(19)
(11) EP 4 124 400 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
01.02.2023  Patentblatt  2023/05

(21) Anmeldenummer: 21188240.2

(22) Anmeldetag:  28.07.2021
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B22D 11/16(2006.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
B22D 11/16
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: Primetals Technologies Austria GmbH
4031 Linz (AT)

(72) Erfinder:
  • Hahn, Susanne
    4040 Linz (AT)
  • Kaltseis, Rainer
    4060 Leonding (AT)
  • Riese, Axel
    4030 Linz (AT)

(74) Vertreter: Metals@Linz 
Primetals Technologies Austria GmbH Intellectual Property Upstream IP UP Turmstraße 44
4031 Linz
4031 Linz (AT)

   


(54) VERFAHREN ZUR FESTSTELLUNG EINER DEFEKTWAHRSCHEINLICHKEIT EINES GEGOSSENEN PRODUKTABSCHNITTES


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft das Gebiet von Gießanlagen, vorzugsweise von Stranggußanlagen zum Herstellen von Brammen.
Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches eine Bestimmung von qualitätsmindernden Defekten liefert, bevor das gegossene Produkt die Gießanlage verlassen hat.
Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren zur Feststellung einer Defektwahrscheinlichkeit eines gegossenen Produktabschnittes (7a-7d).
Durch eine mehrstufige Produktabschnittsberechnung, welche in Echtzeit abläuft, werden in einem ersten Berechnungsschritt zumindest Veränderungen von Matrixphasenanteilen und ein Elementkonzentrationsprofil in Phasengebieten jeweils für einen Temperatur-Zeit Schritt berechnet.
Die Ergebnisse des ersten Berechnungsschritt werden einem zweiten Berechnungsschritt zugeführt, wobei im zweiten Berechnungsschritt eine Veränderung von Ausscheidungsanteilen aus zumindest einem Phasengebiet bestimmt werden, für den nachfolgenden Temperatur-Zeit Schritt werden
Die Ergebnisse des zweiten Berechnungsschrittes als Eingangsgröße für den ersten Berechnungsschritt verwendet. Die Ergebnisse der Produktabschnittberechnung werden herangezogen, um zumindest einen Defektindex zu ermitteln




Beschreibung

Gebiet der Technik



[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft das Gebiet von Gießanlagen, vorzugsweise von Stranggußanlagen zum Herstellen von Brammen.

[0002] Einerseits betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Feststellung einer Defektwahrscheinlichkeit eines, in einer Gießanlage, bevorzugt mittels einer Stranggussanlage, gegossenen Produktabschnittes. Als Eingangsparameter wird ein zeitlicher Temperaturverlauf - für zumindest eine Position eines Querschnittes des Produktabschnittes - herangezogen, welcher während des Gießprozesses ermittelt wurde. Andererseits betrifft die Erfindung ein Computerprogramm durch Durchführung des Verfahrens, sowie eine Gießanlage und ein computerlesbares Medium.

Stand der Technik



[0003] Beim Gießen von Metallprodukten, welche durch eine Gießanlage erzeugt werden, können verschiedenste suboptimale mechanische oder thermische Bedingungen auftreten, welche zu qualitätsmindernden Defekten führen können. Auf diese qualitätsmindernden Defekte kann bei Kenntnis verschieden reagiert werden. Es kann beispielsweise das gegossene Metallprodukt einer niedrigen Qualität zugeordnet werden, eine Nachbehandlung veranlasst werden, ein Abschnitt aus dem Produkt herausgeschnitten und verschrottet werden oder andere Maßnahmen eingeleitet werden. Das Problem - welches bislang besteht - ist, dass die Berechnungen sehr aufwendig und zeitintensiv sind und eine Bestimmung von Defekten oft erst zu einem späten Zeitpunkt vorliegt. Dadurch ist es oft nicht mehr möglich gewisse Maßnahmen vorzunehmen, da diese bereits abgeschlossen sind.

Zusammenfassung der Erfindung



[0004] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches eine Bestimmung von qualitätsmindernden Defekten liefert, bevor das gegossene Produkt die Gießanlage verlassen hat.

[0005] Die Aufgabe wird gelöst durch eine mehrstufige Produktabschnittsberechnung. Diese wird mithilfe von charakterisierenden Parametern des Produktabschnittes und ausgewählten Betriebsparameter der Gießanlage, durchgeführt. Die mehrstufige Produktabschnittsberechnung wird in mindestens zwei Berechnungsschritte aufgeteilt, da die Teilrechnungen einfacher zu lösen sind - zwei kleine Gleichungssysteme gegenüber einem großen Gleichungssystem. Dies ist nicht exakt, sondern eine Näherung.

[0006] Im ersten Berechnungsschritt wird zumindest eine Veränderung von Matrixphasenanteilen jeweils für einen Temperatur-Zeit Schritt i zur Zeit ti und Temperatur Ti berechnet. Die Matrixphasenanteile umfassen Matrixphasen, wie zum Beispiel Ferrit, Austenit oder Bainit und Karbidphasenanteile wie zum Beispiel primäre Karbide wie M23C6 oder M7C3. Für die Berechnung werden bevorzugt physikalisch thermodynamische Berechnungen des Produktabschnitt mithilfe der Eingangsparameter und des Temperaturverlaufes berechnet. Der zeitliche Temperaturverlauf wird bevorzugt von einem vorhandenen Berechnungssystem der Gießanlage übernommen.

[0007] Die Berechnungen erfolgen bevorzugt auf Basis eines thermodynamischen Gibbs-Energie Ansatzes mit thermodynamischem Gleichgewicht an einer oder mehrerer Phasengrenzen nach Gleichung 1 und für unterschiedliche Phasen zusammen mit einem Materialgleichgewichtsansatz an der Phasengrenzschicht und Diffusion (Fick'sche Gesetze) nach Gleichung 2.



µI Phase1 ···
chemische Potential für Komponente I in der Phase 1
µI Phase2 ···
chemische Potential für Komponente I in der Phase 2
vPhase12,grenz ···
Geschwindigkeit der Grenzschicht zwischen Phasen 1 und 2
Vm ...
molares Volumen
CI Phase1 ···
Konzentration der Komponente I in Phase 1 an der Grenzschicht zu Phase 2
CI Phase2 ···
Konzentration der Komponente I in Phase 2 an der Grenzschicht zu Phase 1
JI Phase1 ···
Konzentrationsfluss der Komponente I in Phase 1
JI Phase2 ···
Konzentrationsfluss der Komponente I in Phase 2


[0008] Die Ergebnisse des ersten Berechnungsschritt werden einem zweiten Berechnungsschritt zugeführt.

[0009] Im zweiten Berechnungsschritt wird eine Veränderung von Ausscheidungsanteilen in den Phasengebieten bestimmt. Bei Ausscheidungsanteile werden Anteile von Ausscheidungen wie beispielsweise:
  • Carbon-Nitride, beispielsweise Nb(CN) oder Ti(NC)
  • Nitride, beispielsweise VN, AIN
  • Carbide, beispielsweise NbC, TiC
  • Sulfid, beispielsweise (MnCr)S, MnS
  • Oxide
  • Boride
bestimmt.

[0010] Im zweiten Berechnungsschritt werden die Veränderungen der Ausscheidungsanteile in den Phasengebieten bevorzugt mit Hilfe einer zweiten thermodynamischen Gleichgewichtsberechnung zwischen Matrixphasen einer Legierung und nichtmetallischer Ausscheidungen berechnet. Diese Gleichgewichtsberechnung liefert als Ergebnis neue Konzentrationen an den Phasengrenzen in den Matrixphasengebieten.



µI Matrix ···
chemische Potential für Komponente I in der Matrix Phase
µI prec ···
chemische Potential für Komponente I in der Ausscheidung
vgrenz -
Geschwindigkeit der Grenzschicht zwischen Matrixphase und Ausscheidung
Vm ...
molares Volumen
CI Matrix ···
Konzentration der Komponente I in Matrixphase
CI prec -
Konzentration der Komponente I in der nicht stöchiometrischen Ausscheidung
JI Matrix ···
Konzentrationsfluss der Komponente I in die Matrixphase
JI prec -
Konzentrationsfluss der Komponente I in der nicht stöchiometrischen Ausscheidung


[0011] In einer Ausführungsvariante, unter Annahme vollständiger Diffusion innerhalb eines Zeitschrittes, ergeben sich die Konzentrationsflüsse JI einfach aus der Erhaltung der Massenbilanz und die Elementkonzentrationsprofile sind in jedem Phasengebiet konstant.

[0012] In einer bevorzugten Ausführungsform geht CI,matrix aus Gleichung 4 in einen dritten Berechnungsschritt - der Berechnung des Elementkonzentrationsprofiles mittels einer Diffusionsgleichung - ein. Ein Elementkonzentrationsprofil xI(r,ti) an einer Stelle r und zu einem Zeitpunkt ti wird mit der Konzentration einer Schmelze initialisiert. In der Folge werden Elementkonzentrationen des - zwischen ti-1 und ti von einer Phase 1 in eine Phase 2 - umgewandelte Bereiches zwischen RPhase12(ti-1) und RPhase12(ti) unter Einhaltung der Massenbilanz an der Grenzschicht mit Hilfe von Gleichung 5 und 6 abgeschätztund anschließend die Diffusionsgleichung (Gleichung 7) unter Berücksichtigung entsprechender Randbedingungen gelöst, um ein neues

[0013] Elementkonzentrationsprofil zu bestimmen.





DI(r) ...
eine Diffusionskonstante der Komponente I an der Position r
Init ...
eine Verteilung der Konzentration x in neu umgewandelten Phasengebiet unter Beibehaltung der Massenbilanz


[0014] CI Matrix aus Gleichung 4 und xI aus Gleichung 7 gehen dann als Ausgangsgrößen in Gleichung 1 und Gleichung 2 für den nächsten Temperatur/Zeitschritt ein.

[0015] Für den nachfolgenden Temperatur-Zeit Schritt fließen die Ergebnisse des dritten Berechnungsschrittes als Eingangsgröße für den ersten Berechnungsschritt ein.

[0016] Berechnungsbeispiel:
  • Berechnungsschritt 1: Veränderung von Matrixphasenanteilen.

    Verwendete Ergebnisse aus Berechnungsschritt 2 bzw. 3 der Berechnung des Temperatur-Zeitschrittes ti-1:

    xC(r), xTi(r) aus Berechnungsschritt 3

    CC,Phase1, CTi,Phase1, CC,Phase2, CTi,Phase2 als Startwert aus Berechnungsschritt 2

    Unbekannte Variablen:

    CFe, CC, CTi in jeder der zwei Phasen (6 Unbekannte)

    vPhase12,grenz zwischen den beiden Phasen

  • Gleichungen















  • Berechnungsschritt 2: Ausscheidungen aus Phase 2 für TiC.

    Verwendete Ergebnisse aus Berechnungsschritt 1:

    xC(r,ti) und Startwert für CC,Phase2

    xTi(r,ti) und Startwert für CTi,Phase2

    Unbekannte Variablen:

    CC, CTi in der Phase2 und als TiC (4 Unbekannte)

    vPhase2,TiC,grenz zwischen den beiden Phasen

  • Nebenbedingung:

    JTiC = 0 (kein Rückdiffusion von Ausscheidungen)

  • Gleichungen:

    CTi,TiC = 0.5 (stöchiometrisches Verhältnis)

    CC,TiC = 0.5 (stöchiometrisches Verhältnis)







  • Berechnungsschritt 3: Diffusion

    Unbekannte Variablen:

    xC, xTi, xFe Konzentrationsprofile der Elemente (3 Unbekannte)

  • Nebenbedingungen:









  • Gleichungen:



    mit Startbedingung



    mit Startbedingung



    mit Startbedingung



[0017] Ein Ergebnis der Produktabschnittberechnung wird herangezogen um Defektwahrscheinlichkeiten, im Querschnitt des Produktabschnittes, mittels festgelegter Defektindizes, zu ermitteln. Eine Position im Querschnitt des Produktabschnittes ist durch den vorgegebenen Temperaturverlauf gegeben. Für jede Position im Querschnitt muss dem erfinderischen Verfahren auch ein eigener Temperaturverlauf als Eingangsparameter übergeben werden.

[0018] Die festgelegten Defektindizes sind bevorzugt eine mathematische Formel, welche beim Überschreiten eines vorgegebenen Schwellwertes eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen qualitätsmindernden Defekt anzeigt. Der Produktabschnitt weist einen bestimmten Querschnitt - also eine Breite und eine Höhe - auf und die Defekte können beispielsweis in der Strangmitte oder an der Oberfläche auftreten. Es wird deshalb bevorzugt die Berechnung an mehreren Positionen im Querschnitt durchgeführt. Ein möglicher Defektindex ist QI PERI, durch welchen ein Auftreten und eine Ausprägung peritektischen Verhalten angezeigt wird.

QI PERI ···
Defektindex
factor1 ...
Vorfaktor
PhasenanteilFerrit(Tsolidus) ...
Ferrit Phasenanteil bei Solidus Temperatur. Volumenanteil der Ferrit-Phase für RFerrit(tsolidus) mit T(tSolidus) = TSolidus
PhasenanteilFerrit(Tsolidus - ΔT)
Ferrit Phasenanteil bei Temperatur ΔT unterhalb der Solidus Temperatur Tsolidus


[0019] Der Vorfaktor dient zur Einstellung der Sensitivität damit der Defektindex möglichst in einem Bereich zwischen 0 und 1 liegt. Die Phasenanteile und die Solidus Temperatur werden in den zuvor beschriebenen Berechnungen bestimmt. Die Temperatur ΔT muss in einem Validierungsprozess empirisch bestimmt werden. Diese Temperatur ΔT ändert sich während des Betriebes der Gießanlage im Normalfall nicht mehr.

[0020] Die Defektindizes werden normiert in einem Bereich von 0 bis 1 angegeben, wobei Werte in der Nähe von 0 eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit von Defekten bedeutet und Werte in der Nähe von 1 eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Auftreten von Defekten darstellen.

[0021] Die ermittelten Defekte werden in Echtzeit, also unmittelbar bevor der Produktabschnitt die Gießanlage verlässt, bevorzugt bevor der Produktabschnitt eine Schneidvorrichtung der Gießanlage erreicht, ermittelt.

[0022] Durch das zuvor beschriebene Berechnungssystem wird ermöglicht, dass während des Durchlaufes durch die Gießanlage, eine Kategorisierung der Defektanfälligkeit für bestimmte Defekte, welche mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auftreten, zur Verfügung zu stellen. Die ermittelten Defekte können dann beispielsweise dazu genutzt werden eine Schnittposition des Produktsegmentes festzulegen, die nachfolgende Bearbeitung festzulegen und / oder mögliche Nachbehandlungsschritte festzulegen.

[0023] Eine bevorzugte Ausführungsform sieht vor, dass als ausgewählte Betriebsparameter eine Auswahl aus folgenden Parametern verwendet werden:
  • Gießgeschwindigkeiten,
  • Zustand der Gießmaschine,
  • Gießpulver,
  • Elektromagnetischer Kokillen und/oder Strangrührer,
  • Temperaturverteilung des Metalls innerhalb der Kokille


[0024] Eine zweckmäßige Ausführung sieht vor, dass die Produktabschnittsberechnung einen dritten Berechnungsschritt aufweist, in welchem die Diffusion mithilfe der Ergebnisse des zweiten Berechnungsschrittes berechnet wird und dessen Ergebnisse als Eingangsgröße dem folgenden ersten Berechnungsschritt zugeführt werden.

[0025] Eine vorteilhafte Ausführung sieht vor, dass die charakterisierenden Parameter des Produktabschnittes eine Auswahl von folgenden Parametern umfassen:
  • Chemische Zusammensetzung
  • Geschichte der mechanischen Spannungen und Verformungen
  • Dehnraten und Dehnungen aufgrund des Biegens in einer Bogenanlage
  • Dehnraten und Dehnungen aufgrund des Richtens in einer Bogenanlage
  • Dehnraten und Dehnungen aufgrund von Softreduction
  • Thermische Dehnraten und Dehnungen des Produktabschnittes innerhalb der Gießanlage


[0026] Ein zweckmäßige Ausführungsform sieht vor, dass zumindest die Temperaturverläufe von zwei, bevorzugt vier, besonders bevorzugt von sechs verschiedenen Positionen des Querschnitts des gegossenen Produktabschnitts als Eingangsparameter übermittelt werden. In diesen zumindest in zwei, bevorzugt vier, besonders bevorzugt sechs Positionen eines Querschnittes des Produktabschnitts werden Defektwahrscheinlichkeiten ermittelt.

[0027] Es wird deshalb bevorzugt die Berechnung an mehreren Positionen im Querschnitt durchgeführt, damit auch Defekte an unterschiedlichen Positionen im Querschnitt identifiziert werden können.

[0028] Eine weitere zweckmäßige Ausführungsform sieht vor, dass die charakterisierenden Parametern des Produktabschnittes und die ausgewählten Betriebsparameter der Gießanlage in Abhängigkeit von Betriebsparametern die teilweise oder vollständig aus dem Gießprozesses bestimmt werden, oder während des Gießprozesses berechnet und der Produktabschnittsberechnung in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden.

[0029] Eine vorteilhafte Ausführungsform sieht vor, dass eine Veränderung von Karbidphasenanteilen im ersten Berechnungsschritt berechnet werden. Dies ist für jene Stahlgüten, welche Karbide ausbilden, wichtig um eine genaue Berechnung zu erhalten.

[0030] Die Aufgabe wird des Weiteren gelöst durch ein Computerprogramm umfassend Befehle, zur Durchführung des oben beschriebenen Verfahrens.

[0031] Die Aufgabe wird auch gelöst durch eine Gießanlage, bevorzugt eine Stranggießanlage zur Erzeugung von Gießprodukten, bevorzugt Brammen, gelöst. Diese umfasst ein Computersystem, welches das zuvor beschriebene Computerprogramm umfasst.

[0032] Die Aufgabe wird weiters durch ein Computerlesbares Medium, auf dem das zuvor beschriebene Computerprogram gespeichert ist, gelöst.

[0033] Kurze Beschreibung der Zeichnungen
Fig. 1
eine schematische Darstellung einer Stranggußanlage
Fig. 2
ein schematischer Ablauf des Verfahrens
Fig. 3
Querschnitt eines Stranges
Fig. 4a
Temperaturverlauf einer vergossenen Stahlschmelze
Fig. 4b
Defektindex für verschiedene Temperaturverläufe

Beschreibung der Ausführungsformen



[0034] In der Fig. 1 ist schematisch eine Stranggussanlage 1 dargestellt. In eine Kokille 2 wird flüssiges Metall 6 gegossen und aus der Kokille wird dann ein gegossener Strang 7 abgezogen. Durch ein Computersystem 3, welches mit einem Speicher 4 verbunden ist, werden Defekte des gegossenen Stranges 7 berechnet. Der Strang wird für die Berechnung in unterschiedliche Produktabschnitte 7a-7d unterteilt. Die Defekte werden an ein Produktionsplanungssystem 9 und/oder einer Anzeigeneinheit 8 zugeführt. Das Computersystem 3 erhält über Eingänge 5 Eingangsparameter. Diese Eingangsparameter können einerseits von Messinstrumenten 5a, vom Speicher 4, über die Speicherleitung 5b und/oder von einem übergeordneten Leitsystem der Industrieanlage übergeben werden. Die von Messinstrumenten 5a erfassten Parameter sind beispielsweise die Temperatur der Schmelze, Gießgeschwindigkeit und/oder Parameter der Kühlstrecke. Eine Schneidvorrichtung 10 kann beispielsweise vom Produktionsplanungssystem 9, welches anhand der ermittelten Defekte eine entsprechenden Schnittplan erstellt hat, angesteuert werden. Das Produktionsplanungssystem 9 kann aber auch nachfolgende Behandlungsschritte und / oder zu erzeugende Produkte festlegen. Eine Zusammensetzung der Schmelze kann entweder im Speicher abgelegt sein, oder durch das übergeordnete Leitsystem der Industrieanlage übermittelt werden. Im Speicher 4 können neben spezifischen Daten der Stranggussanlage 1 auch Messdaten abgelegt sein.

[0035] In der Fig. 2 ist ein schematischer Ablauf eines Verfahrens zum Bestimmen von Defekten eines gegossenen Produktabschnittes gezeigt. Im Schritt S1 werden die Prozessdaten für den aktuell erzeugten Produktabschnitt gesammelt und für eine nachfolgende zweistufige Produktabschnittsberechnung als Eingangsparameter verwendet. Ein Eingangsparameter ist zumindest der Temperaturverlauf des Produktabschnittes während des Gießprozesse, des Weiteren können beispielsweise die Gießgeschwindigkeit, das Format, Dehnung und Dehnrate in Biege und Richtzonen, chemische Zusammensetzung der Schmelze als Eingangsparameter einfließen. Im Schritt S2 wird mithilfe der Eingangsparameter eine Veränderung von Matrixphasenanteile und ein Elementkonzentrationsprofil in Phasengebieten jeweils für einen Temperatur-Zeit Schritt berechnet.

[0036] Das Ergebnis aus Schritt S2 wird im Schritt S3 verwendet, um eine Veränderung von Ausscheidungsanteilen in den Phasengebieten zu bestimmen.

[0037] Die Ergebnisse aus Schritt S3 werden verwendet um, für einen nächsten Temperatur-Zeit Schritt, die Berechnungen in Schritt S2 durchzuführen.

[0038] Im nächsten Schritt S4 werden dann anhand von Kriterien für Defektindizes mögliche Defekte an bestimmten Orten des Produktsegmentes bestimmt. Die Defekte und deren bestimmter Ort werden dann im Schritt S5 beispielsweise an ein nachfolgendes Produktionsplanungssystem weitergeleitet.

[0039] In Fig. 3 ist ein Querschnitt eines Stranges 7 gezeigt. Es sind dabei verschiedene Positionen 11a - 11d gezeigt an welchen eine Defektwahrscheinlichkeit berechnet wird. Die Punkte hängen unter anderem davon ab, welche örtliche Auflösung der Temperaturverlauf, welcher zur Verfügung gestellt wird, hat.

[0040] In der Fig. 4a ist beispielhaft für eine vergossene Stahlschmelze ein Temperaturverlauf 20a-20c über die Zeit t, welcher mithilfe von unterschiedlichen Kühlraten erreicht wurde, dargestellt. Alle anderen Parameter waren gleich. Für den Temperaturverlauf 20a wurde eine kleinere Kühlwassermenge aufgewendet als für die Temperaturverläufe 20b und 20c, wobei für den Temperaturverlauf 20c die größte Kühlwassermenge auf den betrachteten Produktabschnitt aufgebracht wurde.

[0041] In Fig. 4b wurde auf der y-Achse ein Defektindex QI com für die oben erwähnten verschiedenen Temperaturverläufe - mit unterschiedlicher Kühlmittelmenge KM - dargestellt. Dieser Defektindex QI com hängt von folgenden Parameter ab:

ε
Dehnung
fdecomp···
Phasenanteil des bereits umgewandelten Austenits
Ar3
Temperatur der Ferritbildung
Ar1
Start Temperatur der Perlitbildung


[0042] Der berechneten Defektindex 21a entspricht Temperaturverlauf 20a, der Defektindex 21b ergab sich durch einen Temperaturverlauf 20b und der Defektindex 21c durch den Temperaturverlauf 21c. Die Defektindizes 21a - 21c sind normiert und werden in einem Bereich von 0 bis 1 angeben, wobei ein größerer Wert einer höheren Defektwahrscheinlichkeit entspricht.

[0043] Obwohl die Erfindung im Detail durch die bevorzugten Ausführungsbeispiele näher illustriert und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.

Bezugszeichenliste



[0044] 
1
Stranggußanlage
2
Kokille
3
Computersystem
4
Speicher
5
Eingänge
5a
Messinstrumenten
5b
Speicherleitung
6
Flüssiges Metall
7
Strang
7a - 7d
Produktabschnitte
8
Anzeigeeinheit
9
Produktionsplanungssystem
10
Schneidvorrichtung
11a - 11d
Positionen
20a - 20c
Temperaturverlauf
S1 - S5
Schritt
QI com
Defektindex
KM
Kühlmittelmenge
t
Zeit
T
Temperatur



Ansprüche

1. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines, in einer Gießanlage, bevorzugt mittels einer Stranggussanlage (1), gegossenen Produktabschnittes (7a-7d), wobei ein zeitlicher Temperaturverlauf (20a-20c), für zumindest eine Position eines Querschnittes des Produktabschnittes (7a-7d), während des Gießprozesses ermittelt wurde und als ein Eingangsparameter verwendet wird, dadurch gekennzeichnet, dass
eine mehrstufige Produktabschnittsberechnung, mithilfe von charakterisierenden Parametern des Produktabschnittes (7a-7d) und ausgewählte Betriebsparameter der Gießanlage, durchgeführt wird, wobei die Produktabschnittsberechnung in Echtzeit abläuft, die mehrstufige Produktabschnittsberechnung aus zumindest folgenden Berechnungsschritten besteht:

- einem ersten Berechnungsschritt, in welchem zumindest Veränderungen von Matrixphasenanteilen jeweils für einen Temperatur-Zeit Schritt berechnet werden,

- Ergebnisse des ersten Berechnungsschritt werden einem zweiten Berechnungsschritt zugeführt,

- wobei im zweiten Berechnungsschritt eine Veränderung von Ausscheidungsanteilen aus zumindest einem Phasengebiet bestimmt werden,

- für den nachfolgenden Temperatur-Zeit Schritt werden die Ergebnisse des zweiten Berechnungsschrittes als Eingangsgröße für den ersten Berechnungsschritt verwendet,

- wobei Ergebnisse der Produktabschnittberechnung herangezogen werden, um zumindest einen Defektindex zu ermitteln,

- wobei der zumindest eine ermittelte Defektindex in Echtzeit, also unmittelbar bevor der Produktabschnitt (7a-7d) die Gießanlage verlässt, bevorzugt bevor der Produktabschnitt eine Schneidvorrichtung (10) der Gießanlage erreicht, zur Verfügung steht.


 
2. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines in einer Gießanlage gegossenen Produktabschnittes (7a-7d) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als ausgewählte Betriebsparameter eine Auswahl aus folgenden Parametern verwendet werden:

- Gießgeschwindigkeiten,

- Zustand der Gießmaschine,

- Gießpulver,

- Elektromagnetischer Kokillen und/oder Strangrührer,

- Temperaturverteilung des Metalls innerhalb der Kokille.


 
3. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines in einer Gießanlage gegossenen Produktabschnittes (7a-7d) nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Produktabschnittsberechnung einen dritten Berechnungsschritt aufweist, in welchem die Diffusion mithilfe der Ergebnisse des zweiten Berechnungsschrittes berechnet wird und dessen Ergebnisse als Eingangsgröße dem folgenden ersten Berechnungsschritt zugeführt werden.
 
4. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines in einer Gießanlage gegossenen Produktabschnittes (7a-7d) nach einem der Ansprüche 1-3, dadurch gekennzeichnet, dass die charakterisierenden Parameter des Produktabschnittes eine Auswahl von folgenden Parametern umfassen:

- Chemische Zusammensetzung

- Geschichte der mechanischen Spannungen und Verformungen

- Dehnraten und Dehnungen aufgrund des Biegens in einer Bogenanlage

- Dehnraten und Dehnungen aufgrund des Richtens in einer Bogenanlage

- Dehnraten und Dehnungen aufgrund von Softreduction

- Thermische Dehnraten und Dehnungen des Produktabschnittes innerhalb der Gießanlage.


 
5. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines in einer Gießanlage gegossenen Produktabschnittes (7a-7d) nach einem der Ansprüche 1-4, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest die Temperaturverläufe von zwei, bevorzugt vier, besonders bevorzugt von sechs verschiedenen Positionen des Querschnitts des gegossenen Produktabschnitts (7a-7d) als Eingangsparameter übermittelt werden und zumindest in diesen zwei, bevorzugt vier, besonders bevorzugt sechs Positionen des Querschnittes, Defektwahrscheinlichkeiten ermittelt werden.
 
6. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines in einer Gießanlage gegossenen Produktabschnittes (7a-7d) nach einem der Ansprüche 1-5, dadurch gekennzeichnet, dass die charakterisierenden Parametern des Produktabschnittes und die ausgewählten Betriebsparameter der Gießanlage in Abhängigkeit von Betriebsparametern die teilweise oder vollständig aus dem Gießprozesses bestimmt werden, oder während des Gießprozesses berechnet und der Produktabschnittsberechnung in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden.
 
7. Verfahren zur Feststellung einer
Defektwahrscheinlichkeit eines in einer Gießanlage gegossenen Produktabschnittes nach einem der Ansprüche 1-6, dadurch gekennzeichnet, dass eine Veränderung von Karbidphasenanteilen im ersten Berechnungsschritt berechnet werden.
 
8. Computerprogramm umfassend Befehle, zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1-7.
 
9. Gießanlage, bevorzugt eine Stranggießanlage zur Erzeugung von Gießprodukten, bevorzugt Brammen, umfassend ein Computersystem, welches ein Computerprogramm nach Anspruch 8 umfasst.
 
10. Computerlesbares Medium, auf dem das Computerprogram nach Anspruch 8 gespeichert ist.
 




Zeichnung













Recherchenbericht









Recherchenbericht