(19)
(11) EP 4 176 985 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.05.2023  Patentblatt  2023/19

(21) Anmeldenummer: 22201775.8

(22) Anmeldetag:  17.10.2022
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B21B 41/10(2006.01)
B21B 37/50(2006.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
B21B 41/10; B21B 37/50; B21B 38/00; B21C 51/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC ME MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(30) Priorität: 08.11.2021 DE 102021212512
17.12.2021 DE 102021214588

(71) Anmelder: SMS Group GmbH
40237 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Belz, Julian
    57518 Betzdorf (DE)
  • Tuschhoff, Matthias
    57072 Siegen (DE)
  • Koch, Markus
    57271 Hilchenbach (DE)
  • Mengel, Christian
    57074 Siegen (DE)

(74) Vertreter: Klüppel, Walter 
Hemmerich & Kollegen Patentanwälte Hammerstraße 2
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)

   


(54) VERFAHREN ZUR VORHERSAGE EINER BEVORSTEHENDEN AUSBRUCH-SITUATION EINES GEWALZTEN BANDES IN EINER WALZSTRASSE


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein Computerprogrammprodukt zur Vorhersage einer bevorstehenden Ausbruch-Situation eines gewalzten Bandes, insbesondere eines Metallbandes, zwischen einem ersten und einem darauffolgenden zweiten Walzgerüst einer Walzstraße mit einem zwischen den beiden Walzgerüsten installierten Looper.
Um dies zu erreichen, schlägt die vorliegende Erfindung vor, die Bandspeicherlängen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Walzgerüsten einer Walzstraße zu vergleichen, wobei die Bandspeicherlängen aus zwei unterschiedlichen Quellen/Berechnungen stammen:
- Die Bandspeicherlänge, die sich aus dem Looperwinkel und der Looperkinematik ergibt; und
- Die Bandspeicherlänge, die sich aus der integrierten Geschwindigkeitsdifferenz des Bandes beim Verlassen des ersten Walzgerüstes abzüglich der Bandgeschwindigkeit beim Eintritt des Bandes in das nachfolgende zweite Walzgerüst ergibt.
Es wird davon ausgegangen, dass Nichtübereinstimmungen zwischen diesen beiden berechneten Bandspeicherlängen auf Massenflussprobleme, d. h. auf drohende Ausbruch-Situationen hinweisen.




Beschreibung

Technisches Gebiet der Erfindung



[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein Computerprogrammprodukt zur Vorhersage einer bevorstehenden Ausbruch-Situation (bzw. ein bevorstehendes "Hochgehen") eines gewalzten Bandes, insbesondere eines Metallbandes, zwischen einem ersten und einem darauffolgenden zweiten Walzgerüst einer Walzstraße mit einem zwischen den beiden Walzgerüsten installierten Looper.

Stand der Technik



[0002] In der Literatur finden sich Veröffentlichungen, die sich mit der Erkennung und Vorhersage von drohenden Walzkollisionen beschäftigen. Dazu gehören zum Beispiel:
  1. [1] A. Rother, "Approach for improved signal-based fault diagnosis of hot rolling mill", 2016.
  2. [2] F. Serdio, E. Lughofer, K. Pichler, T. Buchegger und H. Efendic, "Residualbased fault detection using soft computing techniques for condition monitoring at rolling mills," Information Sciences, vol. 259, pp. 304-320, 2014.
  3. [3] K. Peng, K. Zhang, G. Li, and D. Zhou, "Contribution rate plot for nonlinear quality-related fault diagnosis with application to the hot strip mill process," Control Engineering Practice, vol. 21, pp. 360-369, 2013.
  4. [4] S. Rath, M. Shrujan, P. Kumar, S. Mohapatra, and D. Karmakar, "Reduction of Cobble Generation in Hot Strip Mill," in International Conference on Metallurgy (COMET-2018), Bhilai, 2018.
  5. [5] R. K. Murata, "On-line diagnostic tool for hot strip mill," Master thesis, Universidade Federal de Santa Catarina, 2019.


[0003] Diese Verfahren aus dem Stand der Technik extrahieren bestimmte Merkmale aus historischen Daten, um mit Hilfe von Machine-Learning-Methoden Klassifikatoren zu trainieren. Diese Klassifikatoren sollen dann im Walzbetrieb eingesetzt werden, um den aktuellen Zustand der Warmbandstraße zu bewerten und bevorstehende Walzabbrüche vorherzusagen. Mit Ausnahme der ausgewählten Signale für die Klassifizierungsaufgabe wird kein Experten- oder Prozesswissen einbezogen. Mit Ausnahme von [4] wurden die vorgeschlagenen Methoden noch nicht im Walzbetrieb einer realen Anlage eingesetzt. Eine Evaluierung oder Reproduktion des in [4] beschriebenen Verfahrens ist nicht möglich. Zum einen wurden neben dem Einsatz des maschinellen Lernens weitere Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt. Die berichteten Ergebnisse beinhalten nur Gesamtverbesserungen, eine Zuordnung zu einzelnen Maßnahmen ist nicht möglich. Zum anderen ist die Beschreibung der Maßnahme "Maschinelles Lernen" unzureichend. Es wird nicht angegeben, welche Signale aus dem Walzprozess in die Bewertung eingeflossen sind. Es wird lediglich erwähnt, dass 113 von insgesamt 255 verfügbaren "Merkmalen" mit einem automatisierten Verfahren ausgewählt wurden. Die Merkmale werden aus Rohdaten generiert, wobei unklar ist, was dies genau bedeutet.

[0004] Zusätzlich zu dem bereits erwähnten Verfahren ist es möglich, Experten- oder Prozesswissen in die Fehlerdiagnose und -vorhersage einzubeziehen. Eine Möglichkeit ist die Anwendung von analytisch abgeleiteten (Prozess-)Modellen. Diese erhalten in der Regel alle bekannten Randbedingungen des realen Prozesses. Abweichungen zwischen der resultierenden Modellvorhersage und den real gemessenen Ausgangsgrößen sind die Grundlage für die Beurteilung des Prozesszustandes. Dieses Verfahren wurde in [5] für Bandführungssysteme in der Fertigstraße von Warmwalzwerken aufgegriffen, aber nicht konsequent zur Anwendung gebracht. [5] gilt als der nächstliegende Stand der Technik.

[0005] Derzeit müssen die Bediener vor Ort Massenflussprobleme anhand von Bildern oder einer Vielzahl von Signalen in Echtzeit bewerten. In Tandemproduktionslinien erfordert dies theoretisch die gleichzeitige Beurteilung des Massenflussstatus von bis zu 6 Zwischengerüstbereichen. Die Anzahl der zu beobachtenden Bereiche und die Anzahl der an jedem Massenfluss beteiligten Teilsysteme führen zu einer sehr hohen Komplexität. Diese Anforderungen werden derzeit von einem Bediener erfüllt und erfordern ein hohes Maß an Konzentration über einen langen Zeitraum. Das bedeutet, dass der Bediener gebunden ist, und schon eine kleine Unkonzentriertheit kann zu einer verzögerten Reaktion führen.

[0006] Den in der Literatur vorgeschlagenen Verfahren, die auf Methoden der künstlichen Intelligenz beruhen, fehlen zuverlässige Ergebnisse aus dem Betrieb an realen Anlagen. Der Nachteil dieser Verfahren ist im Allgemeinen, dass es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, im Problemfall nach Fehlern zu suchen und die Auswertungsergebnisse zu rekonstruieren. Zuvor gewählte Eingangsgrößen werden in einer "Black Box" verarbeitet und führen zu einem Ergebnis, das nicht transparent nachvollziehbar ist.

[0007] Obwohl [5] als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, bezieht er sich auf die Auswertung eines Bandsteuerungssystems, nicht aber auf die Auswertung des Massenstroms.

[0008] Es ist die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein bekanntes Verfahren und ein bekanntes Computerprogrammprodukt so weiterzuentwickeln, dass eine bevorstehende Ausbruch-Situation (bzw. ein bevorstehendes Hochgehen) eines Walzbandes früher und genauer vorhergesagt werden kann.

[0009] Diese Aufgabe wird durch das Verfahren nach Anspruch 1 gelöst.

[0010] Die Begriffe "erstes Walzgerüst" und "zweites Walzgerüst" bezeichnen nicht die Positionen der Walzgerüste innerhalb der Walzstraße. Im Gegenteil, die Begriffe erstes/zweites Walzgerüst werden lediglich verwendet, um zwei aufeinanderfolgende aktive Walzgerüste voneinander zu unterscheiden, die sich an jeder beliebigen Position i, i+1 innerhalb der Walzlinie befinden können. Die aktiven Walzgerüste üben eine Kraft auf das Band aus, ungeachtet von eventuell dazwischenliegenden passiven/inaktiven Walzgerüsten, die keine Kraft auf das Band ausüben.

[0011] Der Begriff "Speicher" ist im Sinne von Lagerkapazität oder Speicherkapazität zu verstehen. Folglich bedeutet der Begriff "Bandspeicherlänge" eine (zusätzliche) Bandlänge, die in einem Bandspeicher, hier dem Looper, insbesondere zwischen zwei aufeinanderfolgenden Walzgerüsten gespeichert wird.

[0012] Die Begriffe "Ausbruch", "Hochgehen" oder "Cobbling" werden synonym verwendet. Sie bezeichnen jeweils eine Stausituation für ein Walzband vor einem Walzgerüst, wobei das Walzband die horizontale Passlinie zwischen zwei aufeinanderfolgenden Walzgerüsten verlässt und in die Vertikale, d. h. nach oben oder unten ausweicht.

[0013] Die Reihenfolge der beiden Berechnungsschritte ist nicht wichtig. Ihre Reihenfolge kann geändert werden, oder die beiden Berechnungsschritte können gleichzeitig durchgeführt werden.

[0014] Das beanspruchte Verfahren wird im Allgemeinen zur Beurteilung der Stabilität eines Walzprozesses verwendet.

[0015] Zu diesem Zweck benötigt das beanspruchte Verfahren, das im Folgenden auch als erfindungsgemäßes physikalisches Modell bezeichnet wird, Prozessdaten aus der Fertigstraße sowie Daten zur Kinematik der Schlaufenheber. Zu den notwendigen Informationen gehören: die Dicke des Metallbandes, Drehzahlen der Hauptantriebe, Schlaufenheberwinkel und die Hebelarme der Schlaufenheber. Die frühzeitige Erkennung von unvermeidbaren Walzabbrüchen durch das beanspruchte Verfahren ermöglicht es, die daraus resultierenden Stillstandszeiten der Fertigwalzlinie oder zumindest des betreffenden Einzelwalzgerüstes zu minimieren. Die rechtzeitige Beendigung des Walzprozesses führt zu einer Verringerung des zu entfernenden Schrotts im Bereich des Zwischengerüsts und zu einer möglichen Verringerung des Risikos einer Beschädigung von Anlagenteilen innerhalb des Fertigwalzwerks. Somit können zeit- und kostenintensive Reparaturarbeiten vermieden werden.

[0016] Die Hauptidee der vorliegenden Erfindung ist darauf gerichtet, auftretende Massenflussprobleme so früh wie möglich zu erkennen, indem Bandspeicherlängen zwischen zwei aufeinanderfolgenden aktiven Walzgerüsten in einer Walzlinie verglichen werden, wobei die Bandspeicherlängen aus zwei unterschiedlichen Quellen/Berechnungen stammen:
  • Die Bandspeicherlänge, die auf dem Looperwinkel und der Looperkinematik basiert; und
  • Die Bandspeicherlänge, die sich aus der integrierten Geschwindigkeitsdifferenz des Bandes beim Verlassen des ersten Walzgerüstes abzüglich der Bandgeschwindigkeit beim Eintritt des Bandes in das nachfolgende zweite Walzgerüst ergibt.


[0017] Es wird davon ausgegangen, dass eine Nichtübereinstimmung dieser beiden Bandspeicherlängen auf Massenflussprobleme, d. h. auf eine drohende Ausbruch-Situation hinweist.

[0018] Ausführungsformen der Erfindung: Es zeigt sich, dass die aus der Integration, d. h. Gleichung (2), berechnete Bandspeicherlänge beim Walzen eines Bandes von sinnvollen Werten abweicht. Durch die Filterung der Geschwindigkeitsdifferenz bzw. der integrierten Geschwindigkeitsdifferenz mit einem Bandpass wird vorteilhaft sichergestellt, dass weder eine langsame Drift auftritt noch hochfrequentes Rauschen die berechnete Bandspeicheränge beeinflusst.

[0019] Gemäß einer weiteren Ausführungsform der vorliegenden Erfindung wird die Austrittsgeschwindigkeit und/oder die Eintrittsgeschwindigkeit des Bandes mit einem Sensor gemessen oder als Schätzung davon ermittelt.

[0020] Die Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens stellt dem Betreiber einer Fertigwalzlinie geeignete Diagramme und Kennzahlen zur Verfügung, die die Überwachung des Massenflusszustandes der gesamten Fertigwalzanlage unterstützen. Diese Diagramme und Kennzahlen verdichten Informationen aller am Massenfluss beteiligten Teilsysteme und sind in der Lage, denjenigen Zwischengerüstbereich innerhalb der Walzstraße, insbesondere einer Fertigwalzstraße, anzuzeigen, wo sich ein Problem abzeichnet. Neben einem Hinweis auf unvermeidbare Walzabbrüche wird der Bediener auch über ein erhöhtes Gefahrenpotential informiert.

[0021] Weitere vorteilhafte Ausführungsformen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.

[0022] Die obige Aufgabe der Erfindung wird ferner durch das Computerprogrammprodukt nach Anspruch 13 gelöst.

[0023] Der Beschreibung sind sieben Figuren beigefügt, wobei

Fig. 1 eine Looper- bzw. Schlingenheberkinematik zur Berechnung der Bandspeicherlänge gemäß der ersten Möglichkeit/Weise zeigt;

Fig. 2 zeigt ein Korrelationsdiagramm für gute Massenflussbedingungen; es wird keine Ausbruch-Situation erwartet;

Fig. 3 zeigt die Ableitung eines Korrelationsdiagramms (kein Ausbruch) in mehreren Schritten ohne Verwendung eines Bandpassfilters;

Fig. 4 zeigt die Ableitung eines Korrelationsdiagramms (kein Ausbruch) in mehreren Schritten unter Verwendung eines Bandpassfilters;

Fig. 5 zeigt ein Korrelationsdiagramm bei schlechten Massenflussbedingungen; eine Ausbruch-Situation ist zu erwarten;

Fig. 6 veranschaulicht die Bewertung des Massenflusses durch Mittelwertberechnung: hier wird kein Ausbruch erwartet; und

Fig. 7 zeigt, dass eine Ausbruch-Situation erwartet wird, weil der berechnete Massenstrombewertungswert den Grenz-/Schwellenwert überschreitet.



[0024] Im Folgenden wird die Erfindung unter Bezugnahme auf die obigen Figuren im Detail beschrieben.

Berechnungen der Bandspeicheränge



[0025] Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Länge des Bandspeichermmaterials zu berechnen, die in dieser Spezifikation behandelt werden. Die erste Möglichkeit ist die Verwendung des Looperwinkels in Verbindung mit der bekannten Looperkinematik. Figur 1 zeigt eine Schlingenheberkinematik mit einem Looper 10 zwischen zwei Walzgerüsten Fi, Fi+1 und wichtigen geometrischen Größen. Die Bandspeicherlänge auf der Grundlage der Greiferkinematik wird wie folgt berechnet

mit dem euklidischen Abstand XY zwischen zwei Punkten X und Y. Die Punkte P, E und Q sind in Figur 1 dargestellt. Die Koordinaten des Punktes E hängen vom Hebelarm der Looperrolle I, dem Durchmesser d der Looperrolle, dem Looperwinkel ϕ und dem Punkt B ab:

siehe Figur 1. Bei dieser Methode zur Berechnung der Bandlänge wird davon ausgegangen, dass zwischen der Looperrolle und dem Band ein Kontakt besteht. Sobald dieser Kontakt verloren geht, gilt Gleichung (1) nicht mehr und kann nur noch als untere Schranke betrachtet werden, d. h. die tatsächliche Bandspeicherlänge zwischen den Walzgerüsten ist garantiert größer als die berechneten Werte.

[0026] Die zweite Möglichkeit, die Bandlänge zwischen zwei Walzgerüsten Fi, Fi+1 zu berechnen, basiert auf der Integration der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen der Bandausgangsgeschwindigkeit vx des Walzgerüsts Fi und der Bandeingangsgeschwindigkeit ve des Walzgerüsts Fi+1



[0027] Die Integration beginnt z.B. 300 ms nach dem Signal "Band in Gerüst" Fi+1, hier mit t0 bezeichnet, und endet, wenn das Band das Walzgerüst Fi verlässt, bezeichnet mit t1. Die Bandeinlauf- und Bandauslaufgeschwindigkeiten werden mit Hilfe von Einrichtwerten für die Voreilung berechnet. Für die Berechnung der Bandeinlaufgeschwindigkeit werden zusätzlich die Bandauslaufdicken der Walzgerüste Fi und Fi+1 verwendet. Alternativ können die Bandgeschwindigkeiten auch gemessen werden.

[0028] Die beiden oben beschriebenen unterschiedlichen Berechnungen beruhen auf Prozesskenntnissen und werden verwendet, um Bandspeicherlängen zu erhalten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. Es wird davon ausgegangen, dass Nichtübereinstimmungen zwischen diesen beiden Bandspeicherlängen auf Probleme mit dem Massenfluss hindeuten. Wenn zum Beispiel die Looperrolle den Kontakt zum Band verliert, sind hohe Abweichungen zwischen den beiden berechneten Bandlängen zu erwarten.

[0029] Hier werden zwei Möglichkeiten zum Vergleich der beiden Bandmateriallängen vorgeschlagen. Der erste Weg, wie in Abschnitt 2.1 beschrieben, enthält Details zu einem visuellen Ansatz. Indem man die beiden Werte für die Bandlängen Dskin und Dsint gegeneinander aufträgt, entsteht ein sogenanntes Korrelationsdiagramm. Dieses Diagramm ermöglicht eine schnelle visuelle Beurteilung der Massenflussbedingungen. Die zweite Möglichkeit, die im folgenden Abschnitt 2.2 beschrieben wird, ist die Berechnung der so genannten Massenstrombewertungswerte (MFAV). Dieses quantitative Maß fasst alle verfügbaren Informationen über den Massenstrom zwischen zwei aufeinanderfolgenden Walzgerüsten zusammen und kann zur Erstellung von Warnhinweisen verwendet werden, um die Aufmerksamkeit des Bedieners auf die richtige Stelle zu lenken.

2.1 Korrelationsdiagramme



[0030] Aufgrund der Art und Weise, wie die Daten digital gespeichert werden, gibt es diskrete Bandspeicherlängenwerte, die auf der Kinematik Ds kin. und der Integration Ds int. für diskrete Zeitpunkte basieren. Diese Werte können gegeneinander aufgetragen werden, und zwar für eine vom Benutzer festgelegte Zeitspanne. Je ähnlicher sich die beiden Bandspeicherlängen sind, desto näher liegen diese Punkte an der Winkelhalbierenden (eine Linie durch den Ursprung mit der Steigung eins). Daher ist eine visuelle Bewertung der Massenstromsituation auf der Grundlage des Korrelationsdiagramms vorteilhafterweise recht einfach und schnell durchführbar. Es ist ein Korrelationsdiagramm für den Massenstromzustand zwischen zwei Walzgerüsten der Fertigwalzlinie zu erstellen. Die Figuren 2-4 zeigen beispielhaft den Korrelationsplot für den Fall eines gesunden Massenflusszustandes, ein kritischer Massenflusszustand ist in Fig. 5 dargestellt.

[0031] Es ist zu beachten, dass erfindungsgemäß die von verschiedenen Sensoren stammenden Informationen, die Informationen über die Looperkinematik und die (entweder geschätzten oder gemessenen) Wert für die Voreilung kombiniert werden, um ein einziges Korrelationsdiagramm zu erhalten. Die Verfolgung all dieser Informationen für bis zu sechs Walzgerüst-Zwischenbereiche in einer Walzstraße ist für einen einzelnen Bediener ziemlich unmöglich, wenn dies explizit erfolgt. Im Gegensatz dazu scheint die Verwendung von sechs Korrelationsdiagrammen gemäß der Erfindung handhabbar zu sein.

Beispiele:



[0032] Die Figuren 3 und 4 zeigen die beiden berechneten Bandspeicherlängen (Achse 1), den Ist- und den Soll-Looperwinkel (Achse 2), die Signale, die "Band im Gerüst" für Fi und Fi+1 anzeigen (Achse 3), und das Korrelationsdiagramm von Ds kin. gegen Ds int. (Achse 4). Beide Figuren zeigen Signale ein und desselben Bandes bei niedrigfrequenten, hochamplitudigen Schleifenschwingungen. Der einzige Unterschied zwischen Figur 3 und 4 liegt in der Verwendung des oben erwähnten Bandpassfilters. Für die in Figur 3 gezeigten Bandspeicherlängen wird kein Bandpass verwendet, was zu einem enormen Unterschied zwischen Ds kin. und Ds int. von etwa 2 m führt, wenn das Band z. B. Fi=5 (5. Walzgerüst in der Walzlinie) verlässt. Aufgrund der enormen Streuung der einzelnen Datenpunkte könnte die Korrelationskurve in Achse 4 von Fig. 3 als Hinweis auf eine bevorstehende Ausbruch-Situation (fehl-)interpretiert werden, was hier falsch wäre. Wie in Figur 4 zu sehen ist, trägt die Anwendung des Bandpassfilters dazu bei, die beiden Bandspeicherlängen zusammenzuführen. Das Korrelationsdiagramm in Achse 4 von Figur 4 zeigt alle Datenpunkte für den gesamten Zeitbereich. Es ist ersichtlich, dass die Daten relativ nahe an der grauen Linie (Winkelhalbierende) mit der Steigung 1 liegen, was auf eine positive Korrelation zwischen den beiden Bandmateriallängen hinweist. "Nahe" an der grauen Linie bedeutet, dass die Datenpunkte innerhalb einer ε-Umgebung um die Winkelhalbierende liegen.

[0033] Für die in dieser Spezifikation dargestellte Figur 4 wurde ein Butterworth-Filter der Ordnung drei verwendet. Die untere und obere Grenzfrequenz des Bandpasses beträgt z. B. 0,5 bzw. 25 Hz.

[0034] Wie bereits erwähnt, werden die Punkte für den gesamten Zeitbereich auf einmal aufgezeichnet. Daher kann es in einigen Fällen schwierig sein, die Ausbruch-Situation von dem erfolgreich gewickelten Streifen zu unterscheiden. Der Grund dafür kann darin liegen, dass das gewählte Zeitintervall zu groß ist. Wird das Korrelationsdiagramm nur für ein kurzes Zeitintervall, z. B. die letzten fünf Sekunden, dargestellt, werden Probleme mit dem Massenfluss sichtbar, siehe Fig. 5. Zu diesem Zeitpunkt reihen sich die gezeichneten Punkte senkrecht aneinander und überschreiten die ε -Umgebung um die Winkelhalbierende. In diesem Fall ist mit einer drohenden Ausbruch-Situation zu rechnen.

[0035] Im Gegensatz dazu bleiben bei nicht zu erwartender Ausbruch-Situation alle Punkte zu fast jedem Zeitpunkt in der Nähe der Winkelhalbierenden innerhalb der ε-Umgebung, wie in Fig. 2 und 4 gezeigt. Lediglich am Bandkopf weichen die Punkte deutlich von der Winkelhalbierenden ab (was durchaus plausibel ist, wenn man davon ausgeht, dass kurz nach dem Einfädeln in das nachfolgende Walzgerüst ein konstanter (stationärer) Massenflusszustand erreicht werden muss.

2.2 Massenflussbewertungswerte MFAV



[0036] Die in Abschnitt 2.1 erläuterten Korrelationsdiagramme bilden die Grundlage für die MFAV-Berechnung. Es wird der senkrechte Abstand jedes Punktes im Korrelationsdiagramm zur Winkelhalbierenden berechnet. Anschließend wird der Mittelwert, vorzugsweise der arithmetische Mittelwert all dieser Abstände, berechnet und ergibt die MFAV. Zu den Einstellungen, mit denen die MFAV-Berechnung angepasst werden kann, gehören die Zeitspanne (Dauer), die berücksichtigt wird, und die Aktualisierungszeit (wie viel Zeit zwischen der Aktualisierung der MFAV liegt). Es müssen vernünftige Grenzwerte für die MFAV festgelegt werden, bei denen dem Bediener Warnungen angezeigt werden. Spezifische Werte für diese Grenzen müssen für jede Anlage festgelegt werden.

[0037] In Fig. 6 und 7 ist der zeitliche Verlauf der Massenflussbewertungswerte für die verschiedenen Zwischenbereiche zwischen den Walzgerüsten F1 ... F7 einer (Fertig-)Walzstraße dargestellt.

[0038] Wie in Fig. 6 zu erkennen ist, überschreitet der Massenflussbewertungswert in keinem Zwischenbereich zu irgendeinem Zeitpunkt den jeweiligen Grenzwert, auch MFAV-Schwellenwert genannt. Der Grenzwert ist in Fig. 6 und 7 in den Achsen/Zeilen 2 bis 7 als horizontale Linie bei z.B. MFAV=15 dargestellt. Somit ist nach dem Verfahren der vorliegenden Erfindung keine Ausbruch-Situation zu erwarten.

[0039] Im Gegensatz dazu überschreitet der Massenstrombewertungswert in Fig. 7 den Grenzwert für den Zwischenbereich zwischen den Walzgerüsten F5 und F6 sowie zwischen F6 und F7. Somit ist in diesen beiden letzten Zwischenbereichen mit einer unerwünschten Ausbruch-Situation zu rechnen.

Bezugszeichenliste



[0040] 
d
Durchmesser der Looperrolle
Ds
Länge des Bandspeichermaterials
Fi
Walzgerüst i
Fi+1
Walzgerüst i+1
I
Hebelarm der Looperrolle
vx
Bandausgangsgeschwindigkeit
ve
Bandeinlaufgeschwindigkeit
ϕ
Looperwinkel
10
Looper
X
theoretische Durchgangslinie
hz
Mittellinie Walzgerüst



Ansprüche

1. Verfahren zur Vorhersage einer bevorstehenden Ausbruch-Situation eines gewalzten Bandes, insbesondere eines Metallbandes, zwischen einem ersten und einem darauffolgenden zweiten Walzgerüst (Fi, Fi+1) einer Walzstraße mit einem Looper, der zwischen den beiden Walzgerüsten installiert ist, umfassend die Schritte:

a) Berechnen einer ersten Bandspeicherlänge auf der Grundlage des Looperwinkels und der Looperkinematik;

b) Berechnen einer zweiten Bandspeicherlänge auf der Grundlage einer Integration der Bandgeschwindigkeitsdifferenz zwischen der Geschwindigkeit des Bandes beim Auslaufen aus dem ersten Walzgerüst und der Geschwindigkeit des Bandes beim Einlaufen in das zweite Walzgerüst;

c) Vergleichen der Ergebnisse der Schritte a) und b) und Beurteilen von Abweichungen zwischen diesen beiden Bandspeicherlängen, um auf eine bevorstehende Ausbruch-Situation hinzuweisen.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die erste Bandspeicherlänge nach der folgenden Gleichung berechnet wird:

mit

PE Euklidischer Abstand zwischen dem Austrittspunkt (P) des Bandes aus dem ersten Walzgerüst (Fi) und dem Kontaktpunkt (E) des Bandes mit der Looperrolle;

EQ Euklidischer Abstand zwischen dem Kontaktpunkt (E) des Bandes mit der Looperrolle und dem Eintrittspunkt (Q) des Bandes in das zweite Walzgerüst (Fi+1);

PQ Euklidischer Abstand zwischen dem Austrittspunkt (P) des Bandes aus Fi und dem Eintrittspunkt (Q) des Bandes in das zweite Walzgerüst (Fi+1).


 
3. Verfahren nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
die erste Bandspeicherlänge (Dskin.) durch ein bildgebendes Verfahren auf der Basis einer auf den Walzgerüstzwischenraum gerichteten Kamera bestimmt wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
das bildgebende Verfahren Objekt- und Bilderkennungsverfahren umfasst, die gegebenenfalls auf Methoden der künstlichen Intelligenz und/oder statistischen Auswertungen beruhen.
 
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
die zweite Bandspeicherlänge nach der folgenden Gleichung berechnet wird:

mit

vx Ausgangsgeschwindigkeit des Bandes aus dem ersten Walzgerüst; und

ve Eintrittsgeschwindigkeit des Bandes in das zweite Walzgerüst.


 
6. Verfahren nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
eine Bandpassfilterung der Geschwindigkeitsdifferenz vx-ve oder des Ergebnisses des Integrals

gemäß Formel (3) erfolgt.
 
7. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Grenzfrequenzen des Bandpasses so gewählt werden, dass sie z. B. 0,5 Hz (untere Grenzfrequenz) und 25 Hz (obere Grenzfrequenz) betragen.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 7,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Austrittsgeschwindigkeit und/oder die Eintrittsgeschwindigkeit durch einen Sensor gemessen oder als Schätzung der Voreilung bestimmt wird.
 
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass

die Bewertung der Abweichung zwischen der ersten und der zweiten Bandspeicherlänge durch Auftragen der ersten und der zweiten Bandspeicherlängen gegeneinander in einem Korrelationsdiagramm erfolgt, wobei die Korrelation zu einem diskreten Zeitpunkt durch einen einzigen Punkt im Korrelationsdiagramm dargestellt wird; und

der einzelne Punkt als Indikator für die anstehende Ausbruch-Situation verwendet wird, wenn er so weit außerhalb einer Winkelhalbierenden liegt, dass ein vorgegebener Schwellenwert überschritten wird.


 
10. Verfahren nach Anspruch 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Schritt der Bestimmung der Korrelation für eine Vielzahl von diskreten Zeitpunkten innerhalb einer bestimmten Zeitdauer wiederholt wird, um eine Vielzahl der Einzelpunkte im Korrelationsdiagramm zu erhalten; und Verwenden der Mehrzahl der Einzelpunkte als Indikator für die anstehende Ausbruch-Situation, wenn die Mehrzahl der Einzelpunkte wesentlich von der Winkelhalbierenden abweicht, so dass der vorgegebene Schwellenwert überschritten wird.
 
11. Verfahren nach Anspruch 10,
dadurch gekennzeichnet, dass

Berechnen eines beliebigen Abstandsmaßes zwischen jedem Punkt in der Korrelationskurve und der Winkelhalbierenden, z.B. des senkrechten Abstands;

Berechnen eines Mittelwerts, vorzugsweise des arithmetischen Mittelwerts, aller dieser Abstände, was zu einem Massenstrombewertungswert MFAV führt, der die Abweichung zwischen der ersten und der zweiten Bandspeicherlänge bewertet; und

der MFAV als Indikator für die anstehende Ausbruch-Situation verwendet wird, wenn der MFAV einen durch einen Wert für den MFAV repräsentierten MFAV-Schwellenwert überschreitet.


 
12. Verfahren nach den Ansprüchen 9 oder 10,
dadurch gekennzeichnet, dass

der Schwellenwert durch eine bestimmte ε-Umgebung um die Winkelhalbierende im Korrelationsdiagramm dargestellt wird; und

der mindestens eine Einzelpunkt in der Korrelationsdarstellung als Indikator für die anstehende Ausbruch-Situation verwendet wird, wenn der Einzelpunkt oder eine Mehrheit der Einzelpunkte außerhalb der ε-Umgebung liegt.


 
13. Computerprogrammprodukt, das direkt in den internen Speicher eines Computers geladen werden kann und Software-Codeabschnitte zur Durchführung der Schritte des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche umfasst, wenn das Computerprogrammprodukt auf dem Computer läuft.
 




Zeichnung

























Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur