[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und
zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung
Miscanthus.
[0002] Für die Herstellung von Papier, Hygienepapier oder Faservliesstoffmaterialien, die
häufig auch als Non-Wovens bezeichnet werden, wird Zellstoff verwendet. Bei diesem
Zellstoff handelt es sich um eine faserige Masse, die durch einen chemischen Aufschluss
von Pflanzenfasern, die Lignocellulose enthalten, hergestellt wird. Der Zellstoff
besteht zu einem überwiegenden Teil aus Cellulose.
[0003] Lignocellulose enthält neben Cellulose auch Lignin. Dieses Lignin bildet einen Abfallstoff,
der in geeigneter Weise aus der Lignocellulose extrahiert werden muss, damit die für
die Herstellung des Zellstoffs erforderliche Cellulose in einer möglichst hohen Reinheit
erhalten werden kann.
[0004] Um für die Zellstoffherstellung aus einer Lignocellulose das Lignin zumindest weitgehend
zu lösen und möglichst reine Cellulose zu erhalten, sind aus dem Stand der Technik
unterschiedliche Faseraufschlussverfahren bekannt. Ein wichtiges, weltweit vorherrschendes
Verfahren ist der alkalische Sulfatprozess, der häufig auch als Kraft-Prozess bezeichnet
wird, da mit diesem Verfahren festere Zellstofffasern erhalten werden können. Bei
diesem Sulfatprozess werden zum Beispiel Hackschnitzel aus Holz über mehrere Stunden
unter einem erhöhten Druck von etwa 7 bis 10 bar mit Natronlauge, Natriumsulfid und
Natriumsulfat erhitzt. Die Delignifizierung der Lignocellulose erfolgt typischerweise
bei Temperaturen von 170°C und darüber.
[0005] Andere aus dem Stand der Technik bekannte Faseraufschlussverfahren sind der Sulfitprozess,
der Soda-Prozess sowie der Organosolv-Prozess.
[0006] Für die Zellstoffherstellung wird sehr häufig Holz verwendet. Es ist aber auch möglich,
für die Zellstoffherstellung nicht-hölzerne Rohstoffpflanzen zu verwenden. Beispiele
für nicht-hölzerne Rohstoffpflanzen sind Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus.
Exemplarische Pflanzenarten der Pflanzengattung Miscanthus sind Miscanthus sinensis,
Miscanthus sacchariflorus sowie Miscanthus x giganteus. Bei Miscanthus x giganteus
handelt es sich um einen Hybrid aus Miscanthus sinensis und Miscanthus sacchariflorus.
Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus zeichnen sich insbesondere
durch ein schnelles Wachstum und durch eine günstige Kohlenstoffdioxidbilanz aus,
so dass sie auch unter kommerziellen Aspekten von großer Bedeutung sind.
[0007] Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können lokal angebaut werden
und zwischen Januar und April geerntet werden. Die geernteten Pflanzen werden üblicherweise
zu Pflanzenballen gepresst und mit einem Feuchtigkeitsgehalt zwischen 5 und 15 % gelagert.
Diese Pflanzenballen können sofort nach der Ernte verwendet oder aber für die spätere
Verwendung gelagert werden. Pflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus sind gegenüber
einem Schädlingsbefall relativ robust. Daher kann der Einsatz von Pestiziden beim
Anbau auf ein Minimum beschränkt werden, um ökologische Schäden zu vermeiden. Nur
im ersten Jahr nach der Anpflanzung werden Pestizide eingesetzt, um ein Überwuchern
der Jungpflanzen durch Unkraut zu verhindern. Im zweiten Jahr, in dem die erste Ernte
stattfindet, finden sich keine Spuren der verwendeten Pestizide mehr im Pflanzenrohmaterial.
Pflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können etwa 20 Jahre lang jedes Jahr
geerntet werden, ohne dass zusätzliche Pestizide oder Düngemittel eingesetzt werden
müssen.
[0008] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung
von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen
der Pflanzengattung Miscanthus zur Verfügung zu stellen, mittels dessen Zellstoff
und Lignin mit besonders vorteilhaften Eigenschaften erhalten werden können.
[0009] Die Lösung dieser Aufgabe liefert ein Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und
zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung
Miscanthus mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte
Weiterbildungen der Erfindung.
[0010] Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von
Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus
umfasst die Schritte:
S1: Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus werden einem Hochkonsistenz-Pulper
zugeführt,
S2: die Rohstoffpflanzen werden mittels des Hochkonsistenz-Pulpers in zumindest einer
ersten mechanischen Bearbeitungsstufe zerkleinert und unter Zugabe von Wasser und
einer alkalischen Chemikalie aufgelöst, so dass ein lignocellulosehaltiger Faserbrei
erhalten wird,
S3: die Cellulose wird aus dem Faserbrei mittels einer Pressvorrichtung, insbesondere
mittels einer Schneckenpresse, von einer ligninhaltigen Schwarzlauge getrennt, so
dass gepresste Cellulose erhalten wird,
S4: die gepresste Cellulose wird durch Hinzugabe von Wasser und CO2 gewaschen,
S5: der gewaschenen Cellulose werden Enzyme oder Enzymmischungen, insbesondere cellulose-
und/oder ligninmodifizierende Enzyme oder Enzymmischungen, zugesetzt,
S6: die Cellulose wird mittels einer Pressvorrichtung, vorzugsweise mittels einer
Schneckenpresse, entwässert, so dass zur Weiterverarbeitung geeigneter Zellstoff erhalten
wird,
S7: die Schwarzlauge wird auf einen TDS-Wert zwischen 15 und 45%, vorzugsweise zwischen
25 und 35%, aufkonzentriert,
S8: die Schwarzlauge wird in einem Reaktor neutralisiert, wobei Ligninpartikel, insbesondere
Ligninflocken, gebildet werden,
S9: die Ligninpartikel werden, vorzugweise mittels eines Dekanterseperators, von der
Flüssigkeit getrennt,
S10: die im Verfahrensschritt S9 abgeschiedenen Ligninpartikel werden in einem weiteren
Reaktor gewaschen und protoniert,
S11: das protonierte Lignin wird abgeschieden und, insbesondere mittels einer Schnelltrocknungseinrichtung,
getrocknet.
[0011] Anstelle eines Zellstoffkochers, wie er im Stand der Technik bei der Zellstoffherstellung
sehr häufig zum Einsatz kommt, wird bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ein Hochkonsistenz-Pulper
für die Zellstoffherstellung aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus
verwendet. Eine Vorbehandlung der Rohstoffpflanzen ist dabei in vorteilhafter Weise
nicht erforderlich.
[0012] Es hat sich gezeigt, dass mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens aus den Rohstoffpflanzen
der Pflanzengattung Miscanthus ein Zellstoff mit ungebleichter Cellulose erhalten
werden kann, wobei die Cellulose eine hellere Farbe im Vergleich zu herkömmlichen,
ungebleichten Cellulosen aufweist. Vorzugsweise werden Rohstoffpflanzen der Pflanzenart
Miscanthus x giganteus verwendet.
[0013] Die fertigen Cellulosefasern haben eine Faserlänge zwischen 0,5 und 1,5 mm und eine
durchschnittliche Dicke von etwa 15 bis 25 Mikrometern. Der in Anspruch 1 angegebene
TDS-Wert ist ein chemischer Parameter und repräsentiert - als Abkürzung für den englischen
Ausdruck "
total
dissolved
solids" - die Menge aller nichtflüchtigen Stoffe, die im Lösungsmittel (Wasser) der
Schwarzlauge enthalten sind. Der TDS-Wert wird in der Fachwelt häufig auch als Gesamttrockenrückstand
bezeichnet.
[0014] Der Zellstoff mit der Cellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus,
insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, der in der erfindungsgemäßen
Weise hergestellt wird, kann in vorteilhafter Weise über einen langen Zeitraum gelagert
werden, ohne dass die Cellulose dabei merklich abgebaut wird. Weiterhein hat es sich
gezeigt, dass der Zellstoff aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus,
insbesondere der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, vorteilhafte antimikrobielle
und antioxidative Eigenschaften aufweist. Diese vorteilhaften Eigenschaften sind sehr
wahrscheinlich auf das in der Cellulose verbleibende (verfahrenstechnisch unvermeidbare)
Rest-Lignin zurückzuführen, welches antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften
aufweist.
[0015] Der Zellstoff, der aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere
der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, hergestellt wird, hat überdies sehr gute Weichheitseigenschaften,
ohne jedoch an Festigkeit zu verlieren. Dieses sind eigentlich widersprüchliche Eigenschaften.
Die ungebleichten Fasern haben darüber hinaus eine sehr helle Farbe. Die bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren vorgesehene spezielle Enzymbehandlung, wie sie aus dem Stand der Technik
nicht bekannt ist, sorgt in vorteilhafter Weise für die Festigkeit, die Weichheit
und die Helligkeit der Zellstofffasern. Dabei werden Enzyme oder Enzymmischungen verwendet,
welche die Festigkeit, die Weichheit und die Helligkeit (also die Weiße) der Zellstofffasern
verbessern.
[0016] Durch das Ligningewinnungsverfahren wird Lignin mit einer hohen Ausbeute erhalten.
Infolge des Niedrigenergie-Zellstoffherstellungsverfahrens bleibt das Lignin in vorteilhafter
Weise sehr nativ. Es hat sich gezeigt, dass dadurch ein geringerer intermolekularer
Abbau des Lignins erfolgt, was in vorteilhafter Weise zu einem schwachen Geruch und
niedrigeren Glasübergangstemperaturen führt. Durch die schonende Verarbeitung und
den vollständigen Verzicht auf schwefelhaltige Komponenten bei der Zellstoffherstellung,
wie sie insbesondere bei den aus dem Stand der Technik bekannten Sulfatverfahren eingesetzt
werden, entsteht so ein geruchsarmes und helles Lignin.
[0017] In einer Ausführungsform kann vorgesehen sein, dass die alkalischen Chemikalien im
Verfahrensschritt S2 den Rohstoffpflanzen in einem Konzentrationsbereich von 1 bis
10 mol [OH
-]/kg Rohstoffpflanzen, vorzugsweise von 2 bis 7 mol [OH
-]/kg Rohstoffpflanzen und insbesondere von 3 bis 5 mol [OH
-]/kg Rohstoffpflanzen zugegeben werden. Beispielsweise kann zu Natronlauge (NaOH)
verwendet werden. Alternativ können zum Beispiel auch alkalische Kaliumhydroxide oder
Calciumhydroxide verwendet werden.
[0018] Vorzugsweise kann die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S2 so gewählt werden,
dass sie etwa 60°C bis etwa 100°C, vorzugsweise 70°C bis 90°C, beträgt. Damit ist
die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S2 erheblich geringer als bei den aus
dem Stand der Technik bekannten Kraftprozessen beziehungsweise Sodaprozessen.
[0019] In einer vorteilhaften Ausführungsform besteht die Möglichkeit, dass der Verfahrensschritt
S2 unter Atmosphärendruck ausgeführt wird. Damit ist auch der Druck wesentlich geringer
als bei den aus dem Stand der Technik bekannten Kraftprozessen beziehungsweise Sodaprozessen.
[0020] In einer besonders vorteilhaften Ausführungsform wird vorgeschlagen, dass im Verfahrensschritt
S2 in einer zweiten mechanischen Bearbeitungsstufe eine zweite mechanische Behandlung
ausgeführt wird, bei der dem Faserbrei, vorzugsweise mittels einer Fräspumpe, zusätzliche
mechanische Energie zugeführt wird. Dadurch wird vorteilhaft erreicht, dass die möglicherweise
noch im Faserbrei enthaltenen Rohstoffpflanzenstücke und Schäben zerkleinert werden
und die Fasern zu stärkeren und weicheren Fasern fibrillieren können. Vorzugsweise
wird bei der zweiten mechanischen Behandlung eine Energie zwischen 20 und 80 kWh/Tonne
in den Faserbrei eingebracht. Vorzugsweise liegt der Energieeintrag zwischen 40 und
60 kWh/Tonne.
[0021] In einer bevorzugten Ausführungsform wird vorgeschlagen, dass der gewaschenen Cellulose
im Verfahrensschritt S5 zwischen 70 und 140 g/Tonne, vorzugsweise zwischen 80 und
100 g/Tonne, der Enzyme oder Enzymmischungen zugesetzt werden.
[0022] Vorzugsweise können die Enzyme oder Enzymmischungen aus einer Gruppe ausgewählt sein,
die aus Cellulasen, Peroxidasen, Amylasen, Laccasen oder Mischungen hieraus besteht.
[0023] In einer bevorzugten Ausführungsform kann die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt
S8 so gewählt werden, dass sie zwischen 50°C und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C
und 90°C, liegt. Während dieser chemischen Reaktion im Verfahrensschritt S8 wird die
Temperatur vorzugsweise etwa eine Stunde lang auf diesem Temperaturwert gehalten (Primärreaktion).
Die Schwarzlauge wird im Reaktor vorzugsweise mit einer definierten Rührgeschwindigkeit
gerührt, um ein schnelles Partikelwachstum zu verhindern, aber die Bildung festerer,
kompakterer Partikel zu fördern. Wenn ein voreingestellter pH-Wert, insbesondere ein
pH-Wert von 8, erreicht ist, wird die Rührgeschwindigkeit reduziert. Die auf diese
Weise gebildeten kompakten Partikel können nun in einem Zeitraum von etwa einer Stunde
(Sekundärreaktion) zu größeren Partikeln wachsen und dabei die Flocken bilden. Der
Druck während der gesamten Reaktion liegt zwischen 1,0 und 3,0 bar, vorzugsweise zwischen
1,5 und 2,0 bar.
[0024] In einer vorteilhaften Ausführungsform wird vorgeschlagen, dass die Reaktionstemperatur
während des Verfahrensschritts S10 so gewählt wird, dass sie zwischen 50° und 100°C,
vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt.
[0025] In einer besonders vorteilhaften Ausführungsform besteht die Möglichkeit, dass während
des Lignin-Waschprozesses im Verfahrensschritt S10 eine Ultraschallentschäumung durchgeführt
wird. Es hat sich gezeigt, dass durch diese Ultraschallentschäumung der Lignin-Waschprozess
in vorteilhafter Weise beschleunigt werden kann.
[0026] Vorzugsweise kann optional ein weiterer Verfahrensschritt S12 vorgesehen sein, bei
dem die im Verfahrensschritt S11 erhaltene Flüssigkeit regeneriert wird. Die Flüssigkeit
wird dabei vorzugsweise mit Calciumhydroxid gemischt. Die Karbonate verbinden sich
mit dem [OH
-] aus dem Calciumhydroxid. Diese Reaktion bildet eine flüssige alkalische Chemikalie
und festes Calciumkarbonat, welches ausfällt und leicht von der Flüssigkeit getrennt
werden kann. Das CO
2 wird somit in Form von Calciumkarbonat gespeichert. Die Reaktionszeit beträgt etwa
1 Stunde bei einer Reaktionstemperatur: zwischen 50 - 100°C, vorzugsweise zwischen
70 - 90°C. Die auf diese Weise wiedergewonnene alkalische Chemikalie kann nachfolgend
für den Faseraufschluss von Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere
der Pflanzenart Miscanthus x giganteus, nach dem hier beschriebenen Verfahren wiederverwendet
werden.
[0027] Gemäß Anspruch 14 wird eine Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der
Ansprüche 1 bis 13 hergestellten Zellstoffs zur Herstellung von Hygienepapierprodukten,
insbesondere Tissue-Papier, oder Faservliesstoffmaterialien vorgeschlagen. Die Hygienepapierprodukte
oder Faservliesstoffmaterialien können zu 100% aus Fasern des mittels des hier vorgestellten
Verfahrens hergestellten Zellstoffs hergestellt werden. Allgemein können die Hygienepapierprodukte
oder Faservliesstoffmaterialien einen Anteil von > 0 Gew.% bis zu 100 Gew.% des gemäß
dem Verfahren hergestellten Zellstoffs aufweisen. Die Hygienepapierprodukte oder Faservliesstoffmaterialien
zeichnen sich insbesondere durch ihre Weichheit, ihre hohe Festigkeit und ihre helle
Farbe aus.
[0028] Neben Fasern aus dem Zellstoff, der mittels des hier vorgestellten Verfahrens aus
den Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, insbesondere der Pflanzenart
Miscanthus x giganteus, hergestellt wurde, können in weiteren Ausführungsformen zusätzlich
auch Zellstofffasern anderen Ursprungs, wie zum Beispiel primäre Zellstofffasern hölzernen
Ursprungs beziehungsweise primäre Zellstofffasern nicht-hölzernen Ursprungs und/oder
sekundäre Zellstoffasern, die aus Altpapier gewonnen werden (Deinking-Zellstoff, kurz:
DIP), zur Herstellung von Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier, oder
Faservliesstoffmaterialien verwendet werden.
[0029] Die antioxidativen und antibakteriellen Eigenschaften der Cellulose machen den Zellstoff
besonders geeignet für die Verwendung zur Herstellung von Feuchttüchern, die aus einem
Faservliesstoffmaterial hergestellt werden und sich auch für Kreislauflösungen, wie
zum Beispiel für Rücknahmeprogramme für gebrauchte Produkte, die aus einem Zellstoff
mit dieser Cellulose hergestellt worden sind, eignen.
[0030] Gemäß Anspruch 15 wird eine Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der
Ansprüche 1 bis 13 gewonnenen Lignins zur Herstellung von Beschichtungsmaterialien,
Klebstoffen, Pigmenten, Füllstoffen oder Farben vorgeschlagen.
[0031] Weitere Merkmale und Vorteile eines Ausführungsbeispiels der Erfindung werden unter
Bezugnahme auf Fig. 1 nachfolgend beschrieben. Fig. 1 ist eine schematische Darstellung,
die Einzelheiten eines Verfahrens zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung
von Lignin aus einer Lignocellulose aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus
veranschaulicht.
[0032] Bei dem nachfolgend beschriebenen Verfahren werden für die Zellstoffherstellung und
für die Gewinnung von Lignin Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus,
die zur Pflanzengattung Miscanthus gehört, verwendet. Rohstoffpflanzen der Pflanzenart
Miscanthus x giganteus haben unter anderem den Vorteil, dass sie schnellwachsend sind
und gegenüber einem Schädlingsbefall relativ robust sind. Daher kann der Einsatz von
Pestiziden auf ein Minimum beschränkt werden, um ökologische Schäden beim Anbau der
Pflanzen zu vermeiden. Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können
etwa 20 Jahre lang jedes Jahr geerntet werden, ohne dass zusätzliche Pestizide oder
Düngemittel eingesetzt werden müssen.
[0033] Die geernteten Rohstoffpflanzen können zum Beispiel zu Pflanzenballen gepresst und
mit einem Feuchtigkeitsgehalt zwischen 5 und 15 % gelagert werden. Dabei können die
Pflanzenballen die geernteten Rohstoffpflanzen vollständig enthalten oder zum Beispiel
auch mechanisch vorbehandelte, insbesondere gehäckselte Rohstoffpflanzen, enthalten.
Die Pflanzenballen können sofort nach der Ernte verwendet werden oder für die spätere
Verwendung gelagert werden.
[0034] Um Lignin aus einer Lignocellulose aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus
x giganteus zu gewinnen und Zellstoff herzustellen, wird nachfolgend ein Verfahren
näher erläutert, bei dem eine Kombination aus chemischen, thermischen, mechanischen
und enzymatischem Verfahrensschritten eingesetzt wird, um eine hohe Qualität des ungebleichten
Zellstoffs zu erreichen und auch Lignin mit vorteilhaften Eigenschaften zu erhalten.
[0035] In einem ersten Verfahrensschritt S1 werden die Rohstoffpflanzen der Pflanzenart
Miscanthus x giganteus einem Hochkonsistenz-Pulper zugeführt. Ein derartiger Hochkonsistenz-Pulper
wird normalerweise für das Recycling und die Aufbereitung von Altpapier verwendet.
Die Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus können dem Hochkonsistenz-Pulper
zum Beispiel in Form der oben erwähnten Pflanzenballen zugeführt werden, die die geernteten
Rohstoffpflanzen vollständig enthalten können oder bereits mechanisch vorbehandelte,
insbesondere gehäckselte, Rohstoffpflanzen enthalten können. Von diesen Pflanzenballen
wird vor der Zuführung in den Hochkonsistenz-Pulper jeweils ein Bindedraht entfernt,
der dafür sorgt, die Pflanzenballen in ihrer Form zu halten.
[0036] In einem nächsten Verfahrensschritt S2 werden die Rohstoffpflanzen der Pflanzenart
Miscanthus x giganteus mittels des Hochkonsistenz-Pulpers mechanisch zerkleinert und
aufgelöst. Dabei werden den Rohstoffpflanzen recycelte und/oder frische alkalische
Chemikalien, die für einen Faseraufschluss notwendig sind, zugegeben. Beispielsweise
kann zu diesem Zweck Natronlauge (NaOH) verwendet werden. Alternativ können zum Beispiel
auch alkalische Kaliumhydroxide oder Calciumhydroxide verwendet werden.
[0037] Die alkalischen Chemikalien werden in einem Konzentrationsbereich von 1 bis 10 mol
[OH
-]/kg Rohstoffpflanzen (Miscanthus x giganteus), vorzugsweise in einem Konzentrationsbereich
von 2 bis 7 mol [OH
-]/kg Rohstoffpflanzen und insbesondere in einem Konzentrationsbereich von 3 bis 5
mol [OH
-]/kg Rohstoffpflanzen zugegeben. Zusammen mit den alkalischen Chemikalien wird den
Rohstoffpflanzen auch Wasser, welches eine Temperatur von etwa 60°C bis etwa 100°C
aufweist, zugegeben. Die Reaktionstemperatur beträgt in diesem Verfahrensschritt S2
etwa 60°C bis etwa 100°C, vorzugsweise 70°C bis 90°C. Die gesamte Reaktionsdauer beträgt
etwa 30 bis 120 Minuten unter Atmosphärendruck. Vorzugsweise liegt die gesamte Reaktionsdauer
zwischen 45 und 70 Minuten. Durch diese Maßnahmen wird erreicht, dass das Lignin aus
der Lignocellulose extrahiert und aufgelöst wird, wobei in vorteilhafter Weise keine
zusätzliche Erwärmung erforderlich ist.
[0038] Während der gesamten Reaktionsdauer übt der Hochkonsistenz-Pulper eine Scherbeanspruchung
auf die Fasermasse der Rohstoffpflanzen aus. Diese Scherbeanspruchung bildet eine
erste mechanische Behandlung und bewirkt die Zerkleinerung der Rohstoffpflanzen, so
dass ein Faserbrei unter milden Umgebungsbedingungen (Temperatur- und Druckbedingungen)
im Vergleich zu den aus dem Stand der Technik bekannten Kraftverfahren beziehungsweise
Sodaverfahren entsteht. Der Energiebedarf des Hochkonsistenz-Pulpers für die Durchführung
des Verfahrensschritts S2 liegt zwischen 30 und 90 kWh/Tonne, vorzugsweise zwischen
50 und 90 kWh/Tonne.
[0039] Ferner wird in diesem Verfahrensschritt S2 eine zweite mechanische Behandlung ausgeführt,
bei der dem Faserbrei, vorzugsweise mittels einer Fräspumpe, unter den alkalischen
Umgebungsbedingungen und unter den milden Temperaturbedingungen zusätzliche mechanische
Energie zugeführt wird, um die möglicherweise noch im Faserbrei enthaltenen Rohstoffpflanzenstücke
und Schäben zu zerkleinern und die Fasern zu stärkeren und weicheren Fasern zu fibrillieren.
Mittels der Fräspumpe wird Energie für die mechanische Nachbehandlung zwischen 20
und 80 kWh/Tonne in den Faserbrei eingebracht. Vorzugsweise liegt der Energieeintrag
zwischen 40 und 60 kWh/Tonne.
[0040] In einem Verfahrensschritt S3 wird die Cellulose mittels einer Pressvorrichtung,
insbesondere mittels einer Schneckenpresse, von dem ligninreichen alkalischen Wasser,
das nachfolgend auch als Schwarzlauge bezeichnet wird, getrennt. In diesem Verfahrensschritt
S3 wird somit neben der gepressten Cellulose auch Schwarzlauge erhalten.
[0041] In einem Verfahrensschritt S4 wird die im vorhergehenden Verfahrensschritt erhaltene
gepresste Cellulose mit Wasser und CO
2 gewaschen, um so den pH-Wert zu neutralisieren und eventuelle Verunreinigungen zu
entfernen.
[0042] Ferner werden der gewaschenen Cellulose in einem nachfolgenden Verfahrensschritt
S5 geeignete Enzyme oder Enzymmischungen, bei denen es sich insbesondere um cellulose-
und/oder ligninmodifizierende Enzyme oder Enzymmischungen handelt, zugesetzt, um die
Weichheit, die Festigkeit und die Helligkeit (also die Weiße) der Cellulosefasern
zu erhöhen. Die Enzyme beziehungsweise Enzymmischungen sind vorzugsweise aus einer
Gruppe ausgewählt, die aus Cellulasen, Peroxidasen, Amylasen, Laccasen oder Mischungen
hieraus besteht.
[0043] In diesem Verfahrensschritt S5 werden zwischen 70 und 140 g/Tonne, vorzugsweise zwischen
80 und 100 g/Tonne des Enzyms beziehungsweise der Enzymmischung der gewaschenen Cellulose
zugesetzt. Die Reaktionszeit der Enzyme beträgt vorzugsweise mindestens eine Stunde.
Der pH-Wert nach dem Waschen und während der enzymatischen Behandlung liegt zwischen
7 und 10, vorzugsweise zwischen 8 und 9.
[0044] Der fertige und somit für eine spätere Weiterverarbeitung geeignete Zellstoff wird
in einem Verfahrensschritt S6 dadurch erzeugt, dass die in der vorstehend beschriebenen
Weise erhaltene Cellulose mittels einer Pressvorrichtung, vorzugsweise mittels einer
Schneckenpresse, entwässert wird. Der Zellstoff kann anschließend für die spätere
Weiterverarbeitung gelagert oder auch sofort zum Beispiel für die Herstellung von
Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier, oder Faservliesstoffmaterialien,
die häufig auch als Non-Wovens bezeichnet werden, verwendet werden.
[0045] Es hat sich gezeigt, dass mittels des hier beschriebenen Verfahrens aus den Rohstoffpflanzen
der Pflanzenart Miscanthus x giganteus ein Zellstoff mit ungebleichter Cellulose hergestellt
werden kann, wobei die Cellulose eine hellere Farbe im Vergleich zu herkömmlichen,
ungebleichten Cellulosen aufweist. Die fertigen Cellulosefasern, welche im Zellstoff
enthalten sind, haben eine typische Faserlänge zwischen 0,5 und 1,5 mm und eine durchschnittliche
Dicke von etwa 15 bis 25 Mikrometern.
[0046] Der Zellstoff mit der Cellulose aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus
x giganteus, der in der vorstehend beschriebenen Weise hergestellt wurde, kann in
vorteilhafter Weise über einen langen Zeitraum gelagert werden, ohne dass die Cellulose
dabei merklich abgebaut wird. Wahrscheinlich ist dieses auf das in der Cellulose verbleibende,
verfahrenstechnisch unvermeidbare Rest-Lignin zurückzuführen, welches antioxidative
und antimikrobielle Eigenschaften aufweist. Diese Eigenschaften machen die Cellulose
besonders geeignet für die Verwendung in Feuchttüchern, die aus einem Faservliesstoffmaterial
hergestellt werden und sich auch für Kreislauflösungen, wie zum Beispiel für Rücknahmeprogramme
für gebrauchte Produkte, die aus einem Zellstoff mit dieser Cellulose hergestellt
worden sind, eignen.
[0047] Der Zellstoff mit der Cellulose, die aus den Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus
x giganteus hergestellt wurde, hat überdies sehr gute Weichheitseigenschaften, ohne
jedoch an Festigkeit zu verlieren.
[0048] Nachfolgend sollen weitere Verfahrensschritte erläutert werden, mittels derer das
Lignin aus der Schwarzlauge, welche nach der Durchführung des Verfahrensschritts S3
die Pressvorrichtung, insbesondere die Schneckenpresse, verlässt, gewonnen werden
kann.
[0049] Die Schwarzlauge enthält üblicherweise noch eine geringe Menge an Fasern der Rohstoffpflanzen.
Diese Fasern werden zunächst in einem Verfahrensschritt S7, beispielsweise durch eine
oder mehrere Filtrationsstufen oder durch eine Zentrifugation, aus der Schwarzlauge
entfernt. Anschließend wird die Schwarzlauge auf einen TDS-Wert von etwa 30 % aufkonzentriert.
Die konzentrierte Schwarzlauge enthält das gelöste Lignin. Der TDS-Wert ist ein chemischer
Parameter und repräsentiert - als Abkürzung für den englischen Ausdruck "
total
dissolved
solids" - die Menge aller nichtflüchtigen Stoffe, die im Lösungsmittel (Wasser) der
Schwarzlauge enthalten sind. Der TDS-Wert wird in der Fachwelt häufig auch als Gesamttrockenrückstand
bezeichnet. Allgemein kann der TDS-Wert (Gesamttrockenrückstand) der Schwarzlauge
bei dem hier vorgestellten Verfahren zwischen 15 und 45%, vorzugsweise zwischen 25
und 35%, liegen.
[0050] Die Schwarzlauge wird in einem Verfahrensschritt S8 in einem Reaktor neutralisiert.
Bei diesem Neutralisationsprozess werden aus Ligninpartikeln kompakte Ligninflocken
gebildet, die sich später leicht in einem Dekanterseparator separieren lassen. Als
Neutralisationsmittel wird vorzugsweise CO
2 verwendet, welches in den Reaktor gepumpt wird, um mit den alkalischen Salzen in
der Schwarzlauge chemisch zu reagieren. Die CO
2-Zufuhr wird vorzugsweise automatisch gestoppt, wenn die chemische Reaktion abgeschlossen
ist.
[0051] Bei dieser chemischen Reaktion bilden sich Karbonate und Wasser, wodurch der pH-Wert
der Schwarzlauge gesenkt wird. Durch die Senkung des pH-Werts wird das Lignin protoniert,
wodurch sich die Löslichkeit dieses großen Moleküls verringert. Das Lignin tritt aus
der Lösung aus und bildet dabei die Ligninflocken.
[0052] Während dieser chemischen Reaktion im Verfahrensschritt S8 wird die Temperatur eine
Stunde lang auf etwa 80°C gehalten (Primärreaktion). Die Schwarzlauge wird im Reaktor
mit einer definierten Rührgeschwindigkeit gerührt, um ein schnelles Partikelwachstum
zu verhindern, aber die Bildung festerer, kompakterer Partikel zu fördern. Wenn der
eingestellte pH-Wert von 8 erreicht ist, wird die Rührgeschwindigkeit reduziert. Die
auf diese Weise gebildeten kompakten Partikel können nun in einem Zeitraum von etwa
einer Stunde (Sekundärreaktion) zu größeren Partikeln wachsen und dabei die Flocken
bilden. Allgemein kann die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S8 zwischen 50°C
und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegen. Der Druck während der Reaktion
liegt zwischen 1,0 und 3,0 bar, vorzugsweise zwischen 1,5 und 2,0 bar. Für die gesamte
Reaktionsdauer (etwa 2 Stunden) ergibt sich, dass die Primärreaktion etwa 1 Stunde
andauert und die Sekundärreaktion ebenfalls etwa 1 Stunde andauert.
[0053] In einem Verfahrensschritt S9 werden die als Ligninflocken vorliegenden Ligninpartikel,
vorzugweise mittels eines Dekanterseparators, von der Flüssigkeit getrennt.
[0054] Die im Verfahrensschritt S9 dekantierten und dadurch von der Flüssigkeit getrennten
Ligninfeststoffe werden nachfolgend in einem weiteren Verfahrensschritt S10 in einem
weiteren Reaktor zum Waschen in Wasser dispergiert. Als Waschchemikalie wird eine
Säure verwendet. Dabei kann es sich um eine organische oder eine anorganische Säure
handeln. Vorzugsweise wird Schwefelsäure verwendet. Der pH-Wert wird auf 4 gesenkt,
um das Lignin weiter zu protonieren und um Silikate und andere anorganische Stoffe
zu entfernen.
[0055] Während dieser Reaktion werden einige Restcarbonate in andere Salze umgewandelt und
setzen dabei CO
2 frei. Die Freisetzung von CO
2 verursacht eine Schaumbildung, welche die Zugabe der Säure verzögert. Um die Säurezugabe
und somit auch den Waschprozess des Lignins zu beschleunigen, wird vorzugsweise eine
Ultraschallentschäumung verwendet. Die Reaktionstemperatur während des Verfahrensschritts
S10 liegt zwischen 50° und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C. Die Reaktionszeit
beträgt vorzugsweise etwa 1 Stunde.
[0056] Das protonierte Lignin wird in einem nachfolgenden Schritt Verfahrensschritt S11,
insbesondere mittels eines Feststoffdekanters, dekantiert und - vorzugsweise mithilfe
einer Schnelltrocknungseinrichtung - getrocknet. Der Feuchtigkeitsgehalt des Lignins
nach der Trocknung beträgt vorzugsweise 1 bis 10%, insbesondere zwischen 2 bis 4%.
Die Ligninreinheit liegt zwischen 90 und 99,5%, insbesondere zwischen 95 und 99%.
[0057] Die Flüssigkeit, die den Feststoffdekanter im vorhergehenden Schritt verlässt, wird
in einem optionalen Verfahrensschritt S12, der weiter unten noch näher erläutert werden
wird, für die chemische Regeneration verwendet.
[0058] Das hier vorgestellte Verfahren zur Herstellung von Zellstoff aus Rohstoffpflanzen
der Pflanzenart Miscanthus x giganteus in Kombination mit dem nachgeschalteten Schwarzlaugen-Verfahren
zur Gewinnung von Lignin führt zu einem sehr nativen Lignin mit einigen besonderen
Eigenschaften.
[0059] Der milde Prozess führt zu einem geringeren Abbau der Lignin-Moleküle, da ein großer
Anteil an β-O-4-Verkettungen vorhanden ist, sowie zu geringerer Oxidation und Kondensation
des Lignins. Das Ergebnis sind große Lignin-Moleküle mit einem hohen Molekulargewicht.
[0060] Eine geringere molekulare Zersetzung sowie der Verzicht auf schwefelhaltige Komponenten
während des Faseraufschlusses der Rohstoffpflanzen bedeuten, dass weniger Monomere
und flüchtige organische Verbindungen gebildet werden, was möglicherweise auch die
Erklärung für den schwachen Geruch und für die helle Farbe des mittels des hier vorgestellten
Verfahrens gewonnenen Lignins sein könnte. Durch die schonende Verarbeitung und den
Verzicht auf schwefelhaltige Komponenten bei der Zellstoffherstellung entsteht so
ein geruchsarmes Lignin. Das Molekulargewicht des Lignins liegt zwischen 6000 und
8000 g/mol mit einer Polydispersität zwischen 9 und 11. Weitere Analysen haben gezeigt,
dass das Lignin eine verhältnismäßig niedrige Glasübergangstemperatur Tg aufweist.
[0061] Wie oben bereits erwähnt, hat das Lignin eine native Struktur. Aufgrund dieser nativen
Struktur kann das Lignin in einem breiteren Anwendungsspektrum eingesetzt werden.
Ferner ergeben sich in vorteilhafter Weise mehr Möglichkeiten zur Modifizierung des
Lignins. Die helle Farbe und der schwache Geruch machen das Lignin besonders vorteilhaft
für Anwendungen wie zum Beispiel die Herstellung von Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen,
Farben, Füllstoffen, Pigmenten usw.
[0062] Die im Verfahrensschritt S11 erhaltene Dekanterflüssigkeit kann nach der Lignin-Neutralisierung
in einem optionalen Verfahrensschritt S12 zur Regenerierung der alkalischen Chemikalien
weiterverarbeitet werden. Die Flüssigkeit wird mit Calciumhydroxid gemischt. Die Karbonate
verbinden sich mit dem [OH
-] aus dem Calciumhydroxid. Diese Reaktion bildet eine flüssige alkalische Chemikalie
und festes Calciumkarbonat, welches ausfällt und leicht von der Flüssigkeit getrennt
werden kann. Das CO
2 wird somit in Form von Calciumkarbonat gespeichert. Die Reaktionszeit beträgt in
diesem Verfahrensschritt S12 etwa 1 Stunde bei einer Reaktionstemperatur zwischen
50 und 100°C, vorzugsweise zwischen 70 und 90°C.
[0063] Die auf diese Weise wiedergewonnene alkalische Chemikalie kann nachfolgend für den
Faseraufschluss von Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus nach dem
hier beschriebenen Verfahren wiederverwendet werden.
[0064] Bei dem hier beschriebenen Ausführungsbeispiel ist die Gewinnung des Lignins (Verfahrensschritte
S7 bis S11 beziehungsweise S12) der Zellstoffherstellung aus der im Verfahrensschritt
S3 erhaltenen gepressten Cellulose (Verfahrensschritte S4 bis S6) nachgeschaltet.
Grundsätzlich ist auch eine umgekehrte Reihenfolge möglich, so dass erst das Lignin
gewonnen wird und anschließend der Zellstoff hergestellt wird. Die beiden Zweige des
Verfahrens nach dem Verfahrensschritt S3 (also die Zellstoffherstellung einerseits
und die Ligningewinnung andererseits) können auch parallel zueinander oder zeitlich
unabhängig voneinander ausgeführt werden.
1. Verfahren zur Herstellung von Zellstoff und zur Gewinnung von Lignin aus einer Lignocellulose
aus Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus, welches die folgenden Schritte
umfasst:
S1: Rohstoffpflanzen der Pflanzengattung Miscanthus werden einem Hochkonsistenz-Pulper
zugeführt,
S2: die Rohstoffpflanzen werden mittels des Hochkonsistenz-Pulpers in zumindest einer
ersten mechanischen Bearbeitungsstufe zerkleinert und unter Zugabe von Wasser und
einer alkalischen Chemikalie aufgelöst, so dass ein lignocellulosehaltiger Faserbrei
erhalten wird,
S3: die Cellulose wird aus dem Faserbrei mittels einer Pressvorrichtung, insbesondere
mittels einer Schneckenpresse, von einer ligninhaltigen Schwarzlauge getrennt, so
dass gepresste Cellulose erhalten wird,
S4: die gepresste Cellulose wird durch Hinzugabe von Wasser und CO2 gewaschen,
S5: der gewaschenen Cellulose werden Enzyme oder Enzymmischungen, insbesondere cellulose-
und/oder ligninmodifizierende Enzyme oder Enzymmischungen, zugesetzt,
S6: die Cellulose wird mittels einer Pressvorrichtung, vorzugsweise mittels einer
Schneckenpresse, entwässert, so dass zur Weiterverarbeitung geeigneter Zellstoff erhalten
wird,
S7: die Schwarzlauge wird auf einen TDS-Wert zwischen 15 und 45%, vorzugsweise zwischen
25 und 35%, aufkonzentriert,
S8: die Schwarzlauge wird in einem Reaktor neutralisiert, wobei Ligninpartikel, insbesondere
Ligninflocken, gebildet werden,
S9: die Ligninpartikel werden, vorzugweise mittels eines Dekanterseperators, von der
Flüssigkeit getrennt,
S10: die im Verfahrensschritt S9 abgeschiedenen Ligninpartikel werden in einem weiteren
Reaktor gewaschen und protoniert,
S11: das protonierte Lignin wird abgeschieden und, insbesondere mittels einer Schnelltrocknungseinrichtung,
getrocknet.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass Rohstoffpflanzen der Pflanzenart Miscanthus x giganteus verwendet werden.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die alkalischen Chemikalien den Rohstoffpflanzen im Verfahrensschritt S2 in einem
Konzentrationsbereich von 1 bis 10 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen, vorzugsweise von 2 bis 7 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen und insbesondere von 3 bis 5 mol [OH-]/kg Rohstoffpflanzen zugegeben werden.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S2 so gewählt wird, dass sie etwa 60°C
bis etwa 100°C, vorzugsweise 70°C bis 90°C, beträgt.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Verfahrensschritt S2 unter Atmosphärendruck ausgeführt wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass im Verfahrensschritt S2 in einer zweiten mechanischen Bearbeitungsstufe eine zweite
mechanische Behandlung ausgeführt wird, bei der dem Faserbrei, vorzugsweise mittels
einer Fräspumpe, zusätzliche mechanische Energie zugeführt wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass bei der zweiten mechanischen Behandlung eine Energie zwischen 20 und 80 kWh/Tonne
in den Faserbrei eingebracht wird.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der gewaschenen Cellulose im Verfahrensschritt S5 zwischen 70 und 140 g/Tonne, vorzugsweise
zwischen 80 und 100 g/Tonne, der Enzyme oder Enzymmischungen zugesetzt werden.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Enzyme oder Enzymmischungen aus einer Gruppe ausgewählt sind, die aus Cellulasen,
Peroxidasen, Amylasen, Laccasen oder Mischungen hieraus besteht.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionstemperatur im Verfahrensschritt S8 so gewählt wird, dass sie zwischen
50°C und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionstemperatur während des Verfahrensschritts S10 so gewählt wird, dass
sie zwischen 50° und 100°C, vorzugsweise zwischen 70°C und 90°C, liegt.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass während des Lignin-Waschprozesses im Verfahrensschritt S10 eine Ultraschallentschäumung
durchgeführt wird.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, gekennzeichnet durch einen Verfahrensschritt S12, bei dem die im Verfahrensschritt S11 erhaltene Flüssigkeit
regeneriert wird.
14. Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13 hergestellten
Zellstoffs zur Herstellung von Hygienepapierprodukten, insbesondere Tissue-Papier,
oder Faservliesstoffmaterialien.
15. Verwendung eines gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13 gewonnenen
Lignins zur Herstellung von Beschichtungsmaterialien, Klebstoffen, Füllstoffen, Pigmenten
oder Farben.