalb von 2s erfolgen.
Bei einer Antwortausprägung «noch nicht freigegeben» warten die Komponenten im Leitsystem 11 auf eine positive Bedienerlaubnis-Antwort 42 während einer vorgegebenen Zeit im Bereich von ca 1min bis 2min. Wird diese Zeit überschritten erfolgt ein sogenanntes time-out und die gewünschte und somit gehemmte Bedienung beim Auftreten des time-out annulliert. Diese Bedienerlaubnis-Antwort 42 wird von der Bedienhemmungskomponente 441 an die Bedieneingabe-Komponente 40 zugeführt und bewirkt bei einer Bedienerlaubnis-Antwort 42 «noch nicht freigegeben» eine Bedienhemmung am Leitsystem-Bedienplatz 12. Diese einzige Bedienhemmung ist aus sicherheitstechnischen Gründen nicht ausreichend. Deshalb wird die Bedienerlaubnis-Antwort 42 von der zweiten Bedienhemmungskomponente 442 auch noch der Befehlsausgabekomponente 43 zugeführt. Die Befehlsausgabekomponente 43 konvertiert die Befehle von der Bedienkomponente 40 in Stellwerktyp-spezifische Befehle, um sie so an das Stellwerk 211 weiterzuleiten. Die vorgenannte Zuführung der Bedienerlaubnis-Antwort 42 an die Befehlsausgabekomponente 43 bewirkt, dass ein fälscherweise von der Bedieneingabe-Komponente 40 gegebener Befehl in der Befehlsausgabe-Komponente 43 noch blockiert werden kann.

[0030] Im Warnsystem 213 (auch SCWS genannt) sind aus einer Projektierungsphase - also vor Inbetriebnahme des Warnsystem 213 - die Topologie-Daten der zu überwachenden Bahnanlage 3 gespeichert.

[0031] Durch das beschriebene Zusammenspiel der vier am Bedienhemmungsablauf beteiligten Komponenten 40, 43, 441 und 442 ist unschwer zu erkennen, dass aufgrund des gewählten Aufbaus immer mindestens zwei der vier Komponenten gleichzeitig eine Fehlfunktion aufweisen müssten, damit eine Bedienung ohne entsprechende Erlaubnis zur Ausführung gebracht würde.

[0032] Das Warnsystem 213 erfasst von den Warneinrichtungen 225 deren Zustandsdaten um davon abhängig eine Ausprägung der Bedienerlaubnis-Antwort 42 an das Leitsystem 11 - genau an die im Leitsystem 11 enthaltenen Bedienhemmungskomponenten 441 und 442 zu übermitteln. Diese Zustandsdaten über die Warneinrichtungen 225 können ähnlich ausgeprägt sein, wie sie von der Lichtsignalüberwachung in der Eisenbahntechnik bekannt sind.

[0033] Das Leitsystem 11 leitet Zustandsinformationen aus den Stellwerk-Meldungen an das Warnsystem 213 weiter. Diese Weiterleitung ist ebenfalls zweikanalig ausgeführt und aus Übersichtlichkeitsgründen in den FIG 2 und FIG 3 nicht dargestellt. Aus diesen Zustandsinformationen zusammen mit entsprechenden Topologie-Daten kann das Warnsystem 213 seine Funktion ausüben wie vorstehend erläutert:
Bedienungen zur Ausführung freigeben respektive hemmen oder verzögern durch die Bedienerlaubnis-Antwort 42 mit der Antwortausprägung «noch nicht freigegeben».

[0034] Der vorstehend erwähnte Vorteil wegen der zwei am Bedienhemmungsablauf beteiligten Bedienhemmungskomponente 441 und 442 erstreckt sich auch auf die Übermittlung der Zustandsinformationen an das Warnsystem 213, so dass beide Bedienhemmungskomponente 441 und 442 auch gleichzeitig eine Fehlfunktion aufweisen müssten, damit eine Bedienung ohne entsprechende Erlaubnis zur Ausführung gebracht würde.

[0035] Ergänzend zu den vorstehenden Ausführungen zur Struktur der Bedienhemmungskomponenten 441 und 442 können die verschiedenen Funktionen der beiden Bedienhemmungskomponenten 441 und 442 umfassen:
  • Empfang von Bedienerlaubnis-Anfragen 41 von der Bedieneingabe-Komponente 40;
  • Weiterleitung von Bedienerlaubnis-Anfragen 41 an das Warnsystem 213;
  • Empfang von Bedienerlaubnis-Antworten 42 des Warnsystems 213 und gemäss Bedienerlaubnis-Antwort 42 die Bedienung entweder hemmen oder an die Bedieneingabe-Komponenten 40 respektive an die Befehlausgabe-Komponente 43 mit der Antwortausprägung «Freigabe» weiterleiten;
  • Überwachung, ob die Kommunikation mit dem Warnsystem 213 noch spezifikationsgemäss funktioniert, vgl im Detail wie vorstehend erläutert;
  • ist die spezifikationsgemässe Kommunikation mit dem Warnsystem 213 nicht mehr gegeben, werden alle neu eintreffenden Bedienerlaubnis-Anfragen 41 mit einer Bedienerlaubnis-Antwort 42 der Ausprägung «noch nicht freigegeben» an die an die Bedieneingabe-Komponenten 40 respektive an die Befehlausgabe-Komponente 43 beantwortet.


[0036] Zum Verständnis des vorgenannten Ausführungsbeispiels sind in der FIG 3 mit den Bezugszeichen 46 die bisherige Bedienungsverarbeitung ohne Bedienhemmung und mit dem Bezugszeichen 47 die Stellwerktyp-abhängige Kommunikation zwischen Stellwerk 211 und Warnsystem 213 gezeigt.

Liste der Bezugszeichen



[0037] 
1
Leitebene
11
Eisenbahnleitsystem, Leitsystem
12
Leitsystem-Bedienplatz, Bedienplatz
2
Sicherheitsebene
21
Innenanlage
211
Stellwerke
212
Stellwerkbedienplatz
213
Warnsystem
22
Aussenanlage
221
Weiche
222
Gleisfreimelder
223
Signale
224
Zugssicherungseinrichtungen in Aussenanlage; Balise
225
Warneinrichtung, Warnanlage; Blinklicht, Horn
3
Schutzebene, Bahnanlage
30
Fahrzeuge
31
Zugsicherungseinrichtung auf Fahrzeug; Antenne
32
Person im Gleisbereich
40
Bedieneingabe-Komponente (Funktion)
41
Bedienerlaubnis-Anfrage
42
Bedienerlaubnis-Antwort
43
Befehlsausgabe-Komponente (Funktion)
441
erste Bedienhemmungskomponente (Funktion)
442
zweite Bedienhemmungskomponente (Funktion)
45
Befehl an Stellwerk
46
bisherige Bedienungsverarbeitung ohne Bedienerlaubnis
47
Stellwerktyp-abhängige Kommunikation zwischen Stellwerk und Warnanlage

Liste der zitierten Dokumente, Quellenangaben, Liste der verwendeten Akronyme



[0038] 

[1] Integrales Leit- und Informationssystem ILTIS https://de.wikipedia.org/wiki/Integrales Leit- und Informationssystem

[2] WO 2012/119879 A1 EISENBAHNLEITSYSTEM
SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT, DE 80333 München

[3] EN 50128: 2012-03 Bahnanwendungen - Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme - Software für Eisenbahnsteuerungs- und Überwachungssysteme

ETCS European Train Control System https://en.wikipedia.org/wiki/European Train Control Sys tem

RBC Radio Block Center

SCWS Signal Controlled Warning System




Ansprüche

1. Eisenbahnleitsystem (11) mit einer Bedienhemmung zur Übermittlung von Befehlen vom Leitsystem (11) an ein Stellwerk (211) für eine Bahnanlage (3), wobei dem Stellwerk (211) ein Warnsystem (213) zugeordnet ist, das eine an der Bahnanlage (3) befindliche Warneinrichtung (225) ansteuert,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Leitsystem (11) vor Übermittlung eines Befehls an das Stellwerk (211) eine Bedienerlaubnis-Anfrage (41) an das Warnsystem (213) richtet und erst nach Erhalt einer positiven Bedienerlaubnis-Antwort (42) vom Warnsystem (213) die Bedienhemmung aufhebt und den Befehl an das Stellwerk (211) übermittelt.
 
2. Leitsystem (11) nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Befehle von einer im Leitsystem (11) enthaltenen Bedieneingabe-Komponente (40) einer im Leitsystem enthaltenen Befehlsausgabe-Komponente (43) zugeführt werden und von dieser in Stellwerktyp-spezifischer Form dem Stellwerk (211) übermittelt werden.
 
3. Leitsystem (11) nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bedienerlaubnis-Antwort (42) einer im Leitsystem (11) enthaltenen Bedieneingabe-Komponente (40) und einer im Leitsystem (11) enthaltenen Befehlsausgabe-Komponente (43) zugeführt wird, um so eine zweifache Bedienhemmung im Leitsystem (11) sicherzustellen.
 
4. Leitsystem (11) nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bedienerlaubnis-Anfrage (41) an das Warnsystem (213) und die Bedienerlaubnis-Antwort (42) vom Warnsystem (213) auf je zwei getrennten Kanälen erfolgt.
 
5. Leitsystem (11) nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass
die Bedienerlaubnis-Antwort (42) wenigstens folgende zwei Ausprägungen enthält:

- «Freigabe»,

- «noch nicht freigegeben», wobei die Ausprägung «noch nicht freigegeben» eine Bedienhemmung zur Übermittlung eines Befehls vom Leitsystem (11) an ein Stellwerk (211) bewirkt.


 
6. Leitsystem (11) nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
auf eine Bedienerlaubnis-Antwort (42) mit der Ausprägung «noch nicht freigegeben» eine Zeitdauer für eine nachfolgende Bedienerlaubnis-Antwort (42) mit der Ausprägung «Freigabe» festgelegt ist und bei Nichtempfang einer weiteren Bedienerlaubnis-Antwort (42) innerhalb der Zeitdauer ein Befehl annulliert wird.
 
7. Leitsystem (11) nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bedienerlaubnis-Anfrage (41) an das Warnsystem (213) und die Bedienerlaubnis-Antwort (42) über zwei im Leitsystem (11) enthaltene unabhängige Bedienhemmungskomponenten (441, 442) geführt sind.
 
8. Leitsystem (11) nach Anspruch 7,
dadurch gekennzeichnet, dass
in den beiden Bedienhemmungskomponenten (441, 442) Software-Code auf verschiedenen Prozessoren abläuft.
 
9. Leitsystem (11) nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Software-Code in den beiden Bedienhemmungskomponenten (441, 442) verschiedenen konfiguriert ist.
 
10. Leitsystem (11) nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Leitsystem (11) vom Stellwerk (211) entstammende Zustandsinformationen zweikanalig an das Warnsystem (213) übermittelt und dass das Warnsystem (213) gemäss diesen Zustandsinformationen und gemäss im Warnsystem (213) gespeicherten Topologie-Daten der Bahnanlage (3) eine Bedienerlaubnis-Antwort (42) für die Übermittlung generiert.
 
11. Leitsystem (11) nach einem der Ansprüche 1 bis 10,
dadurch gekennzeichnet, dass
Zustandsinformationen der Warneinrichtungen (225) vom Warnsystem (213) empfangen werden und eine Bedienerlaubnis-Antwort (42) von diesen Zustandsinformationen der Warneinrichtungen (225) abhängig ist.
 




Zeichnung













Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente