[0001] Die Erfindung betrifft ein für eine Bake-Hardening-Behandlung geeignetes höchstfestes
Stahlflachprodukt sowie ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Stahlflachprodukts.
[0002] Für eine Bake-Hardening-Behandlung (BH-Behandlung) geeignete Stahlflachprodukte werden
auch als Bake-Hardening-Stahlflachprodukte (BH-Stahlflachprodukte) bezeichnet und
werden häufig für Anwendungen im Automobilbau, wie zum Beispiel für Karosserieteile,
verwendet.
[0003] Wenn vorliegend von Stahlflachprodukten die Rede ist, werden darunter Stahlbänder,
Stahlbleche oder daraus erzeugte Zuschnitte wie Platinen verstanden.
[0004] BH-Stahlflachprodukte weisen vor der BH-Behandlung ein geringeres Festigkeitsniveau
auf als nach der BH-Behandlung. Dieser Umstand wird dazu genutzt, bei zu verformenden
Stahlflachprodukten die Umformung vor der BH-Behandlung und damit bei geringeren Streckgrenzen
und mit besserem Umformungsvermögen durchzuführen. Die Erhöhung des Festigkeitsniveaus
erfolgt durch die BH-Behandlung, bei welcher das Material einer Wärmebehandlung unterzogen
wird. Die BH-Behandlung wird typischerweise für 3 bis 40 Minuten innerhalb eines Temperaturbereichs
von 120 bis 250 °C durchgeführt. Durch die BH-Behandlung werden Atome interstitiell
gelöster Elemente zur Diffusion angeregt, wobei sie sich an Versetzungen anlagern
können. Die Versetzungen werden dadurch in ihrer Bewegung behindert, was zu einem
Anstieg der Streckgrenze führt. Dieser Effekt des Streckgrenzenanstiegs wird auch
als Bake-Hardening-Effekt (BH-Effekt) und die Differenz der Streckgrenzen vor und
nach der BH-Behandlung wird auch als Bake-Hardening-Wert (BH-Wert) bezeichnet. Je
größer der BH-Wert ist, umso größer ist der Streckgrenzenanstieg durch die BH-Behandlung.
[0005] Weist ein Stahlflachprodukt eine ausgeprägte Streckgrenze auf, so ist vorliegend
mit dem Begriff Streckgrenze der als obere Streckgrenze ReH bezeichnete Kennwert gemeint.
Oftmals liegt in BH-Stahlflachprodukten vor der BH-Behandlung keine ausgeprägte Streckgrenze,
sondern ausschließlich eine Dehngrenze vor. Wenn vorliegend vom Streckgrenzenanstieg
oder vom BH-Wert die Rede ist, so wird darunter für Stahlflachprodukte, die vor der
BH-Behandlung keine ausgeprägte Streckgrenze, sondern eine Dehngrenze aufweisen, die
Differenz zwischen der Dehngrenze Rp0,2 vor der BH-Behandlung und der Streckgrenze
ReH nach der BH-Behandlung verstanden.
[0006] Ein hoher BH-Wert wirkt sich positiv auf die Beulsteifigkeit von Bauteilen, welche
aus BH-Stahlflachprodukten hergestellt sind, aus. Infolge dessen ist es möglich, die
Bauteildicke durch den Einsatz von Stahlflachprodukten, welche einen hohen BH-Wert
haben, zu reduzieren und gleichzeitig die Steifigkeit der Bauteile zu erhalten.
[0007] Der BH-Effekt wird bisher bei weichen Stählen, welche oftmals eine überwiegend ferritische
Matrix, nur geringe Martensitanteile und Zugfestigkeiten unterhalb von 700 MPa aufweisen,
genutzt.
[0008] Aus
US 2013/0240094 A1 sind kaltgewalzte Bake-Hardening-Bleche für Automobilanwendungen bekannt. Die Bleche
sollen aus einem Stahl bestehen, der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen
0,0010 - 0,0040 mass-% C, 0,005 - 0,05 mass-% Si, 0,1 - 0,8 mass-% Mn, 0,01 - 0,07
mass-% P, 0,001 - 0,01 mass-% S, 0,01 - 0,08 mass-% Al, 0,0010 - 0,0050 mass-% N,
0,002 - 0,02 mass-% Nb und 0,005 - 0,050 mass-% Mo enthält, wobei der Wert des Quotienten
der Anteile von Mn und P [Mn%]/[P%] zwischen 1,6 bis 45 betragen soll, und die Menge
des in fester Lösung vorliegenden Kohlenstoffs, welche aus [C%]-(12/95)×[Nb%] erhalten
wird, zwischen 0,0005 bis 0,0025 mass-% betragen soll. Die für das Bake-Hardening
geeigneten kaltgewalzten Bleche sollen die Gleichung X(222)/{X(119)+X(200)}
>3,0 erfüllen. Dabei sind X(222), X(110) und X(200) die integrierte Intensität der
Röntgendiffraktometrie der {222}-Ebene, der {110}-Ebene und der {200}-Ebene, die parallel
sind zu einer Ebene, welche ausgehend von der Blechoberfläche bei ¼ der Blechdicke
liegt. Die Bleche sollen eine gute Tiefziehfähigkeit und Zugfestigkeiten von 300 bis
450 MPa aufweisen.
[0009] Für Karosserieteile werden üblicherweise höchstfeste Stahlflachprodukte eingesetzt,
um geringe Bauteildicken bei guter Beulsteifigkeit realisieren zu können. Höchstfeste
Stähle zeichnen sich durch einen hohen Anteil Martensit im Gefüge aus. Martensit ist
ein kohlenstoffreicher Gefügebestandteil, aus dem Kohlenstoff bei thermischer Aktivierung
heraus in andere Gefügebestandteile diffundieren kann. Je höher der Martensitanteil
am Gefüge ist, umso ausgeprägter ist typischerweise der BH-Effekt. Hohe Martensitanteile
gehen jedoch mit einer schlechten Verformungsfähigkeit einher.
[0010] Aus
US 2017/009315 A1 sind hochfeste, feuerverzinkte Stahlbleche bekannt. Die Bleche sollen 0,05 - 0,30
mass-% C, 0,5 - 3,0 mass-% Si, 0,2 - 3,0 mass-% Mn, bis zu 0,10 mass-% P, bis zu 0,010
mass-% S, bis zu 0,010 mass-% N und 0,001 - 0,10 mass-% Al, Rest Eisen und unvermeidbare
Verunreinigungen enthalten. Das Gefüge soll 50 - 85 Flächen-% Martensit, weniger als
5 Flächen-% Ferrit und Rest Bainit enthalten und eine Versetzungsdichte von mindestens
5,0 x 10
15 m
-2 sowie mindestens 0,08 mass-% gelösten Kohlenstoffs aufweisen. Die Bleche sollen für
ein Bake-Hardening geeignet sein und gute Biegeeigenschaften und Zugfestigkeiten von
1180 MPa oder mehr aufweisen. Die Bleche werden mittels konventionellem Stranggießen,
Warmwalzen und Kaltwalzen erzeugt. Die kaltgewalzten Bleche sollen auf Glühtemperaturen
von Ac3+50°C bis zu 930 °C aufgeheizt, 30 bis 1200 s lang bei dieser Glühtemperatur
gehalten, danach mit einer mittleren Geschwindigkeit von 15°C/s oder mehr auf eine
Kühlstopp-Temperatur zwischen 450 °C bis 550 °C abgekühlt, dann binnen höchstens 30
s ab Erreichen der Kühlstopp-Temperatur für 10 bis 60 s bei 480 bis 525 °C in ein
Schmelzbad getaucht und dann mit einer mittleren Abkühlungsgeschwindigkeit von 15°C/s
oder mehr auf 200 °C abgekühlt werden.
[0011] Vor diesem Hintergrund bestand die Aufgabe der Erfindung darin, ein höchstfestes
Stahlflachprodukt mit optimierten Eigenschaften, insbesondere sehr guten Bake-Hardening-
Eigenschaften und sowohl vor als auch nach einer BH-Behandlung sehr guten Umformeigenschaften,
anzugeben.
[0012] Darüber hinaus sollte ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Stahlflachprodukts
angegeben werden.
[0013] In Bezug auf das Stahlflachprodukt wurde die Aufgabe durch ein Produkt gelöst, das
mindestens die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist.
[0014] In Bezug auf das Verfahren wurde die Aufgabe dadurch gelöst, dass bei der Herstellung
eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts mindestens die in Anspruch 10 angegebenen
Verfahrensschritte absolviert werden.
[0015] Ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt besteht aus einem Stahl, der aus (in Gew.-%)
0,1 - 0,5 % C,
1,0 - 3,0% Mn,
0,5 - 2,0% Si,
0,01 - 1,5 % Al,
0,001 - 0,008 % N,
bis zu 0,02 % P,
bis zu 0,005 % S
sowie optional aus einem oder mehreren der folgenden Elemente
0,01 - 1,0 % Cr,
0,01 - 0,2 % Mo,
0,001 - 0,01 % B
sowie optional aus in Summe 0,005 - 0,2 % V, Ti und Nb, wobei der Ti-Anteil nicht
mehr als 0,10 % beträgt, und als Rest Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen besteht,
und wobei das Stahlflachprodukt ein Gefüge aufweist, das aus
nicht mehr als als 15 Flächen-% Ferrit,
- nicht mehr als als 5 Flächen-% Bainit,
- mindestens 5 Volumen-% Restaustenit und
- mindestens 80 Flächen-% Martensit, von welchem
mindestens 75 Flächen-% angelassener Martensit ist,
besteht.
[0016] Wenn vorliegend von Ferrit gesprochen wird, dann ist jeweils die Rede von polygonalem
Ferrit. Bezogen auf den gesamten Anteil Martensit im Gefüge weist dieser für mindestens
90% des Martensits eine Martensitlanzettenlänge von höchstens 7,5 µm und eine Martensitlanzettenbreite
von höchstens 1000 nm auf.
[0017] Ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt zeichnet sich dadurch aus, dass es vor einer
BH-Behandlung eine Dehngrenze Rp0,2 von über 700 MPa oder eine Streckgrenze ReH von
über 700 MPa, eine Zugfestigkeit Rm von 950 - 1500 MPa sowie eine Dehnung A80 von
7 - 25 % und ein hohes Bake-Hardening-Potential (BH-Potential) aufweist. Das BH-Potential
äußert sich darin, dass das Stahlflachprodukt nach einer BH-Behandlung einen Streckgrenzenanstieg
um mindestens 80 MPa sowie eine Dehnung A80_BH aufweist, welche mindestens halb so
hoch ist wie die Dehnung A80 vor der BH-Behandlung.
[0018] Wenn vorliegend Angaben zu Legierungsgehalten und Zusammensetzungen gemacht werden,
beziehen sich diese auf das Gewicht beziehungsweise die Masse, sofern nichts anderes
ausdrücklich angegeben ist.
[0019] Der Kohlenstoffgehalt des Stahls eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts beträgt
0,1 - 0,5 Gew.-%. Zum einen trägt Kohlenstoff zur Bildung und Stabilisierung des Austenits
bei. Vor allem während des nach dem Austenitisieren erfolgenden ersten Abkühlens und
während des anschließenden partitionierenden Glühens tragen C-Gehalte von mindestens
0,1 Gew.-%, bevorzugt mindestens 0,12 Gew.-%, zur Stabilisierung der austenitischen
Phase bei, wodurch es möglich ist, am erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt einen Restaustenitanteil
von mindestens 5 Vol-% zu gewährleisten. Besonders sicher kann die Stabilisierung
des Restaustenits erfolgen, wenn der C-Gehalt mindestens 0,14 Gew.-% beträgt. Zum
anderen hat der C-Gehalt einen starken Einfluss auf die Festigkeit des Martensits.
Dies gilt sowohl für die Festigkeit des Martensits, der während des ersten Abschreckens
entsteht, als auch für die Festigkeit des Martensits, der während des nach dem partitionierenden
Glühen einsetzenden zweiten Abschreckens gebildet wird. Um den Einfluss des Kohlenstoffs
auf die Festigkeit des Martensits zu nutzen, soll der C-Gehalt mindestens 0,1 Gew.-%
betragen. Zudem ist ein Mindestgehalt von 0,1 Gew.-% erforderlich, um bei einer späteren
BH-Behandlung ausreichend C-Atome für eine Diffusion zu den im Material vorhandenen
Versetzungen zur Verfügung zu stellen und somit einen ausgeprägten BH-Effekt sicherzustellen.
Besonders hohe BH-Werte werden erhalten, wenn der C-Gehalt mindestens 0,14 Gew.-%
beträgt. Mit zunehmendem C-Gehalt wird die Martensit-Starttemperatur Ms jedoch auch
zu tieferen Temperaturen verschoben. Ein C-Gehalt oberhalb von 0,5 Gew.-% könnte deshalb
dazu führen, dass beim Abschrecken nicht genügend Martensit gebildet wird. Auch wird
die Verarbeitbarkeit, insbesondere die Schweißbarkeit, bei höheren C-Gehalten beeinträchtigt,
weshalb der C-Gehalt höchstens 0,5 Gew.-%, bevorzugt höchstens 0,4 Gew.-% betragen
soll.
[0020] Mangan ist als Legierungselement wichtig für die Härtbarkeit des Stahls sowie für
die Vermeidung der Bildung des Gefügebestandteils Perlit während des ersten Abschreckens.
Der Mn-Gehalt des Stahls eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts beträgt deshalb
mindestens 1,0 Gew.-%, bevorzugt mindestens 1,9 Gew.-%, um nach dem ersten Abschrecken
ein perlitfreies Gefüge für die weiteren Prozessschritte zur Verfügung zu stellen.
Mit zunehmendem Mn-Gehalt verschlechtert sich jedoch die Schweißbarkeit und das Risiko
des Auftretens starker Seigerungen nimmt zu. Bei Seigerungen handelt es sich um während
des Erstarrungsvorgangs gebildete chemische Inhomogenitäten der Zusammensetzung in
Form makroskopischer oder mikroskopischer Entmischungen. Um Seigerungen zu reduzieren
und eine gute Schweißbarkeit sicherzustellen, ist der Mn-Gehalt des Stahls eines erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts auf höchstens 3,0 Gew.-%, bevorzugt auf höchstens 2,7 Gew.-%, begrenzt.
[0021] Der Si-Gehalt des Stahls eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts ist auf 0,5 -
2,0 Gew.-% begrenzt. Si als Legierungselement unterstützt die Unterdrückung der Zementitbildung.
Bei Zementit handelt es sich um ein Eisenkarbid. Durch die Bildung von Zementit wird
Kohlenstoff in Form von Eisenkarbid abgebunden und steht nicht mehr in atomarer Form
zur Lösung im Eisengitter zur Verfügung. Atomarer Kohlenstoff, welcher interstitiell
im Eisengitter gelöst ist, trägt jedoch zum einen wesentlich zur Stabilisierung von
Restaustenit und zum anderen zur Verbesserung des BH-Effekts bei. Restaustenit wiederum
trägt zur Verbesserung der Umformbarkeit, insbesondere der Dehnung, sowohl vor als
auch nach der BH-Behandlung bei. Eine ähnliche Wirkung hinsichtlich der Stabilisierung
des Restaustenits kann auch durch Zulegieren von Aluminium erreicht werden. Enthält
der Stahl mindestens 0,2 Gew.-% Al, so kann der Si-Gehalt, welcher mindestens erforderlich
ist, um ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt zu erhalten, bis auf 0,5 Gew.-% reduziert
werden. Bei geringeren Al-Gehalten als 0,2 Gew.-% sollte der Si-Gehalt vorzugsweise
mindestens 0,9 Gew.-% betragen. Da sich ein hoher Si-Gehalt jedoch negativ auf die
Oberflächenqualität des Stahlflachprodukts auswirken kann, soll der Stahl nicht mehr
als 2,0 Gew.-%, bevorzugt nicht mehr als 1,6 Gew.-% enthalten.
[0022] Aluminium ist im Stahl eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts in Gehalten von
0,01 - 1,5 Gew.-% vorhanden. Al wird zur Desoxidation und zur Kornfeinung hinzugegeben.
Die Kornfeinung erfolgt durch Bildung von AlN-Clustern und AIN-Ausscheidungen, welche
jeweils das Kornwachstum während des austenitisierenden Glühens, das auch kurz als
Austenitisieren bezeichnet wird, hemmen. Unter AIN-Clustern werden dabei allgemeinhin
Ansammlungen von Aluminium- und Stickstoffatomen verstanden, die jedoch im Unterschied
zu AIN-Ausscheidungen keine scharfe Phasengrenze zur Matrix aufweisen. Um das Austenitkornwachstum
effektiv zu hemmen, sollte der Al-Gehalt mindestens 0,01 Gew.-% betragen. Somit können
durch die Anlagerung von Al und N an Gitterfehlern sowie deren nachfolgende Clusterbildung
bzw. Ausscheidung besonders feine Austenitkörner eingestellt werden. Die feinere Austenitkorngröße
führt dazu, dass während des ersten Abschreckens feiner Martensit mit einer geringen
Lanzettenlänge gebildet wird. In Fällen, in denen die Dauer des Austenitisierens verkürzt
werden soll, sind erhöhte Al-Gehalte von mindestens 0,02 Gew.-% besonders vorteilhaft.
Weiterhin vorteilhaft für die Bildung von AlN-Clustern und AlN-Ausscheidungen ist
eine hohe Anzahl an Gitterfehlern, die während des Aufheizens auf Austenitisierungstemperatur
(THZ) zur Verfügung stehen. Diese Gitterfehler können vor dem Austenitisieren beispielsweise
in Form von Versetzungen in das Material eingebracht werden. Für erfindungsgemäße
Stahlflachprodukte hat es sich als günstig erwiesen, Gitterfehler durch ein Kaltwalzen
mit einem Kaltwalzgrad von mindestens 37 % einzubringen. Aluminium trägt ebenso wie
Silizium zur Unterdrückung der Zementitbildung bei. Allerdings wirkt Al hinsichtlich
der Unterdrückung der Zementitbildung nicht so effektiv wie Si. Da sich Si jedoch
nachteilig auf die Verzunderung und Beschichtbarkeit und somit auf die Oberflächenqualität
der Stahlflachprodukte auswirkt, kann Al bei der Wahl der Legierungszusammensetzung
zur Substitution von Si verwendet werden. Dabei haben sich für die erfindungsgemäße
Stahlzusammensetzung Al-Gehalte von mindestens 0,1 Gew.-% als besonders wirksam erwiesen.
Bei geringeren Al-Gehalten ist der Einfluss von Al auf die Zementitunterdrückung nicht
signifikant. Darüber hinaus trägt Aluminium zur Erhöhung der Kohlenstoffaktivität
im Martensit bei. Dies gilt sowohl für den nach dem ersten Abschrecken, welches nach
dem Austenitisieren erfolgt, als auch für den nach dem zweiten Abschrecken, welches
nach dem partitionierenden Glühen erfolgt, gebildeten Martensit. Im nach dem ersten
Abschrecken gebildeten Martensit trägt Aluminium zur Beschleunigung der Partitionierung
des Kohlenstoffs von Martensit in den Austenit während des partitionierenden Glühens
bei. Dadurch kann die Dauer des partitionierenden Glühens verkürzt werden. Aber auch
die Alterungsbeständigkeit des Endprodukts wird verbessert, da durch eine erhöhte
Kohlenstoffaktivität einzelne Kohlenstoffatome bereits während des partitionierenden
Glühens an Versetzungen diffundieren können und dann bei Raumtemperatur nicht mehr
zur Alterung zur Verfügung stehen.
[0023] Die Erhöhung der Kohlenstoffaktivität zeigt zudem eine positive Wirkung auf den BH-Effekt.
Bei einer BH-Behandlung wird durch eine hohe Kohlenstoffaktivität auch die treibende
Kraft für die Anlagerung von Kohlenstoffatomen an Versetzungen erhöht, was zur Steigerung
des BH-Werts führt. Zur Erhöhung der Kohlenstoffaktivität im Martensit haben sich
Al-Gehalte von mindestens 0,02 Gew.-% als besonders vorteilhaft erwiesen. Da Aluminium
die für ein vollständiges Austenitisieren erforderliche Glühtemperatur erhöht und
bei Al-Gehalten oberhalb von 1,5 Gew.-% ein vollständiges Austenitisieren nur noch
schwer möglich ist, ist der Al-Gehalt des Stahls des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
auf höchstens 1,5 Gew.-% begrenzt. Soll eine niedrige Austenitisierungtemperatur zur
Verbesserung der Energieeffizienz eingestellt werden, haben sich Al-Gehalte von höchstens
0,2 Gew.-% als zweckmäßig erwiesen.
[0024] In einer bevorzugten Ausführung beträgt zur Verbesserung des BH-Werts die Summe des
Si-Gehalts und der Hälfte des Al-Gehalts mindestens 0,9 Gew.-%.
[0025] Es gilt dann folgende Beziehung:

mit
%Si: jeweiliger Si-Gehalt des Stahls in Gew.-%
%Al : jeweiliger Al-Gehalt des Stahls in Gew.-%.
[0026] Bei Werten kleiner 0,9 Gew.-% steigt das Risiko der Bildung von Zementit, durch welchen
Kohlenstoff abgebunden wird und beim partitionierenden Glühen nicht mehr für eine
Diffusion in den Restaustenit und damit nicht mehr für eine Stabilisierung des Restaustenits
zur Verfügung steht.
[0027] Der N-Gehalt ist im Stahl eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts auf 0,001 -
0,008 Gew.-% begrenzt. Stickstoff bildet im Stahl eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
Nitride, beispielsweise mit Aluminium oder Titan. Zur wirksamen Kornfeinung mittels
AlN-Clustern oder AIN-Ausscheidungen sollen mindestens 0,001 Gew.-% N im Stahl enthalten
sein. Um die thermodynamische Triebkraft der Ausscheidungsbildung zu erhöhen und damit
den Prozess zu stabilisieren, kann ein bevorzugter N-Gehalt von mindestens 0,002 Gew.-%
eingestellt werden. Zunehmende N-Gehalte führen zur Bildung tendenziell größerer Ausscheidungen.
Um grobe Ausscheidungen zu vermeiden, welche sich nachteilig auf die Umformbarkeit
auswirken können, ist der N-Gehalt auf höchstens 0,008 Gew.-% beschränkt.
[0028] Phosphor wirkt sich in erfindungsgemäßen Stahlflachprodukten negativ auf die Schweißbarkeit
aus. Darum soll der P-Gehalt so niedrig wie möglich sein und insbesondere 0,02 Gew.-%
nicht überschreiten.
[0029] Schwefel führt bei ausreichend hohen Gehalten zur Bildung von Sulfiden wie MnS oder
(Mn,Fe)S. Diese Sulfidausscheidungen verschlechtern die Dehnung eines erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts, weshalb der S-Gehalt auf höchstens 0,005 Gew.-% begrenzt ist.
[0030] Chrom kann optional in Gehalten bis zu 1,0 Gew.-% im Stahl vorhanden sein. Chrom
ist ein effektiver Inhibitor des Perlits und trägt zur Festigkeit bei. Dies gilt insbesondere
für Cr-Gehalte von mindestens 0,01 Gew.-% Bei Cr-Gehalten von mehr als 1,0 Gew.-%
ist jedoch das Risiko einer ausgeprägten Korngrenzenoxidation, welche zur Verschlechterung
der Oberflächenqualität führt, erhöht.
[0031] Molybdän kann ebenfalls optional im Stahl eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
in Gehalten von mindestens 0,01 Gew.-% enthalten sein, um die Bildung von Perlit zu
verhindern. Der Mo-Gehalt ist aus Kostengründen auf Gehalte von bis zu 0,2 Gew.-%
begrenzt.
[0032] Bor kann als optionales Legierungselement in Gehalten von 0,001 bis 0,01 Gew.-% im
Stahl eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts enthalten sein. Bor seigert auf die
Phasengrenzen und blockiert somit deren Bewegung. Dies unterstützt die Bildung eines
feinkörnigen Gefüges, was die mechanischen Eigenschaften des Stahlflachprodukts verbessert.
Beim Zulegieren von Bor sollte genügend Aluminium zur Verfügung stehen, damit sich
bevorzugt AIN bildet. In einer bevorzugten Ausführung wird deshalb ein Al/B-Verhältnis
von mindestens 10 eingestellt. Durch Bor-Zugaben von über 0,01 Gew.-% kann jedoch
keine weitere Verbesserung mehr erreicht werden.
[0033] Optional können Stähle erfindungsgemäßer Stahlflachprodukte auch eines oder mehrere
Mikrolegierungselemente aus der Gruppe Ti, Nb und V enthalten. Mikrolegierungselemente
können mit Kohlenstoff beziehungsweise Stickstoff Karbide, Nitride oder Karbonitride
bilden. In Form sehr fein verteilter Ausscheidungen tragen diese zu einer höheren
Festigkeit bei. Die Summe der Mikrolegierungselemente sollte mindestens 0,005 Gew.-%
betragen, sodass die Ausscheidung von Karbiden, Nitriden oder Karbonitriden zum Einfrieren
von Korn- und Phasengrenzen während des Austenitisierens führen kann und damit einer
Kornvergröberung entgegenwirken kann. Gleichzeitig wird jedoch Kohlenstoff, welcher
in atomarer Form günstig für die Stabilisierung des Restaustenits ist, als Karbid-
bzw. Karbonitrid abgebunden. Um eine ausreichende Stabilisierung des Restaustenits
zu gewährleisten, sollte die Konzentration der Mikrolegierungselemente in Summe nicht
mehr als 0,2 Gew.-% betragen. Zur Vermeidung von groben Titannitridausscheidungen
sollte die Titan-Konzentration nicht mehr als 0,10% betragen.
[0034] Ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt weist bevorzugt eine Dehngrenze Rp02 von
über 700 MPa oder eine Streckgrenze ReH von über 700 MPa, eine Zugfestigkeit Rm von
950 - 1500 MPa sowie eine Dehnung A80 von 7 - 25 % auf, wobei die Dehngrenze Rp02
bzw. die Streckgrenze ReH, die Zugfestigkeit Rm sowie die Dehnung A80 gemäß DIN EN
ISO 6892:2009 bestimmt werden. Gleichzeitig weist ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt
bevorzugt ein hohes Bake-Hardening-Potential (BH-Potential) auf. Ein Maß für das BH-Potential
ist der BH2-Wert, der nach einer Vorverformung von 2% und einem Anlassen für 20 Minuten
bei 170°C gemäß DIN EN 10325:2006 bestimmt wird und für erfindungsgemäße Stahlflachprodukte
mindestens 80 MPa beträgt. Die nach einer BH-Behandlung für 20 Minuten bei 170°C an
um 2% vorverformten erfindungsgemäßen Stahlflachprodukten vorliegende Dehnung A80_BH
ist dabei mindestens halb so hoch wie die Dehnung A80 vor der BH-Behandlung. Die Dehnungswerte
A80 und A80_BH werden dabei gemäß DIN EN ISO 6892:2009 bestimmt.
[0035] Das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt hat ein Gefüge, dass nicht mehr als 15 Flächen-%
Ferrit enthält, um die geforderten hohen Festigkeiten zu gewährleisten.
[0036] Darüber hinaus weist das Gefüge aufgrund der Prozessführung nicht mehr als 5 Flächen-%
Bainit auf.
[0037] Das Gefüge eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts enthält mindestens 5 Volumen-%
Restaustenit. Restaustenit wirkt sich günstig auf die Umformbarkeit und Dehnung martensithaltiger
Stähle aus. Der bis auf Raumtemperatur stabilisierte Austenit kann unter Nutzung des
TRIP-Effekts bei gleichzeitig höherer Verfestigung stärker gedehnt werden als andere
Gefügebestandteile. Mit der Begrenzung der austenitstabilisierenden Legierungselemente
wie C und Mn aus Schweißbarkeitsgründen ist ein Restaustenitanteil größer 20 Vol.%
mit dem beschriebenen Herstellungsprozess nicht möglich.
[0038] Zudem enthält das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt mindestens 80 Flächen-% Martensit,
von welchem mindestens 75 Flächen-% angelassener Martensit ist.
[0039] Der im Zuge des erfindungsgemäßen Verfahrens nach dem Partitioning durch das zweite
Abschrecken in Arbeitsschritt j) gebildete Martensit wird auch als nicht angelassener
Martensit bezeichnet. Der durch das erste Abschrecken nach dem Austenitisieren entstandene
Martensit, der einem Partitioning unterzogen wird, wird auch als angelassener Martensit
bezeichnet. Der gesamte im Gefüge vorhandene Martensitanteil setzt sich aus angelassenem
und nicht angelassenem Martensit zusammen, wobei die Möglichkeit besteht, dass kein
nicht angelassener Martensit vorliegt.
[0040] Der Gesamtanteil an Martensit, d.h. die Summe aus angelassenem und nicht angelassenem
Martensit, soll mindestens 80 Flächen-%, bevorzugt mindestens 90 Flächen-%, betragen.
Dieser hohe Martensitanteil trägt zu einer hohen Festigkeit des Stahlflachprodukts
bei. Darüber hinaus ist Martensit ein kohlenstoffreicher Gefügebestandteil. Als solcher
dient der Martensit als Quelle für die Diffusion von Kohlenstoff zum einen während
des partitionierenden Glühens und zum anderen während der BH-Behandlung. Durch die
Kohlenstoff-Diffusion aus dem Martensit in den Austenit während des partitionierenden
Glühens wird der vorhandene Restaustenit stabilisiert, was das Einstellen eines Restaustenitanteils
von mindestens 5 Vol.-% ermöglicht. Durch die Kohlenstoff-Diffusion während der BH-Behandlung
wird der BH-Effekt verstärkt, was eine Erhöhung des BH-Werts bewirkt.
[0041] Mindestens 75 % des im Stahlflachprodukt vorhandenen Martensits sind angelassener
Martensit, weil nur so genügend Martensit für eine ausreichende Restaustenitstabilisierung
während des partitionierenden Glühens zur Verfügung steht. Dabei liegt bei mindestens
90 % der Martensitlanzetten eine Martensitlanzettenbreite von höchstens 1000 nm vor.
Die geringe Lanzettenbreite von höchstens 1000 nm führt beim partitionierenden Glühen
zu kurzen Diffusionswegen, wodurch eine gezielte lokale Stabilisierung des Restaustenits
möglich ist.
[0042] Die Martensitlanzettenlänge ist auf höchstens 7,5 µm begrenzt, um eine gute Umformbarkeit
zu gewährleisten. Da die Lanzetten mit einem definierten Verhältnis von Länge zu Breite
wachsen, ist die Breite begrenzt, was sich vorteilhaft auf die Diffusion des Kohlenstoffs
auswirkt.
[0043] Insofern nicht anders erwähnt, sind die Angaben zu den Gefügeanteilen für die Gefügebestandteile
Martensit, Ferrit und Bainit vorliegend auf Flächen-% und für Restaustenit auf Vol.-%
bezogen. Aufgrund der Feinheit der Gefügestrukturen empfiehlt es sich, die Gefügeuntersuchungen
einschließlich der Bestimmung der Martensitlanzettenlänge und -breite an einem Rasterelektronenmikroskop
(REM) bei 5000facher Vergrößerung durchzuführen. Als geeignete Methode zur quantitativen
Bestimmung des Restaustenits empfiehlt sich eine Untersuchung mittels Röntgenbeugung
(XRD) nach ASTM E975.
[0044] Das erfindungsgemäße Verfahren zum Herstellen eines für eine Bake-Hardening-Behandlung
geeigneten höchstfesten Stahlflachprodukts umfasst mindestens folgende Arbeitsschritte:
- a) Bereitstellen eines warmgewalzten Stahlflachprodukts, welches aus einem Stahl besteht,
der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen aus (in Gew.-%) 0,1 - 0,5 % C,
1,0 - 3,0 % Mn, 0,5 - 2,0 % Si, 0,01 - 1,5 % Al, 0,001 - 0,008 % N, bis zu 0,02 %
P, bis zu 0,005 % S sowie optional aus einem oder mehreren der folgenden Elemente:
0,01 - 1,0 % Cr, 0,01 - 0,2 % Mo, 0,001 - 0,01 % B sowie optional aus in Summe 0,005
- 0,2 % V, Ti und Nb besteht, wobei der Ti-Anteil nicht mehr als 0,10% beträgt;
- b) Beizen des warmgewalzten Stahlflachprodukts;
- c) Kaltwalzen des Stahlflachprodukts mit einem Kaltwalzgrad von mindestens 37 %;
- d) Erwärmen des kaltgewalzten Stahlflachprodukts auf eine Haltezonentemperatur THZ,
welche oberhalb der A3-Temperatur des Stahls liegt und höchstens 950 °C beträgt, wobei
das Aufheizen bis zu einer 200 - 400 °C betragenden Wendetemperatur TW mit einer Aufheizgeschwindigkeit
ThetaH1 von 5 - 50 K/s und oberhalb der Wendetemperatur TW mit einer Aufheizgeschwindigkeit
ThetaH2 von 2 - 10 K/s erfolgt;
- e) Halten des Stahlflachprodukts für 5 - 15 s auf der Haltezonentemperatur THZ;
- f) optionales Abkühlen des Stahlflachprodukts innerhalb von 30 - 300 Sekunden von
der Haltezonentemperatur THZ auf eine mindestens 620 und höchstens 720°C betragende
Zwischentemperatur TLK;
- g) Abkühlen des Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ThetaQ von mehr als durchschnittlich
5 K/s auf eine Kühlstopptemperatur TAB, welche zwischen der Martensitstarttemperatur
TMS und einer Temperatur, die bis zu 175 °C kleiner als TMS ist, liegt;
- h) Halten des Stahlflachprodukts auf der Kühlstopptemperatur TAB für 10 - 60 Sekunden;
- i) Erwärmen des Stahlflachprodukts mit einer Aufheizrate ThetaB1, welche 1 - 80 K/s
beträgt, auf eine 350 - 500 °C betragende Behandlungstemperatur TB und optionales
isothermes Halten des Stahlflachprodukts auf der Behandlungstemperatur TB, wobei die
Zeit für das Erwärmen und das optionale isotherme Halten insgesamt 10 - 1000 Sekunden
beträgt;
- j) Abkühlen des Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ThetaB2 von mehr als 5 K/s
und weniger als 500 K/s auf Raumtemperatur;
- k) optionales Beschichten des Stahlflachprodukts in einem Schmelzbad entweder
k1) mittels Schmelztauchbeschichten vor dem Abkühlen in Arbeitsschritt j)
oder
k2) mittels elektrolytischem Beschichten nach dem Abkühlen in Arbeitsschritt j).
[0045] In Arbeitsschritt a) wird ein warmgewalztes Stahlflachprodukt bereitgestellt, das
aus einem Stahl der in Arbeitsschritt a) genannten Zusammensetzung besteht.
[0046] Das warmgewalzte Stahlflachprodukt wird vor dem Kaltwalzen gebeizt. Das Beizen in
Arbeitsschritt b) erfolgt auf konventionelle Art und Weise.
[0047] Das Kaltwalzen in Arbeitsschritt c) soll erfindungsgemäß mit einem Kaltwalzgrad von
mindestens 37 % erfolgen. Unter dem Kaltwalzgrad KWG wird vorliegend die Dickenreduktion,
die durch das Kaltwalzen des Stahlflachprodukts erfolgt, verstanden. Der KWG lässt
sich mit folgender Beziehung beschreiben:

wobei h0 die Dicke des Stahlflachprodukts vor dem Kaltwalzen in mm ist und h1 die
Dicke des Stahlflachprodukts nach dem Kaltwalzen in mm ist. Sollte das Stahlflachprodukt
nach dem Beizen und vor dem Aufheizen in Arbeitsschritt d) mehrere Kaltwalzvorgänge
oder Kaltwalzstiche erfahren, so ist KWG auf den Gesamtkaltwalzgrad bezogen, d.h.
h0 ist die Dicke des Stahlflachprodukts vor dem ersten Kaltwalzvorgang oder Kaltwalzstich
in mm und h1 ist die Dicke des Stahlflachprodukts nach dem letzten Kaltwalzvorgang
oder Kaltwalzstich in mm. Durch ein Kaltwalzen mit einem KWG von mindestens 37 % wird
eine mechanische Homogenisierung sowie eine Reduzierung der Korngröße und damit ein
feinkörniges Gefüge eingestellt. Aufgrund des hohen Kaltwalzgrades sowie der Ausscheidungsvorgänge
und des daraus resultierenden feinen Ausgangsgefüges vor dem Glühen liegt bereits
vor der Abkühlung ein sehr feinkörniges Austenitgefüge vor. Hierbei fungieren die
Korngrenzen als Hindernis für das Wachstum der Martensitlanzetten und der kurze Abstand
zwischen den Korngrenzen in einem feinen Gefüge führt zu kürzeren und schmaleren Lanzetten.
Beim Abschrecken entsteht so ein Gefüge aus feinsten Martensitlanzetten mit dazwischen
eingelagertem Restaustenit. Dies führt im anschließenden Behandlungsschritt zu kurzen
Diffusionswegen, wodurch eine gezielte lokale Stabilisierung des Restaustenits möglich
ist.
[0048] Es wurde erkannt, dass durch Kaltwalzgrade von 37 % oder mehr viele Keimstellen für
die Bildung von Austenit während des austenitisierenden Glühens zur Verfügung gestellt
werden, sodass während des Austenitisierens ein feinkörniges austenitisches Gefüge
entsteht. Die Korngröße des austenitischen Gefüges kann weiter reduziert werden, wenn
der Kaltwalzgrad mindestens 42 % beträgt. Aus anlagentechnischen Gründen ist der Kaltwalzgrad
typischerweise auf 85 % begrenzt.
[0049] Das Aufheizen des kaltgewalzten Stahlflachprodukts in Arbeitsschritt d) auf eine
Haltezonentemperatur THZ erfolgt zunächst bis zum Erreichen einer Wendetemperatur
TW, welche 200 - 400 °C beträgt, mit einer Aufheizgeschwindigkeit ThetaH1 von 5 -
50 K/s. Oberhalb der Wendetemperatur TW erfolgt das Aufheizen bis zum Erreichen der
Haltezonentemperatur THZ mit einer Aufheizgeschwindigkeit ThetaH2 von 2 - 10 K/s.
Dabei kann das Aufheizen auch einstufig erfolgen, d.h. die Aufheizgeschwindigkeiten
ThetaH1 und ThetaH2 werden auf den gleichen Wert eingestellt.
[0050] Das Stahlflachprodukt wird auf eine Haltezonentemperatur THZ erwärmt, welche oberhalb
der A3-Temperatur des Stahls liegt, um eine vollständige Gefügeumwandlung in den Austenit
zu ermöglichen. Die A3-Temperatur ist analysenabhängig und kann mit Hilfe der folgenden
empirischen Gleichung abgeschätzt werden:

mit %C=C-Gehalt des Stahls in Gew.-%, %Ni=Ni-Gehalt des Stahls in Gew.-%, %Si=Si-Gehalt
des Stahls in Gew.-%, %Mo=Mo-Gehalt des Stahls in Gew.-%, %Mn=Mn-Gehalt des Stahls
in Gew.-%.
[0051] Die Haltezonentemperatur THZ kann auch als Austenitisierungstemperatur und das Glühen
bei THZ auch als Austenitisieren bezeichnet werden. Die Haltezonentemperatur ist aus
Kostengründen auf höchstens 950 °C beschränkt.
[0052] Das Stahlflachprodukt wird in Arbeitsschritt e) für eine Haltedauer tHZ von mindestens
5 Sekunden auf der Haltezonentemperatur THZ gehalten, um eine vollständige Austenitisierung
zu gewährleisten. Die Haltedauer tHZ soll 15 Sekunden nicht überschreiten, um die
Bildung eines groben Austenitkorns sowie ein unregelmäßiges Austenitkornwachstum zu
vermeiden. Ziel des Austenitisierens ist die Einstellung eines feinen und regelmäßigen
Austenitkorns, da sich ein solches Gefüge günstig auf den BH-Wert auswirkt.
[0053] Von der Haltezonentemperatur THZ kann das Stahlflachprodukt optional in Arbeitsschritt
f) zunächst langsam auf eine Zwischentemperatur TLK abgekühlt werden, die 620 °C oder
mehr beträgt. TLK ist nicht tiefer als 620 °C, um eine Phasenumwandlung in Ferrit
zu vermeiden. Aus demselben Grund ist die Dauer tLK der Abkühlung von THZ auf TLK
auf 30 - 300 Sekunden begrenzt.
[0054] Nach dem optionalen langsamen Abkühlen des Stahlflachprodukts in Arbeitsschritt f)
oder bereits nach dem Halten des Stahlflachprodukts auf der Haltezonentemperatur THZ
in Arbeitsschritt e) wird das Stahlflachprodukt in Arbeitsschritt g) mit einer im
Vergleich zur Abkühlrate in Arbeitsschritt f) höheren Abkühlrate ThetaQ von mehr als
5 K/s auf eine Kühlstopptemperatur TAB abgekühlt. Wegen der hohen Abkühlrate wird
eine solche Abkühlung auch als Abschrecken oder zur Unterscheidung des Abschreckens
nach dem partitionierenden Glühen wird das Abschrecken in Arbeitsschritt g) auch als
erstes Abschrecken bezeichnet. Die Abkühlungsgeschwindigkeit von der Zwischentemperatur
TLK auf die Kühlstopptemperatur TAB beträgt mehr als 5 K/s, um für die erfindungsgemäßen
Stahlzusammensetzungen sowohl die Umwandlung des Austenits in Ferrit als auch in Bainit
zu vermeiden. Dies gelingt bei höheren Abkühlungsraten noch sicherer, weshalb die
Abkühlungsrate ThetaQ bevorzugt auf mehr als 20 K/s eingestellt wird. Die Abkühlrate
ThetaQ ist anlagentechnisch auf Werte von höchstens 500 K/s, bevorzugt höchstens 100
K/s, begrenzt.
[0055] Die Kühlstopptemperatur TAB liegt zwischen der Martensitstarttemperatur TMS und einer
Temperatur, die bis zu 175 °C kleiner als TMS ist ((TMS-175°C) < TAB < TMS). Unter
der Martensitstarttemperatur TMS wird dabei die Temperatur verstanden, bei welcher
die Umwandlung von Austenit in Martensit beginnt. Die Martensitstarttemperatur kann
mit Hilfe der folgenden Gleichung abgeschätzt werden:

mit %C=C-Gehalt des Stahls in Gew.-%, %Mn=Mn-Gehalt des Stahls in Gew.-%, %Si=Si-Gehalt
des Stahls in Gew.-%, %Al=Al-Gehalt des Stahls in Gew.-%.
[0056] Da die Umwandlung von Austenit in Martensit nicht schlagartig sondern zeitabhängig
erfolgt, kann der Umfang der Umwandlung, d.h. der Martensitanteil, über die Haltezeit
tQ, mit welcher das Stahlflachprodukt auf Kühlstopptemperatur TAB gehalten wird, gesteuert
werden. Die Haltezeit tQ in Arbeitsschritt h) beträgt mindestens 10 Sekunden, um eine
ausreichende Umwandlung des Austenits in Martensit zu gewährleisten. Bezogen auf das
gesamte Gefüge sollte der Anteil des Martensits, der durch das erste Abschrecken nach
dem Austenitisieren entsteht, mindestens 60 Flächen-% betragen. Die Haltezeit tQ sollte
nicht mehr als 60 Sekunden betragen, um eine vollständige Umwandlung in Martensit
zu vermeiden und einen Restaustenitanteil von mindestens 5 Vol-% im Gefüge des Stahlflachprodukts
bei Raumtemperatur zu gewährleisten.
[0057] In Arbeitsschritt i) wird das Stahlflachprodukt mit einer Aufheizrate ThetaB1 auf
eine Behandlungstemperatur TB erwärmt und optional auf TB gehalten, um den nach Arbeitsschritt
h) vorliegenden Restaustenit mit Kohlenstoff aus dem übersättigten Martensit, welcher
durch das erste Abschrecken gebildet wurde, anzureichern. Die Umverteilung des Kohlenstoffs,
welche auch als Partitionieren bezeichnet werden kann, erfolgt dabei während der Aufheizphase
auf TB. Wird das Stahlflachprodukt anschließend zudem auch noch isotherm auf TB gehalten,
so erfolgt ein Partitionieren zusätzlich auch während des optionalen isothermen Haltens.
Das Erwärmen auf Behandlungstemperatur TB und das anschließende optionale Halten auf
der Behandlungstemperatur TB werden auch als partitionierendes Glühen oder auch als
Partitioning bezeichnet. Um eine ausreichende Umverteilung des Kohlenstoffs zu ermöglichen,
erfolgt das Erwärmen mit einer Aufheizrate von mindestens 1 K/s und höchstens 80 K/s.
Die Behandlungstemperatur TB beträgt 350 - 500 °C, um die Bildung von Karbiden und
den Zerfall von Restaustenit zu vermeiden. Zudem beträgt die gesamte Behandlungszeit
tBT mindestens 10 und höchstens 1000 Sekunden, ebenfalls um eine ausreichende Umverteilung
des Kohlenstoffs zu gewährleisten. Die gesamte Behandlungszeit tBT setzt sich aus
der Zeit, die für das Erwärmen benötigt wird und gegebenenfalls der Zeit, die für
das optionale isotherme Halten verwendet wird, zusammen.
[0058] Anschließend wird das Stahlflachprodukt in Arbeitsschritt j) mit einer Abkühlrate
ThetaB2 auf Raumtemperatur abgekühlt. Die Abkühlrate ThetaB2 beträgt mehr als 5 K/s,
bevorzugt mehr als 20 K/s, um die Bildung von Martensit zu ermöglichen. Dieser Abkühlschritt
kann aufgrund der hohen Abkühlrate ebenfalls als Abschrecken bezeichnet werden. Zur
Unterscheidung von dem in Arbeitsschritt g) durchgeführten ersten Abschrecken wird
das Abschrecken in Arbeitsschritt j) auch als zweites Abschrecken bezeichnet. Die
Abkühlrate ThetaB2 ist anlagentechnisch auf Werte von höchstens 500 K/s, bevorzugt
höchstens 100 K/s, begrenzt.
[0059] Das Stahlflachprodukt kann zusätzlich optional einer Beschichtungsbehandlung (Arbeitsschritt
k)) unterzogen werden. Die Beschichtungsbehandlung kann entweder als Schmelztauchbeschichten
(Arbeitsschritt k1)) oder als elektrolytisches Beschichten (Arbeitsschritt k2)) ausgeführt
werden. Erfolgt ein Schmelztauchbeschichten (Arbeitsschritt k1)), so durchläuft das
Stahlflachprodukt nach dem Partitionieren in Arbeitsschritt i) und vor dem Abkühlen
in Arbeitsschritt j) ein Beschichtungsbad mit einer auf Zink basierenden Schmelzbadzusammensetzung.
Die Temperatur des Schmelzbads beträgt dabei bevorzugt 450 - 500 °C.
[0060] Alternativ zum Aufbringen einer Beschichtung mittels Schmelztauchbeschichten kann
das Stahlflachprodukt einem elektrolytischen Beschichten (Arbeitsschritt k2)) unterzogen
werden. Das elektrolytische Beschichten erfolgt dabei im Unterschied zum Schmelztauchbeschichten
nicht vor, sondern erst nach dem Abkühlen des Stahlflachprodukts in Arbeitsschritt
j).
[0061] Die Beschichtungsbehandlung der Arbeitsschritte k1) oder k2) erfolgt bevorzugt in
einem kontinuierlichen Verfahren. Eine mögliche Schmelzbadzusammensetzung kann aus
bis zu 1 Gew.-% Al, Rest Zink und unvermeidbare Verunreinigungen bestehen. Eine weitere
mögliche Schmelzbadzusammensetzung kann aus 1-2 Gew.-% Al, 1-2 Gew.-% Mg, Rest Zink
und unvermeidbare Verunreinigungen bestehen. Durch die Beschichtungsbehandlung wird
auf mindestens einer Seite des Stahlflachprodukts ein Korrosionsschutzüberzug auf
das Stahlflachprodukt aufgebracht. Das beschichtete Stahlflachprodukt kann ebenfalls
optional einer Galvannealingbehandlung unterzogen werden.
[0062] Das erfindungsgemäße Verfahren kann im kontinuierlichen Durchlauf in hierzu üblicherweise
vorgesehenen Glühanlagen oder Bandbeschichtungsanlagen durchgeführt werden.
[0063] Bei erfindungsgemäßem Vorgehen insbesondere bei Einhalten des Kaltwalzgrades KWG,
der Abkühlrate ThetaQ der schnellen Abkühlung nach dem Austenitisieren und der Haltezeit
tQ ergibt sich ein Gefüge, welches eine sehr feine Martensitstruktur aufweist. Diese
Martensitstruktur zeichnet sich durch eine besondere Feinkörnigkeit mit geringer Lanzettenbreite
aus. Der hohe Kaltwalzgrad sowie die karbidischen und nitridischen Ausscheidungen
führen zu einem feinkörnigen Ausgangsgefüge für das austenitisierende Glühen. Bei
erfindungsgemäßem Vorgehen wird eine Kornvergröberung während des Austenitisierens
vermieden, sodass bereits vor dem dem Austenitisieren nachfolgenden Abkühlen ein sehr
feinkörniges Gefüge vorliegt. Die zahlreichen Korngrenzen des feinen Gefüges behindern
das Wachstum der Martensitlanzetten. Die kurzen Abstände zwischen den Korngrenzen
des feinkörnigen Gefüges führen zu kurzen und schmalen Martensitlanzetten. Durch die
schnelle Abkühlung mit Abkühlraten ThetaQ von mehr als 5 K/s entsteht daraus ein Gefüge
aus sehr feinen Martensitlanzetten mit dazwischen eingelagertem Restaustenit. Ein
solches Gefüge stellt für den Glühprozess des anschließenden Arbeitsschritts i) kurze
Diffusionswege für den Kohlenstoff zur Verfügung und ermöglicht somit eine gezielte
lokale Stabilisierung des Restaustenits.
[0064] Gleichzeitig steht jedoch weiterhin ausreichend Kohlenstoff aus dem nicht angelassenen
Martensit und aus dem bei der Umformung gebildeten, verformungsinduzierten Martensit
für die nachgeschaltete BH-Behandlung zur Anlagerung an die Versetzungen zur Verfügung.
Durch das nach dem partitionierendem Glühen vorliegende feine Gefüge sind die Diffusionswege
in den angelassenen Martensit hinein im Rahmen der späteren BH-Behandlung kurz genug,
um auch bei niedrigen BH-Temperaturen und kurzen BH-Behandlungszeiten einen hohen
BH-Effekt erzielen zu können.
[0065] Die durch die vorliegende Erfindung zur Verfügung gestellten Stahlflachprodukte eignen
sich besonders für Weiterverarbeitungsprozesse, die einen Kaltumformprozess und eine
anschließende Wärmebehandlung bei Temperaturen unterhalb von 300 °C umfassen. Beispielhaft
sei hier die Herstellung von Bauteilen für Automobilanwendungen genannt. Stahlflachprodukte
werden dabei zu Bauteilen umgeformt, zum Beispiel mittels kathodischer Tauchlackierung
(KTL) lackiert und in einem weiteren Prozessschritt einer Wärmebehandlung zum Beispiel
während des Lackeinbrennens unterzogen. Die Wärmebehandlung erfolgt üblicherweise
als Erwärmung innerhalb eines Temperaturbereichs von typischerweise 120 bis 250 °C
für einen Zeitraum von typischerweise 3 bis 40 Minuten. Für derartige Anwendungen
sind die vorliegend erfindungsgemäßen Stahlflachprodukte besonders geeignet. Allerdings
können die vorteilhaften Eigenschaften der erfindungsgemäßen Stahlflachprodukte auch
für Produkte, die keiner Vorverformung unterzogen wurden, genutzt werden.
[0066] Im Folgenden wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert:
Zur Erprobung wurden fünf Schmelzen A-E der in Tabelle 1 angegebenen Zusammensetzungen
erzeugt, aus welchen auf konventionelle Weise 10 Warmbänder mit einer Dicke von 1,8-2,5
mm erzeugt wurden. Dabei entsprechen die Schmelzen C und E den erfindungsgemäßen Vorgaben
für die Stahlzusammensetzung, wohingegen die Schmelzen A, B und D zu geringe Si-Gehalte
aufweisen.
[0067] Die Warmbänder wurden auf konventionelle Weise gebeizt und mit den in Tabelle 2a
angegebenen Kaltwalzgraden "KWG" zu Kaltbändern verarbeitet. Die weitere Fertigung
der Kaltbänder erfolgte entsprechend der in Tabelle 2a und Tabelle 2b gemachten Angaben.
Dabei wurden die Kaltbänder jeweils mit einer ersten, schnelleren Aufheizrate "ThetaHl"
auf eine Wendetemperatur "TW" erwärmt und dann mit einer zweiten, langsameren Aufheizrate
"ThetaH2" auf Haltezonentemperatur "THZ" gebracht, auf welcher sie für die Dauer "tHZ"
gehalten wurden. Danach wurden die Kaltbänder aus den Versuchen 1-9 zunächst langsam
innerhalb einer Zeitspanne "tLK" auf eine Zwischentemperatur "TLK" abgekühlt, dann
von der Zwischentemperatur "TLK" mit einer Abkühlrate "ThetaQ" schnell auf eine Kühlstopp-temperatur
"TAB" abgeschreckt, auf welcher sie für eine Dauer "tQ" gehalten wurden. Das Kaltband
des Versuchs 10 wurde ohne langsame Abkühlung direkt mit einer Abkühlrate "ThetaQ"
schnell auf die Kühlstopptemperatur "TAB" abgeschreckt und auf dieser Temperatur für
die Dauer "tQ" gehalten. Anschließend wurden die Stahlflachprodukte über eine Zeit
"tBT" einem Partitioning unterzogen, wobei sie mit einer Aufheizrate "ThetaB1" auf
die Partitioningtemperatur "TB" erwärmt wurden. Abschließend wurden die Stahlflachprodukte
mit einer Abkühlrate "ThetaB2" auf Raumtemperatur abgeschreckt. Es wurden 10 Versuche
durchgeführt, von denen die Versuche 4, 8 und 10 den Vorgaben der Erfindung genügen.
[0068] Von den Versuchen 1-10 wurden Proben entnommen, an welchen das Gefüge untersucht
und die mechanischen Eigenschaften geprüft wurden. Die Ergebnisse der Gefügeuntersuchungen
sind in Tabelle 3 angegeben und die Ergebnisse der Prüfungen der mechanischen Eigenschaften
sind in Tabelle 4 angegeben. Dabei bezeichnet "MA" den Anteil angelassenen Martensits
am gesamten Gefüge, "M" den Anteil nicht angelassenen Martensits am gesamten Gefüge,
"F" den Anteil Ferrits, "B" den Anteil Bainits, "RA" den Anteil Restaustenits. Die
Begriffe Lanzettenlänge und Lanzettenbreite beziehen sich auf die Strukturen des Martensits.
[0069] Die Gefügeuntersuchungen erfolgten an Querschliffen bei 1/3t-Lage, d.h. an Schliffen,
welche bei einem Drittel der Blechdicke entnommen wurden. Die Schliffe wurden für
eine rasterelektronenmikroskopische (REM) Untersuchung präpariert und mit einer 3%-Nital-Ätzung
behandelt. Aufgrund der Feinheit der Gefügestrukturen wurde das Gefüge mittels REM-Betrachtung
bei 5000facher Vergrößerung charakterisiert. Die quantitative Bestimmung des Restaustenits
wurde mittels Röntgenbeugung (XRD) nach ASTM E975 durchgeführt.
[0070] Die Prüfung der mechanischen Eigenschaften Dehngrenze "Rp02", Zugfestigkeit "Rm"
und Dehnung "A80" erfolgte gemäß DIN EN ISO 6892:2009 an Proben, die keiner BH-Behandlung
unterzogen wurden. Zur Prüfung der BH-Eigenschaften wurden Proben aus denselben Stahlflachprodukten
entnommen und mit einer Vorverformung von 2% beaufschlagt und für 20 Minuten bei 170
°C angelassen. Die Prüfung des Bake-Hardening-Werts "BH2" erfolgte gemäß DIN EN 10325:2006.
Die Prüfung der nach der BH-Behandlung vorliegenden Dehnung "A80_BH", welche auch
als Restdehnung bezeichnet wird, erfolgte gemäß DIN EN ISO 6892:2009.
[0071] Die Versuche zeigen, dass die Differenz der Dehngrenze Rp02 vor der BH-Behandlung
und der Streckgrenze nach der BH-Behandlung mit zunehmender Festigkeit des Stahlflachprodukts
tendenziell zunimmt. Dies lässt sich auf den höheren Martensitanteil der höherfesten
Proben zurückführen. Bei vergleichbarer Festigkeit und Dehnung A80 weisen die erfindungsgemäßen
Proben 4 und 8 einen höheren BH-Wert "BH2" und eine deutlich bessere Restdehnung "A80_BH"
auf als ihre nicht erfindungsgemäß aus gleicher Schmelze hergestellten Vergleichsproben
5 und 9.
Tabelle 1
| Schmelze |
C |
Si |
Mn |
P |
S |
Al |
Cr |
Nb |
Mo |
N |
Ti |
B |
| A |
0,142 |
0,210 |
1,63 |
0,012 |
0,0027 |
0,031 |
0,780 |
- |
- |
0,0027 |
0,037 |
0,0011 |
| B |
0,072 |
0,260 |
2,59 |
0,013 |
0,0021 |
0,029 |
0,690 |
- |
0,11 |
0,0025 |
0,079 |
0,0013 |
| C |
0,158 |
1,180 |
1,99 |
0,014 |
0,0020 |
0,017 |
- |
- |
- |
0,0016 |
0,015 |
0,0015 |
| D |
0,153 |
0,420 |
2,35 |
0,013 |
0,0025 |
0,710 |
0,720 |
0,027 |
- |
0,0042 |
0,023 |
0,0014 |
| E |
0,218 |
1,478 |
2,21 |
0,016 |
0,0023 |
0,024 |
0,173 |
- |
- |
0,0046 |
- |
- |
Angaben in Gew.-%, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen.
Unterstrichene Werte liegen außerhalb der erfindungsgemäßen Vorgaben. |
Tabelle 2a
| Probe |
Schmelze |
A3 [°C] |
TMS [°C] |
KWG [%] |
Theta H1 [K/s] |
TW [°C] |
ThetaH2 [K/s] |
THZ [°C] |
tHZ [s] |
| 1 |
A |
808 |
429 |
42 |
12 |
350 |
3,5 |
780 |
14 |
| 2 |
B |
816 |
429 |
39 |
10 |
375 |
4,0 |
820 |
7 |
| 3 |
B |
816 |
429 |
25 |
10 |
375 |
4,0 |
820 |
18 |
| 4 |
C |
840 |
403 |
45 |
12 |
350 |
5,0 |
850 |
8 |
| 5 |
C |
840 |
403 |
29 |
12 |
350 |
5,0 |
850 |
6 |
| 6 |
D |
799 |
421 |
48 |
15 |
360 |
3,5 |
875 |
5 |
| 7 |
D |
799 |
421 |
33 |
15 |
360 |
3,5 |
875 |
12 |
| 8 |
E |
834 |
369 |
42 |
12 |
325 |
3,3 |
895 |
9 |
| 9 |
E |
834 |
369 |
25 |
12 |
325 |
3,3 |
895 |
13 |
| 10 |
E |
834 |
369 |
44 |
12 |
325 |
3,3 |
895 |
9 |
| Unterstrichene Werte liegen außerhalb der erfindungsgemäßen Vorgaben |
Tabelle 2b
| Probe |
Schmelze |
TLK [°C] |
tLK [s] |
ThetaQ [K/s] |
TAB [°C] |
tQ [s] |
TB [°C] |
ThetaB1 [K/s] |
tBT [s] |
ThetaB2 [K/s] |
| 1 |
A |
685 |
415 |
33 |
410 |
25 |
425 |
65 |
15 |
20 |
| 2 |
B |
690 |
320 |
34 |
390 |
15 |
440 |
35 |
30 |
15 |
| 3 |
B |
690 |
340 |
34 |
390 |
55 |
440 |
50 |
25 |
33 |
| 4 |
C |
710 |
129 |
38 |
355 |
30 |
455 |
25 |
150 |
25 |
| 5 |
C |
710 |
75 |
38 |
355 |
65 |
455 |
15 |
80 |
29 |
| 6 |
D |
715 |
185 |
31 |
340 |
20 |
437 |
70 |
120 |
15 |
| 7 |
D |
715 |
290 |
31 |
340 |
45 |
437 |
45 |
70 |
34 |
| 8 |
E |
685 |
45 |
33 |
330 |
55 |
445 |
30 |
200 |
35 |
| 9 |
E |
685 |
25 |
33 |
330 |
10 |
445 |
5 |
15 |
27 |
| 10 |
E |
* |
* |
39 |
330 |
50 |
450 |
30 |
180 |
33 |
Unterstrichene Werte liegen außerhalb der erfindungsgemäßen Vorgaben
* Keine Langsamkühlung durchgeführt |
Tabelle 3
| Probe |
MA |
M |
F |
B |
RA |
Lanzettenlänge [µm] |
Lanzettenbreite [nm] |
| 1 |
25 |
30 |
40 |
Sp. |
2 |
3,5 |
400 |
| 2 |
45 |
25 |
27 |
0 |
3 |
7,5 |
600 |
| 3 |
35 |
32 |
26 |
0 |
7 |
8,5 |
850 |
| 4 |
70 |
15 |
7 |
Sp. |
7 |
4,5 |
150 |
| 5 |
60 |
28 |
5 |
Sp. |
6 |
9,0 |
700 |
| 6 |
70 |
20 |
8 |
Sp. |
2 |
8,0 |
450 |
| 7 |
55 |
35 |
9 |
0 |
1 |
11,5 |
650 |
| 8 |
80 |
5 |
Sp. |
Sp. |
12 |
6,0 |
250 |
| 9 |
65 |
25 |
Sp. |
Sp. |
8 |
9,5 |
750 |
| 10 |
85 |
0 |
Sp. |
Sp. |
13 |
6,5 |
275 |
| Unterstrichene Werte liegen außerhalb der erfindungsgemäßen Vorgaben. "Sp." steht
für Spuren, d.h. Gefügeanteile von höchstens 2 Flächen-%. Angaben zu MA, M, F, B in
Flächen-%. Angaben zu RA in Vol.-%. |
Tabelle 4
| Probe |
Rp02 [MPa] |
Rm [MPa] |
A80 [%] |
BH2 [MPa] |
A80_BH [%] |
| 1 |
475 |
810 |
21 |
28,3 |
19,3 |
| 2 |
750 |
1050 |
12 |
83,78 |
5,1 |
| 3 |
720 |
1065 |
13 |
65 |
5,1 |
| 4 |
823 |
1060 |
18,1 |
85 |
15,3 |
| 5 |
791 |
1073 |
18,6 |
80 |
7,5 |
| 6 |
912 |
1217 |
7,8 |
123 |
1,8 |
| 7 |
940 |
1235 |
8,2 |
137,2 |
2,4 |
| 8 |
907 |
1204 |
13,3 |
158 |
12 |
| 9 |
825 |
1229 |
12,7 |
148 |
5,1 |
| 10 |
935 |
1225 |
13,1 |
151 |
10,4 |
| Unterstrichene Werte liegen außerhalb der erfindungsgemäßen Vorgaben. |
1. Für eine Bake-Hardening-Behandlung geeignetes höchstfestes Stahlflachprodukt, das
aus einem Stahl besteht, der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%)
aus
C: 0,1 - 0,5 %,
Si: 0,5 - 2,0 %,
Mn: 1,0 - 3,0 %,
Al: 0,01 - 1,5 %,
N: 0,001 - 0,008 %,
P: ≤ 0,02 %,
S: ≤ 0,005 %,
sowie optional aus einem oder mehreren der folgenden Elemente Cr: 0,01 - 1,0 %, Mo:
0,01 - 0,2 %, B: 0,001 - 0,01 %,
sowie optional aus in Summe 0,005 - 0,2 % V, Ti und Nb, wobei der Ti-Anteil nicht
mehr als 0,10 % beträgt,
besteht, wobei das Stahlflachprodukt ein Gefüge aufweist, das aus
- nicht mehr als 15 Flächen-% Ferrit,
- nicht mehr als 5 Flächen-% Bainit,
- mindestens 5 Volumen-% Restaustenit und
- mindestens 80 Flächen-% Martensit, von welchem mindestens 75 Flächen-% angelassener
Martensit ist,
besteht, wobei bezogen auf den gesamten Anteil Martensit im Gefüge dieser für mindestens
90% des Martensits eine Martensitlanzettenlänge von höchstens 7,5 µm und eine Martensitlanzettenbreite
von höchstens 1000 nm aufweist.
2. Stahlflachprodukt nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, dass der Kohlenstoffgehalt mindestens 0,14 Gew.-% beträgt.
3. Stahlflachprodukt nach Anspruch 1 oder 2 dadurch gekennzeichnet, dass die Summe des Si-Gehalts und der Hälfte des Al-Gehalts mindestens 0,9 Gew.-% beträgt.
4. Stahlflachprodukt nach einem der voranstehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass der Si-Gehalt mindestens 0,5 Gew.-% beträgt.
5. Stahlflachprodukt nach einem der voranstehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass der Si-Gehalt mindestens 0,9 Gew.-% beträgt.
6. Stahlflachprodukt nach einem der voranstehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass der Al-Gehalt des Stahls des Stahlflachprodukts mindestens 0,02 Gew.-% beträgt.
7. Stahlflachprodukt nach einem der voranstehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass der Al-Gehalt des Stahls des Stahlflachprodukts höchstens 0,2 Gew.-% beträgt.
8. Stahlflachprodukt nach einem der voranstehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass es eine Dehngrenze Rp02 von über 700 MPa oder eine Streckgrenze ReH von über 700
MPa, eine Zugfestigkeit Rm von 950 - 1500 MPa, eine Dehnung A80 von 7 - 25 % und einen
BH2-Wert, der nach einer Vorverformung von 2% und einem Anlassen für 20 Minuten bei
170°C gemäß DIN EN 10325:2006 bestimmt wird, von mindestens 80 MPa aufweist.
9. Stahlflachprodukt nach einem der voranstehenden Ansprüche dadurch gekennzeichnet, dass es mindestens auf einer Seite mit einem auf Zink basierendem Korrosionsschutzüberzug
versehen ist.
10. Verfahren zum Herstellen eines für eine Bake-Hardening-Behandlung geeigneten höchstfesten
Stahlflachprodukts umfassend folgende Arbeitsschritte:
a) Bereitstellen eines warmgewalzten Stahlflachprodukts, welches aus einem Stahl besteht,
der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen aus (in Gew.-%)0,1 - 0,5 % C,
1,0 - 3,0 % Mn, 0,5 - 2,0 % Si, 0,01 - 1,5 % Al, 0,001 - 0,008 % N, bis zu 0,02 %
P, bis zu 0,005 % S sowie optional aus einem oder mehreren der folgenden Elemente:
0,01 - 1,0 % Cr, 0,01 - 0,2 % Mo, 0,001 - 0,01 % B sowie optional aus in Summe 0,005
- 0,2 % V, Ti und Nb, wobei der Ti-Anteil nicht mehr als 0,10 % beträgt, besteht;
b) Beizen des warmgewalzten Stahlflachprodukts;
c) Kaltwalzen des Stahlflachprodukts mit einem Kaltwalzgrad von mindestens 37 %;
d) Erwärmen des kaltgewalzten Stahlflachprodukts auf eine Haltezonentemperatur THZ,
welche oberhalb der A3-Temperatur des Stahls liegt und höchstens 950 °C beträgt, wobei
das Aufheizen bis zu einer 200 - 400 °C betragenden Wendetemperatur TW mit einer Aufheizgeschwindigkeit
ThetaH1 von 5 - 50 K/s und oberhalb der Wendetemperatur TW mit einer Aufheizgeschwindigkeit
ThetaH2 von 2 - 10 K/s erfolgt;
e) Halten des Stahlflachprodukts für 5 - 15 s auf der Haltezonentemperatur THZ;
f) optionales Abkühlen des Stahlflachprodukts innerhalb von 30 - 300 Sekunden von
der Haltezonentemperatur THZ auf eine mindestens 620 und höchstens 720°C betragende
Zwischentemperatur TLK;
g) Abkühlen des Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ThetaQ von mehr als durchschnittlich
5 K/s auf eine Kühlstopptemperatur TAB, welche zwischen der Martensitstarttemperatur
TMS und einer Temperatur, die bis zu 175 °C kleiner als TMS ist, liegt;
h) Halten des Stahlflachprodukts auf der Kühlstopptemperatur TAB für 10 - 60 Sekunden;
i) Erwärmen des Stahlflachprodukts mit einer Aufheizrate ThetaB1, welche 1 - 80 K/s
beträgt, auf eine 350 - 500 °C betragende Behandlungstemperatur TB und optionales
isothermes Halten des Stahlflachprodukts auf der Behandlungstemperatur TB, wobei die
Zeit für das Erwärmen und das optionale isotherme Halten insgesamt 10 - 1000 Sekunden
beträgt;
j) Abkühlen des Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ThetaB2 von mehr als 5 K/s
und weniger als 500 K/s auf Raumtemperatur
k) optionales Beschichten des Stahlflachprodukts in einem Schmelzbad entweder
k1) mittels Schmelztauchbeschichten vor dem Abkühlen in Arbeitsschritt j) oder
k2) mittels elektrolytischem Beschichten nach dem Abkühlen in Arbeitsschritt j).
11. Verfahren nach Anspruch 10 dadurch gekennzeichnet, dass der Kaltwalzgrad in Arbeitsschritt c) mindestens 42 % beträgt.
12. Verfahren nach Anspruch 10 oder 11 dadurch gekennzeichnet, dass das Stahlflachprodukt in Arbeitsschritt k) ein auf Zink basierendes Schmelzbad durchläuft.
13. Verfahren nach Anspruch 12 dadurch gekennzeichnet, dass die Schmelzbadzusammensetzung in Arbeitsschritt k) aus 1-2 Gew.-% Al, 1-2 Gew.-%
Mg, Rest Zink und unvermeidbare Verunreinigungen besteht.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 10 bis 13 dadurch gekennzeichnet, dass die optionale Beschichtungsbehandlung in Arbeitsschritt k) in einem kontinuierlichen
Ablauf erfolgt.
15. Verfahren nach einem der Ansprüche 10 bis 14 dadurch gekennzeichnet, dass die Abkühlrate ThetaB2 in Arbeitsschritt j) mehr als 20 K/s beträgt.