[0001] Die Erfindung betrifft ein hochfestes Stahlflachprodukt mit einer Mindeststreckgrenze
von 680 MPa, welches über ein gezielt eingestelltes Verhältnis von Streckgrenze und
Zugfestigkeit verfügt, aufgrund dessen das Stahlflachprodukt eine hervorragende Umformbarkeit
besitzt.
[0002] Eine hohe Festigkeit von Stahlflachprodukten ermöglicht eine Konstruktion von Bauteilen,
die hohen mechanischen Belastungen Stand halten und gleichzeitig ein geringes Bauteilgewicht
aufweisen. Diese Eigenschaft erlaubt unter anderem Anwendungen im Bereich des Nutzfahrzeugbaus
sowie des Mobilkranbaus. Auch in Anwendungen, in denen ein Stahlflachprodukt abrasivem
Verschleiß unterliegt, ist eine hohe Festigkeit des Stahlflachproduktes hilfreich,
da hiermit eine hohe Härte einhergeht, welche dem Verschleiß entgegenwirkt. Solche
Anwendungen sind etwa Kippermulden oder Förderzeuge, bei denen abrasiver Verschleiß
auftritt.
[0003] Gleichwohl bedarf es neben der hohen Festigkeit eines ausreichenden Umformvermögens,
um die Herstellung von Bauteilen aus einem Stahlflachprodukt zu ermöglichen. Eine
hohe Festigkeit geht jedoch typischerweise mit einer verringerten Umformbarkeit einher.
[0004] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein hochfestes Stahlflachprodukt bereitzustellen,
das verbesserte Umformeigenschaften aufweist. Weitere Aufgabe ist es ein effizientes
Verfahren zur Herstellung dieses Stahlflachproduktes bereitzustellen.
[0005] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein warmgewalztes Stahlflachprodukt, das aus einem
Stahl mit der nachfolgend angegebenen Zusammensetzung besteht (in Gew.-%):
- C : 0,03-0,65 Gew.-%
- Mn: 0,1-2,5 Gew.-%
- Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
und eine Streckgrenze von mindestens 680 MPa aufweist. Optional umfasst der Stahl
weitere Elemente, die im Folgenden noch ausführlich erläutert werden. Zudem liegt
ein minimales Verhältnis von Streckgrenze und Zugfestigkeit von 0,6 vor.
[0006] Für eine gute Umformbarkeit ist die Einstellung eines definierten Verhältnisses aus
Streckgrenze und Zugfestigkeit vorteilhaft, da dieses Verhältnis die Verfestigung
während des Umformprozesses beschreibt. Dabei ist eine ausgewogene Verfestigung vorteilhaft,
da eine zu starke Verfestigung zu einem unerwünscht schnellen Anstieg in der Umformkraft
führt und eine zu geringe Verfestigung in einer Lokalisation der Umformung und damit
lokaler Ausdünnung oder lokalem Versagen resultiert.
[0007] Aus dem Stand der Technik ist etwa durch
US 3,841,132 bekannt, dass ein Richtprozess Einfluss auf eine ausgeprägte Streckgrenze hat. Der
in
US 3,841,132 vorgeschlagene Richtapparat weist entsprechende konstruktive Merkmale auf, um eine
ausgeprägte Streckgrenze zu beseitigen.
[0008] Die hier vorliegende Erfindung hat zum Ziel mit Hilfe einer konventionellen Richtmaschine
Einfluss auf die Streckgrenze zu nehmen und damit das Verhältnis von Streckgrenze
und Zugfestigkeit entsprechend den Anforderungen einzustellen.
[0009] Unter der Streckgrenze R
e eines Stahlflachproduktes wird im Sinne dieser Anmeldung die obere Streckgrenze R
eH verstanden, wenn das Stahlflachprodukt eine ausgeprägte Streckgrenze aufweist. Andernfalls
(das heißt für Stahlflachprodukte ohne eine ausgeprägte Streckgrenze) wird im Sinne
dieser Anmeldung unter der Streckgrenze des Stahlflachproduktes die Dehngrenze R
p02 verstanden.
[0010] Für eine nachfolgende Umformung ist ein definiertes Verhältnis von Streckgrenze und
Zugfestigkeit von Bedeutung, da dieses Verhältnis eine Aussage über die Verfestigung
des Materials zulässt. Eine übermäßig stark ausgeprägte Verfestigung, die mit kleinen
Verhältnissen von Streckgrenze und Zugfestigkeit einhergeht, führt in einem Umformprozess
zu einer schnell ansteigenden Kraft, sodass ein minimales Verhältnis von Streckgrenze
und Zugfestigkeit von 0,6 im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt vorliegt. Ein günstigeres
Verhalten durch eine nach oben begrenzte Kaltverfestigung ergibt sich insbesondere
bei einem minimalen Verhältnis von Streckgrenze und Zugfestigkeit von 0,7, bevorzugt
bei einem minimalen Verhältnis von Streckgrenze und Zugfestigkeit von 0,8, besonders
bevorzugt bei einem minimalen Verhältnis von Streckgrenze und Zugfestigkeit von 0,85.
Neben einer zu starken Kaltverfestigung ist auch eine zu geringe Kaltverfestigung
nachteilig, da in diesem Fall die Umformung inhomogen abläuft und es zu einer unerwünschten
Lokalisation der Umformung kommen kann. Daher liegt das maximale Verhältnis von Streckgrenze
und Zugfestigkeit unter 0,97, insbesondere unter 0,95, bevorzugt unter 0,93, besonders
bevorzugt unter 0,9.
[0011] Die Streckgrenze des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes Re, welche nach DIN EN
ISO 6892 ermittelt wird, beträgt mindestens 680 MPa, um eine ausreichende Festigkeit
für konstruktive und verschleißbeanspruchte Anwendungen sicherzustellen. Insbesondere
beträgt die Mindeststreckgrenze 890 MPa, um effiziente Konstruktionen zu ermöglichen.
[0012] Das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt zeichnet sich bevorzugt durch ein Verhältnis
der Streckgrenze zum Elastizitätsmodul aus, welches bei maximal 0,01 liegt. Je kleiner
dieses Verhältnis ist, desto geringer ist die elastische Dehnung, die bis zum Erreichen
der Streckgrenze aufgebracht werden muss. Im Prozess des Richtwalzens werden Ebenheitsabweichungen
durch ein elastisch-plastisches Biegen entfernt. Dabei können mit größer werdendem
plastischen Anteil stärker ausgeprägte Ebenheitsabweichungen beseitigt werden. Für
eine gegebene Richtmaschine ist der erreichbare plastische Anteil der Biegung neben
den Anlagenabmessungen und der Rollenanstellung vom Verhältnis der Streckgrenze zum
Elastizitätsmodul abhängig. Daher ist ein maximales Verhältnis von Streckgrenze und
Elastizitätsmodul von insbesondere 0,0085 günstig. Um ausgeprägte Ebenheitsabweichungen
beseitigen zu können, ist ein maximales Verhältnis von Streckgrenze zu Elastizitätsmodul
von 0,007 bevorzugt, ein maximales Verhältnis von Streckgrenze zu Elastizitätsmodul
von 0,0055 besonders bevorzugt.
[0013] Der Elastizitätsmodul beschreibt bei festen Körpern das linear-elastische Verhalten
und den proportionalen Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung bei der Verformung.
Der Elastizitätsmodul wächst mit dem Widerstand, den ein Material seiner elastischen
Verformung entgegensetzt. Er wird hier im Weiteren nach DIN EN ISO 6892-1 gemessen.
[0014] Kohlenstoff senkt den Elastizitätsmodul in zunehmenden Maße ab 0,03 Gew.-%, Mangan
senkt den Elastizitätsmodul in zunehmenden Maße ab 0,1 Gew.-%. Bei Kohlenstoffgehalten
über 0,65 Gew.-% und Mangangehalten über 2,5 Gew.-% wird keine senkende Wirkung auf
den Elastizitätsmodul mehr festgestellt. Durch die gewählten Legierungsgehalte an
Kohlenstoff und Mangan wird gezielt ein Elastizitätsmodul von kleiner 215 GPa, bevorzugt
kleiner oder gleich 210 GPa und besonders bevorzugt kleiner oder gleich 206 GPa eingestellt,
wobei der Elastizitätsmodul größer 190, bevorzugt größer oder gleich 195 und besonders
bevorzugt größer oder gleich 198 GPa beträgt. Die Werte werden bevorzugt längs der
Walzrichtung zu messen.
[0015] Das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt zeichnet sich durch eine hervorragende Umformbarkeit
aus, welche für typische Anwendungen in Biegeoperationen besteht. Diese hervorragende
Umformbarkeit wird durch ein möglichst geringes Verhältnis aus minimalem Biegeradius
zur Dicke dw des Stahlflachproduktes charakterisiert. Zur Ermittlung des minimalen
Biegeradius werden Probestreifen des zu prüfenden Materials mit beliebiger, jedoch
in einer Prüfreihe konstanter Orientierung zur Walzrichtung mit stetig kleiner werdendem
Biegeradius gebogen. Die konvexe Biegeseite wird einer optischen Kontrolle, ggf. unterstützt
durch vergrößernde Optiken, unterzogen. Sind keine Risse sichtbar, so gilt die Prüfung
als bestanden. Sind Risse feststellbar, so gilt der zuvor verwendete Biegeradius,
bei dem keine Rissbildung feststellbar war, als der minimal mögliche Biegeradius.
Als Grenzwert zur Definition eines Risses wird eine Mindestrisslänge von 10 µm festgelegt.
[0016] Sofern die Streckgrenze kleiner ist als 1100MPa beträgt das Verhältnis des minimalen
Biegeradius zur Dicke des Stahlflachproduktes maximal 4, insbesondere maximal 2,5,
bevorzugt maximal 2,1.
[0017] Für Streckgrenzen größer oder gleich 1100 MPa beträgt das Verhältnis von minimalem
Biegeradius und Dicke maximal 4,5, insbesondere maximal 3,0, bevorzugt maximal 2,5.
[0018] Um die geforderte Festigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes einzustellen,
besteht das Gefüge insbesondere aus Bainit, Martensit sowie Restaustenit. Die Bezeichnung
"Bainit" schließt ausdrücklich bainitischen Ferrit und versetzungsreichen Ferrit mit
ein. Die Bezeichnung "Martensit" schließt ebenso angelassenen Martensit ein. Die im
weiteren genannten Anteile der Gefügebestandteile beziehen sich stets auf eine Auswertung
bezogen auf die Fläche.
[0019] Beträgt die Streckgrenze weniger als 890 MPa, so umfasst das Gefüge bevorzugt zu
mindestens 50% Bainit, höchstens 10 Vol.-%, bevorzugt höchstens 5 Vol.-% Martensit.
Insbesondere kann das Gefüge zu 100 Vol.-% Bainit umfassen.
[0020] Beträgt die Streckgrenze mindestens 890MPa, so weist der Stahl ein Gefüge auf, das
mehr als 50 Vol.-% Martensit, höchstens 10 Vol.-%, bevorzugt höchstens 5 Vol.-% Ferrit,
Rest Bainit umfasst. Insbesondere kann das Gefüge zu 100 Vol.-% Martensit umfassen.
[0021] Insbesondere weist das warmgewalzte Stahlflachprodukt eine Dicke dw von 1,5 mm bis
25 mm, insbesondere bis 20 mm auf. Aufgrund des angestrebten Einsatzprofils beträgt
die Dicke bevorzugt mindestens 2,0 mm, insbesondere mindestens 3,0 mm, um hinreichend
steife Konstruktionen zu ermöglichen. Die maximale Dicke beträgt bevorzugt 15 mm,
da auf diese Weise eine Gewichtsreduktion möglich ist.
[0022] In bevorzugten Varianten umfasst das Stahlflachprodukt eines oder mehrere der folgenden
optionalen Elemente mit dem nachfolgend angegebenen Gewichtsanteil:
- Si: 0,05 - 1,5 Gew.-%
- Al: 0,01 - 1,5 Gew.-%
- B: 0,0001 - 0,0075 Gew.-%
- Nb: 0,002 - 0,2 Gew.-%
- Cr: 0,05 - 2,5 Gew.-%
- Mo: 0,01- 1,0 Gew.-%
- Ti: 0,002 - 0,3 Gew.-%
- V: 0,002 - 0,5 Gew.-%
- Ni: 0,05 - 10 Gew.-%
- Cu: 0,005- 1,0 Gew.-%
- Ca: 0,0001- 0,0065 Gew.-%
- REM: 0,001-0,05 Gew.-%
- N: 0,002- 0,01 Gew.-%
- P: 0,003 - 0,05 Gew.-%
- Sn: 0,001% - 0,04 Gew.-%
- As: 0,001 - 0,02 Gew.-%
- O: 0,001 - 0,03 Gew.-%
- Co: 0,01 - 1 Gew.-%
- W: 0,005 - 0,2 Gew.-%
- Zr: 0,005 - 0,2 Gew.-%
- Be: 0,001- 0,1 Gew.-%
- Sb: 0,001- 0,3 Gew.-%
- S: 0,0002- 0,02 Gew.-%
- Pb: 0,0001 -0,02 Gew.-%
[0023] In einer besonders bevorzugten Variante umfasst das Stahlflachprodukt folgende Elemente
mit dem nachfolgend angegebenen Gewichtsanteil:
- C: 0,03-0,65 Gew.-%
- Mn: 0,1-2,5 Gew.-%
- Al: 0,01 - 1,5 Gew.-%
- B: 0,0001 - 0,0075 Gew.-%
- Nb: 0,002 - 0,2 Gew.-%
- Ti: 0,002 - 0,3 Gew.-%
- V: 0,002 - 0,5 Gew.-%
- Cu: 0,005- 1,0 Gew.-%
- N: 0,002- 0,01 Gew.-%
- P: 0,003 - 0,05 Gew.-%
- S: 0,0002- 0,02 Gew.-%
- Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen
[0024] Die verschiedenen Bestandteile des Stahls sind im Folgenden ausführlich erläutert,
wobei auch jeweils bevorzugte Mindestgehalte und Maximalgehalte für deren Beilegierung
angegeben sind.
[0025] Kohlenstoff (C) ist primär zur Steigerung von Zugfestigkeit und Streckgrenze im Stahlsubstrat
vorhanden. Durch C-Gehalte von mindestens 0,03 Gew.-% kann die Wirkung im erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukt effizient genutzt werden. Die interstitielle Löslichkeit des Kohlenstoffs
sowohl in der kubisch-flächenzentrierten als auch in der kubisch-raumzentrierten Gitterstruktur
ermöglicht eine solche Festigkeitssteigerung. Da die Löslichkeit jedoch innerhalb
der verschiedenen Gitterstrukturen variiert, kann die Anwesenheit von C außerdem zu
einer martensitischen Phasenumwandlung führen. Hierbei wird durch eine ausreichend
hohe Abkühlrate der Kohlenstoff in der raumzentrierten Struktur zwangsgelöst und führt
somit zu einer tetragonalen Verzerrung des kubischen Systems. Diese Martensitumwandlung
resultiert in einer signifikanten Festigkeitssteigerung, die bei prozesstypischen
Variationen vorzugsweise im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt bei C-Gehalten ab
0,06 Gew.-% besonders sicher stattfindet. Bei erhöhten Temperaturen kann es zwischen
C und weiteren Legierungselementen zur Bildung von Karbiden kommen, welche ebenfalls
zu einer erhöhten Festigkeit beitragen. Diese Karbide sind entweder härter als die
umgebende Matrix oder verzerren die Matrix in solchem Maße, dass deren Härte ansteigt.
Dieser Härteanstieg beeinflusst insbesondere die Verschleißfestigkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachproduktes positiv. Für eine effiziente Ausnutzung der Karbidbildung sollte
bevorzugt ein C-Gehalt von 0,07 Gew.-% nicht unterschritten werden. Gleichzeitig hat
der C-Gehalt eine senkende Wirkung auf die Martensit-Starttemperatur. Um die Durchhärtbarkeit
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts zu gewährleisten, wird eine Obergrenze des
C-Gehalts von maximal 0,65 Gew.-% empfohlen. Auch die Schweißeignung wird durch den
C-Gehalt beeinflusst. So kann vorzugsweise bei maximalen C-Gehalten von 0,4 Gew.-%
eine besonders gute Schweißeignung gewährleistet werden. Um die Ausnutzung der positiven
Wirkung des Kohlenstoffs auf die Festigkeitseigenschaften zu ermöglichen und gleichzeitig
die Reduzierung der Duktilität und Zähigkeit eines erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes
zu limitieren, ist der C-Gehalt bevorzugt auf maximal 0,2 Gew.-% zu beschränken.
[0026] Mangan (Mn) nimmt im Stahlsubstrat als Legierungselement reguläre Gitterplätze ein.
Dabei verzerren die Substitutionsatome durch ihren Atomradius, der sich von dem der
Eisenatome unterscheidet, das kubische Gitter und erhöhen somit die Festigkeit. Um
diesen Effekt der Mischkristallverfestigung zu ermöglichen, soll Mn in Gehalten von
mindestens 0,1 Gew.-% im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt vorliegen. Des Weiteren
wird Mn aufgrund seiner hohen Sauerstoffaffinität als Desoxidationsmittel eingesetzt.
Ein vorzugweise eingestellter Mindest-Gehalt von 0,5 Gew.-% wirkt sich beruhigend
auf die Schmelze des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts aus. Neben Sauerstoff weist
Mn außerdem eine hohe Affinität zum Schwefel, der herstellungsbedingt meist in Form
von unvermeidbaren Verunreinigungen im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt vorliegt,
auf. Durch bevorzugte Zugabe von Mn-Gehalten von mindestens 0,7 Gew.-% kann durch
diese Affinität der Schwefel abgebunden werden (zu MnS) und so die Bildung versprödender
Phasen (z. B. FeS) vermieden werden. Mn neigt zur Ausbildung von Seigerungen über
die Materialdicke, welche die mechanisch-technologischen Eigenschaften des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts verschlechtern. Solche Seigerungen können durch einen Grenzwert
des Mn-Gehalts von maximal 3,0 Gew.-% eingedämmt werden, um das entsprechende Eigenschaftsprofil
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts homogen zu gewährleisten. Des Weiteren kann
bei höheren Mn-Gehalten die Schweißeignung und das Umformverhalten von erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukten negativ beeinflusst werden. Vorzugsweise können durch eine Beschränkung
des Mn-Gehalts auf maximal 2,5 Gew.-% die negativen Effekte auf die Fügbarkeit weitestgehend
unterdrückt werden. Bei höherem Mn-Gehalt wird das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt
überhitzungsempfindlicher und neigt zur Anlasssprödigkeit. Um diese negativen Effekte
einzudämmen und die Wirkung der Mn-Legierung optimal auszunutzen, wird bevorzugt ein
Mn-Gehalt von maximal 2,0 Gew.-% beigefügt.
[0027] Neben den Pflichtelementen, deren Zugabe für die Herstellung eines erfindungsgemäßen
Stahlflachproduktes notwendig sind, können optional zusätzliche Elemente beigefügt
werden, um die gewünschten mechanisch-technologischen Eigenschaften in besonderem
Maße zu erfüllen. Alle optionalen Elemente können in geringeren als den hier angegebenen
Mindestgehalten in Form von Verunreinigungen vorliegen ohne die Eigenschaften des
Produkts wesentlich zu beeinflussen.
[0028] Optional können die folgenden Elemente hinzugefügt werden:
Silizium (Si) bildet als optionales Legierungselement im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt
einen Substitutionsmischkristall, was zu einer Steigerung der Festigkeit führt. Durch
die Zugabe von mindestens 0,05 Gew.-% wird ein Festigkeitsniveau erzielt, wie es im
Profil des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts beschrieben ist. Si besitzt des Weiteren
die Fähigkeit, im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt als unerwünschte Verunreinigung
vorliegenden Sauerstoff an sich zu binden und dadurch die Schmelze zu beruhigen. Diese
Eigenschaft, welche das optionale Legierungselement Aluminium (AI) ebenfalls aufweist,
kommt vorzugsweise bei Si-Gehalten von mindestens 0,07 Gew.-% zum Tragen. Als Karbidhemmer
erhöht Si im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt die Beständigkeit gegen eine unerwünschte
Festigkeitsabnahme innerhalb der Wärmeeinflusszone beim Schweißen und Anlassen. Diese
Faktoren kommen bevorzugt bei Si-Gehalten von mindestens 0,10 Gew.-% zum Tragen. Durch
die Zugabe von zu großen Mengen an Si wird die Walzbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
negativ beeinflusst. So ist eine gute Walzbarkeit sichergestellt, wenn der Si-Gehalt
maximal 1,5 Gew.-% beträgt. Hohe Si-Gehalte begünstigen außerdem die Bildung von Rotzunder,
welcher durch seine isolierende Wirkung die Effizienz des Kühlwassers deutlich reduziert.
Um die notwendige Prozessstabilität zur sicheren Herstellung des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts zu gewährleisten, ist vorzugsweise ein Si-Gehalt von maximal 0,6
Gew.-% nicht zu überschreiten. Für eine optimale Erzielung der mechanisch-technologischen
Eigenschaften bei gleichzeitig stabiler Prozessführung während der Herstellung des
erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts ist bevorzugt ein maximaler Si-Gehalt von 0,35
Gew.-% zu wählen. Neben den beschriebenen Grenzwerten ist eine alternative Variante
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts möglich, bei welcher ein maximaler Si-Gehalt
bis 0,040 Gew.-% eingehalten wird. Durch diese Einschränkung wird die Stückverzinkbarkeit
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts in solchem Maße verbessert, dass dieser Fertigungsschritt
optional ausgeführt werden kann.
[0029] Wie Silizium kann auch Aluminium (AI) optional als Legierungselement eingesetzt werden.
Bei der Stahlherstellung wird AI üblicherweise zur Beruhigung der Schmelze eingesetzt.
Durch die Abbindung des Sauerstoffs zu Al203 wird das Aufsteigen von Sauerstoffblasen
vermieden. Im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt ist, um diesen Effekt auszunutzen,
ein Al-Gehalt von mindestens 0,01 Gew.-% notwendig. Neben der Funktion als Desoxidationsmittel
in der Stahlschmelze, welche durch die hohe Sauerstoffaffinität des Aluminiums zustande
kommt, wird AI auch zur Kornfeinung genutzt. So bindet AI ebenfalls das optionale
Legierungselement Stickstoff (N) und es bilden sich Aluminiumnitride. Diese verbessern
die Keimbildung und behindern durch die resultierend hohe Keimdichte das Kornwachstum,
wodurch mehr kleine Körner entstehen und die Zähigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
gesteigert wird. Für die Kornfeinung ist vorzugsweise ein Al-Gehalt von mindestens
0,02 Gew.-% erforderlich. Da beim erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt optional Bor
(B) zur Erzielung einer hohen Härte eingesetzt werden kann, ist eine gute Abbindung
des enthaltenen Stickstoffs wichtig. Bei der optionalen Anwesenheit von Niob (Nb)
kann AI die Bildungsenergie von Niobnitriden und -karbonitriden herabsetzen, wodurch
das atomare Bor ungebunden die Eigenschaften des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
verbessern kann. Des Weiteren senkt ein ausreichender Al-Gehalt die Dichte. Um gegen
mögliche prozessbedingte und technisch nur mit hohem Aufwand vermeidbare Schwankungen
des N-Gehalts abgesichert zu sein und eine geringere Dichte einzustellen, sollte bevorzugt
ein Al-Gehalt von mindestens 0,070 Gew.-% gewählt werden. Um alle vorgenannten Effekte
der Al-Legierung zugleich sicher nutzen zu können, wird der Al-Gehalt besonders bevorzugt
auf mindestens 0,085 Gew.-% eingestellt. Durch die hohe Affinität zum Sauerstoff vergröbern
die resultierenden Al203-Partikel bei hohen Al-Gehalten. Um die Ausscheidung grober
Partikel, die negativen Einfluss auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften
nehmen, zu verhindern, sollte ein Al-Gehalt von maximal 1,5 Gew.-% nicht überschritten
werden. Bei der Herstellung eines erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes wirkt sich
der enthaltene Al-Gehalt auf die Vergießbarkeit aus. Um eine gute Vergießbarkeit zu
gewährleisten, ist vorzugsweise ein Al-Gehalt von maximal 0,4 Gew.-% einzustellen.
Ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt mit einem Al-Gehalt von bevorzugt maximal
0,15 Gew.-% führt zur optimalen Ausnutzung des zulegierten Aluminiums, wenn keine
Anforderungen an die Dichtereduktion bestehen.
[0030] Wie bereits angedeutet ist die Zugabe von Bor (B) bei der Herstellung des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts optional möglich, um das gewünschte Härteniveau zu erreichen. Hierzu
können B-Gehalte von mindestens 0,0001 Gew.-% zulegiert werden. B muss für seine härtbarkeitssteigernde
Wirkung atomar im Stahlsubstrat vorliegen. Entsprechend sind beim optionalen Einsatz
von B zusätzliche Elemente beizufügen, die den als optionales Legierungselement oder
unerwünschte Verunreinigung ggf. enthaltenen Stickstoff in solchem Maße abbinden,
dass die Bildung von Bornitrid verhindert wird. Bevorzugte Ausführungen sind die Kombination
der B-Legierung entweder mit Aluminium (Al) in Kombination mit Niob (Nb) oder mit
Titan (Ti), welche durch ihre Affinität zum Stickstoff bevorzugt als Nitrid- und Karbid-
bzw. Karbonitridbildner fungieren. Um eine ausreichend hohe Konzentration an atomarem
B im Stahlsubstrat bei vollständiger Stickstoff-Abbindung gewährleisten zu können,
ist vorzugsweise ein minimaler B-Gehalt von 0,0005 Gew.-% einzustellen. So ist das
erfindungsgemäße Stahlflachprodukt gegenüber herstellungsbedingt unvermeidbaren Schwankungen
im Stickstoffgehalt abgesichert. Innerhalb des Gefüges segregiert B bevorzugt an Austenitkorn-
oder Phasengrenzen, wodurch die ferritische Keimbildung unterdrückt und die ferritisch-perlitische
Phasenumwandlung zu längeren Abkühlzeiten verschoben wird. All diese positiven Wirkmechanismen
des Bors sind bei einer bevorzugten Einstellung eines minimalen B-Gehaltes von 0,0010
Gew.-% gegeben. Bei weiterem Zulegieren kann sich der Effekt der Festigkeitssteigerung
durch B sogar rückläufig verhalten und entfestigend wirken. Um dieser Wirkung zu entgehen,
sind B-Gehalte von maximal 0,0075 Gew.-% einzuhalten. Durch dessen Neigung zur Korngrenzenanlagerung
können sich bei B-Gehalten, die diesen Wert überschreiten, die Zähigkeitseigenschaften
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts verschlechtern. Der Einfluss von B ist auf
bestimmte Gehalte begrenzt, worüber hinaus eine zusätzliche Hinzugabe keine weitere
positive Wirkung bedingt. Entsprechend werden vorzugsweise B-Gehalte von maximal 0,005
Gew.-% empfohlen. Da der Effekt von Bor bei steigenden Gehalten verhältnismäßig gering
wird, sind bevorzugt Gehalte von maximal 0,0035 Gew.-% beizufügen, um eine besonders
effiziente B-Legierung sicherzustellen.
[0031] Zum Abbinden des im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts des ggf. als Legierungselement
oder als unvermeidbaren Verunreinigung enthaltenen Stickstoffs (N) kann optional Niob
(Nb) zur Schmelze hinzugegeben werden. Durch die hohe Temperaturbeständigkeit der
Niobnitride, -karbide und -karbonitride behindern diese das Kornwachstum vor, während
und nach dem Walzprozess. Die hierdurch entstehende feinere Mikrostruktur weist verbesserte
Zähigkeitseigenschaften auf. Um einen ausreichenden Effekt zu erzielen, wird einen
Nb-Gehalt von mindestens 0,002 Gew.-% benötigt. Zur Bildung solcher Nitrokarbide,
-nitride und - karbonitride ist eine relativ hohe Bildungsenergie nötig, die in Form
von hohen Temperaturen eingebracht werden muss. Falls neben Nb auch Aluminium (Al)
in der Legierung enthalten ist, wie es beim erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt optional
der Fall ist, kann die Bildungsenergie herabgesetzt und effizienter die Bildung von
Bornitriden verhindert werden. Ein vorzugsweise eingestellter Nb-Gehalt von mindestens
0,005 Gew.-% gewährleistet eine ausscheidungshärtende Wirkung der entstehenden Partikel.
Für die Ausbildung einer kornfeinenden Wirkung der Niobnitride, -karbide und karbonitride
ist bevorzugt ein Nb-Gehalt von mindestens 0,010 Gew.-% nicht zu unterschreiten. Um
eine vollständige Abbindung des Stickstoffs trotz prozesstypischer Variationen zu
sicherzustellen, sind besonders bevorzugt mindestens 0,020 Gew.-% beizufügen. Bei
Nb-Gehalten, die 0,2 Gew.-% überschreiten, ist keine weitere Verbesserung der mechanisch-technologischen
Eigenschaften erkennbar, weshalb dieser Wert als Maximalgrenze vorgesehen wird. Kommt
es zu einer vermehrten Ausscheidung von Niobkarbiden, kann darunter außerdem die Zähigkeit
des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes leiden. Deshalb sind vorzugsweise Nb-Gehalte
von maximal 0,1 Gew.-% einzustellen. Ein hoher Nb-Gehalt erhöht die Rekristallisationstemperatur
TNR merklich. Hierdurch entsteht bei konstanten Fertigungsprozessen eine stärker gelängte
ehemalige Austenittextur. Diese kann sich auch in anisotropen Werkstoffverhalten widerspiegeln.
Durch einen Nb-Gehalt von bevorzugt maximal 0,08 Gew.-% können die gewünschten Zähigkeitseigenschaften
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts in Querrichtung besonders sicher gewährleistet
werden. Besonders bevorzugt kann die Isotropie der Festigkeitseigenschaften durch
maximale Nb-Gehalte von 0,035 Gew.-% erzielt werden.
[0032] Chrom (Cr) kann als optionales Element in bestimmten Konzentrationen zur Festigkeitssteigerung
beitragen. Um diesen Effekt der Härtbarkeit zu nutzen, ist ein Cr-Gehalt von mindestens
0,05 Gew.-% notwendig. Die Durchhärtbarkeit von Cr-haltigen Legierungskonzepten, welche
besonders vorteilhaft bei größeren Dicken ist, rührt von der aktiven Unterdrückung
der Bildung von Ferrit und Perlit durch den Cr-Gehalt. Somit wird eine vollständige
martensitische oder bainitische Umwandlung auch bei geringeren Abkühlraten ermöglicht.
Positiver Zusatzeffekt von Cr als Legierungselement ist der zähigkeitssteigernde Charakter.
Für die Erzielung des gewünschten Zähigkeitsniveaus eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
sollte vorzugsweise ein Cr-Gehalt von mindestens 0,1 Gew.-% eingebracht werden. Die
Korrosionsbeständigkeit von Cr macht das Legierungselement für verschiedenste Anwendungen
interessant. Gerade in Kombination mit anderen optionalen Elementen wie Silizium (Si)
oder Aluminium (Al) kann die Zunderbeständigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
verbessert werden. Hierzu wird bevorzugt ein Cr-Gehalt von mindestens 0,2 Gew.-% gewählt.
Aus fügetechnologischen Gesichtspunkten ist Cr hinderlich, da die Schweißbarkeit mit
steigendem Gehalt merklich abnimmt. Um die Fügbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
zu gewährleisten, ist der Cr-Gehalt auf maximal 2,5 Gew.-% zu limitieren. Neben der
Festigkeitssteigerung durch den Mechanismus der Mischkristallverfestigung bildet Cr
zusätzlich Karbide, welche die Streckgrenze erhöhen und gleichzeitig die Zähigkeit
verbessern können. Allerdings können zu grobe Karbide die mechanisch-technologischen
Eigenschaften und insbesondere die Zähigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
negativ beeinflussen, weshalb vorzugsweise ein Cr-Gehalt von maximal 1,5 Gew.-% eingehalten
werden sollte. Für eine optimale Ausnutzung der Wirkweise des Cr als Legierungselement
sollte im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt ein Gehalt von maximal 0,8 Gew.-%, besonders
bevorzugt maximal 0,5 Gew.-% eingestellt werden, da mit steigenden Gehalten die Effizienz
der Cr-Zugabe abnimmt. Cr-Gehalte bis 0,04 Gew.% liegen im Bereich unvermeidbarer
Verunreinigungen.
[0033] Ähnliche Eigenschaften wie Chrom (Cr) weist das optionale Legierungselement Molybdän
(Mo) auf, weshalb beide bevorzugt in Kombination eingesetzt werden. Um das Festigkeitsniveau
eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts zu erreichen, ist ein Mo-Gehalt von mindestens
0,01 Gew.-% einzustellen. Hierbei wirken vordergründig die Mechanismen der Ausscheidungs-
und Mischkristallverfestigung. Des Weiteren verringert Mo die Neigung des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts zur Anlassversprödung und verbessert die Warmfestigkeit. Hierzu
ist vorzugsweise ein Mo-Gehalt von mindestens 0,05 Gew.-% vorhanden. Durch die Zugabe
von bestimmten Mo-Gehalten kann die Durchhärtbarkeit eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
verbessert werden. Bevorzugt ist ein Gehalt von mindestens 0,20 Gew.-% zu wählen,
um die Eigenschaften des Mo optimal auszunutzen. Von einer Erhöhung des Mo-Gehalts
oberhalb von 1,0 Gew.-% wird aus wirtschaftlichen Gründen abgesehen, da dies keinen
mechanisch-technologischen Nutzen nach sich zieht und die Kosten unnötig steigert.
Die steigende Festigkeit durch die Zugabe von Mo korreliert mit einer sinkenden Umformbarkeit,
wodurch umformende Fertigungsprozesse bei der Bearbeitung eines erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts wesentlich beeinflusst werden. So ist der Mo-Gehalt vorzugsweise
auf maximal 0,5 Gew.-%zu limitieren, um die Wamumformbarkeit nicht zu gefährden. Ein
erhöhter Mo-Gehalt hat außerdem eine steigernde Wirkung auf den Haltepunkt A1 zur
Folge, weshalb bevorzugt Mo-Gehalten von maximal 0,30 Gew.-% eingesetzt werden, um
eine technisch aufwändig zu realisierende Temperaturführung bei der erfindungsgemäßen
Herstellung des Stahlflachprodukts im Wesentlichen zu vermeiden. Mo-Gehalte bis 0,005
Gew.% liegen im Bereich unvermeidbarer Verunreinigungen.
[0034] Ein weiteres Legierungselement, welches optional im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt
eingesetzt werden kann, ist Titan (Ti). Gerade die Wechselwirkung zwischen Ti und
dem ggf. als Legierungselement oder als unvermeidbare Verunreinigung im erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukt vorhandene Stickstoff (N) bringt bei Ti-Gehalten von mindestens
0,002 Gew.-% große Vorteile mit sich. Die so geformten Titannitride (TiN) hemmen das
Austenitkornwachstum bei hohen Temperaturen wie beispielsweise in der dem Walzprozess
vorausgehenden Vorwärmung und verbessern somit die Zähigkeitseigenschaften. Durch
die Abbindung des Stickstoffs verhindert Ti zudem, dass dieser ansonsten eine Bindung
mit dem optional enthaltenen Bor eingehen und dadurch dessen Wirkweise merklich schädigen
würde, da Bor zur Festigkeitssteigerung atomar vorliegen muss. Um die ggf. vorhandenen
N-Gehalte, die prozesstypisch variieren können, abzubinden, wird vorzugsweise ein
Ti-Gehalt von mindestens 0,005 Gew.-% eingebracht. Die Ausscheidungverfestigung der
gebildeten Titannitride ist bei Ti-Gehalten von mindestens 0,008 Gew.-% wahrnehmbar,
weshalb dieser Wert bevorzugt als Untergrenze eingesetzt wird. Neben der Affinität
des Ti zum Stickstoff kann es auch Bindungen mit dem in dem erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt
enthaltenen Kohlenstoff eingehen. Die so entstehenden Titankarbide oder -karbonitride
haben einen ausscheidungshärtenden Charakter im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt.
Um in ausreichender Konzentration für die Bildung verschiedener nichtmetallischer
Einschlüsse vorzuliegen, sollte besonders bevorzugt ein Ti-Gehalt von mindestens 0,015
Gew.-% eingebracht werden. Die Titankarbide, -nitride und -karbonitride wirken sich
kornfeinend während des thermomechanischen Walzens aus und verbessern entsprechend
die Zähigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts. Durch die Zugabe von Titan
wird allerdings auch die Rekristallisationsstopptemperatur TNR merklich angehoben.
Um einen ausreichend hohen Rekristallisationsgrad des ehemaligen Austenitkorns und
damit ein quasi-isotropes Werkstoffverhalten gewährleisten zu können, wird der maximale
Ti-Gehalt auf 0,3 Gew.-% beschränkt. Auch die Zähigkeitseigenschaften, welche für
ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt von großer Bedeutung sind, können durch die
Bildung grober TiN bei zu hohen Ti-Gehalten und gleichzeitigem Vorhandensein von N
merklich absinken. Deshalb ist der Ti-Gehalt vorzugsweise auf maximal 0,2 Gew.-% zu
limitieren. Vorteilhaft hinsichtlich der mechanisch-technologischen Eigenschaften
sind Titankarbide, -nitride sowie -karbonitride mit niedrigem Durchmesser. Gröbere
Ausscheidungen haben negative Auswirkungen auf die Dauerfestigkeitseigenschaften des
erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts unter zyklischer Belastung. Die Ausbildung zu
grober Karbide kann bevorzugt durch einen maximalen Ti-Gehalt von 0,1 Gew.-% begrenzt
oder gar vollständig vermieden werden.
[0035] Vanadium (V) kann optional als Legierungselement im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt
eingesetzt werden. V-Gehalte von mindestens 0,002 Gew.-% sind vorteilhaft, um das
Festigkeitsniveau des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts abzusichern. V bildet in
der Legierung feine Ausscheidungen, welche das Festigkeitsniveau des erfindungsgemäßen
Stahlflachproduktes merklich steigern können. Um eine erste Festigkeitssteigerung
auch bei Stickstoff- oder Temperaturschwankungen zu erzielen, wird vorzugsweise ein
V-Gehalt von mindestens 0,005 Gew.-% eingestellt. Neben der Ausscheidungshärtung kann
V bevorzugt bei Gehalten von mindestens 0,008 Gew.-% zur Kornfeinung beitragen. So
werden ebenfalls die Festigkeit sowie die Zähigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
gesteigert. In Lösung kann sich V zudem umwandlungsverzögernd auf die Legierung auswirken.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist von V-Gehalten, die 0,15 Gew.-% überschreiten, abzuraten,
da die geringe weitere Eigenschaftsverbesserung durch höhere Gehalte die damit verbundene
deutliche Kostensteigerung nicht rechtfertigt. Da die angestrebten Festigkeits- und
Zähigkeitseigenschaften in Querrichtung des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts unter
anderem vom Rekristallisationsgrad des ehemaligen Austenitgefüges abhängen, wird vorzugsweise
der V-Gehalt auf maximal 0,07 Gew.-% beschränkt. Durch V steigt die Rekristallisationstemperatur
TNR des Stahlflachprodukts merklich, was zu einem gestreckten Austenitkorn und anisotropem
Werkstoffverhalten führt. Der Effekt von V ist jedoch im Vergleich zu Niob (Nb) eher
schwach. Dennoch werden bevorzugt V-Gehalte von maximal 0,03 Gew.-% eingesetzt, um
diesen Effekt sicher einzudämmen. Um eine gute Schweißbarkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts zu gewährleisten und die Rissneigung beim Schweißen zu senken,
wird besonders bevorzugt ein V-Gehalt von maximal 0,01 Gew.-% zulegiert.
[0036] In einer alternativen Ausführung kann der V-Gehalt auch auf höhere Gehalte festgelegt
werden, wenn insbesondere die Rissneigung durch entsprechende Prozessführung beim
Schweißen sicher vermieden werden kann. Hauptaugenmerk bei dieser Variante liegt auf
der Ausbildung von Anlasskarbiden im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt. Deren festigkeitssteigernde
Wirkung ist bei V-Gehalten von mindestens 0,02 Gew.-% merklich. Vorzugsweise werden
hierzu V-Gehalte von mindestens 0,08 Gew.-% gewählt. Aus Kostengründen wird der V-Gehalt
auf maximal 0,5 Gew.-% beschränkt. Um die Vergröberung der Anlasskarbide zu verhindern,
wird bevorzugt ein maximaler Gehalt von 0,3 Gew.-% eingesetzt. Zur optimalen Ausnutzung
der Wirkmechanismen werden bevorzugt V-Gehalte von 0,1 Gew.-% verwendet.
[0037] Optional ist auch die Zugabe von Nickel (Ni) bei der Herstellung eines erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts möglich. Ni erhöht die Härtbarkeit des Produkts, wobei die Wirkung
im Vergleich zu anderen Legierungselementen deutlich geringer ist. Durch Ni-Gehalte
von mindestens 0,05 Gew.-% wird die kritische Abkühlgeschwindigkeit gesenkt, was in
einer verbesserten Durchhärtung und Durchvergütung resultieren kann. Vorzugsweise
sind Ni-Gehalte von mindestens 0,15 Gew.-% einzuhalten, um möglichst sicher das Härteniveau,
welches für das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt gewünscht ist, über die gesamte
Materialdicke und mit geringer Sensibilität gegenüber technisch bedingter Schwankungen
der Prozessparameter zu erzielen. Auch Verformbarkeit und Zähigkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts wird durch die Ni-Zugabe verbessert. Bevorzugt werden hierzu Ni-Gehalte
von mindestens 0,3 Gew.-% eingestellt. Aus wirtschaftlichen Gründen ist von Ni-Gehalten
über 10 Gew.-% abzuraten, da eine weitere Steigerung die mechanisch-technologischen
Eigenschaften nicht zusätzlich positiv beeinflusst. Neben den genannten positiven
Eigenschaften fördert Ni in erhöhten Konzentrationen die Anlassversprödung des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts. Der Effekt kann vorzugsweise durch Ni-Gehalte von maximal 5 Gew.-%
eingedämmt werden. Da durch die Zulegierung von Ni die Schweißbarkeit negativ beeinflusst
wird, ist der Ni-Gehalt zur Sicherstellung der Schweißeignung bevorzugt auf maximal
1 Gew.-% begrenzt. Ein effizienter Einsatz von Ni im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt
ist bei besonders bevorzugten Gehalten von maximal 0,5 Gew.-% gegeben. Auch ohne die
beschriebene optionale Zulegierung von Nickel, kann ein gewisser Ni-Gehalt als unvermeidbare
Verunreinigung vorkommen. In dem Fall beträgt der Ni-Gehalt maximal 0,05 Gew.-%, bevorzugt
maximal 0,04 Gew.-%.
[0038] Ein weiteres optionales Legierungselement ist Kupfer (Cu). So können Cu-Gehalte von
mindestens 0,005 Gew.-% zu einer verbesserten Härtbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
eingesetzt werden. Des Weiteren wird die Anlassbeständigkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts durch die Zugabe verbessert. Hierfür werden vorzugsweise Cu-Gehalte
von mindestens 0,03 Gew.-% eingestellt. Insbesondere in Kombination mit Phosphor (P)
verbessert Cu die Korrosionsbeständigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
gegenüber atmosphärischer Korrosion. Um für diesen Effekt eine Cu-Konzentration zu
gewährleisten, wird bevorzugt ein Cu-Gehalt von mindestens 0,10 Gew.-% eingesetzt.
Die Gefahr eines Rotbruchs bei der Herstellung wird durch einen Cu-Gehalt von maximal
1,0 Gew.-% minimiert. Zudem beeinflusst Cu die Schweißbarkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts. Vorzugsweise werden daher Cu-Gehalte von maximal 0,5 Gew.-% verwendet,
da so die Wärmeeinflusszone der Schweißung ausreichend hohe Zähigkeitseigenschaften
aufweist, wodurch diese in der Anwendung nicht als versagenskritischer Ort fungiert.
Zur sicheren Vermeidung grober Cu-Partikel, die sich negativ auf die Zähigkeitseigenschaften
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts auswirken, wird bevorzugt ein Cu-Gehalt von
maximal 0,3 Gew.-% gewählt.
[0039] In einer bevorzugten Ausführung werden die Gehalte von Cu und Ni so eingestellt,
dass die Summe der entsprechenden beiden Legierungsgehalte in Gew.-% die oben für
Ni angegebenen Grenzen erfüllt. Hierdurch können die für beide Elemente angegebenen
Wirkweisen besonders sicher eingestellt und die genannten Risiken besonders sicher
vermieden werden.
[0040] Calcium (Ca) ist ein optionales Legierungselement für das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt.
Dabei wird Ca als Entschwefelungsmittel eingesetzt. So sind Ca-Gehalte von mindestens
0,0001 Gew.-% empfehlenswert, um den Schwefel, welcher herstellungsbedingt als unvermeidbare
Verunreinigung im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt vorliegen kann, gemeinsam mit
Mn effizient abzubinden. Zusätzlich führt Ca zur rundlichen Einformung nichtmetallischer
Einschlüsse, wodurch Dauerfestigkeits- und Zähigkeitseigenschaften verbessert werden
können. Besonders sicher ist dieser Mechanismus bei Ca-Gehalten von mindestens 0,0003
Gew.-% wahrnehmbar, weshalb diese vorzugsweise als Mindestgehalt gewählt werden. Ca
verändert zudem die Plastizität von Sulfiden, wie z.B. MnS. Dazu löst sich Ca im MnS
und bildet ein Mischsulfid, was zu einer Härtesteigerung führt. Während des Warmwalzprozesses
verringert Ca somit die Formänderung von MnS und unterdrückt die Bildung gestreckter
Sulfide. Besonders sicher werden die Nachteile der nichtmetallischen Einschlüsse bei
Ca-Gehalten von mindestens 0,0005 Gew.-% eingedämmt, weswegen dieser Wert als bevorzugte
Obergrenze festgelegt wird. Aufgrund der Ressourceneffizienz werden Ca-Gehalte, welche
0,008 Gew.-% überschreiten, vermieden. Ein erhöhter Ca-Gehalt kann des Weiteren die
mechanisch-technologischen Eigenschaften des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
verschlechtern. Um dies auszuschließen, ist ein Ca-Gehalt von maximal 0,0065 Gew.-%
einzuhalten, wobei die optimale Ausnutzung des Ca bei maximal 0,005 Gew.-% gegeben
ist.
[0041] Bei der Herstellung des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts ist optional die Zugabe
seltener Erden (REM), wie z. B. Cer, Lanthan, Neodym, Praseodym und Yttrium, möglich.
Die Zugabe kann insbesondere eine Festigkeitssteigerung zur Folge haben. So verbessern
Gehalte von mindestens 0,001 Gew.-% die mechanisch-technologischen Eigenschaften des
erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts. Des Weiteren kann die abbindende Wirkung der
seltenen Erden auf Schwefel, Phosphor und Sauerstoff die Segregation an Korngrenzen
reduzieren, was die Zähigkeit erhöht. Von Gehalten an seltenen Erden oberhalb von
0,05 Gew.-% wird aus Kostengründen abgeraten. Auch die Bildung zusätzlicher Ausscheidungen
wird durch diese Obergrenze verhindert, die wiederum die Zähigkeitseigenschaften mindern
können.
[0042] Zu den optionalen Legierungselementen zählt auch Stickstoff (N). In geringen Gehalten
kann N eine festigkeitssteigernde Wirkung auf das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt
haben. Hierbei sind N-Gehalte von mindestens 0,002 Gew.-% einzuhalten. Viele optionale
Legierungselemente, welche im erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt eingesetzt werden,
weisen eine hohe Affinität zum N auf, was zur Bildung verschiedener Nitride führt.
Diese können sich bei entsprechendem gleichzeitigen Einsatz von Stickstoff und mindestens
einem der im Zusammenhang mit Stickstoff aufgeführten optionalen Legierungselementen
ebenfalls festigkeitssteigernd auf das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt auswirken.
Hierzu werden N-Gehalte von mindestens 0,003 Gew.-% gewählt, wobei bevorzugt mindestens
0,004 Gew.-% beigefügt werden. Einige Nitride, wie z. B. Titannitride, fallen jedoch
sehr grob und eckig aus und beeinflussen daher die Festigkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts eher negativ. Insbesondere ist Bornitrid unerwünscht, da der Wirkmechanismus
des B durch das Abbinden des Legierungselements verhindert wird. Deshalb muss bei
der Zugabe von Bor und Stickstoff ausreichend Titan oder Aluminium in Kombination
mit Niob vorliegen, um die effiziente Abbindung des N zu gewährleisten. Zur Beschränkung
der Nitridbildung wird ein N-Gehalt von maximal 0,01 Gew.-% eingestellt. Vorzugsweise
werden N-Gehalte von maximal 0,008 Gew.-% eingehalten, um eine prozesssichere Erzeugung
zu gewährleisten. Bevorzugt werden N-Gehalte von maximal 0,006 Gew.-% beigefügt, um
insbesondere bei einer optionalen Bor-Zugabe vollständig abgebunden werden zu können.
[0043] Phosphor (P) kann dem erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt ebenfalls optional beigefügt
werden. Bei Gehalten von mindestens 0,003 Gew.-% und bevorzugt bei mindestens 0,007
Gew.-% kann P eine festigkeitssteigernde Wirkung haben. Es überwiegt jedoch der negative
Einfluss des P auf die Zähigkeitseigenschaften, wodurch der Rissausbreitungswiderstand
stark limitiert wird. Daher wird ein maximaler P-Gehalt von 0,15 Gew.-% nicht überschritten.
Während der Erstarrung des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes bilden sich bei erhöhtem
P-Gehalt durch dessen geringe Diffusionsgeschwindigkeit Seigerungen aus, die unter
Belastung als Rissinitiierungsstellen fungieren können. Um eine hohe Prozesssicherheit
gewährleisten zu können und das gewünschte mechanisch-technologische Eigenschaftsspektrum
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts zu erzielen, ist der P-Gehalt vorzugsweise
auf maximal 0,05 Gew.-% und bevorzugt maximal 0,02 Gew.-% zu limitieren.
[0044] Zu den optionalen Legierungselementen zählt auch Zinn (Sn). In sauren Medien kann
Sn zu einer verbesserten Korrosionsbeständigkeit führen. Hierzu ist ein Sn-Gehalt
von mindestens 0,001 Gew.-% notwendig. So lagert sich Sn bei Temperaturen um 500 °C
entlang von Korngrenzen an, wodurch dort die Wasserstoffrekombination gehemmt wird,
worin der verbesserte Widerstand gegenüber sauren Medien begründet liegt. Gleichzeitig
können diese lokalen Sn-Seigerungen zur Versprödung des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
führen. Zur Eindämmung der Versprödung wird ein Sn-Gehalt von maximal 0,04 Gew.-%
nicht überschritten, vorzugsweise werden jedoch maximal 0,03 Gew.-% und bevorzugt
maximal 0,02 Gew.-% für optimale mechanisch-technologische Eigenschaften des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts gewählt.
[0045] Auch die optionale Zugabe von Arsen (As) kann sich vorteilhaft auf die mechanisch-technologischen
Eigenschaften des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts auswirken. As verhält sich
ähnlich wie Zinn (Sn), da es sich ebenfalls bei Temperaturen um 500 °C an Korngrenzen
anlagert, was auf der einen Seite die Korrosionsbeständigkeit in sauren Medien verbessern
kann. Hierzu ist ein As-Gehalt von mindestens 0,001 Gew.-% notwendig. Andererseits
können die As-Ablagerungen die Korngrenzen für einen Sprödbruch prädestinieren. Daher
wird ein As-Gehalt von maximal 0,02 Gew.-% eingehalten. Zusätzlich wird der zähigkeitssenkende
Effekt des As eingedämmt, indem vorzugsweise ein maximaler As-Gehalt von 0,015 Gew.-%
hinzugefügt wird. Um abschließend auch eine gute Schweißbarkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachproduktes zu gewährleisten, wird der As-Gehalt bevorzugt auf maximal 0,01
Gew.-% limitiert.
[0046] Sauerstoff (0) kann ebenfalls als optionales Legierungselement eingesetzt werden.
Einige Legierungselemente, welche zur Herstellung eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts
eingesetzt werden, weisen eine hohe Sauerstoffaffinität auf. Bevorzugt Aluminium geht
eine Bindung mit dem enthaltenden Sauerstoff ein, um stabile Oxide zu bilden. Bei
0-Gehalten von mindestens 0,001 Gew.-% entstehen nichtmetallische Einschlüsse, die
die Versetzungsbewegung behindern und dadurch zu einer Festigkeitssteigerung beitragen.
Daher wird, wenn Sauerstoff bewusst zulegiert wird und nicht nur als Verunreinigung
vorhanden ist, dieser Wert als Untergrenze festgelegt. Höhere 0-Gehalte führen zu
gröberen Oxiden, welche Zähigkeit und Dauerfestigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes
senken können. Um die Bildung großer Oxide effektiv zu beschränken, wird ein maximaler
0-Gehalt von 0,03 Gew.-% festgelegt. Des Weiteren kann sich eine Oxidbelegung, welche
bei höheren 0-Gehalten vorkommen kann, negativ auf die Gieß- und Walzbarkeit des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts auswirken, weshalb vorzugsweise eine Obergrenze von 0,02 Gew.-%
eingehalten wird. Bevorzugt wird durch die Einschränkung des 0-Gehalts auf maximal
0,01 Gew.-% die Gießbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts insofern stabilisiert,
dass die Bildung von Tonerde beschränkt wird.
[0047] Kobalt (Co) kann als optionales Legierungselement zur Festigkeitssteigerung verwendet
werden. Hierzu sind Co-Gehalte von mindestens 0,01 Gew.-% dem erfindungsgemäßen Stahlprodukt
hinzuzufügen. Bei Co-Gehalten von vorzugsweise mindestens 0,05 Gew.-% und bevorzugt
mindestens 0,1 Gew.-% ist der festigkeitssteigende Charakter des Co besonders ausgeprägt.
Allerdings kann Co ab gewissen Konzentrationen die Einhärtbarkeit senken. Bei Gehalten
oberhalb von 1 Gew.-% nimmt die negative Wirkung des Co wahrnehmbar zu, weshalb dieser
Wert nicht überstiegen wird. Um die Zähigkeitseigenschaften des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts nicht negativ zu beeinflussen, werden vorzugsweise Co-Gehalte von
maximal 0,7 Gew.-% und bevorzugt maximal 0,5 Gew.-% eingehalten.
[0048] Die Anwesenheit von Wolfram (W) als optionales Legierungselement im erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukt kann zu einer Kornfeinung führen. Um die dadurch verbesserten Zähigkeitseigenschaften
zu erhalten, werden W-Gehalte von mindestens 0,005 Gew.-% hinzugefügt. Im erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukt wird durch die Zugabe gewährleistet, dass die rekristallisierten
Austenitkörner im vollständig austenitisierten Zustand nicht zu grob werden und damit
die Festigkeit merklich senken. Dies wird vorzugsweise durch W-Gehalte von mindestens
0,01 Gew.-% sichergestellt. Ähnlich wie einige weitere Legierungselemente neigt W
zur Karbidbildung, welche wiederum die Versetzungsbewegung behindern und die Festigkeit
steigern können. Hierzu werden bevorzugt W-Gehalte von mindestens 0,015 Gew.-% eingesetzt.
W kann auch in Kombination mit anderen Elementen zur Mikrolegierung genutzt werden.
Bei höheren Konzentrationen können sich gerade in Kombination mit Molybdän (Mo) Laves-Phasen
ausbilden, welche die Kerbschlagzähigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes
verschlechtern würden. Somit werden W-Gehalte von maximal 0,2 Gew.-% eingehalten.
Für die optimale Ausnutzung des zulegierten W werden vorzugsweise W-Gehalte von maximal
0,15 Gew.-% und bevorzugt maximal 0,1 Gew.-% gewählt. Um einen ähnlichen Effekt wie
durch die Zugabe von W zu erzielen, ist auch die Beimischung von Zirkonium (Zr) optional
in den gleichen Grenzen möglich.
[0049] In einer bevorzugten Ausführung werden die Gehalte von W und Zr so eingestellt, dass
die Summe der entsprechenden beiden Legierungsgehalte in Gew.-% die oben für W angegebenen
Grenzen erfüllt. Hierdurch können die angegebenen Wirkweisen besonders sicher eingestellt
und die genannten Risiken besonders sicher vermieden werden.
[0050] Um die Verschleißbeständigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts zu verbessern,
ist die Zugabe von Beryllium (Be) als optionales Legierungselement möglich. Durch
Be-Gehalte von mindestens 0,001 Gew.-% können sich hierzu hochfeste Karbide und Oxide
ausbilden. Um die Wirksamkeit dieser nichtmetallischen Einschlüsse auch bei prozessbedingt
variierenden Kohlenstoff- und Sauerstoffgehalten zu gewährleisten, ist vorzugsweise
ein Be-Gehalt von mindestens 0,002 Gew.-% , bevorzugt 0,005 Gew.-% vorhanden. Gröbere
nichtmetallische Einschlüsse können sich kontraproduktiv auf die mechanisch-technologischen
Eigenschaften des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts auswirken, weshalb Be-Gehalte
von 0,1 Gew.-% nicht überschritten werden. Eine besonders effiziente Wirkung weist
Be bei Gehalten von vorzugsweise maximal 0,05 Gew.-% und bevorzugt maximal 0,02 Gew.-%
auf. Besonders bevorzugt sollte jedoch auf die Nutzung von Be aufgrund seiner Toxizität
durch die Substitution mittels anderer optionaler Legierungselemente verzichtet werden.
[0051] Antimon (Sb) kann dem erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt als optionales Legierungselement
hinzugefügt werden. Bei Gehalten von mindestens 0,001 Gew.-% kann Sb Seigerungen an
Korngrenzen ausbilden, was die Wasserstoffrekombination an diesen verringert. Somit
kann Sb die Korrosionsbeständigkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes in sauren
Medien verbessern. Außerdem kann Sb die anodische Reaktion während des Korrosionsprozesses
unterdrücken, was vorzugsweise bei Sb-Gehalten von mindestens 0,002 Gew.-% und bevorzugt
mindestens 0,005 Gew.-% vorteilhaft genutzt wird. Aus wirtschaftlicher Hinsicht sind
Sb-Gehalte von maximal 0,3 Gew.-% sinnvoll. Neben der verbesserten Korrosionsbeständigkeit
haben die Sb-Seigerungen entlang der Korngrenzen jedoch auch einen versprödenden Effekt
auf das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt. Um dies einzudämmen, ist vorzugsweise
ein Sb-Gehalt von maximal 0,1 Gew.-% und bevorzugt maximal 0,05 Gew.-% vorgesehen.
[0052] Ähnlich dem Stickstoff (N) und Sauerstoff (0) weisen viele Legierungselemente, wie
z. B. Mn, auch eine hohe Affinität zum Schwefel (S) auf, welcher optional dem erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukt zulegiert werden kann. Gerade Mangan (MnS) und Eisen (FeS) neigen
zur Sulfidbildung. In geringen Konzentrationen wirkt sich das gebildete Mangansulfid
positiv auf die Zerspanbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts aus. Dieser
positive Effekt ist bei S-Gehalten von mindestens 0,0002 Gew.-% vorhanden. Für eine
merkliche Wirkung werden jedoch vorzugsweise mindestens 0,0005 Gew.-% und bevorzugt
mindestens 0,0008 Gew.-% zugegeben. Da FeS aufgrund seiner versprödenden Wirkung vermieden
werden soll, wird der Legierung ausreichend Mangan hinzugefügt, um den Schwefel abzubinden,
wie oben bereits erläutert. Um die Sulfidbildung auf ein im positiven Sinne wirksames
Maß zu beschränken ist bevorzugt ein S-Gehalt von maximal 0,02 Gew.-% vorhanden. Eine
Überschreitung führt zu vermehrter Sulfidbildung, welche sich negativ auf Zähigkeit,
Duktilität und Verformbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes auswirkt.
Des Weiteren neigt S zur Bildung von Seigerungen, die bevorzugte Versagensstellen
im Werkstoff darstellen. Um diese Wirkung einzugrenzen, wird vorzugsweise der maximale
S-Gehalt von 0,01 Gew.-% nicht überschritten. Bevorzugt werden S-Gehalte von maximal
0,005 Gew.-% zur Einschränkung der negativen Wirkweise des Schwefels eingestellt.
[0053] Blei (Pb) ist ein optionales Legierungselement, welches sich positiv auf die Zerspanbarkeit
des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts auswirken kann. So entstehen durch die Zugabe
von mindestens 0,0001 Gew.-% kurze Späne und saubere Schnittflächen. Aufgrund der
toxikologischen Einstufung von Blei wird sein Gehalt auf maximal 0,02 Gew.-% eingeschränkt.
[0054] Neben den Pflichtelementen und optionalen Legierungselementen des erfindungsgemäßen
Stahlflachprodukts besteht der Restanteil aus Eisen sowie aus Elementen, deren Anwesenheit
herstellungsbedingt unvermeidbar ist. Die Gehalte solcher Verunreinigungen sind dabei
im wirtschaftlichen und mit vertretbarem technischen Aufwand realisierbaren Rahmen
möglichst gering zu halten.
[0055] Während der Herstellung eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts ist durch dessen
geringe atomare Größe die Einbringung von Wasserstoff (H) nahezu unvermeidbar. Es
ist bekannt, dass H eine versprödende Wirkung auf Werkstoffe hat. Um die exakte Wirkweise
des Wasserstoffs zu beschreiben, werden verschiedenste Mechanismen postuliert. Beispielsweise
wird erklärt, dass der H sich an Gitterfehlern anlagert, dort lokal die Fließspannung
herabsetzt und somit das Werkstoffversagen erleichtert. Um das Risiko der Wasserstoffversprödung
oder eines verfrühten wasserstoffinduzierten Bauteilversagens zu minimieren, wird
der H-Gehalt in einem erfindungsgemäßen Stahlflachprodukt auf maximal 10 ppm zu beschränkt.
Vorzugsweise überschreitet der H-Gehalt jedoch 5 ppm nicht und beträgt bevorzugt maximal
3 ppm.
[0056] Die erfindungsgemäße Aufgabe wird ebenfalls durch ein Verfahren zur Herstellung eines
zuvor beschriebenen Stahlflachproduktes gelöst. Dabei umfasst das Verfahren die folgenden
Arbeitsschritte:
- Erzeugen einer Stahlschmelze mit der nachfolgend angegebenen Zusammensetzung (in Gew.-%):
- C: 0,03-0,65 Gew.-%
- Mn: 0,1-2,5 Gew.-%
- Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
- Vergießen der Stahlschmelze zu einem Vorprodukt in Form eines Blocks, einer Bramme,
einer Dünnbramme oder eines gegossenen Bandes, insbesondere mit einer Dicke dv zwischen
2,5 mm und 600 mm
- Durcherwärmen des Vorproduktes auf eine Austenitisierungstemperatur TWE zwischen 1100°C und 1350°C
- Warmwalzen des Vorproduktes zu dem warmgewalzten Stahlflachprodukt bei einer Warmwalzendtemperatur
TE von mindestens 770 °C, insbesondere mindestens Ar3+20K
- Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ΘQ auf
Kühlstopptemperatur
- Optionales Haspeln des auf die Kühlstopptemperatur abgekühlten, warmgewalzten Stahlflachproduktes
zu einem Coil
- Weiteres Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate
ΘQ' auf Raumtemperatur
- Optionale Wärmebehandlung des Stahlflachprodukts
- Richten des auf Raumtemperatur abgekühlten, warmgewalzten Stahlflachproduktes mittels
mindestens eines ersten Richtschrittes auf einer Richtwalzanlage, wobei die Plastifizierung
im ersten Biegedreieck der Richtwalzanlage während des ersten Richtschrittes mindestens
75% und höchstens 95% beträgt.
[0057] Die genannte Stahlschmelze kann bevorzugt auch eines oder mehrere optionale Elemente
enthalten, die mit Bezug zum Stahlflachprodukt ausführlich erläutert wurden. Ebenso
kann der Gehalt an C und Mn innerhalb der erläuterten bevorzugten Bereiche liegen.
[0058] Besonders bevorzugt umfasst das Stahlschmelze folgende Elemente mit dem nachfolgend
angegebenen Gewichtsanteil:
- C: 0,03-0,65 Gew.-%
- Mn: 0,1-2,5 Gew.-%
- Al: 0,01 - 1,5 Gew.-%
- B: 0,0001 - 0,0075 Gew.-%
- Nb: 0,002 - 0,2 Gew.-%
- Ti: 0,002 - 0,3 Gew.-%
- V: 0,002 - 0,5 Gew.-%
- Cu: 0,005- 1,0 Gew.-%
- N: 0,002- 0,01 Gew.-%
- P: 0,003 - 0,05 Gew.-%
- S: 0,0002- 0,02 Gew.-%
[0059] Die so erzeugte Schmelze wird in konventioneller Weise zu einem Vorprodukt der Dicke
dv vergossen. Ein alternatives Vergießen zu Dünnbrammen, gegossenen Bändern oder Blöcken
ist ebenfalls möglich.
[0060] Im nächsten Arbeitsschritt wird das Vorprodukt auf Austenitisierungstemperatur T
WE vollständig durcherwärmt, wobei die Erwärmung in einem Aufwärmen des Vorproduktes
auf diese Temperatur bestehen kann oder aber das Vorprodukt nach dem Vergießen auf
der jeweiligen Temperatur gehalten wird. Die Austenitisierungstemperatur T
WE beträgt mindestens 1100°C und höchstens 1350 °C, wobei eine Austenitisierungstemperatur
von mindestens 1220 °C im Hinblick auf die Vermeidung einer zu starken Verfestigung
im nachfolgenden Warmwalzprozess bevorzugt ist. Ein Aufschmelzen der Oberfläche des
Vorproduktes und eine zu starke Kornvergröberung kann sicher vermieden werden, wenn
die Austenitisierungstemperatur auf höchstens 1320 °C beschränkt wird. Im Temperaturbereich
zwischen 1220 °C und 1320 °C wird zudem ein optimal homogenes Ausgangsgefüge eingestellt
und zuvor vorhandene Ausscheidungen werden sicher aufgelöst.
[0061] Während des Herstellungsverfahrens wird das Vorprodukt warmgewalzt zu dem warmgewalzten
Stahlflachprodukt bei einer Warmwalzendtemperatur T
E von mindestens 770 °C, insbesondere mindestens Ar3+20K. Während dieses Warmwalzschrittes
sinkt die Temperatur des gewalzten Stahlflachprodukts mit jedem Walzstich kontinuierlich
bis hin zur Walzendtemperatur T
E, mit der das warmgewalzte Stahlflachprodukt den letzten Walzstich verlässt. Um eine
Ferritbildung während des Warmwalzens zu verhindern, muss die Walzendtemperatur mindestens
770 °C betragen. Liegt die Walzendtemperatur T
E mindestens 20 °C über der Ar3-Temperatur des erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts,
so wird die Ferritbildung besonders sicher vermieden. Die Ar3-Temperatur lässt sich
nach "Mathematical Model for Predictions of Austenite and Ferrite Microstructures
in Hot Rolling Processes", IRSID Report, St. Germain-en-Laye, 1985, S. 7 über die
Gleichung

abschätzen. Hier und auch in späteren Formeln werden die Elementsymbole in üblicherweise
als Abkürzung für die Elementgehalte in Gew.-% verwendet. Für C ist daher der Kohlenstoffgehalt
in Gew.-% in die Formel einzusetzen.
[0062] Bei einer bevorzugten Variante umfasst das Warmwalzen des Vorproduktes mindestens
zwei Warmwalzstiche, die bei einer Temperatur oberhalb einer Rekristallisierungstemperatur
TNR durchgeführt werden, wobei für die Rekristallisierungstemperatur TNR gilt:

[0063] Die mindestens zwei Warmwalzstiche oberhalb der Rekristallisierungstemperatur haben
den Vorteil, dass sich ein feines, mehrfach rekristallisiertes Austenitgefüge ergibt,
da es oberhalb dieser Temperatur zur vollständigen Rekristallisation des Austenits
im Gefüge des Stahlflachprodukts kommt. Die näherungsweise Berechnung der Rekristallisierungstemperatur
erfolgt dabei gemäß der in "
Effect of Chemical Compostion on Critical Temperatures of Microalloyed Steels", Boratto
et al., THERMEC '88, Proceedings, Iron and Steel Institute of Japan, Tokyo, 1988,
S. 383-390 angegebenen Methode.
[0064] Bei einer bevorzugten Weiterbildung umfasst das Warmwalzen des Vorproduktes eine
Mindestanzahl nw von Warmwalzstichen, die bei einer Temperatur oberhalb der Rekristallisierungstemperatur
TNR durchgeführt werden, wobei die Mindestanzahl nw dem auf eine ganze Zahl gerundetem
Ergebnis n
W' entspricht, mit

wobei dv die Dicke des Vorproduktes und dw die Dicke des warmgewalzten Stahlflachproduktes
ist. Diese Mindestanzahl nw an Walzstichen oberhalb T
NR hat den Vorteil, dass sich durch Rekristallisation ein optimal feinkörniges Gefüge
ergibt.
[0065] In einer speziellen Weiterbildung umfasst das Warmwalzen des Vorproduktes mindestens
einen Warmwalzstich, der bei einer Temperatur unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
TNR durchgeführt wird. Die Warmwalzendtemperatur T
E ist also kleiner als die Rekristallisierungstemperatur T
NR. Da die Temperatur während der Walzstiche sukzessive sinkt, bedeutet das, dass der
letzte oder die letzten Walzstiche bei einer Temperatur unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
durchgeführt wird bzw. werden. Hierdurch wird die Rekristallisation des Austenit während
des letzten Walzstiches (bzw. der letzten Walzstiche im Falle von mehreren Walzstichen
unterhalb der Rekristallisationstemperatur) unterdrückt.
[0066] Bevorzugt beträgt der Umformgrad
ϕ über alle Warmwalzstiche, die bei einer Temperatur unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
T
NR durchgeführt werden, mindestens 0,25. Der Umformgrad ist dabei wie folgt definiert:

wobei dw die Dicke des warmgewalzten Stahlflachproduktes bezeichnet und d
ENR die Dicke bezeichnet, die das Stahlflachprodukt nach dem letzten bei einer Temperatur
oberhalb der Temperatur T
NR durchgeführten Walzstiche erreicht hat. Der Umformgrad ist als Absolutbetrag des
natürlichen Logarithmus vom Verhältnis dieser beiden Dicken definiert.
[0067] Durch die beschriebene Wahl der Warmwalzendtemperatur T
E und des Umformgrads
ϕ im voranstehend erläuterten Rahmen lässt sich sicherstellen, dass es bei der nach
dem Warmwalzen erfolgenden Abkühlung zur Umwandlung des nicht rekristallisierten Austenits
in ein feines Gefüge kommt, wodurch eine gute Umformbarkeit des Gefüges bei gleichzeitig
hoher Festigkeit sichergestellt wird.
[0068] Das Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts erfolgt unmittelbar
nach dem Warmwalzen. Aufgrund der aus dem Stand der Technik bekannten Bauform von
Warmwalzwerken und der zugehörigen Abkühleinrichtungen ergibt sich, dass der Begriff
"unmittelbar" eine Kühlung beschreibt, die maximal 8 s nach Austritt des Stahlflachprodukts
aus dem letzten Walzstich beginnt. Als Kühlmittel eignet sich hierbei insbesondere
Wasser, welches in einer konventionellen Kühlstrecke in konventioneller Weise auf
das Stahlflachprodukt aufgebracht wird.
[0069] Bei einer speziellen Ausgestaltung des Verfahrens weist das warmgewalzten Stahlflachprodukt
eine Streckgrenze auf, die mindestens 890MPa beträgt. Gleichzeitig erfolgt das Abkühlen
des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate Θ
Q von mindestens 40 K/s auf eine Kühlstopptemperatur von T
KS von höchstens T
E - 250K. Bevorzugt beträgt die Abkühlrate Θ
Q mindestens 60K/s. Die Kühlstopptemperatur T
KS beträgt bevorzugt höchstens 550 °C, insbesondere höchstens 500 °C, sofern sie dann
nicht oberhalb von T
E - 250 °C liegt. Durch diese Abkühlparameter ist sichergestellt, dass ein ausreichendes
Abschrecken des warmgewalzten Stahlflachproduktes vorliegt, um die Festigkeit mit
einer Streckgrenze von mindestens 890MPa zu erreichen.
[0070] Bei einer alternative Ausgestaltung des Verfahrens weist das warmgewalzten Stahlflachprodukt
eine Streckgrenze auf, die Streckgrenze kleiner ist als 890MPa. Gleichzeitig erfolgt
das Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate
Θ
Q von höchstens 40 K/s auf eine Kühlstopptemperatur von T
KS zwischen 500°C und 700°C. Bevorzugt beträgt die Abkühlrate Θ
Q höchstens 35 K/s, besonders bevorzugt höchstens 30K/s. Die Kühlstopptemperatur T
KS beträgt bevorzugt zwischen 550°C und 650°C, besonders bevorzugt zwischen 570 °C und
630 °C.
[0071] In einer speziellen Weiterbildung des Verfahrens erfolgt das Abkühlen des erhaltenen
warmgewalzten Stahlflachprodukts auf Raumtemperatur mit einer Abkühlrate Θ
Q von höchstens 0,1 K/s, insbesondere höchstens 0,05 K/s. Über die jeweilige Kühlstopptemperatur
in Kombination mit der nachfolgenden langsamen Abkühlung auf Raumtemperatur lässt
sich die Festigkeit des Stahlflachprodukts über ein Selbstanlassen des Gefüges oder
die gezielte Ausbildung von Ausscheidungen sehr präzise einstellen.
[0072] Im Anschluss an die beschleunigte Abkühlung erfolgt optional eine Wärmebehandlung
des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes. Bevorzugt erfolgt die Wärmebehandlung durch
ein Selbstanlassen aufgrund der nach der beschleunigten Abkühlung noch im Material
vorhandenen Restwärme. Besonders bevorzugt ist eine Wärmebehandlung durch eine Glühung,
da in diesem Fall eine präzise Einstellung der gewünschten mechanischen Eigenschaften
möglich ist.
[0073] Die Wärmebehandlung durch Selbstanlassen geschieht aufgrund der im Kern verbleibenden
erhöhten Temperatur während des Abkühlens mit Spritzwasserkühlung an den Oberflächen
des Stahlflachproduktes direkt aus der Walzhitze heraus. Die Restwärme aus dem inneren
Bereich führt zu einem Selbstanlasseffekt.
[0074] Die Wärmebehandlung durch Glühung erfolgt nach Abkühlung des Stahlflachproduktes
auf Raumtemperatur und anschließender Wiedererwärmung in einer im Stand der Technik
bekannten Glühvorrichtung wie beispielsweise einer Haubenglüh- oder einer Durchlaufglühvorrichtung.
[0075] Um einen hinreichenden Wärmeeintrag in der Glühbehandlung zu gewährleisten, wird
eine Kennzahl in Form des Produktes aus Glühtemperatur in K und der Glühdauer bei
dieser Temperatur in h definiert. Um einen ausreichenden Anlasseffekt zu erreichen
und gleichzeitig unerwünschte Gefügeveränderungen im Werkstoff auszuschließen, liegt
der definierte Glühparameter zweckmäßig über 4000 K*h und unter 18000 K*h. Als vorteilhaft
hinsichtlich des eingestellten Gefüges sowie der Produktivität haben sich Glühparameter
über 4300 K*h und unter 9000 K*h erwiesen.
[0076] Im Anschluss folgt ein Richtwalzprozess, mit Hilfe dessen sowohl die gewünschte Ebenheit
des Stahlflachprodukts als auch die Verteilung der Eigenspannungen gezielt eingestellt
werden. Die erste im Richtwalzprozess eingebrachte Biegung erfolgt insbesondere entgegen
der Vorkrümmung des Bandes oder in Richtung der Vorkrümmung des Bandes. bevorzugt
erfolgt die erste Biegung entgegen der Bandvorkrümmung, da auf diese Weise im Richtwalzprozess
eine höhere Plastifizierung eingestellt werden kann und damit die Einstellung der
geforderten Ebenheit sowie der gewünschten Eigenspannungsverteilung in einfacher Weise
möglich werden.
[0077] Der Richtwalzprozess findet in mindestens einer Richtwalzanlage statt, insbesondere
erfolgt das Richten in einem mindestens zweistufigen Prozess, umfassend einen Vorrichtprozess
und einen Feinrichtprozess. Durch diese Aufteilung in zwei separate Richtschritte
besteht die Möglichkeit den ersten Richtschritt bewusst in der Weise zu gestalten,
dass eine Restkrümmung verbleibt entgegen derer die erste Biegung im darauffolgenden
Feinrichtprozess erfolgen kann.
[0078] Im Prinzip ist ein Richtschritt bei der Herstellung von planen Stahlflachprodukten
durchaus üblich. Ziel ist dabei die Einstellung einer ausreichenden Planheit für alle
nachfolgenden Prozesse. Die Erfinder haben erkannt, dass dieser übliche Verfahrensschritt
zur Verbesserung der Umformeigenschaften verwendet werden kann. Es konnte festgestellt
werden, dass der Richtschritt mit gezielt eingebrachter Plastizierung einen entscheidenden
Einfluss auf das erfindungsgemäße Verhältnis von Streckgrenze und Zugfestigkeit sowie
auf das Verhältnis von Streckgrenze und Elastizitätsmodul des Stahlflachproduktes
hat. Ebenfalls konnte ein Zusammenhang des Verhältnisses von minimalen Biegeradius
r zu Dicke dW des Stahlflachproduktes festgestellt werden.
[0079] Die Plastifizierung ist allgemein ein Maß für die plastische Umformung des zu richtenden
Materials in Richtwalzanlagen und gibt den Anteil des Bandquerschnitts in Prozent
an, der bei einer Biegeumformung in einem Biegedreieck einer Richtwalzanlage plastisch
umgeformt wird. Die Plastifizierung lässt sich gemäß folgender Formel berechnen:

[0080] Hierbei gibt R
e die Streckgrenze des zu richtenden Materials in MPa, E den Elastizitätsmodul des
zu richtenden Materials in MPa, d
W die Dicke des zu richtenden Materials in mm und c die durch Biegung in einem Biegedreieck
aufgebrachte Krümmung in mm
-1 an. Die Krümmung des zu richtenden Materials ist direkt von der Position der Rollen
in einem Biegedreieck zueinander abhängig. Eine niedrige Position der Rolle, die zwischen
die zwei gegenüberliegenden Rollen eintaucht, resultiert in einer stärkeren Biegung
und damit in einem größeren Wert für die Krümmung c. Die Definition der Plastifizierung
lässt weiterhin negative Werte für die Plastifzierung zu. Dies ist der Fall, wenn
die Krümmung c einen Wert annimmt, der kleiner als die notwendige Krümmung zum Überschreiten
der Grenze von elastischem zu elastisch-plastischem Materialverhalten ist. Negative
Werte der Plastifizierung resultieren demnach in keiner bleibenden Formänderung des
zu richtenden Materials und sind insbesondere im letzten Biegedreieck einer Richtwalzanlage
anzuwenden, um ein ebenes Produkt zu erhalten.
[0081] Eine Richtwalzanlage umfasst eine Mehrzahl von Rollen, die abwechselnd auf unterschiedlichen
Seiten des Stahlflachproduktes angeordnet sind. Die Rollen haben einen Rollendurchmesser.
Die Scheitelpunkte der Rollen haben in Walzrichtung ein Abstand zueinander, sodass
sich Biegedreiecke aus drei in Walzrichtung aufeinanderfolgenden Rollen ergeben. Die
eingebrachte Plastifizierung ergibt sich dabei aus der relativen Rollenposition der
Rollen der Richtwalzanlage im jeweiligen Biegedreieck zueinander. In der vorliegenden
Erfindung liegt der Fokus auf der Plastifizierung im ersten Biegedreieck der Richtwalzanlage.
[0082] Die relative Rollenposition wird üblicherweise als Anstellung bezeichnet. Die Angabe
der Anstellung bezieht sich dabei auf eine Referenzposition, bei der die Scheitelpunkte
aller Richtrollen auf einer horizontalen Linie liegen. Diese Position der Rollen wird
mit einer Anstellung von 0 bezeichnet. Negative Anstellungen gehen demnach damit einher,
dass ein Rollenscheitelpunkt zwischen jeweils zwei andere Rollenscheitelpunkten "eintaucht"
und eine entsprechend stärkere Biegung aufgebracht wird, wohingegen positive Anstellungen
zu einem lichten Spalt zwischen den Scheitelpunkten der Rollen führen und demnach
eine geringere Biegung aufgebracht wird.
[0083] Die Plastifizierung sowie die zugehörige Anstellung im jeweiligen Biegedreieck sind
neben den Materialeigenschaften (Streckgrenze, Elastizitätsmodul) des zu richtenden
warmgewalzten und erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts von den Abmessungen des Stahlflachprodukts
(Dicke) sowie der Geometrie der Richtanlage (Rollendurchmesser, Rollenteilung) abhängig.
Der Zusammenhang zwischen Anstellung PR und den vorangehend genannten, den Richtprozess
beeinflussenden Parametern ergibt sich wie folgt:

[0084] Hierbei bezeichnet dw die Dicke des zu richtenden Materials, R
e die Streckgrenze des zu richtenden Materials, E den Elastizitätsmodul des zu richtenden
Materials und Plast die im betrachteten Biegedreieck eingebrachte Plastifizierung.
Die Größen in der Formel sind dabei einheitenlos zu verstehen. Es sind die Zahlen
der physikalischen Größen in folgenden Einheiten einzusetzen:
PR in mm
dW in mm
Re in MPa
E in MPa
Plast in %
[0085] Die Vorfaktoren a, b, c, d sowie e sind in Abhängigkeit der Geometrie der Richtanlage
zu wählen. Da Richtrollendurchmesser D
R und Rollenteilung D
T voneinander abhängige Parameter darstellen, werden die Vorfaktoren in Abhängigkeit
des Richtrollendurchmessers DR gemäß folgendem Zusammenhang definiert:

[0086] Auch die Größen in dieser Formel sind einheitenlos zu verstehen. Für D
R wird der Zahlenwert des Rollendurchmessers in mm eingesetzt.
[0087] Die Konstanten x, y und z können für die jeweiligen Vorfaktoren der nachfolgenden
Tabelle 1 entnommen werden und sind für Richtrollendurchmesser zwischen 50 mm und
450 mm gültig.
Tabelle 1: Konstanten zur Berechnung der Vorfaktoren a, b, c, d, e
|
a |
b |
c |
d |
e |
x |
-0,0004 |
0,00002 |
-1,0E-07 |
9,0E-10 |
-2,0E-06 |
y |
-0,0170 |
0,00120 |
-6,0E-06 |
5,0E-08 |
-6,0E-05 |
z |
0,5930 |
0,99546 |
1,0E-04 |
-2,0E-06 |
1,9E-03 |
[0088] Beispielsweise errechnet sich der Faktor a damit aus der Gleichung

wobei für DR der Rollendurchmesser in mm eingesetzt wird.
[0089] Im Folgenden werden die für das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt notwendigen Plastifizierungen
angegeben, welche entsprechend der vorangehend genannten Gleichungen in zugehörige
Anstellungen umgerechnet werden können.
[0090] Um das Streckgrenzenverhältnis zu beeinflussen, ist es notwendig ein Mindestmaß an
plastischer Formänderung durch Richten in das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt einzubringen.
Die Plastifizierung beträgt daher mindestens 75 %. Im Falle einer ausgeprägten Streckgrenze
ist es vorteilhaft diese vor einer weiteren Umformung zu beseitigen. Demnach ist insbesondere
eine Plastifizierung von mindestens 82 % einzustellen. Um gleichzeitig eine ausreichende
Plastifizierung zur Beseitigung von Planheitsfehlern einzubringen, beträgt die Plastifizierung
bevorzugt mindestens 85 %. Das Einbringen einer zu starken Plastifizierung führt zu
einem zu starken Absenken des Streckgrenzenverhältnis, sodass eine maximale Plastifizierung
von 95 % nicht zu überschreiten ist. Um weiterhin das verbleibende Formänderungsvermögen
des Materials nicht übermäßig zu verringern, beträgt die maximale Plastifizierung
insbesondere 94 %, bevorzugt 90 %.
[0091] Es steht somit ein erfindungsgemäßes Stahlflachprodukt zur Verfügung, welches sich
durch hohe Festigkeit und gleichzeitig gute Umformbarkeit auszeichnet.
[0092] Im Folgenden werden acht Ausführungsbeispiele der Erfindung näher erläutert. Dabei
sind in Tabelle 2 zunächst die chemischen Zusammensetzungen des jeweiligen Stahls
in Gew.-% angegeben. Neben den angegebenen Elementgehalten besteht der Stahl im Übrigen
aus Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen.
[0093] Die so zusammengesetzten Stahlschmelzen werden zu einem Vorprodukt in Form einer
Bramme vergossen. Nun folgt ein spezieller Walzprozess, dessen Parameter in Tabelle
3 angegeben sind. Zunächst wird das Vorprodukt auf eine Austenitisierungstemperatur
T
WE vollständig durcherwärmt.
[0094] Anschließend wird das Vorprodukt warmgewalzt zu dem warmgewalzten Stahlflachprodukt
bei einer Warmwalzendtemperatur T
E. In allen Fällen beträgt die Warmwalzendtemperatur T
E mehr als 770 °C und mehr als Ar3+20K. Während dieses Warmwalzschrittes sinkt die
Temperatur des gewalzten Stahlflachprodukts mit jedem Walzstich kontinuierlich bis
hin zur Walzendtemperatur T
E, mit der das warmgewalzte Stahlflachprodukt den letzten Walzstich verlässt.
[0096] Zum Nachweis der Wirkung der Erfindung ist eine erfindungsgemäße Stahlschmelze gemäß
Tabelle 2 zu einem Vorprodukt der Dicke dv vergossen worden. Im anschließenden Warmwalzprozess
folgt die Temperaturführung den in Tabelle 3 angegebenen Werten.
[0097] Die gezielt eingestellte Glühbehandlung und definierten Richtparameter sind in Tabelle
4 zusammengefasst und resultieren in Verbindung mit der chemischen Zusammensetzung
sowie der Temperaturführung in den mechanisch-technologischen Eigenschaften, die in
Tabelle 5 aufgeführt sind.

[0098] In allen Fällen liegt die Austenitisierungstemperatur T
WE, bei der der Warmwalzschritt startet, oberhalb der jeweiligen Rekristallisierungstemperatur
TNR. Somit finden die ersten Walzstiche zwangsläufig bei einer Temperatur oberhalb
der Rekristallisierungstemperatur TNR statt. In allen Ausführungsbeispielen finden
mindestens zwei Walzstiche oberhalb der Rekristallisierungstemperatur TNR statt. Die
konkrete Anzahl der Warmwalzstiche nw oberhalb der Rekristallisierungstemperatur T
NR ist ebenfalls in Tabelle 3 angegeben.
[0099] In allen Ausführungsbeispielen wurde mindestens ein Warmwalzstich unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
T
NR durchgeführt. Die Anzahl der Warmwalzstiche unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
ist mit n
W, ohne Rx bezeichnet und in Tabelle 3 angegeben. Bei allen Ausführungsvarianten beträgt der
Umformgrad Φ
ohne RX über alle Warmwalzstiche, die bei einer Temperatur unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
TNR durchgeführt werden, mindestens 0,05.
[0100] Bei den Ausführungsvarianten 1, 2, 3, 7 und 8 wurde das erhaltene warmgewalzte Stahlflachprodukt
mit einer Abkühlrate Θ
Q von mindestens 40 K/s auf eine Kühlstopptemperatur von T
KS von höchstens T
E - 250K abgekühlt. Aufgrund dieses Abkühlparameters ist sichergestellt, dass ein ausreichendes
Abschrecken des warmgewalzten Stahlflachproduktes vorliegt, sodass sich eine Streckgrenze
von mindestens 890MPa ergibt, wie in Tabelle 5 gezeigt ist.
Bei den Ausführungsvarianten 4, 5 und 6 wurde das erhaltene warmgewalzte Stahlflachprodukt
mit einer Abkühlrate Θ
Q von maximal 40 K/s auf eine Kühlstopptemperatur von T
KS von höchstens T
E - 250K abgekühlt. Aufgrund dieser Abkühlparameter ergeben sich Streckgrenzen von
unter 890MPa, wie in Tabelle 5 gezeigt ist.
[0101] In allen Fällen erfolgte das Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts
von Kühlstopptemperatur T
KS auf Raumtemperatur mit einer Abkühlrate Θ
Q' von höchstens 0,1 K/s.
Tabelle 3: Temperaturführung im Walzprozess
# |
dV |
dW |
nW |
nW,ohne RX |
φohne RX |
TNR* |
TWE |
TE |
TKS |
ΘQ |
ΘQ' |
in mm |
in mm |
in °C |
in °C |
in °C |
in °C |
in K/s |
in K/s |
1 |
264 |
6 |
5 |
2 |
0,12 |
953 |
1295 |
839 |
117 |
44 |
0,005 |
2 |
272 |
4 |
7 |
1 |
0,06 |
943 |
1298 |
867 |
274 |
41 |
0,011 |
3 |
260 |
5 |
6 |
2 |
0,12 |
965 |
1295 |
869 |
80 |
48 |
0,002 |
4 |
257 |
10 |
4 |
7 |
1,50 |
1185 |
1293 |
792 |
577 |
13 |
0,028 |
5 |
260 |
9 |
4 |
7 |
1,61 |
1275 |
1305 |
871 |
511 |
22 |
0,024 |
6 |
262 |
8 |
5 |
7 |
1,73 |
1285 |
1303 |
883 |
576 |
19 |
0,028 |
7 |
260 |
8 |
5 |
1 |
0,06 |
916 |
1296 |
872 |
124 |
46 |
0,004 |
8 |
257 |
4 |
7 |
3 |
0,45 |
1021 |
1301 |
865 |
110 |
46 |
0,003 |
*Berechnet nach Borrato et al. |
[0102] Die auf die beschriebene Weise hergestellten und auf Raumtemperatur abgekühlten,
warmgewalzten Stahlflachprodukte wurden anschließend einer Wärmebehandlung unterzogen,
Ausführungsbeispiel 1 wurde durch ein Selbstanlassen aufgrund der nach der beschleunigten
Abkühlung noch im Material vorhandenen Restwärme wärmebehandelt. Ausführungsbeispiel
2 hat eine Wärmebehandlung durch eine Glühung erfahren. Die Glühbehandlung erfolgt
im Rahmen von festgelegten Glühparametern, die sich aus der Glühtemperatur in °C und
Glühzeit in h berechnen. Die Glühparameter der Ausführungsbeispiele liegen zweckmäßig
über 4000 K*h und unter 18000 K*h.
[0103] Zur Einstellung des erfindungsgemäßen Streckgrenzenverhältnisses wurde eine Pazifizierung
von mindestens 75% und maximal 95% eingestellt. Diese Parameter sind ebenfalls in
Tabelle 4 angegeben.
Tabelle 4: Glühbehandlung und Richtparameter
# |
|
|
|
Wärmebehandlung |
Glühparameter in K∗h |
Plastifizierung |
1 |
Selbstanlassen |
- |
91 % |
2 |
Glühbehandlung |
6012,798 |
85 % |
3 |
Selbstanlassen |
- |
84% |
4 |
Selbstanlassen |
- |
92% |
5 |
Selbstanlassen |
- |
93% |
6 |
Selbstanlassen |
- |
86% |
7 |
Selbstanlassen |
- |
83% |
8 |
Selbstanlassen |
- |
80% |
[0104] Die mechanisch-technologischen Kennwerte und die Gefügezusammensetzung der so erhaltenen
warmgewalzten Stahlflachprodukte ist in der nachfolgenden Tabelle 5 angegeben. Die
Ausführungsbeispiele 1, 2, 3, 7 und 8 haben fast ausschließlich Martensit oder angelassenen
Martensit als Gefügebestandteile, was mit Streckgrenzen von größer 890 MPa einhergeht.
Die Ausführungsbeispiele 4, 5 und 6 haben Ferrit und Bainit als Gefügebestandteile,
was mit Streckgrenzen von größer 890 MPa einhergeht.
[0105] Es sind die Zugfestigkeit R
m und Streckgrenze R
e gemäß ISO 6892 aufgeführt. In allen Ausführungsvarianten beträgt das Verhältnis von
Streckgrenze und Zugfestigkeit mindestens 0,6 und maximal 0,97.
[0106] Aus der Tabelle 5 geht weiterhin hervor, dass das Verhältnis von Streckgrenze R
e zu Elastizitätsmodul E des Stahlflachproduktes maximal 0,01 beträgt.
[0107] Das Verhältnis des minimalen Biegeradius zur Dicke des Stahlflachproduktes r/dw beträgt
bei Streckgrenzen von kleiner 1100 MPa maximal 4 und beträgt bei Streckgrenzen von
größer 1100 MPa maximal 4,5.
Tabelle 5: Mechanisch-technologische Kennwerte und Gefügezusammensetzung
# |
Re |
Rm |
E |
Re/Rm |
Re/E |
r/dW |
Gefüge |
in MPa |
in MPa |
GPa |
|
|
|
|
1 |
1089 |
1172 |
210 |
0,93 |
0,005 |
2,1 |
> 99 % Martensit |
2 |
973 |
1049 |
199 |
0,93 |
0,005 |
2 |
> 99 % angelassener Martensit |
3 |
1268 |
1505 |
195 |
0,84 |
0,007 |
4,2 |
> 99 % Martensit |
4 |
714 |
767 |
196 |
0,93 |
0,004 |
1,1 |
versetzungsreicher Ferrit |
5 |
721 |
773 |
206 |
0,93 |
0,004 |
1 |
> 85 % Bainit, Rest versetzungsreicher Ferrit |
6 |
707 |
779 |
202 |
0,91 |
0,004 |
1,1 |
versetzungsreicher Ferrit |
7 |
1292 |
1523 |
199 |
0,85 |
0,007 |
4,1 |
> 99 % Martensit |
8 |
1305 |
1534 |
201 |
0,85 |
0,007 |
4,3 |
> 99 % Martensit |
1. Warmgewalztes Stahlflachprodukt, das
a) aus einem Stahl mit der nachfolgend angegebenen Zusammensetzung besteht (in Gew.-%)
- C: 0,03-0,65 Gew.-%
- Mn: 0,1-3,0 Gew.-%
- Optional eines oder mehrere der folgenden Elemente mit dem nachfolgend angegebenen
Gewichtsanteil:
- Si: 0,05 - 1,5 Gew.-%
- Al: 0,01 - 1,5 Gew.-%
- B: 0,0001 - 0,0075 Gew.-%
- Nb: 0,002 - 0,2 Gew.-%
- Cr: 0,05 - 2,5 Gew.-%
- Mo: 0,01- 1,0 Gew.-%
- Ti: 0,002 - 0,3 Gew.-%
- V: 0,002 - 0,15 Gew.-%
- Ni: 0,05 - 10 Gew.-%
- Cu: 0,01- 1,0 Gew.-%
- Ca: 0,0001 - 0,0065 Gew.-%
- REM: 0,001-0,05 Gew.-%
- N: 0,002- 0,01 Gew.-%
- P: 0,003 - 0,05 Gew.-%
- Sn: 0,001% - 0,04 Gew.-%
- As: 0,001 - 0,02 Gew.-%
- O: 0,001 - 0,03 Gew.-%
- Co: 0,01 - 1 Gew.-%
- W: 0,005 - 0,2 Gew.-%
- Zr: 0,005 - 0,2 Gew.-%
- Be: 0,001- 0,1 Gew.-%
- Sb: 0,001- 0,3 Gew.-%
- S: 0,0002- 0,02 Gew.-%
- Pb: 0,0001 - 0,02 Gew.-%
- Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
und eine Streckgrenze von mindestens 680 MPa aufweist und wobei ein minimales Verhältnis
von Streckgrenze und Zugfestigkeit von 0,6 vorliegt.
2. Warmgewalztes Stahlflachprodukt nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Verhältnis von Streckgrenze zu Elastizitätsmodul des Stahlflachproduktes maximal
0,01 beträgt.
3. Warmgewalztes Stahlflachprodukt nach einem der Ansprüche 1 bis 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Streckgrenze kleiner ist als 1100MPa und das Verhältnis des minimalen Biegeradius
r zu Dicke dw des Stahlflachproduktes maximal 4 beträgt
oder
- die Streckgrenze mindestens 1100MPa beträgt und das Verhältnis des minimalen Biegeradius
r zu Dicke dw des Stahlflachproduktes maximal 4,5 beträgt.
4. Warmgewalztes Stahlflachprodukt nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Streckgrenze kleiner ist als 890MPa und der Stahl ein Gefüge aufweist, das mehr
als 50 Vol.-% Bainit, höchstens 10 Vol.-% Martensit, Rest Ferrit umfasst, wobei insbesondere
das Gefüge zu 100 Vol.-% Bainit umfasst
oder
- die Streckgrenze mindestens 890MPa beträgt und der Stahl ein Gefüge aufweist, das
mehr als 50 Vol.-% Martensit, höchstens 10 Vol.-% Ferrit, Rest Bainit umfasst, wobei
insbesondere das Gefüge zu 100 Vol.-% Martensit umfasst.
5. Warmgewalztes Stahlflachprodukt nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das warmgewalzte Stahlflachprodukt eine Dicke dw von 1,5 mm bis 25 mm aufweist.
6. Verfahren zur Herstellung eines gemäß einem der voranstehenden Ansprüche ausgebildeten,
warmgewalzten Stahlflachproduktes umfassend folgende Arbeitsschritte
a) Erzeugen einer Stahlschmelze mit der nachfolgend angegebenen Zusammensetzung (in
Gew.-%):
- C : 0,03-0,65 Gew.-%
- Mn: 0,1-3,0 Gew.-%
- Optional eines oder mehrere der folgenden Elemente mit dem nachfolgend angegebenen
Gewichtsanteil:
- Si: 0,05 - 1,5 Gew.-%
- Al: 0,01 - 1,5 Gew.-%
- B: 0,0001 - 0,0075 Gew.-%
- Nb: 0,002 - 0,2 Gew.-%
- Cr: 0,05 - 2,5 Gew.-%
- Mo: 0,01- 1,0 Gew.-%
- Ti: 0,002 - 0,3 Gew.-%
- V: 0,002 - 0,15 Gew.-%
- Ni: 0,05 - 10 Gew.-%
- Cu: 0,005- 1,0 Gew.-%
- Ca: 0,0001 - 0,0065 Gew.-%
- REM: 0,001-0,05 Gew.-%
- N: 0,002- 0,01 Gew.-%
- P: 0,003 - 0,05 Gew.-%
- Sn: 0,001% - 0,04 Gew.-%
- As: 0,001 - 0,02 Gew.-%
- O: 0,001 - 0,03 Gew.-%
- Co: 0,01 - 1 Gew.-%
- W: 0,005 - 0,2 Gew.-%
- Zr: 0,005 - 0,2 Gew.-%
- Be: 0,001- 0,1 Gew.-%
- Sb: 0,001- 0,3 Gew.-%
- S: 0,0002- 0,02 Gew.-%
- Pb: 0,0001 - 0,02 Gew.-%
- Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
b) Vergießen der Stahlschmelze zu einem Vorprodukt in Form eines Blocks, einer Bramme,
einer Dünnbramme oder eines gegossenen Bandes mit einer Dicke dv zwischen 2,5 mm und
600 mm
c) Durcherwärmen des Vorproduktes auf eine Austenitisierungstemperatur TWE zwischen 1100°C und 1350°C
d) Warmwalzen des Vorproduktes zu dem warmgewalzten Stahlflachprodukt mit einer Enddicke
dw bei einer Warmwalzendtemperatur TE von mindestens 770 °C, insbesondere mindestens Ar3+20K
e) Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ΘQ auf Kühlstopptemperatur
f) Optionales Haspeln des auf die Kühlstopptemperatur abgekühlten, warmgewalzten Stahlflachproduktes
zu einem Coil
g) Weiteres Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate
ΘQ' auf Raumtemperatur
h) Optionale Wärmebehandlung des Stahlflachprodukts
i) Richten des auf Raumtemperatur abgekühlten, warmgewalzten Stahlflachproduktes mittels
mindestens eines ersten Richtschrittes auf einer Richtwalzanlage, wobei die Plastifizierung
im ersten Biegedreieck der Richtwalzanlage während des ersten Richtschrittes mindestens
75% und höchstens 95% beträgt.
7. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass das Warmwalzen des Vorproduktes mindestens zwei Warmwalzstiche umfasst, die bei einer
Temperatur oberhalb einer Rekristallisierungstemperatur T
NR durchgeführt werden, wobei für die Rekristallisierungstemperatur T
NR gilt:
8. Verfahren nach Anspruch 7,
dadurch gekennzeichnet, dass das Warmwalzen des Vorproduktes eine Mindestanzahl n
W von Warmwalzstichen umfasst, die bei einer Temperatur oberhalb der Rekristallisierungstemperatur
T
NR durchgeführt werden, wobei die Mindestanzahl n
W dem auf eine ganze Zahl gerundetem Ergebnis n
W' entspricht, mit

wobei dv die Dicke des Vorproduktes und dw die Dicke des warmgewalzten Stahlflachproduktes
ist.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Warmwalzen des Vorproduktes mindestens einen Warmwalzstich umfasst, der bei einer
Temperatur unterhalb der Rekristallisierungstemperatur TNR durchgeführt wird, wobei insbesondere der Umformgrad Φ über alle Warmwalzstiche,
die bei einer Temperatur unterhalb der Rekristallisierungstemperatur TNR durchgeführt werden, mindestens 0,25 beträgt.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 9, wobei das warmgewalzten Stahlflachprodukt
eine Streckgrenze aufweist und wobei
- die Streckgrenze mindestens 890MPa beträgt und das Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten
Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ΘQ von mindestens 40 K/s auf eine Kühlstopptemperatur von TKS von höchstens TE - 250K erfolgt,
oder
- die Streckgrenze kleiner ist als 890MPa und das Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten
Stahlflachprodukts mit einer Abkühlrate ΘQ von höchstens 40 K/s auf eine Kühlstopptemperatur von TKS zwischen 500°C und 700°C erfolgt.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Abkühlen des erhaltenen warmgewalzten Stahlflachprodukts von Kühlstopptemperatur
TKS auf Raumtemperatur mit einer Abkühlrate ΘQ' von höchstens 0,1 K/s erfolgt.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmebehandlung des Stahlflachprodukts durch Selbstanlassen und/oder durch eine
Glühung erfolgt.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Richten in einem mindestens zweistufigen Prozess erfolgt, umfassend einen Vorrichtprozess
und einen Feinrichtprozess.
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Plastifizierung beim Richten durch Biegung erfolgt und die erste eingebrachte
Biegung insbesondere entgegen der Vorkrümmung des Stahlflachprodukts oder in Richtung
der Vorkrümmung des Stahlflachprodukts erfolgt.