(19)
(11) EP 4 269 687 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
01.11.2023  Patentblatt  2023/44

(21) Anmeldenummer: 22170092.5

(22) Anmeldetag:  26.04.2022
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
D21C 5/00(2006.01)
D21C 1/06(2006.01)
D21C 11/00(2006.01)
D21H 27/00(2006.01)
D21C 1/02(2006.01)
D21C 3/02(2006.01)
D21H 17/23(2006.01)
D21H 11/12(2006.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
D21C 5/00; D21C 3/02; D21C 1/06; D21C 1/02; D21C 11/0007; D21H 27/002; D21H 17/23; D21H 11/12
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: Wepa Professional GmbH
59757 Arnsberg (DE)

(72) Erfinder:
  • VAN HOOF, Hendrikus Wilhelmus Johannes Antonius
    6104 AP Konigsbosch (NL)

(74) Vertreter: Schäperklaus, Jochen et al
Fritz Patent- und Rechtsanwälte Partnerschaft mbB Postfach 1580
59705 Arnsberg
59705 Arnsberg (DE)

   


(54) VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON ZELLSTOFF UND ZUR GEWINNUNG VON LIGNIN AUS EINER LIGNOCELLULOSE AUS ROHSTOFFPFLANZEN DER PFLANZENGATTUNG MISCANTHUS


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, wobei die Rohstoffpflanzen mittels eines Hochkonsistenz-Pulpers in zumindest einer ersten mechanischen Bearbeitungsstufe zerkleinert und unter Zugabe von Wasser und einer alkalischen Chemikalie aufgelöst werden, so dass ein lignocellulosehaltiger Faserbrei erhalten wird, wobei die Cellulose aus dem Faserbrei mittels einer Pressvorrichtung von einer ligninhaltigen Schwarzlauge getrennt wird, so dass gepresste Cellulose erhalten wird, die durch Hinzugabe von Wasser und CO2 gewaschen wird, wobei der gewaschenen Cellulose Enzyme oder Enzymmischungen zugesetzt werden, und wobei die Cellulose entwässert wird, so dass zur Weiterverarbeitung geeigneter Zellstoff erhalten wird. Die Schwarzlauge wird auf einen TDS-Wert zwischen 15 und 45% aufkonzentriert und in einem Reaktor neutralisiert, wobei Ligninpartikel, insbesondere Ligninflocken, gebildet werden, die von der Flüssigkeit getrennt werden. Die abgeschiedenen Ligninpartikel werden in einem weiteren Reaktor gewaschen und protoniert und das protonierte Lignin wird abgeschieden und getrocknet.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus.

[0002] Für die Herstellung von Papier, Hygienepapier oder Faservliesstoffmaterialien, die häufig auch als Non-Wovens bezeichnet werden, wird Zellstoff verwendet. Bei diesem Zellstoff handelt es sich um eine faserige Masse, die durch einen chemischen Aufschluss von Pflanzenfasern, die Lignocellulose enthalten, hergestellt wird. Der Zellstoff besteht zu einem überwiegenden Teil aus Cellulose.

[0003] Lignocellulose enthält neben Cellulose auch Lignin. Dieses Lignin bildet einen Abfallstoff, der in geeigneter Weise aus der Lignocellulose extrahiert werden muss, damit die für die Herstellung des Zellstoffs erforderliche Cellulose in einer möglichst hohen Reinheit erhalten werden kann.

[0004] Um für die Zellstoffherstellung aus einer Lignocellulose das Lignin zumindest weitgehend zu lösen und möglichst reine Cellulose zu erhalten, sind aus dem Stand der Technik unterschiedliche Faseraufschlussverfahren bekannt. Ein wichtiges, weltweit vorherrschendes Verfahren ist der alkalische Sulfatprozess, der häufig auch als Kraft-Prozess bezeichnet wird, da mit diesem Verfahren festere Zellstofffasern erhalten werden können. Bei diesem Sulfatprozess werden zum Beispiel Hackschnitzel aus Holz über mehrere Stunden unter einem erhöhten Druck von etwa 7 bis 10 bar mit Natronlauge, Natriumsulfid und Natriumsulfat erhitzt. Die Delignifizierung der Lignocellulose erfolgt typischerweise bei Temperaturen von 170°C und darüber.

[0005] Andere aus dem Stand der Technik bekannte Faseraufschlussverfahren sind der Sulfitprozess, der Soda-Prozess sowie der Organosolv-Prozess.

[0006] Für die Zellstoffherstellung wird sehr häufig Holz verwendet. Es ist aber auch möglich, für die Zellstoffherstellung nicht-hölzerne Rohstoffpflanzen zu verwenden. Beispiele für nicht-hölzerne Rohstoffpflanzen sind Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus. Exemplarische Pflanzenarten der Pflanzengattung Miscanthus sind Miscanthus sinensis, Miscanthus sacchariflorus sowie Miscanthus x giganteus. Bei Miscanthus x giganteus handelt es sich um einen Hybrid aus Miscanthus sinensis und Miscanthus sacchariflorus. Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus zeichnen sich insbesondere durch ein schnelles Wachstum und durch eine günstige Kohlenstoffdioxidbilanz aus, so dass sie auch unter kommerziellen Aspekten von großer Bedeutung sind.

[0007] Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können lokal angebaut werden und zwischen Januar und April geerntet werden. Die geernteten Pflanzen werden üblicherweise zu Pflanzenballen gepresst und mit einem Feuchtigkeitsgehalt zwischen 5 und 15 % gelagert. Diese Pflanzenballen können sofort nach der Ernte verwendet oder aber für die spätere Verwendung gelagert werden. Pflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus sind gegenüber einem Schädlingsbefall relativ robust. Daher kann der Einsatz von Pestiziden beim Anbau auf ein Minimum beschränkt werden, um ökologische Schäden zu vermeiden. Nur im ersten Jahr nach der Anpflanzung werden Pestizide eingesetzt, um ein Überwuchern der Jungpflanzen durch Unkraut zu verhindern. Im zweiten Jahr, in dem die erste Ernte stattfindet, finden sich keine Spuren der verwendeten Pestizide mehr im Pflanzenrohmaterial. Pflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können etwa 20 Jahre lang jedes Jahr geerntet werden, ohne dass zusätzliche Pestizide oder Düngemittel eingesetzt werden müssen.

[0008] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus zur Verfügung zu stellen, mittels dessen Zellstoff und Lignin mit besonders vorteilhaften Eigenschaften erhalten werden können.

[0009] Die Lösung dieser Aufgabe liefert ein Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung.

[0010] Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus umfasst die Schritte:

S1: Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus werden einem Hochkonsistenz-Pulper zugeführt,

S2: die Rohstoffpflanzen werden mittels des Hochkonsistenz-Pulpers in zumindest einer ersten mechanischen Bearbeitungsstufe zerkleinert und unter Zugabe von Wasser und einer alkalischen Chemikalie aufgelöst, so dass ein lignocellulosehaltiger Faserbrei erhalten wird,

S3: die Cellulose wird aus dem Faserbrei mittels einer Pressvorrichtung, insbesondere mittels einer Schneckenpresse, von einer ligninhaltigen Schwarzlauge getrennt, so dass gepresste Cellulose erhalten wird,

S4: die gepresste Cellulose wird durch Hinzugabe von Wasser und CO2 gewaschen,

S5: der gewaschenen Cellulose werden Enzyme oder Enzymmischungen, insbesondere cellulose- und/oder ligninmodifizierende Enzyme oder Enzymmischungen, zugesetzt,

S6: die Cellulose wird mittels einer Pressvorrichtung, vorzugsweise mittels einer Schneckenpresse, entwässert, so dass zur Weiterverarbeitung geeigneter Zellstoff erhalten wird,

S7: die Schwarzlauge wird auf einen TDS-Wert zwischen 15 und 45%, vorzugsweise zwischen 25 und 35%, aufkonzentriert,

S8: die Schwarzlauge wird in einem Reaktor neutralisiert, wobei Ligninpartikel, insbesondere Ligninflocken, gebildet werden,

S9: die Ligninpartikel werden, vorzugweise mittels eines Dekanterseperators, von der Flüssigkeit getrennt,

S10: die im Verfahrensschritt S9 abgeschiedenen Ligninpartikel werden in einem weiteren Reaktor gewaschen und protoniert,

S11: das protonierte Lignin wird abgeschieden und, insbesondere mittels einer Schnelltrocknungseinrichtung, getrocknet.



[0011] Anstelle eines Zellstoffkochers, wie er im Stand der Technik bei der Zellstoffherstellung sehr häufig zum Einsatz kommt, wird bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ein Hochkonsistenz-Pulper für die Zellstoffherstellung aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus verwendet. Eine Vorbehandlung der Rohstoffpflanzen ist dabei in vorteilhafter Weise nicht erforderlich.

[0012] Es hat sich gezeigt, dass mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus ein Zellstoff mit ungebleichter Cellulose erhalten werden kann, wobei die Cellulose eine hellere Farbe im Vergleich zu herkömmlichen, ungebleichten Cellulosen aufweist. Vorzugsweise werden Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus verwendet.

[0013] Die fertigen Cellulosefasern haben eine Faserlänge zwischen 0,5 und 1,5 mm und eine durchschnittliche Dicke von etwa 15 bis 25 Mikrometern. Der in Anspruch 1 angegebene TDS-Wert ist ein chemischer Parameter und repräsentiert - als Abkürzung für den englischen Ausdruck "total dissolved solids" - die Menge aller nichtflüchtigen Stoffe, die im Lösungsmittel (Wasser) der Schwarzlauge enthalten sind. Der TDS-Wert wird in der Fachwelt häufig auch als Gesamttrockenrückstand bezeichnet.

[0014] Der Zellstoff mit der Cellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, der in der erfindungsgemäßen Weise hergestellt wird, kann in vorteilhafter Weise über einen langen Zeitraum gelagert werden, ohne dass die Cellulose dabei merklich abgebaut wird. Weiterhein hat es sich gezeigt, dass der Zellstoff aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, vorteilhafte antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften aufweist. Diese vorteilhaften Eigenschaften sind sehr wahrscheinlich auf das in der Cellulose verbleibende (verfahrenstechnisch unvermeidbare) Rest-Lignin zurückzuführen, welches antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften aufweist.

[0015] Der Zellstoff, der aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, hergestellt wird, hat überdies sehr gute Weichheitseigenschaften, ohne jedoch an Festigkeit zu verlieren. Dieses sind eigentlich widersprüchliche Eigenschaften. Die ungebleichten Fasern haben darüber hinaus eine sehr helle Farbe. Die bei dem erfindungsgemäßen Verfahren vorgesehene spezielle Enzymbehandlung, wie sie aus dem Stand der Technik nicht bekannt ist, sorgt in vorteilhafter Weise für die Festigkeit, die Weichheit und die Helligkeit der Zellstofffasern. Dabei werden Enzyme oder Enzymmischungen verwendet, welche die Festigkeit, die Weichheit und die Helligkeit (also die Weiße) der Zellstofffasern verbessern.

[0016] Durch das Ligningewinnungsverfahren wird Lignin mit einer hohen Ausbeute erhalten. Infolge des Niedrigenergie-Zellstoffherstellungsverfahrens bleibt das Lignin in vorteilhafter Weise sehr nativ. Es hat sich gezeigt, dass dadurch ein geringerer intermolekularer Abbau des Lignins erfolgt, was in vorteilhafter Weise zu einem schwachen Geruch und niedrigeren Glasübergangstemperaturen führt. Durch die schonende Verarbeitung und den vollständigen Verzicht auf schwefelhaltige Komponenten bei der Zellstoffherstellung, wie sie insbesondere bei den aus dem Stand der Technik bekannten Sulfatverfahren eingesetzt werden, entsteht so ein geruchsarmes und helles Lignin.

[0017] In einer Ausführungsform kann vorgesehen sein, dass die alkalischen Chemikalien im Verfahrensschritt S2 den Rohstoffpflanzen in einem Konzentrationsbereich von 1 bis 10 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen, vorzugsweise von 2 bis 7 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen und insbesondere von 3 bis 5 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen zugegeben werden. Beispielsweise kann zu Natronlauge (NaOH) verwendet werden. Alternativ können zum Beispiel auch alkalische Kaliumhydroxide oder Calciumhydroxide verwendet werden.

[0018] Vorzugsweise kann die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S2 so gewählt werden, dass sie etwa 60°C bis etwa 100°C, vorzugsweise 70°C bis 90°C, beträgt. Damit ist die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S2 erheblich geringer als bei den aus dem Stand der Technik bekannten Kraftprozessen beziehungsweise Sodaprozessen.

[0019] In einer vorteilhaften Ausführungsform besteht die Möglichkeit, dass der Verfahrensschritt S2 unter Atmosphärendruck ausgeführt wird. Damit ist auch der Druck wesentlich geringer als bei den aus dem Stand der Technik bekannten Kraftprozessen beziehungsweise Sodaprozessen.

[0020] In einer besonders vorteilhaften Ausführungsform wird vorgeschlagen, dass im Verfahrensschritt S2 in einer zweiten mechanischen Bearbeitungsstufe eine zweite mechanische Behandlung ausgeführt wird, bei der dem Faserbrei, vorzugsweise mittels einer Fräspumpe, zusätzliche mechanische Energie zugeführt wird. Dadurch wird vorteilhaft erreicht, dass die möglicherweise noch im Faserbrei enthaltenen Rohstoffpflanzenstücke und Schäben zerkleinert werden und die Fasern zu stärkeren und weicheren Fasern fibrillieren können. Vorzugsweise wird bei der zweiten mechanischen Behandlung eine Energie zwischen 20 und 80 kWh/Tonne in den Faserbrei eingebracht. Vorzugsweise liegt der Energieeintrag zwischen 40 und 60 kWh/Tonne.

[0021] In einer bevorzugten Ausführungsform wird vorgeschlagen, dass der gewaschenen Cellulose im Verfahrensschritt S5 zwischen 70 und 140 g/Tonne, vorzugsweise zwischen 80 und 100 g/Tonne, der Enzyme oder Enzymmischungen zugesetzt werden.

[0022] Vorzugsweise können die Enzyme oder Enzymmischungen aus einer Gruppe ausgewählt sein, die aus Cellulasen, Peroxidasen, Amylasen, Laccasen oder Mischungen hieraus besteht.

[0023] In einer bevorzugten Ausführungsform kann die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S8 so gewählt werden, dass sie zwischen 50°C und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt. Während dieser chemischen Reaktion im Verfahrensschritt S8 wird die Temperatur vorzugsweise etwa eine Stunde lang auf diesem Temperaturwert gehalten (Primärreaktion). Die Schwarzlauge wird im Reaktor vorzugsweise mit einer definierten Rührgeschwindigkeit gerührt, um ein schnelles Partikelwachstum zu verhindern, aber die Bildung festerer, kompakterer Partikel zu fördern. Wenn ein voreingestellter pH-Wert, insbesondere ein pH-Wert von 8, erreicht ist, wird die Rührgeschwindigkeit reduziert. Die auf diese Weise gebildeten kompakten Partikel können nun in einem Zeitraum von etwa einer Stunde (Sekundärreaktion) zu größeren Partikeln wachsen und dabei die Flocken bilden. Der Druck während der gesamten Reaktion liegt zwischen 1,0 und 3,0 bar, vorzugsweise zwischen 1,5 und 2,0 bar.

[0024] In einer vorteilhaften Ausführungsform wird vorgeschlagen, dass die Reaktionstemperatur während des Verfahrensschritts S10 so gewählt wird, dass sie zwischen 50° und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt.

[0025] In einer besonders vorteilhaften Ausführungsform besteht die Möglichkeit, dass während des Lignin-Waschprozesses im Verfahrensschritt S10 eine Ultraschallentschäumung durchgeführt wird. Es hat sich gezeigt, dass durch diese Ultraschallentschäumung der Lignin-Waschprozess in vorteilhafter Weise beschleunigt werden kann.

[0026] Vorzugsweise kann optional ein weiterer Verfahrensschritt S12 vorgesehen sein, bei dem die im Verfahrensschritt S11 erhaltene Flüssigkeit regeneriert wird. Die Flüssigkeit wird dabei vorzugsweise mit Calciumhydroxid gemischt. Die Karbonate verbinden sich mit dem [OH-] aus dem Calciumhydroxid. Diese Reaktion bildet eine flüssige alkalische Chemikalie und festes Calciumkarbonat, welches ausfällt und leicht von der Flüssigkeit getrennt werden kann. Das CO2 wird somit in Form von Calciumkarbonat gespeichert. Die Reaktionszeit beträgt etwa 1 Stunde bei einer Reaktionstemperatur: zwischen 50 - 100°C, vorzugsweise zwischen 70 - 90°C. Die auf diese Weise wiedergewonnene alkalische Chemikalie kann nachfolgend für den Faseraufschluss von Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, nach dem hier beschriebenen Verfahren wiederverwendet werden.

[0027] Gemäß Anspruch 14 wird eine Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13 hergestellten Zellstoffs zur Herstellung von Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier, oder Faservliesstoffmaterialien vorgeschlagen. Die Hygienepapierprodukte oder Faservliesstoffmaterialien können zu 100% aus Fasern des mittels des hier vorgestellten Verfahrens hergestellten Zellstoffs hergestellt werden. Allgemein können die Hygienepapierprodukte oder Faservliesstoffmaterialien einen Anteil von > 0 Gew.% bis zu 100 Gew.% des gemäß dem Verfahren hergestellten Zellstoffs aufweisen. Die Hygienepapierprodukte oder Faservliesstoffmaterialien zeichnen sich insbesondere durch ihre Weichheit, ihre hohe Festigkeit und ihre helle Farbe aus.

[0028] Neben Fasern aus dem Zellstoff, der mittels des hier vorgestellten Verfahrens aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, hergestellt wurde, können in weiteren Ausführungsformen zusätzlich auch Zellstofffasern anderen Ursprungs, wie zum Beispiel primäre Zellstofffasern hölzernen Ursprungs beziehungsweise primäre Zellstofffasern nicht-hölzernen Ursprungs und/oder sekundäre Zellstoffasern, die aus Altpapier gewonnen werden (Deinking-Zellstoff, kurz: DIP), zur Herstellung von Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier, oder Faservliesstoffmaterialien verwendet werden.

[0029] Die antioxidativen und antibakteriellen Eigenschaften der Cellulose machen den Zellstoff besonders geeignet für die Verwendung zur Herstellung von Feuchttüchern, die aus einem Faservliesstoffmaterial hergestellt werden und sich auch für Kreislauflösungen, wie zum Beispiel für Rücknahmeprogramme für gebrauchte Produkte, die aus einem Zellstoff mit dieser Cellulose hergestellt worden sind, eignen.

[0030] Gemäß Anspruch 15 wird eine Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13 gewonnenen Lignins zur Herstellung von Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen, Pigmenten, Füllstoffen oder Farben vorgeschlagen.

[0031] Weitere Merkmale und Vorteile eines Ausführungsbeispiels der Erfindung werden unter Bezugnahme auf Fig. 1 nachfolgend beschrieben. Fig. 1 ist eine schematische Darstellung, die Einzelheiten eines Verfahrens zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus veranschaulicht.

[0032] Bei dem nachfolgend beschriebenen Verfahren werden für die Zellstoffherstellung und für die Gewinnung von Lignin Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, die zur Pflanzengattung Miscanthus gehört, verwendet. Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus haben unter anderem den Vorteil, dass sie schnellwachsend sind und gegenüber einem Schädlingsbefall relativ robust sind. Daher kann der Einsatz von Pestiziden auf ein Minimum beschränkt werden, um ökologische Schäden beim Anbau der Pflanzen zu vermeiden. Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können etwa 20 Jahre lang jedes Jahr geerntet werden, ohne dass zusätzliche Pestizide oder Düngemittel eingesetzt werden müssen.

[0033] Die geernteten Rohstoffpflanzen können zum Beispiel zu Pflanzenballen gepresst und mit einem Feuchtigkeitsgehalt zwischen 5 und 15 % gelagert werden. Dabei können die Pflanzenballen die geernteten Rohstoffpflanzen vollständig enthalten oder zum Beispiel auch mechanisch vorbehandelte, insbesondere gehäckselte Rohstoffpflanzen, enthalten. Die Pflanzenballen können sofort nach der Ernte verwendet werden oder für die spätere Verwendung gelagert werden.

[0034] Um Lignin aus einer Lignocellulose aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus zu gewinnen und Zellstoff herzustellen, wird nachfolgend ein Verfahren näher erläutert, bei dem eine Kombination aus chemischen, thermischen, mechanischen und enzymatischem Verfahrensschritten eingesetzt wird, um eine hohe Qualität des ungebleichten Zellstoffs zu erreichen und auch Lignin mit vorteilhaften Eigenschaften zu erhalten.

[0035] In einem ersten Verfahrensschritt S1 werden die Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus einem Hochkonsistenz-Pulper zugeführt. Ein derartiger Hochkonsistenz-Pulper wird normalerweise für das Recycling und die Aufbereitung von Altpapier verwendet. Die Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können dem Hochkonsistenz-Pulper zum Beispiel in Form der oben erwähnten Pflanzenballen zugeführt werden, die die geernteten Rohstoffpflanzen vollständig enthalten können oder bereits mechanisch vorbehandelte, insbesondere gehäckselte, Rohstoffpflanzen enthalten können. Von diesen Pflanzenballen wird vor der Zuführung in den Hochkonsistenz-Pulper jeweils ein Bindedraht entfernt, der dafür sorgt, die Pflanzenballen in ihrer Form zu halten.

[0036] In einem nächsten Verfahrensschritt S2 werden die Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus mittels des Hochkonsistenz-Pulpers mechanisch zerkleinert und aufgelöst. Dabei werden den Rohstoffpflanzen recycelte und/oder frische alkalische Chemikalien, die für einen Faseraufschluss notwendig sind, zugegeben. Beispielsweise kann zu diesem Zweck Natronlauge (NaOH) verwendet werden. Alternativ können zum Beispiel auch alkalische Kaliumhydroxide oder Calciumhydroxide verwendet werden.

[0037] Die alkalischen Chemikalien werden in einem Konzentrationsbereich von 1 bis 10 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen (Miscanthus x giganteus), vorzugsweise in einem Konzentrationsbereich von 2 bis 7 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen und insbesondere in einem Konzentrationsbereich von 3 bis 5 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen zugegeben. Zusammen mit den alkalischen Chemikalien wird den Rohstoffpflanzen auch Wasser, welches eine Temperatur von etwa 60°C bis etwa 100°C aufweist, zugegeben. Die Reaktionstemperatur beträgt in diesem Verfahrensschritt S2 etwa 60°C bis etwa 100°C, vorzugsweise 70°C bis 90°C. Die gesamte Reaktionsdauer beträgt etwa 30 bis 120 Minuten unter Atmosphärendruck. Vorzugsweise liegt die gesamte Reaktionsdauer zwischen 45 und 70 Minuten. Durch diese Maßnahmen wird erreicht, dass das Lignin aus der Lignocellulose extrahiert und aufgelöst wird, wobei in vorteilhafter Weise keine zusätzliche Erwärmung erforderlich ist.

[0038] Während der gesamten Reaktionsdauer übt der Hochkonsistenz-Pulper eine Scherbeanspruchung auf die Fasermasse der Rohstoffpflanzen aus. Diese Scherbeanspruchung bildet eine erste mechanische Behandlung und bewirkt die Zerkleinerung der Rohstoffpflanzen, so dass ein Faserbrei unter milden Umgebungsbedingungen (Temperatur- und Druckbedingungen) im Vergleich zu den aus dem Stand der Technik bekannten Kraftverfahren beziehungsweise Sodaverfahren entsteht. Der Energiebedarf des Hochkonsistenz-Pulpers für die Durchführung des Verfahrensschritts S2 liegt zwischen 30 und 90 kWh/Tonne, vorzugsweise zwischen 50 und 90 kWh/Tonne.

[0039] Ferner wird in diesem Verfahrensschritt S2 eine zweite mechanische Behandlung ausgeführt, bei der dem Faserbrei, vorzugsweise mittels einer Fräspumpe, unter den alkalischen Umgebungsbedingungen und unter den milden Temperaturbedingungen zusätzliche mechanische Energie zugeführt wird, um die möglicherweise noch im Faserbrei enthaltenen Rohstoffpflanzenstücke und Schäben zu zerkleinern und die Fasern zu stärkeren und weicheren Fasern zu fibrillieren. Mittels der Fräspumpe wird Energie für die mechanische Nachbehandlung zwischen 20 und 80 kWh/Tonne in den Faserbrei eingebracht. Vorzugsweise liegt der Energieeintrag zwischen 40 und 60 kWh/Tonne.

[0040] In einem Verfahrensschritt S3 wird die Cellulose mittels einer Pressvorrichtung, insbesondere mittels einer Schneckenpresse, von dem ligninreichen alkalischen Wasser, das nachfolgend auch als Schwarzlauge bezeichnet wird, getrennt. In diesem Verfahrensschritt S3 wird somit neben der gepressten Cellulose auch Schwarzlauge erhalten.

[0041] In einem Verfahrensschritt S4 wird die im vorhergehenden Verfahrensschritt erhaltene gepresste Cellulose mit Wasser und CO2 gewaschen, um so den pH-Wert zu neutralisieren und eventuelle Verunreinigungen zu entfernen.

[0042] Ferner werden der gewaschenen Cellulose in einem nachfolgenden Verfahrensschritt S5 geeignete Enzyme oder Enzymmischungen, bei denen es sich insbesondere um cellulose- und/oder ligninmodifizierende Enzyme oder Enzymmischungen handelt, zugesetzt, um die Weichheit, die Festigkeit und die Helligkeit (also die Weiße) der Cellulosefasern zu erhöhen. Die Enzyme beziehungsweise Enzymmischungen sind vorzugsweise aus einer Gruppe ausgewählt, die aus Cellulasen, Peroxidasen, Amylasen, Laccasen oder Mischungen hieraus besteht.

[0043] In diesem Verfahrensschritt S5 werden zwischen 70 und 140 g/Tonne, vorzugsweise zwischen 80 und 100 g/Tonne des Enzyms beziehungsweise der Enzymmischung der gewaschenen Cellulose zugesetzt. Die Reaktionszeit der Enzyme beträgt vorzugsweise mindestens eine Stunde. Der pH-Wert nach dem Waschen und während der enzymatischen Behandlung liegt zwischen 7 und 10, vorzugsweise zwischen 8 und 9.

[0044] Der fertige und somit für eine spätere Weiterverarbeitung geeignete Zellstoff wird in einem Verfahrensschritt S6 dadurch erzeugt, dass die in der vorstehend beschriebenen Weise erhaltene Cellulose mittels einer Pressvorrichtung, vorzugsweise mittels einer Schneckenpresse, entwässert wird. Der Zellstoff kann anschließend für die spätere Weiterverarbeitung gelagert oder auch sofort zum Beispiel für die Herstellung von Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier, oder Faservliesstoffmaterialien, die häufig auch als Non-Wovens bezeichnet werden, verwendet werden.

[0045] Es hat sich gezeigt, dass mittels des hier beschriebenen Verfahrens aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus ein Zellstoff mit ungebleichter Cellulose hergestellt werden kann, wobei die Cellulose eine hellere Farbe im Vergleich zu herkömmlichen, ungebleichten Cellulosen aufweist. Die fertigen Cellulosefasern, welche im Zellstoff enthalten sind, haben eine typische Faserlänge zwischen 0,5 und 1,5 mm und eine durchschnittliche Dicke von etwa 15 bis 25 Mikrometern.

[0046] Der Zellstoff mit der Cellulose aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, der in der vorstehend beschriebenen Weise hergestellt wurde, kann in vorteilhafter Weise über einen langen Zeitraum gelagert werden, ohne dass die Cellulose dabei merklich abgebaut wird. Wahrscheinlich ist dieses auf das in der Cellulose verbleibende, verfahrenstechnisch unvermeidbare Rest-Lignin zurückzuführen, welches antioxidative und antimikrobielle Eigenschaften aufweist. Diese Eigenschaften machen die Cellulose besonders geeignet für die Verwendung in Feuchttüchern, die aus einem Faservliesstoffmaterial hergestellt werden und sich auch für Kreislauflösungen, wie zum Beispiel für Rücknahmeprogramme für gebrauchte Produkte, die aus einem Zellstoff mit dieser Cellulose hergestellt worden sind, eignen.

[0047] Der Zellstoff mit der Cellulose, die aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus hergestellt wurde, hat überdies sehr gute Weichheitseigenschaften, ohne jedoch an Festigkeit zu verlieren.

[0048] Nachfolgend sollen weitere Verfahrensschritte erläutert werden, mittels derer das Lignin aus der Schwarzlauge, welche nach der Durchführung des Verfahrensschritts S3 die Pressvorrichtung, insbesondere die Schneckenpresse, verlässt, gewonnen werden kann.

[0049] Die Schwarzlauge enthält üblicherweise noch eine geringe Menge an Fasern der Rohstoffpflanzen. Diese Fasern werden zunächst in einem Verfahrensschritt S7, beispielsweise durch eine oder mehrere Filtrationsstufen oder durch eine Zentrifugation, aus der Schwarzlauge entfernt. Anschließend wird die Schwarzlauge auf einen TDS-Wert von etwa 30 % aufkonzentriert. Die konzentrierte Schwarzlauge enthält das gelöste Lignin. Der TDS-Wert ist ein chemischer Parameter und repräsentiert - als Abkürzung für den englischen Ausdruck "total dissolved solids" - die Menge aller nichtflüchtigen Stoffe, die im Lösungsmittel (Wasser) der Schwarzlauge enthalten sind. Der TDS-Wert wird in der Fachwelt häufig auch als Gesamttrockenrückstand bezeichnet. Allgemein kann der TDS-Wert (Gesamttrockenrückstand) der Schwarzlauge bei dem hier vorgestellten Verfahren zwischen 15 und 45%, vorzugsweise zwischen 25 und 35%, liegen.

[0050] Die Schwarzlauge wird in einem Verfahrensschritt S8 in einem Reaktor neutralisiert. Bei diesem Neutralisationsprozess werden aus Ligninpartikeln kompakte Ligninflocken gebildet, die sich später leicht in einem Dekanterseparator separieren lassen. Als Neutralisationsmittel wird vorzugsweise CO2 verwendet, welches in den Reaktor gepumpt wird, um mit den alkalischen Salzen in der Schwarzlauge chemisch zu reagieren. Die CO2-Zufuhr wird vorzugsweise automatisch gestoppt, wenn die chemische Reaktion abgeschlossen ist.

[0051] Bei dieser chemischen Reaktion bilden sich Karbonate und Wasser, wodurch der pH-Wert der Schwarzlauge gesenkt wird. Durch die Senkung des pH-Werts wird das Lignin protoniert, wodurch sich die Löslichkeit dieses großen Moleküls verringert. Das Lignin tritt aus der Lösung aus und bildet dabei die Ligninflocken.

[0052] Während dieser chemischen Reaktion im Verfahrensschritt S8 wird die Temperatur eine Stunde lang auf etwa 80°C gehalten (Primärreaktion). Die Schwarzlauge wird im Reaktor mit einer definierten Rührgeschwindigkeit gerührt, um ein schnelles Partikelwachstum zu verhindern, aber die Bildung festerer, kompakterer Partikel zu fördern. Wenn der eingestellte pH-Wert von 8 erreicht ist, wird die Rührgeschwindigkeit reduziert. Die auf diese Weise gebildeten kompakten Partikel können nun in einem Zeitraum von etwa einer Stunde (Sekundärreaktion) zu größeren Partikeln wachsen und dabei die Flocken bilden. Allgemein kann die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S8 zwischen 50°C und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegen. Der Druck während der Reaktion liegt zwischen 1,0 und 3,0 bar, vorzugsweise zwischen 1,5 und 2,0 bar. Für die gesamte Reaktionsdauer (etwa 2 Stunden) ergibt sich, dass die Primärreaktion etwa 1 Stunde andauert und die Sekundärreaktion ebenfalls etwa 1 Stunde andauert.

[0053] In einem Verfahrensschritt S9 werden die als Ligninflocken vorliegenden Ligninpartikel, vorzugweise mittels eines Dekanterseparators, von der Flüssigkeit getrennt.

[0054] Die im Verfahrensschritt S9 dekantierten und dadurch von der Flüssigkeit getrennten Ligninfeststoffe werden nachfolgend in einem weiteren Verfahrensschritt S10 in einem weiteren Reaktor zum Waschen in Wasser dispergiert. Als Waschchemikalie wird eine Säure verwendet. Dabei kann es sich um eine organische oder eine anorganische Säure handeln. Vorzugsweise wird Schwefelsäure verwendet. Der pH-Wert wird auf 4 gesenkt, um das Lignin weiter zu protonieren und um Silikate und andere anorganische Stoffe zu entfernen.

[0055] Während dieser Reaktion werden einige Restcarbonate in andere Salze umgewandelt und setzen dabei CO2 frei. Die Freisetzung von CO2 verursacht eine Schaumbildung, welche die Zugabe der Säure verzögert. Um die Säurezugabe und somit auch den Waschprozess des Lignins zu beschleunigen, wird vorzugsweise eine Ultraschallentschäumung verwendet. Die Reaktionstemperatur während des Verfahrensschritts S10 liegt zwischen 50° und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C. Die Reaktionszeit beträgt vorzugsweise etwa 1 Stunde.

[0056] Das protonierte Lignin wird in einem nachfolgenden Schritt Verfahrensschritt S11, insbesondere mittels eines Feststoffdekanters, dekantiert und - vorzugsweise mithilfe einer Schnelltrocknungseinrichtung - getrocknet. Der Feuchtigkeitsgehalt des Lignins nach der Trocknung beträgt vorzugsweise 1 bis 10%, insbesondere zwischen 2 bis 4%. Die Ligninreinheit liegt zwischen 90 und 99,5%, insbesondere zwischen 95 und 99%.

[0057] Die Flüssigkeit, die den Feststoffdekanter im vorhergehenden Schritt verlässt, wird in einem optionalen Verfahrensschritt S12, der weiter unten noch näher erläutert werden wird, für die chemische Regeneration verwendet.

[0058] Das hier vorgestellte Verfahren zur Herstellung von Zellstoff aus Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus in Kombination mit dem nachgeschalteten Schwarzlaugen-Verfahren zur Gewinnung von Lignin führt zu einem sehr nativen Lignin mit einigen besonderen Eigenschaften.

[0059] Der milde Prozess führt zu einem geringeren Abbau der Lignin-Moleküle, da ein großer Anteil an β-O-4-Verkettungen vorhanden ist, sowie zu geringerer Oxidation und Kondensation des Lignins. Das Ergebnis sind große Lignin-Moleküle mit einem hohen Molekulargewicht.

[0060] Eine geringere molekulare Zersetzung sowie der Verzicht auf schwefelhaltige Komponenten während des Faseraufschlusses der Rohstoffpflanzen bedeuten, dass weniger Monomere und flüchtige organische Verbindungen gebildet werden, was möglicherweise auch die Erklärung für den schwachen Geruch und für die helle Farbe des mittels des hier vorgestellten Verfahrens gewonnenen Lignins sein könnte. Durch die schonende Verarbeitung und den Verzicht auf schwefelhaltige Komponenten bei der Zellstoffherstellung entsteht so ein geruchsarmes Lignin. Das Molekulargewicht des Lignins liegt zwischen 6000 und 8000 g/mol mit einer Polydispersität zwischen 9 und 11. Weitere Analysen haben gezeigt, dass das Lignin eine verhältnismäßig niedrige Glasübergangstemperatur Tg aufweist.

[0061] Wie oben bereits erwähnt, hat das Lignin eine native Struktur. Aufgrund dieser nativen Struktur kann das Lignin in einem breiteren Anwendungsspektrum eingesetzt werden. Ferner ergeben sich in vorteilhafter Weise mehr Möglichkeiten zur Modifizierung des Lignins. Die helle Farbe und der schwache Geruch machen das Lignin besonders vorteilhaft für Anwendungen wie zum Beispiel die Herstellung von Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen, Farben, Füllstoffen, Pigmenten usw.

[0062] Die im Verfahrensschritt S11 erhaltene Dekanterflüssigkeit kann nach der Lignin-Neutralisierung in einem optionalen Verfahrensschritt S12 zur Regenerierung der alkalischen Chemikalien weiterverarbeitet werden. Die Flüssigkeit wird mit Calciumhydroxid gemischt. Die Karbonate verbinden sich mit dem [OH-] aus dem Calciumhydroxid. Diese Reaktion bildet eine flüssige alkalische Chemikalie und festes Calciumkarbonat, welches ausfällt und leicht von der Flüssigkeit getrennt werden kann. Das CO2 wird somit in Form von Calciumkarbonat gespeichert. Die Reaktionszeit beträgt in diesem Verfahrensschritt S12 etwa 1 Stunde bei einer Reaktionstemperatur zwischen 50 und 100°C, vorzugsweise zwischen 70 und 90°C.

[0063] Die auf diese Weise wiedergewonnene alkalische Chemikalie kann nachfolgend für den Faseraufschluss von Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus nach dem hier beschriebenen Verfahren wiederverwendet werden.

[0064] Bei dem hier beschriebenen Ausführungsbeispiel ist die Gewinnung des Lignins (Verfahrensschritte S7 bis S11 beziehungsweise S12) der Zellstoffherstellung aus der im Verfahrensschritt S3 erhaltenen gepressten Cellulose (Verfahrensschritte S4 bis S6) nachgeschaltet. Grundsätzlich ist auch eine umgekehrte Reihenfolge möglich, so dass erst das Lignin gewonnen wird und anschließend der Zellstoff hergestellt wird. Die beiden Zweige des Verfahrens nach dem Verfahrensschritt S3 (also die Zellstoffherstellung einerseits und die Ligningewinnung andererseits) können auch parallel zueinander oder zeitlich unabhängig voneinander ausgeführt werden.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, welches die folgenden Schritte umfasst:

S1: Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus werden einem Hochkonsistenz-Pulper zugeführt,

S2: die Rohstoffpflanzen werden mittels des Hochkonsistenz-Pulpers in zumindest einer ersten mechanischen Bearbeitungsstufe zerkleinert und unter Zugabe von Wasser und einer alkalischen Chemikalie aufgelöst, so dass ein lignocellulosehaltiger Faserbrei erhalten wird,

S3: die Cellulose wird aus dem Faserbrei mittels einer Pressvorrichtung, insbesondere mittels einer Schneckenpresse, von einer ligninhaltigen Schwarzlauge getrennt, so dass gepresste Cellulose erhalten wird,

S4: die gepresste Cellulose wird durch Hinzugabe von Wasser und CO2 gewaschen,

S5: der gewaschenen Cellulose werden Enzyme oder Enzymmischungen, insbesondere cellulose- und/oder ligninmodifizierende Enzyme oder Enzymmischungen, zugesetzt,

S6: die Cellulose wird mittels einer Pressvorrichtung, vorzugsweise mittels einer Schneckenpresse, entwässert, so dass zur Weiterverarbeitung geeigneter Zellstoff erhalten wird,

S7: die Schwarzlauge wird auf einen TDS-Wert zwischen 15 und 45%, vorzugsweise zwischen 25 und 35%, aufkonzentriert,

S8: die Schwarzlauge wird in einem Reaktor neutralisiert, wobei Ligninpartikel, insbesondere Ligninflocken, gebildet werden,

S9: die Ligninpartikel werden, vorzugweise mittels eines Dekanterseperators, von der Flüssigkeit getrennt,

S10: die im Verfahrensschritt S9 abgeschiedenen Ligninpartikel werden in einem weiteren Reaktor gewaschen und protoniert,

S11: das protonierte Lignin wird abgeschieden und, insbesondere mittels einer Schnelltrocknungseinrichtung, getrocknet.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus verwendet werden.
 
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die alkalischen Chemikalien den Rohstoffpflanzen im Verfahrensschritt S2 in einem Konzentrationsbereich von 1 bis 10 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen, vorzugsweise von 2 bis 7 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen und insbesondere von 3 bis 5 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen zugegeben werden.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S2 so gewählt wird, dass sie etwa 60°C bis etwa 100°C, vorzugsweise 70°C bis 90°C, beträgt.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Verfahrensschritt S2 unter Atmosphärendruck ausgeführt wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass im Verfahrensschritt S2 in einer zweiten mechanischen Bearbeitungsstufe eine zweite mechanische Behandlung ausgeführt wird, bei der dem Faserbrei, vorzugsweise mittels einer Fräspumpe, zusätzliche mechanische Energie zugeführt wird.
 
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass bei der zweiten mechanischen Behandlung eine Energie zwischen 20 und 80 kWh/Tonne in den Faserbrei eingebracht wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der gewaschenen Cellulose im Verfahrensschritt S5 zwischen 70 und 140 g/Tonne, vorzugsweise zwischen 80 und 100 g/Tonne, der Enzyme oder Enzymmischungen zugesetzt werden.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Enzyme oder Enzymmischungen aus einer Gruppe ausgewählt sind, die aus Cellulasen, Peroxidasen, Amylasen, Laccasen oder Mischungen hieraus besteht.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S8 so gewählt wird, dass sie zwischen 50°C und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt.
 
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionstemperatur während des Verfahrensschritts S10 so gewählt wird, dass sie zwischen 50° und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt.
 
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass während des Lignin-Waschprozesses im Verfahrensschritt S10 eine Ultraschallentschäumung durchgeführt wird.
 
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, gekennzeichnet durch einen Verfahrensschritt S12, bei dem die im Verfahrensschritt S11 erhaltene Flüssigkeit regeneriert wird.
 
14. Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13 hergestellten Zellstoffs zur Herstellung von Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier, oder Faservliesstoffmaterialien.
 
15. Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13 gewonnenen Lignins zur Herstellung von Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen, Füllstoffen, Pigmenten oder Farben.
 




Zeichnung







Recherchenbericht












Recherchenbericht