[0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Berechnung von an einer
Onboard-Unit eines Schienenfahrzeugs bereitgestellten Bremskurve für einen durch einen
Haltepunkt abgesicherten Streckenabschnitt eines Eisenbahnnetzes.
[0002] Das European Train Control System (ETCS, deutsch Europäisches Zugbeeinflussungssystem)
ist ein Zugbeeinflussungssystem und grundlegender Bestandteil des zukünftigen einheitlichen
europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS. ETCS soll langfristig die über 20
verschiedenen Zugbeeinflussungssysteme in Europa ablösen. Diese Standardisierung ermöglicht
eine starke Vereinfachung der signaltechnischen Ausrüstung der Züge in den transeuropäischen
Netzen sowie einen einheitlichen hohen Sicherheitsstandard der Infrastruktur. Die
Streckenausrüstung bleibt weiterhin unter nationaler Aufsicht.
[0003] Seit Ende der 1990er Jahre liefen praktische Erprobungen von ETCS und in den 2000er
Jahren wurden zunehmend kommerzielle Projekte in Betrieb genommen. Seit 2002 ist für
neue transeuropäische Hochgeschwindigkeitsstrecken die Implementierung von ETCS durch
EU-Recht vorgeschrieben, seit 2006 auch für Ausbaustrecken. Seit 2017 sind die Eisenbahnnetze
in Luxemburg und seit 2018 das Schweizer Normalspurnetz praktisch vollständig mit
ETCS ausgerüstet. In Belgien, Dänemark, Israel und den Niederlanden wurde die flächenhafte
Ausrüstung des Bestandsnetzes mit ETCS beschlossen. In den meisten europäischen Staaten
sowie in einigen weiteren Ländern sind in unterschiedlichem Umfang Strecken und Fahrzeuge
mit ETCS in Betrieb. Seit 2015 gingen in Deutschland mehrere Strecken mit ETCS in
Betrieb. Die Infrastruktur von ETCS kann auch als Grundlage für den automatisierten
Fahrbetrieb (ATO) genutzt werden.
[0004] ETCS kann in unterschiedlichen Ausprägungen ausgestaltet werden, die durch entsprechende
Level 1, Level 2 und Level 3 repräsentiert werden. Häufig werden heutzutage neue ETCS-Strecken
direkt auf dem Level 2 aufgebaut. Kernelemente des Fahrens nach ETCS Level 2 sind
die Führerstandssignalisierung in der Onboard-Unit (OBU) der Lokomotive oder des Steuerwagens,
die dem Zugführer sämtliche Daten zum einzuhaltenden Geschwindigkeitsprofil der vor
ihm durch eine Erteilung einer Movement Authority (MA) zum Befahren freigegeben Strecke
entweder über ein bahneigenes Mobilfunknetz (GSM-R) ausgehend von einem der klassischen
Stellwerk mit nachgeschalteten Radio Block Center (RBC) oder über Balisen und Loop-Kabel
in den Führerstand übertragen und auf dem Display der OBU angezeigt werden. Weiter
werden auch Daten zur Vorgabe oder OBU-seitigen Bestimmung von Bremsprofilen an die
OBU übertragen und dort angezeigt, die seitens des Zugführers einzuhalten sind und
im Falle einer Missachtung oder Verletzung durch automatisch ausgelöste Steuerereignisses,
wie z.B. ein Zwangsbremsung, durchgesetzt werden. Da es bei mit ETCS Level 2 ausgerüsteten
Strecken keine optische Signalisierung durch Aussensignale mehr gibt, muss der Zugführer
alle für das Fahren des Zuges relevante Information dem Display der OBU entnehmen.
[0005] Gemäss ETCS Norm SUBSET-026, Abschnitt 3.13.4.2.1, hat eine OBU für die Berechnung
der Bremskurven den restriktivsten auf das Fahrzeug übermittelten Streckengradienten
(kleinste Steigung bzw. höchstes Gefälle) über die gesamte Zuglänge hinweg betrachtet
zu verwenden. Dieses Systemverhalten führt vor allem bei wechselnden Gradientenwerten
und langen Zügen dazu, dass die Bremskurven flacher verlaufen als dies aufgrund der
im Zug gespeicherten kinetischen Energie notwendig wäre. Folglich resultieren für
die so berechneten Bremskurven zu hohe Bremsdistanzen, was Zeit- und Energieverluste
nach sich zieht.
[0006] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Berechnung
von an einer Onboard-Unit eines Schienenfahrzeugs bereitgestellten Bremskurve für
einen durch einen Haltepunkt abgesicherten Streckenabschnitt eines Eisenbahnnetzes
anzugeben, bei dem eine verbesserte Möglichkeit gefunden wird durch eine verbesserte
Bremskurvenberechnung den Betriebsauflauf bei Gewährleistung der erforderlichen eisenbahntechnischen
Sicherheit hinsichtlich Energieverbrauch und Zeitverlust zu optimieren.
[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäss durch ein Verfahren zur Berechnung von an einer
Onboard-Unit eines Schienenfahrzeugs bereitgestellten Bremskurve für einen durch einen
Haltepunkt abgesicherten Streckenabschnitt eines Eisenbahnnetzes, gelöst, dass die
folgenden Verfahrensschritte umfasst:
- a) für die Strecke vor dem Haltepunkt wird ein erster Teilstreckenabschnitt bestimmt
wird, der sich zwischen dem Haltepunkt und einem Gleichgewichtspunkt befindet, wobei
der Gleichgewichtspunkt für den Punkt des Streckenabschnitts bestimmt wird, an dem
die höchste kinetische Energie eines Schienenfahrzeugs im wesentlichen der mit einem
Gradientenprofil für diesen ersten Streckenabschnitt gewichteten latenten Bremsenergie
des Schienenfahrzeugs entspricht, und
- b) mindestens ein zweiter vor dem ersten Teilstreckenabschnitt befindlicher Teilstreckenabschnitt
wird bestimmt, der im Wesentlichen der maximal auf diesem Streckenabschnitt zulässigen
Zuglänge entspricht und für den über diese Länge an einer vorgebbaren Anzahl von Punkten
ein gewichteter Wert für das durch eine Abfolge von realen Gradientenwerten repräsentierte
Gradientenprofil aus den ausgehend vom Gleichgewichtspunkt für die Strecke bis zu
dem jeweiligen Punkt vorliegenden Gradientenprofil bestimmt wird.
[0008] Auf diese Weise gewährleistet die vorliegende Erfindung in dem ersten Teilstreckenabschnitt,
dass dort eine Bremskurve berechnet wird, die es jedem betrachteten Zug/Schienenfahrzeug
erlaubt, auch tatsächlich vor dem Haltepunkt zum Stehen zu kommen. Gleichzeitig kann
aber auf dem zweiten Teilstreckenabschnitt nun für eine vorbestimmbare Anzahl von
Punkten entlang des zweiten Teilstreckenabschnitt ein gewichteter Gradientenwert aufgrund
des Verlauf der realen Gradientenwerte, die zwischen dem jeweiligen Punkt und dem
Gleichgewichtspunkt liegen, bestimmt werden, der möglicherweise zu einer Verbesserung
des an die OBU ausgegebenen Gradientenwertes führt und somit eine weniger restriktive
Bremskurve nach sich zieht. Tritt also beispielsweise auf dem zweiten Teilstreckenabschnitt
ein Abschnitt mit Gefälle, aber auch ein Abschnitt mit einer Steigung auf, kann somit
der Bremsbeitrag der Steigung mit in die Berechnung des resultieren gewichteten Gradientenwertes
einfliessen, weshalb nun nicht allein der restriktivere Wert der Gefällstrecke alleinig
für die Berechnung der Bremskurve herangezogen wird und somit entsprechend nach oben
korrigiert werden kann. Somit kann in dem zweiten Teilstreckenabschnitt, vom Gleichgewichtspunkt
ausgehend weiter vom Haltepunkt entfernt bis zur maximalen Zuglänge vor dem Gleichgewichtspunkt,
wird an beliebig vorgebbaren Punkten beispielsweise der Mittelwert des Gradientenprofils
zwischen diesem Punkt und dem Gleichgewichtspunkt gebildet. Dies führt mit zunehmender
Entfernung von dem Haltepunkt zu einer graduell stärkeren Glättung der Gradienten.
[0009] In einer sicherheitstechnisch nicht beanstandbaren Weise kann bei der Berechnung
des Gleichsgewichtspunktes zur Bestimmung der kinetischen Energie die maximal für
diesen Streckenabschnitt zulässige Höchstgeschwindigkeit und/oder zur Bestimmung der
latenten Bremsenergie das schlechtester Bremsvermögen einer Anzahl von betrachteter
zum Verkehr auf dem Streckenabschnitt zugelassener Schienenfahrzeuge herangezogen
werden. Die Position des Gleichgewichtspunkts ist wie auch schon voranstehend beschrieben
unabhängig von der Länge der verkehrenden Züge. Der erste Teilstreckenabschnitt zwischen
Gleichgewichts- und Haltepunkt liegt somit für Fahrzeuge jeglicher Länge im Bereich
der Bremskurve. Um so tatsächlich immer auf den sicheren Seite zu verbleiben, werden
daher in diesem ersten Abschnitt die Gradienten nicht verändert.
[0010] Zur weiteren Optimierung des Zuglaufs kann es vorgesehen sein, ein dem zweiten Teilstreckenabschnitt
vorgelagerter dritter Teilstreckenabschnitt definiert wird, wobei in diesem dritten
Teilstreckenabschnitt ein gewichteter Wert des Gradientenprofils aus den auf diesem
Abschnitt vorliegenden realen Gradientenwerten jeweils für die Länge der maximal zulässigen
Zuglänge bestimmt wird. Der dritte Abschnitt befindet sich somit weiter rückliegend,
startend ab der maximalen Zuglänge vor dem Gleichgewichtspunkt. In diesem Bereich
wird ein rollendes Mittel über die maximale Zuglänge gebildet. Allen vorstehenden
Varianten ist gemeinsam, dass anschliessend die realen Gradientenwerte, welche die
gewichteten Wert, wie z.B. die berechneten Mittelwerte, unterschreiten, angehoben
werden. Durch das gewählte Verfahren bleibt immer gewährleistet, dass der vom Zug
zur Bremskurvenberechnung verwendete Gradient nie permissiver als der tatsächlich
wirkende Gradientenwert werden kann.
[0011] Eine Möglichkeit zur Bestimmung des gewichteten Wertes für das Gradientenprofil kann
es vorsehen, dass der gewichtete Wert für das Gradientenprofil als Mittelwert des
Gradientenprofils auf dem jeweils betrachteten Teil des zweiten und/oder dritten Teilstreckenabschnitts
bestimmt wird.
[0012] In einer vorteilhaften Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung kann es vorgesehen
sein, dass die realen Gradientenwerte, welche unterhalb des Mittelwerts oder des gewichteten
Wert des Gradientenprofils liegen auf den Mittel bzw. den gewichteten Wert angehoben
werden, wobei dieses angehobene Gradientenprofil in der Bestimmung der aktuell gültigen
Bremskurve massgeblich berücksichtigt wird. Somit wird bei der Bestimmung der Bremskurve
die so geglättete Version des Gradientenprofil verwendet, die aber immer noch für
alle betrachteten Schienenfahrzeuge einen sicheren Betrieb erlaubt und trotzdem die
Fahrzeuggeschwindigkeit dennoch auf einem möglichst hohen Niveau hält, indem beispielsweise
ein Bremsvorgang flacher verlaufend ausgeführt werden oder überhaupt erst später ausgelöst
werden kann.
[0013] In einer zweckmässigen Weiterbildung der vorliegenden Erfindung kann die aktuell
gültige Bremskurve an die Onboard-Unit übertragen und dort für die Bremskurvenüberwachung
verwendet werden.
[0014] Zur Bestimmung des gewichteten Wertes bzw. des Mittelwerts für das Gradientenprofil
kann es in einer mathematisch einfach umsetzbaren Weise vorgesehen sein, dass die
die Abfolge der realen Gradientenwerte in Form eines Stufenprofils bereitgestellt
wird. Statt dem arithmetischen Mittel können gewichtete Mittel verwendet werden, welche
z.B. einer ungleichmässigen Massenverteilung im Zug (Güterzug mit leeren Waggons und
voll beladenen Waggons/Kesselwagen usw.) Rechnung tragen. Des Weiteren kann das wahre
Bremsverhalten des Zuges besser abgebildet werden, wenn die Gradientensprungstellen
frei wählbar sind und die Vorzeichen der Gradienten nicht beibehalten werden müssen.
[0015] Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung sind den übrigen
Unteransprüchen zu entnehmen.
[0016] Vorteilhafte Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung werden anhand der Zeichnung
näher erläutert. Dabei zeigen:
- Figur 1
- in schematischer Ansicht ein auf der OBU zur Verfügung gestellter Gradient für eine
Zuglänge von 500m (links) und 1500m (rechts);
- Figur 2
- in schematischer Ansicht eine Berechnung des Gleichgewichtspunkts;
- Figur 3
- schematisch eine Visualisierung des Algorithmus zur Durchschnittsbildung;
- Figur 4
- schematisch die Durchschnittsbildung für ein Gradientenprofil;
- Figur 5
- schematisch das Anheben des Gradienten in einer Gradientensektion;
- Figur 6
- schematisch das Glätten des Gradienten;
- Figur 7
- schematisch die Durchschnittsbildung und die Glättung des Gradientenwerts vor einem
Signal 14EG;
- Figur 8
- schematisch das verwendete Gradientenprofil (links) und die Bremskurven (rechts),
berechnet durch die OBU vor (oben) und nach (unten) der Glättung des Gradienten vor
dem Signal 14EG;
- Figur 9
- schematisch die Durchschnittsbildung und die Glättung des Gradientenwerts vor einem
Signal 27TA;
- Figur 10
- schematisch das verwendete Gradientenprofil (links) und die Bremskurven (rechts),
berechnet durch die OBU vor (oben) und nach (unten) der Glättung des Gradienten vor
dem Signal 27TA;
[0017] Im nachfolgenden Text wird nun beispielhaft die Glättung eines zur Berechnung einer
optimierten Bremskurve herangezogenen Gradienten des topographischen Streckenverlaufs
entlang eines Abschnitts eines Schienenverkehrsweges beschrieben. Der vorliegenden
Erfindung liegt dabei ein Konflikt bei der Berechnung der Bremskurve, der sich aus
der Art und Weise ergibt, wie der vom ETCS-Standard vorgeschriebene Bremskurven-Algorithmus
die in der OBU schiesslich für die Fahrt relevante Bremskurve unter Wahrung der geforderten
Sicherheit bestimmt.
[0018] Gemäss ETCS Norm SUBSET-026, Abschnitt 3.13.4.2.1, hat eine OBU für die Berechnung
der Bremskurven den restriktivsten auf das Fahrzeug übermittelten Streckengradienten
(kleinste Steigung bzw. höchstes Gefälle) über die gesamte Zuglänge hinweg betrachtet
zu verwenden. Dieses Systemverhalten führt vor allem bei wechselnden Gradientenwerten
und langen Zügen dazu, dass die Bremskurven flacher verlaufen als dies aufgrund der
im Zug gespeicherten kinetischen Energie notwendig wäre. Folglich resultieren für
die so berechneten Bremskurven zu hohe Bremsdistanzen, was Zeit- und Energieverluste
nach sich zieht. Dieses Verhalten ist in der Figur 1 schematisch für zwei Zuglängen
dargestellt. Das der OBU in Form einer Stufenfunktions zugeführte Gradientenprofil
ist in dunkelgrau dargestellt, während das letztendlich von der OBU zur Berechnung
der Bremskurve verwendete Gradientenprofil ist in hellgrau dargestellt. Während nun
für einen Zug mit einer Länge von 500m das für die Bremskurvenberechnung verwendete
Gradientenprofil dem realen Gradientenprofil sehr ähnlich ist, wird für die Zuglänge
von 1.500 ein wesentlich restriktiveres Gradientenprofil verwendet.
[0019] Da eben besonders die negativsten Gradientenwerte der Hauptgrund für ein vorzeitiges
Bremsen sind, sieht die vorliegende Erfindung eine optimierte Glättung des Gradientenprofils
vor. Das entsprechende Verfahren sieht hierzu drei Schritte vor, die nachfolgend näher
erläutert werden.
[0020] Zuerst wird ein erster Streckenabschnitt direkt vor einem Haltepunkt, z.B. einem
Signal, betrachtet, in dem die realen Gradientenwerte zur Berechnung der Bremskurve
herangezogen werden. Dieser erste Streckenabschnitt reicht vom Haltepunkt zurück bis
zu einem Gleichgewichtspunkt. So nutzen Züge mit kürzerer Länge niemals einen Gradienten,
der weniger restriktive ist als der reale Gradient. Zur Bestimmung der Länge dieses
ersten Abschnitts wird eben der Gleichgewichtspunkt bestimmt. Dann wird die Stufenfunktion
des Gradientenprofils für einen zweiten Abschnitt, der sich vor dem Gleichgewichtspunkt
befindet, gemittelt und schliesslich wird das ursprüngliche Gradientenprofil angepasst
um ein verbessertes Bremsverhalten erzielen zu können.
[0021] Das Verfahren basiert auf der Annahme, dass das zugrundeliegende Gradientenprofil
auch tatsächlich die effektive Topologie der Strecke repräsentiert. Wenn das zugrundeliegende
Gradientenprofil lokale Gradienten-Minima unterschätzt, kann die Sicherheit des Verfahren
natürlich nicht voll garantiert werden. Weiter nimmt das Verfahren an, dass die zulässige
Geschwindigkeit bis zu dem überwachten Haltepunkt eine konstante Grösse ist, was bedeutet,
dass nur die Bremskurve bis vor den Haltepunkt optimiert werden müssen.
[0022] Der Gleichgewichtspunkt beschreibt dabei den Punkt, an dem eine Zug der Länge NULL
mit dem Bremsen beginnen muss um an dem Haltepunkt auch effektiv zum Halten zu kommen.
An diesem Punkt ist die kinetische Energie des Zuges gleich zu seinen Masse multipliziert
mit der Bremsbeschleunigung, korrigiert durch das Gradientenprofil, das über die Weglänge
bis zum Haltepunkt wie folgt aufintegriert wird:

wobei d die Distanz vom Haltepunkt bis zu dem Gleichgewichtspunkt, a
B die Bremsbeschleunigung des Zuges, m(x) die Masse des Zuges und δ(x) der Gradient
am Ort x ist.
[0023] Wenn die Zuglänge gegen Null strebt, wird aus Gleichung 1:

wobei sich die Masse des Zuges hier nun herauskürzt.
[0024] Für eine Stufenfunktion des Gradientenprofils kann das Integral wie folgt als Summe
geschrieben werden:

[0025] Die rechte Seite dieser Gleichung 3 korrespondiert grafisch zur der Fläche unter
der korrigierten Stufenfunktion der Bremsverzögerung, die in Figur 2 als leicht schraffiert
dargestellt und als hellgrüne Linie gedruckt ist. Der Gleichgewichtspunkt liegt an
der Schnittstelle von der Bremsverzögerungsenergy (hellgraue Linie) und der kinetischen
Energie (dunkelgraue Linie).
[0026] In der Realität wird das Energiegleichgewicht für das gegebene Gradientenprofil iterativ
durch das Aufsummieren der Fläche unter der Stufenfunktion des Gradientenprofils noch
verschoben durch einen gegebenen Wert für die Bremsverzögerung für einen Zug beginnend
for des Haltepunkt rückwarts bestimmt, bis die Summe tatsächlich die kinetische Energie
für eine für den Streckenabschnitt geltende Geschwindigkeit überschreitet.
[0027] Dieser ersten Streckenabschnitt zwischen dem Gleichgewichtspunkt und dem Haltepunkt
liegt somit innerhalb des möglichen Bremsverlaufs für alle Züge (unabhängig von ihrer
Länge), die die verwendete Bremsverzögerung erfüllen. Deshalb ist auch das Gradientenprofil
zur Berechnung der Bremskurve in diesem Abschnitt nicht durch Glättung verändert worden
und wird eben so an die OBU zur Berechnung der Bremskurve übermittelt.
[0028] Durchschnittbildung des Gradienten Die Lage des Energiegleichgewichts wird für eine
(fiktive) Zuglänge der Länge Null bestimmt. Für längere Züge müssen auch die hinter
dem Gleichgewichtspunkt für die Berechnung der Bremskurve berücksichtigt werden. Solange
wie die durch eine abschüssige Strecke hervorgerufene Beschleunigung nicht die Bremsverzögerung
übertrifft, muss nur der Abschnitt über eine komplette Zuglänge vor dem Gleichgewichtspunkt
für die Berechnung der Bremskurve berücksichtigt werden. Diese Bedingung kann geschrieben
werden als:

[0029] Für eine Bremsbeschleunigung von beispielsweise -0.34 m/sec
2 sollte auch der niedrigste Gradient im Bremsprofil nicht noch niedriger als -0.34
Promille sein.
[0030] Für die Durchschnittsbildung der Gradientenprofile könnte auch die Gewichtsverteilung
des Zuges betrachtet werden. Für den nachfolgend erläuterten Algorithmus wird aber
von einer gleichmässigen Gewichtsverteilung über die Zuglänge ausgegangen.
[0032] Es muss angemerkt werden, dass die gemittelten Gradienten immer dem hinteren Ende
des gemittelten Abschnitts zugeordnet werden. Dies weicht von der üblichen Vorgehensweise
ab, wie beispielsweise bei dem durch die OBU verwendeten Gradienten (siehe Figur 1),
wo der «aktiv wirkende Gradient» für die Zugspitze dargestellt ist.
[0033] Der vorliegende Algorithmus führt daher eher zu einer graduell stärkeren Glättung
der Gradientendaten für weiter vom Haltepunkt entfernt liegende Punkte. Dabei wird
sich der Mittelwert für näher liegende Punkte immer stärker an das original gegebene
Gradientprofil angleichen im Vergleich zu dem über längere Distanzen bestimmten Mittelwert.
Aus diesem Grunde kann ein längerer Zug von den ausgebügelten Gradienten profitieren,
während ein kürzer Zug sich eher an die exakten Gradientendaten für die Bremsdistanz
halten muss.
[0034] Figur 4 zeigt nun eine Beispiel für eine Mittelwertbildung des Streckengradienten.
Gradientglättung
[0035] Vorliegend wurden eine Anzahl von Randbedingungen für die Glättung des Gradiente
aus den folgenden Gründen bestimmt:
- a) Gradienten sollten immer nur nach «aufwärts» (abschüssige Gradient verringern und
steigende Gradienten anheben) angepasst werden, damit auch das restriktive Verhalten
des Onboard-Algoritmus zur Bestimmung der Bremskurve berücksichtigt werden kann. Eine
derartige Anhebung des Gradienten darf natürlich umgekehrt nicht dazu führen, dass
ein weniger strenger OBU gradient angegeben wird als der tatsächlich über die Zuglänge
wirkende Streckengradient. Dieses Verhalten muss für jeden Zug innerhalb seiner Bremsdistanz
und für den längsten Zug überall gelten.
- b) Die Positionen der vorgenommenen Änderungen der Gradienten sollte nicht verändert
werden um den Einfluss der Engineering-Änderungen zu minimieren und um ebenfalls die
Übereinstimmung zwischen den für den Lokführer sichtbaren Gradientenänderungen und
den entsprechenden Anzeigen auf dem ETCS interface der OBU für den Lokführer zu erhalten.
- c) Das Vorzeichen jeder Gradientenstufe in dem treppenförmigen Verlauf des Gradienten
(Information abschüssige/ansteigende Strecke) so erhalten bleiben, sodass ebenfalls
eine Übereinstimmung zwischen den für den Lokführer sichtbaren Gradientenänderungen
und den entsprechenden Anzeigen auf dem ETCS interface der OBU für den Lokführer erhalten
bleibt.
[0036] Es bleibt hier anzumerken, dass die in vorstehend b) und c) geschilderten Randbedingungen
ein wenig die Wirkung der Glättung des Gradienten aus Gründen von rein operationellen
Aspekten abschwächen, wobei diese beiden Regeln auch selbst weiter abgeschwächt werden
können ohne dass es zu einem Einfluss auf die Sicherheit des Verfahren käme.
[0037] Die vorstehenden Randbedingung können nun für den Algorithmus gemäss der folgenden
Regeln umgesetzt werden:
Eine Stufe des Gradientenverlaufs kann angehoben werden, wenn das Minimum des gemittelten
Gradienten für diese Gradientenstufe und eine Zuglänge zurück vor dem Startpunkt dieser
Gradientenstufe (also die Strecke, auf der dieser Gradient auf den Mittelwert einwirkt)
grösser ist als der ursprüngliche Gradientenwert. Ungeachtetdessen kann die Strecke,
auf der das Minimum für den gemittelten Gradienten in Betrachtung zu ziehen, kann
bis zu der Position verkürzt werden, an der die nächste Gradientenstufe unterhalb
der Funktion des gemittelten Gradienten liegt. In manchen Fällen, in Abhängigkeit
von der Topologie, muss nur das Minimum in dieser Gradientenstufe betrachtet werden,
weil der als nächstes kommende niedrigere Gradient den gemittelten Gradienten, der
von der OBU zur Berechnung der Bremskurve verwendet wird, eh weiter begrenzen wird.
Figur 5 zeigt nun schematisch ein Bespiel für die Anhebung einer Gradientenstufe gemäss
dieser Regel. Um zu prüfen, ob die Gradientenstufe in Figur 5 bei 4000 m angehoben
werden kann, muss das Minimum für den gemittelten Gradienten in dieser Gradientenstufe
und vor dieser Gradientenstufe, bis eine andere Gradientenstufe von ihrem Start bis
Ende unter diesem Mittelwert liegt, berechnet werden. Ist dieses Minimum höher als
der ursprüngliche Wert für diese Gradientenstufe kann der Wert für den Gradienten
in dieser Gradientenstufe angehoben werden (siehe Pfeil in Figur 5 bei etwa Meter
4.100.
[0038] Der Gradient kann somit bis zu einem Wert unterhalb des Minimums in dem betrachteten
Abschnitt ohne Wechsel des Vorzeichens angehoben werden (negative Werte für den Gradienten
können in diesem Ausführungsbeispiel nur bis zum Wert NULL erhöht werden. Der resultierende
Algorithmus für die Glättung erlaubt so eine Reduktion der negativen Spitzen für die
Gradienten in abschüssigen Gradientenstufen ohne dabei aber die auf den Zug wirkende
grundsätzliche Topologie der abschüssigen Strecke aufzugeben.
[0039] Figur 6 zeigt nun eine Beispiel für den ursprünglichen Verlauf des Gradientenprofils
und für den geglätteten Verlauf für das Gradientenprofil nach der Anwendung des vorstehend
erläuterten Algorithmus für einen Zug mit einer Zuglänge von 1.500 Metern. Die hellgrauen
Flächen repräsentieren dabei die Verbesserungen für den ursprünglichen Gradienten
durch den Glättungsprozess.
[0040] Das hier beschriebene Verfahren erlaubt es so negative Gradientenspitzen für abschüssige
Streckenprofile in einem Gradientprofil zu glätten, wodurch das Bremsverhalten in
betrieblicher Hinsicht gegenüber einer ETCS-Onboard-Einheit (OBU), die den im ETCS-Standard
definierten Algorithmus gemäss dem Stand der Technik benutzt, optimiert wird. Gleichzeitig
ist aber auch sichergestellt, dass das Gradientenprofil nicht in einer Weise abgeändert
wird, dass es nicht auch dem Zug mit dem geringsten Bremsvermögen möglich ist an dem
beabsichtigten Haltepunkt auch tatsächlich zum Stehen zu kommen. Das Verfahren kann
zudem für Züge jeglicher Länge bis zur jeweils für die Strecke projektierten maximalen
Zuglänge angewendet werden.
[0041] Der Grad der Einwirkung des Verfahrens hängt dabei aber start von der Topologie der
ursprünglichen Gradientendaten ab. So können beispielsweise lange Gradientenstufen
nach dem Gleichgewichtspunkt kaum geglättet werden. Natürlich hängt es auch von der
Art und Weise ab, wie das RBC die Gradientenprofile mit diesem Algorithmus behandelt.
Wenn also beispielsweise die Gradienten von dem zugrundeliegenden festen Gradientenprofil
der Strecke herausgezogen werden und der Abstand zum nächsten Haltepunkt (Haltesignal)
kleiner oder nahe zu der maximal angenommenen Zuglänge ist, kann die Regel den ursprünglichen
Gradienten zwischen jedem Haltepunkt und dem Gleichgewichtspunkt heranzuziehen dazu
führen, dass damit auch ein Einfluss auf die Glättung des Gradientenprofils auftreten
kann, wenn sich der Zug an die nächsten Haltepunkte annähert.
[0042] Mögliche Anpassungen des Algorithmus können so zum Beispiel darin bestehen, die Fragmentierung
der Gradientenstufen zu verfeinern und auch den Wechsel des Vorzeichens von negativen
Gradientenwerten zu positiven Gradientenwerten zuzulassen. Weiter könnte man den Algorithmus
auch direkt im RBC (und nicht in der OBU) implementieren, womit für jede vom RBC einem
Zug erteilte Movement Authority (MA) ein geglätteter Gradientenverlauf berechnet und
an die OBU übertragen werden kann, was den Einfluss zu betrachtenden innerhalb der
MA liegender Signale eliminieren würde. Schliesslich erlaubt es die Implementierung
des Algorithmus im RBC auch die effektive Länge des Zuges bei der Glättung der Gradienten
zu berücksichtigen.
[0043] Nachfolgend werden noch weitere Beispiele für die Anwendung des Algorithmus auf die
Gradientendaten erläutert und die berechneten Bremskurven vor und nach der Glättung
dargestellt.
[0044] Figur 7 zeigt die Mittelung des Gradienten und die Glättung für ein Signal 14EG.
Figur 8 zeigt entsprechend auf der linken Seite die verwendeten Gradientenprofile
und die Bremskurven, so wie sie die OBU vor der Anwendung des Algorithmus (oben) und
der Anwendung des Algorithmus (unten) auf den Zug für das Signal 14EG anwendet.
[0045] Figur 9 zeigt die Mittelung des Gradienten und die Glättung entsprechend für ein
Signal 27TA. Figur 10 zeigt entsprechend auf der linken Seite die verwendeten Gradientenprofile
und die Bremskurven, so wie sie die OBU vor der Anwendung des Algorithmus (oben) und
der Anwendung des Algorithmus (unten) auf den Zug für das Signal 27TA anwendet.
1. Verfahren zur Berechnung von an einer Onboard-Unit eines Schienenfahrzeugs bereitgestellten
Bremskurve für einen durch einen Haltepunkt abgesicherten Streckenabschnitt eines
Eisenbahnnetzes, umfassend die folgenden Verfahrensschritte:
a) für die Strecke vor dem Haltepunkt ein erster Teilstreckenabschnitt bestimmt wird,
der sich zwischen dem Haltepunkt und einem Gleichgewichtspunkt befindet, wobei der
Gleichgewichtspunkt für den Punkt des Streckenabschnitts bestimmt wird, an dem die
höchste kinetische Energie eines Schienenfahrzeugs im wesentlichen der mit einem Gradientenprofil
für diesen ersten Streckenabschnitt gewichteten latenten Bremsenergie des Schienenfahrzeugs
entspricht, und
b) mindestens ein zweiter vor dem ersten Teilstreckenabschnitt befindlicher Teilstreckenabschnitt
bestimmt wird, der im Wesentlichen der maximal auf diesem Streckenabschnitt zulässigen
Zuglänge entspricht und für den über diese Länge an einer vorgebbaren Anzahl von Punkten
ein gewichteter Wert für das durch ein Abfolge von realen Gradientenwerten repräsentierte
Gradientenprofil aus den ausgehend vom Gleichgewichtspunkt für die Strecke bis zu
dem jeweiligen Punkt vorliegenden Gradientenprofil bestimmt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
zur Bestimmung der kinetischen Energie die maximal für diesen Streckenabschnitt zulässige
Höchstgeschwindigkeit und/oder zur Bestimmung der latenten Bremsenergie das schlechtester
Bremsvermögen einer Anzahl von betrachteter zum Verkehr auf dem Streckenabschnitt
zugelassener Schienenfahrzeuge herangezogen werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
ein dem zweiten Teilstreckenabschnitt vorgelagerter dritter Teilstreckenabschnitt
vorgesehen ist, wobei in diesem dritten Teilstreckenabschnitt ein gewichteter Wert
des Gradientenprofils aus den auf diesem Abschnitt vorliegenden realen Gradientenwerten
jeweils für die Länge der maximal zulässigen Zuglänge bestimmt wird.
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
der gewichtete Wert für das Gradientenprofil als Mittelwert des Gradientenprofils
auf dem jeweils betrachteten Teil des zweiten und/oder dritten Teilstreckenabschnitts
bestimmt wird.
5. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
die realen Gradientenwerte, welche unterhalb des Mittelwerts oder des gewichteten
Wert des Gradientenprofils liegen auf den Mittel bzw. den gewichteten Wert angehoben
werden, wobei dieses angehobene Gradientenprofil in der Bestimmung der aktuell gültigen
Bremskurve massgeblich berücksichtigt wird.
6. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
die aktuell gültige Bremskurve an die Onboard-Unit übertragen und dort für die Bremskurvenüberwachung
verwendet wird.
7. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Abfolge der realen Gradientenwerte in Form eines Stufenprofils bereitgestellt
wird.