[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Betreiben einer Hörvorrichtung,
aufweisend ein Hörgerät und ein damit signaltechnisch gekoppeltes elektronisches Gerät,
wobei das Hörgerät eine Tipp-Erkennung zur Detektion einer Tipp-Bewegung eines Hörgerätenutzers
an einem Hörgerätegehäuse aufweist. Die Erfindung betrifft weiterhin eine Hörvorrichtung
zur Durchführung des Verfahrens.
[0002] Als Hörgerät wird allgemein ein elektronisches Gerät bezeichnet, dass das Hörvermögen
einer das Hörgerät tragenden Person (die nachfolgend als "Träger" oder "(Hörgeräte-)Nutzer"
bezeichnet ist) unterstützt. Insbesondere bezieht sich die Erfindung auf ein Hörgerät,
das dazu eingerichtet sind, einen Hörverlust eines hörgeschädigten Nutzers ganz oder
teilweise zu kompensieren. Ein solches Hörgerät wird auch als "Hörhilfegerät" (engl.:
Hearing Aid) bezeichnet. Daneben gibt es Hörgeräte, die das Hörvermögen von normalhörenden
Nutzern schützen oder verbessern, zum Beispiel in komplexen Hörsituationen ein verbessertes
Sprachverständnis ermöglichen sollen. Solche Geräte werden auch als "Personal Sound
Amplification Products" (kurz: PSAP) bezeichnet. Schließlich fallen unter den Begriff
"Hörgerät" in dem hier verwendete Sinn auch auf oder in dem Ohr getragene Kopfhörer
(drahtgebunden oder drahtlos sowie mit oder ohne aktiver Störschallunterdrückung),
Headsets, etc.
[0003] Hörgeräte im Allgemeinen, und Hörhilfegeräte im Speziellen, sind meist dazu ausgebildet,
am Kopf und hier insbesondere in oder an einem Ohr des Nutzers getragen zu werden,
insbesondere als Hinter-dem-Ohr-Geräte (engl.: behind the ear, BTE) oder In-dem-Ohr-Geräte
(engl.: in the ear, ITE). Im Hinblick auf ihre interne Struktur weisen Hörgeräte regelmäßig
mindestens einen Ausgangswandler auf, der ein zum Zweck der Ausgabe zugeführtes Ausgangs-Audiosignal
in ein für den Nutzer als Schall wahrnehmbares Signal umwandelt, und letzteres an
den Nutzer ausgibt.
[0004] In den meisten Fällen ist der Ausgangswandler als elektro-akustischer Wandler ausgebildet,
der das (elektrische) Ausgangs-Audiosignal in einen Luftschall umwandelt, wobei dieser
ausgegebene Luftschall in den Gehörgang des Nutzers abgegeben wird. Bei einem hinter
dem Ohr getragenen Hörgerät ist der auch als "Hörer" ("Receiver") bezeichnete Ausgangswandler
meist außerhalb des Ohrs in einem Gehäuse des Hörgerät integriert. Der von dem Ausgangswandler
ausgegebene Schall wird in diesem Fall mittels eines Schallschlauchs in den Gehörgang
des Nutzers geleitet. Alternativ hierzu kann der Ausgangswandler auch in dem Gehörgang,
und somit außerhalb des hinter dem Ohr getragenen Gehäuses, angeordnet sein. Solche
Hörgerät werden nach der englischen Bezeichnung "Receiver In Channel" auch als RIC-Geräte
bezeichnet. Im Ohr getragene Hörgeräte, welche so klein dimensioniert sind, dass sie
nach außen über den Gehörgang nicht hinausstehen, werden (nach dem englischen Begriff
"Completely in Canal") auch als CIC-Geräte bezeichnet.
[0005] In weiteren Bauformen kann der Ausgangswandler auch als elektro-mechanischer Wandler
ausgebildet sein, der das Ausgangs-Audiosignal in Körperschall (Vibrationen) umwandelt,
wobei dieser Körperschall zum Beispiel in den Schädelknochen des Nutzers abgegeben
wird. Ferner gibt es implantierbare Hörgeräte, insbesondere Cochlear-Implantate, und
Hörgeräte, deren Ausgangswandler den Hörnerv des Nutzers direkt stimulieren.
[0006] Zusätzlich zu dem Ausgangswandler weist ein Hörgerät häufig mindestens einen (akusto-elektrischen)
Eingangswandler auf. Im Betrieb des Hörgeräts nimmt der oder jeder Eingangswandler
einen Luftschall aus der Umgebung des Hörgeräts auf, und wandelt diesen Luftschall
in ein Eingangs-Audiosignal (d.h. ein elektrisches Signal, das eine Information über
den Umgebungsschall transportiert) um. Dieses - auch als "aufgenommenes Schallsignal"
bezeichnete - Eingangs-Audiosignal wird regelmäßig in ursprünglicher oder verarbeiteter
Form an den Nutzer selbst ausgegeben, z.B. zur Realisierung eines sogenannten Transparenzmodus
bei einem Kopfhörer, zur aktiven Störschallunterdrückung oder - z.B. bei einem Hörhilfegerät
- zur Erzielung einer verbesserten Geräuschwahrnehmung des Nutzers.
[0007] Zudem weist ein Hörgerät häufig eine Signalverarbeitungseinheit (Signalprozessor)
auf. In der Signalverarbeitungseinheit wird das oder jedes Eingangs-Audiosignal verarbeitet
(d. h. hinsichtlich seiner Schallinformation modifiziert). Die Signalverarbeitungseinheit
gibt dabei ein entsprechend verarbeitetes Audiosignal (auch als "Ausgangs-Audiosignal"
oder "modifiziertes Schallsignal" bezeichnet) an den Ausgangswandler und/oder an ein
externes Gerät aus.
[0008] Der Begriff "Hörvorrichtung" oder "Hörsystem" bezeichnet ein einzelnes Gerät oder
eine Gruppe von Geräten und ggf. nicht-körperlichen Funktionseinheiten, die zusammen
im Betrieb Funktionen für den Nutzer bereitstellen. Die Hörvorrichtung kann im einfachsten
Fall aus einem einzelnen Hörgerät bestehen. Alternativ hierzu kann die Hörvorrichtung
zwei zusammenwirkende Hörgerät zur Versorgung der beiden Ohren des Nutzers umfassen.
In diesem Fall wird von einem "binauralen Hörsystem" oder "binauralen Hörgerät" gesprochen.
[0009] Zusätzlich oder alternativ kann die Hörvorrichtung mindestens ein weiteres elektronisches
Peripheriegerät, zum Beispiel eine Fernbedienung, ein Ladegerät oder ein Programmiergerät
für das oder jedes Hörgerät umfassen. Bei modernen Hörsystemen ist oft anstelle einer
Fernbedienung oder eines dedizierten Programmiergerätes ein Steuerprogramm, insbesondere
in Form einer sogenannten App (nachfolgend als "Bedien-App" bezeichnet), vorgesehen,
wobei dieses Steuerprogramm zur Implementierung auf einem externen Computer, insbesondere
einem Smartphone oder Tablet, ausgebildet ist. Der externe Computer ist dabei regelmäßig
selbst kein Teil des Hörgeräts, insofern als er in der Regel unabhängig von dem Hörgerät
und auch nicht von dem Hersteller des Hörgeräts bereitgestellt wird.
[0010] Zur Vereinfachung der Bedienung einer solchen Hörvorrichtung ist mitunter vorgesehen,
dass der Nutzer eine oder mehrere Funktionen des Hörgeräts oder einer externen Funktionseinheit
(d.h. eines Peripheriegeräts oder einer Bedien-App) durch Interaktion mit dem Hörgerät
steuern kann. Typische Beispiel für solche Funktionen sind die Annahme und die Beendung
eines an der externen Funktionseinheit empfangenen Telefonats.
[0011] Unter anderem aus
US 10,959,008 B2 sind ein Verfahren zum Betrieb eines im oder am Ohr eines Nutzers getragenen Hörgeräts
und einer Hörvorrichtung mit einem solchen Hörgerät bekannt, bei dem von dem Nutzer
Funktionen des Hörgeräts oder eines damit verbundenen Smartphones wie z.B. die Änderung
der Lautstärke des ausgegebenen Signals, ein Wechsel zwischen Hörprogrammen des Hörinstruments
oder die Annahme und Beendung von Telefonanrufen durch eine Tipp-Steuerung, nämlich
durch einen einfachen oder mehrfachen Fingertipp auf das Hörgerät, das Ohr oder den
Kopf auslösen kann. Dabei wird mittels eines Beschleunigungssensors die auf das Hörgerät
wirkende Beschleunigung erfasst. Ein Tipp-Ereignis wird dabei erkannt, wenn die erfasste
Beschleunigung bestimmte hinterlegte Kriterien erfüllt.
[0012] In der Praxis stellt sich die Verwendung einer solchen Gesten- oder Tipp-Steuerung
aber als häufig als fehleranfällig heraus. Dies liegt einerseits, dass vielen Nutzern
die Gewöhnung an diese in ihrem täglichen Leben weithin unübliche Steuermethode schwerfällt;
dies betrifft vor allem ältere Nutzer, Nutzer mit motorischen Einschränkungen sowie
Nutzer, die wenig oder keine Erfahrung mit Eingabemitteln moderner elektronischer
Geräte (Computer-Maus, Touch-Screen, etc.) haben. Zum anderen zeigt sich, dass das
intuitive Tippverhalten verschiedener Nutzer starke individuelle Abweichungen aufweist.
Ein hochkomplexes Problem bei er Realisierung einer herkömmlichen Tipp-Steuerung ist
daher die Unterscheidung echter Tipp-Ereignisse, die von dem Nutzer bewusst zur Auslösung
einer Funktion vorgenommen wurden, von Störereignissen wie unwillkürlichen Berührungen
und sonstigen Erschütterungen. Negative Erkennungsfehler, bei denen durch die Tipp-Steuerung
ein bewusstes Tipp-Ereignis nicht erkennt wird, und positive Erkennungsfehler, bei
denen ein Störereignis fälschlicherweise als Tipp-Ereignis erkannt wird, stehen dabei
aber in einer ungünstigen Wechselbeziehung. Je unspezifischer die Kriterien für die
Erkennung eines Tipp-Ereignisses unspezifischer ausgelegt, desto sicherer werden echte
Tipp-Ereignisse erkannt, desto größer ist aber auch die Wahrscheinlichkeit positiver
Erkennungsfehler. Anderer steigt die Wahrscheinlichkeit negativer Erkennungsfehler,
je spezifischer die Kriterien für die Erkennung eines Tipp-Ereignisses ausgelegt sind.
[0013] Ein technisches Problem bei der Tipp-Steuerung für Hörvorrichtungen ist somit die
zuverlässige Erkennung einer Klopf- oder Tippgeste sowie die korrekte Zuordnung der
Bedeutung (z.B. ob der Nutzer einen eingehenden Telefonanruf annehmen will oder sich
nur am Kopf kratzt).
[0014] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein besonders geeignetes Verfahren zum
Betreiben einer Hörvorrichtung anzugeben. insbesondere soll eine möglichst zuverlässige
Tipp-Steuerung realisiert werden, welche die Wahrscheinlichkeit von falsch-positiven
wie auch falsch-negativen Ergebnissen weitestmöglich minimiert. Der Erfindung liegt
weiterhin die Aufgabe zugrunde, eine besonders geeignete Hörvorrichtung anzugeben.
[0015] Hinsichtlich des Verfahrens wird die Aufgabe mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und
hinsichtlich der Hörvorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 9 erfindungsgemäß
gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen sind Gegenstand der Unteransprüche.
Die im Hinblick auf das Verfahren angeführten Vorteile und Ausgestaltungen sind sinngemäß
auch auf die Hörvorrichtung übertragbar und umgekehrt.
[0016] Sofern nachfolgend Verfahrensschritte beschrieben werden, ergeben sich vorteilhafte
Ausgestaltungen für die Hörvorrichtung insbesondere dadurch, dass diese dazu ausgebildet
ist, einen oder mehrere dieser Verfahrensschritte auszuführen.
[0017] Die Erfindung betrifft ein Betriebsverfahren für eine Hörvorrichtung oder ein Hörsystem,
das Kontexten ausgesetzt werden kann, welche nicht unmittelbar vom Benutzer ausgelöst
werden (z.B. eingehender Telefonanruf, Erinnerung an eine geplante Aufgabe).
[0018] Die Hörvorrichtung weist hierbei zumindest ein Hörgerät und ein damit signaltechnisch
gekoppeltes elektronisches Gerät, insbesondere ein Peripheriegerät, auf.
[0019] Bei dem Hörgerät handelt es sich beispielsweise um ein Hörhilfegerät, beispielsweise
um ein BTE-Hörgerät, welches an einem Ohr des (Hörgeräte-)Nutzers getragen wird. Das
Hörgerät weist ein (Hör-)Gerätegehäuse auf, in welchem beispielsweise ein Eingangswandler,
eine Signalverarbeitungseinrichtung, und ein Ausgangswandler aufgenommen sind. Das
Hörgerät weist weiterhin eine Tipp-Erkennung, also eine Einrichtung zur Erkennung
oder Erfassung einer Tipp-Bewegung oder Tipp-Geste des Nutzers auf, welche insbesondere
mit der Signalverarbeitungseinrichtung gekoppelt ist. Die Tipp-Erkennung kann hierbei
auch als Teil der Signalverarbeitung oder als eine Software ausgeführt sein, welche
geeignete Sensorsignale verarbeitet und entsprechende Steuersignale erzeugt.
[0020] Die signaltechnische Kopplung zwischen dem Hörgerät und dem elektronischen Gerät
ist vorzugsweise drahtlos. Zwischen den Geräten ist also ein drahtlose Kommunikationsverbindung,
beispielsweise eine Funkverbindung, insbesondere eine Wifi-, RFID-, oder Bluetooth-Verbindung,
gebildet. Hierzu weisen das Hörgerät und das elektronische Gerät entsprechende Transceiver
zum Daten- und Signalaustausch auf.
[0021] Das elektronische Gerät ist beispielsweise ein mobiles Bedien- und Anzeigegerät,
insbesondere ein mobiles Computergerät, vorzugsweise ein Smartphone oder ein Tablet(-computer).
Das elektronische Gerät eine Anzahl von unterschiedlichen Gerätefunktionen aufweist,
welche durch die Tipp-Erkennung auslösbar sind. Dies bedeutet, dass über die Transceiver
beziehungsweise über die signaltechnische Kopplung entsprechende Steuerbefehle zur
Auslösung oder Bedienung der Gerätefunktionen übertragen werden, wenn die Tipp-Erkennung
eine Tipp-Bewegung erkennt. Die Gerätefunktionen können hierbei durch eine hinterlegte
Anwendungssoftware (Betriebssoftware) aktiviert werden, mit welcher die übertragenen
Steuerbefehle softwaretechnisch umgesetzt werden. Die Anwendungssoftware (Application
software) ist hierzu vorzugsweise als eine sogenannte App oder Mobile App (Mobilanwendung,
Smartphone-App) auf dem elektronischen Gerät installierbar beziehungsweise installiert.
[0022] Die Tipp-Erkennung des Hörgeräts weist einen hinterlegten Erkennungsschwellwert auf.
Unter einem Erkennungsschwellwert ist hierbei eine Sensitivität, Empfindlichkeitsschwelle
oder Ansprechschwelle (engl.: Function Activation Sensitivity) zu verstehen, welche
eine gewisse Bagatellgrenze zur Abgrenzung einer Tipp-Bewegung gegenüber anderen Bewegungen
oder Berührungen des Hörgeräts ermöglicht. Der Erkennungsschwellwert dient somit insbesondere
dazu, eine gewollte Tipp-Bewegung des Nutzers mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit
von anderen Berührungen des Gerätegehäuses zu unterscheiden. Welche Wahrscheinlichkeit
hierbei als hinreichend gilt und wie groß die Wahrscheinlichkeit konkret ist, ist
dabei zunächst nebensächlich. Dies lässt sich beispielsweise aus vergangenen Tragedaten
oder aus entsprechenden Versuchen oder Erprobungen ermitteln. Für unterschiedliche
Nutzer, Betriebs- und Umgebungsbedingungen oder Anwendungsszenarien können unter Umständen
unterschiedliche Erkennungsschwellwerte definiert sein. Eine Berührung des Gerätegehäuses
wird somit als Tipp-Bewegung erkannt wird, wenn der Erkennungsschwellwert erreicht
oder überschritten wird.
[0023] Wenn ein Ereignis des elektronischen Geräts auftritt, welches nicht unmittelbar auf
eine Handlung des Hörgerätenutzers zurückgeht (z.B. ein eingehender Anruf, ein Gerätealarm/-wecker,
eine Kalenderbenachrichtung, ...) wird verfahrensgemäß eine Benachrichtigung über
das Ereignis von dem elektronischen Gerät an den Hörgerätenutzer übermittelt, und
der Erkennungsschwellwert reduziert, wenn innerhalb einer hinterlegten Reaktionszeitdauer
seit der Benachrichtigung eine Körperbewegung des Nutzers erfasst wird. Dadurch ist
ein besonders geeignetes Verfahren zum Betrieb einer Hörvorrichtung realisiert.
[0024] Das erfindungsgemäße Verfahren ist somit insbesondere als ein Benutzerschnittstellenverfahren
für die Hörvorrichtung ausgeführt.
[0025] Wenn das Ereignis auf dem elektronischen Gerät auftritt, wird der aktuellen Kontext
des Ereignisses bestimmt (z.B. eingehender Telefonanruf). Die Ermittlung oder Zuordnung
des Ereignisses mit einer durch die Tipp-Erkennung verknüpften Gerätefunktion (z.
B: Annahme des eingehenden Telefonanrufs) entspricht hierbei der Bestimmung des Kontextes.
Der Nutzer wird über das Ereignis beziehungsweise über den Kontext informiert. Die
hierfür verwendete Benachrichtigung kann optisch (z.B. Anzeige auf einem Bildschirm
des Geräts) und/oder akustisch (z.B. Benachrichtigungs-/Klingelton) und/oder haptisch
(z. B. Vibration) realisiert werden. Die Konjunktion "und/oder" ist hier und im Folgenden
derart zu verstehen, dass die mittels dieser Konjunktion verknüpften Merkmale sowohl
gemeinsam als auch als Alternativen zueinander ausgebildet sein können. Verfahrensgemäß
wird hierbei ein erster Zeitpunkt für die Übermittlung der Benachrichtigung erfasst.
[0026] Verfahrensgemäß wird weiterhin ein zweiter Zeitpunkt zu Beginn einer Körperbewegung
des Benutzers erfasst. Unter einer Körperbewegung ist hierbei eine Bewegung eines
Körperteils des Nutzers zu verstehen, insbesondere eine Bewegung eines Armes oder
einer Hand in Richtung des Hörgeräts beziehungsweise des Ohrs.
[0027] Aus den oben beschriebenen aufgezeichneten Zeitpunkten wird beispielsweise ermittelt,
ob der Nutzer seine Hand vor oder nach der Benachrichtigung über das Geräteereignis
(z. B. den eingehenden) Anruf gehoben hat. Aus dieser Information wird geschlossen,
ob die Absicht einer Tippgeste als wahrscheinlich oder unwahrscheinlich angesehen
wird. Im Falle einer wahrscheinlichen Tippgeste wird der Erkennungsschwellwert auf
einen niedrigeren Wert als im Falle einer unwahrscheinlichen Tippgeste gesetzt. Als
Wahrscheinlichkeitsmaß wird verfahrensgemäß insbesondere die Zeitdauer zwischen dem
ersten Zeitpunkt (Benachrichtigung) und dem zweiten Zeitpunkt (Beginn Körperbewegung),
welche auch als Reaktionszeitdauer bezeichnet ist, verwendet. Dadurch wird das Auslösen
oder Aktivieren der Gerätefunktion (z.B. Annehmen eines eingehenden Telefonanrufs)
mittels der Tipp-Erkennung vereinfacht. Insbesondere wird somit die Wahrscheinlichkeit
einer falsch-negativen Tipp-Erkennung, also einer fälschlicherweise nicht erkannten
Tippbewegung, zuverlässig reduziert.
[0028] Unter einem "Ereignis des elektronischen Geräts" beziehungsweise unter einem "Kontext"
ist hier und im Folgenden insbesondere ein beliebiges Ereignis oder eine beliebige
Situation zu verstehen, welche die folgenden Bedingungen erfüllt. Zum einen wird das
Ereignis nicht direkt oder unmittelbar durch den Nutzer ausgelöst, dies bedeutet,
dass es sich für den Nutzer beispielsweise so anfühlt, als käme die Aufforderung von
der Hörvorrichtung. Zum anderen fordert das Ereignis eine Benutzerinteraktion (-reaktion)
oder die Benutzerinteraktion ist zumindest optional (z. B. ein eingehender Anruf kann,
muss aber nicht unbedingt angenommen werden). Weiterhin besteht für das Ereignis vorzugsweise
ein hinreichend intuitiver logischer Zusammenhang der Art des Kontexts und der Benutzerinteraktion
Benutzeraktion (z. B. bedeutet eine Tippgeste die Annahme eines Anrufs). Welcher logische
Zusammenhang hierbei als hinreichend gilt und wie groß Zusammenhang konkret ist, ist
dabei zunächst nebensächlich. Dies lässt sich beispielsweise aus vergangenen Tragedaten
oder aus entsprechenden Versuchen oder Erprobungen ermitteln. Für unterschiedliche
Nutzer, Betriebs- und Umgebungsbedingungen oder Ereignisse können unter Umständen
unterschiedliche Zusammenhänge definiert sein. Zusätzlich soll für das Ereignis geeigneterweise
mindestens ein Merkmal des Kontexts oder des Ereignisses als Benachrichtigung an den
Nutzer übermittelbar sein. Beispielsweise kann dem Nutzer über einen Lautsprecher
der Hörvorrichtung die Benachrichtigung mitgeteilt werden (z. B. eine sprach-synthetisierte
Nachricht "eingehender Anruf von", oder ein Rufton).
[0029] Nachfolgend sind beispielhaft und nicht abschließend Beispiele für ein Ereignis des
elektronischen Geräts in Form eines aktuellen Kontexts und einer damit verknüpften,
durch die Tipp-Erkennung auslösbaren, Gerätefunktion aufgelistet: eingehender Telefonanruf
und Annahme des Telefonanrufs, ein laufendes Telefongespräch und Beenden des Telefongesprächs,
eine geplante Erinnerung aus einer Kalender-App, die durch eine Tipp-Geste bestätigt
und stummgeschaltet wird, ein Angebot für eine Gesundheitsübung (z. B. eine Atemübung),
das die vorgeschlagene Übung einleitet, oder eine Benachrichtigung über einen aktuellen
physiologischen Parameter und Stummschaltung der Benachrichtigung.
[0030] Unter einer Tipp-Bewegung oder Tipp-Geste (Tap) ist insbesondere eine Berührung oder
zumindest eine Annäherung an das Hörgerätegehäuse mit einer Hand des Nutzers zu verstehen,
beispielsweise ein Streichen über die Oberfläche des Gerätegehäuses, eine vordefinierte
Handgeste in der Nähe des Hörgeräts, oder eine generische Klopfgeste an dem Gerätegehäuse
mit einem Finger, die ein einfaches Klopfen/Tippen oder Mehrfachtippen sein kann,
zu verstehen. Wie die Tipp-Bewegung von dem Hörgerät oder der Tipp-Erkennung erfasst
wird ist hierbei für die Erfindung nicht wesentlich. Dem Fachmann sind hierbei unterschiedliche
Tipp-Erkennungen aus dem Stand der Technik geläufig. Die Tipp-Bewegung kann beispielsweise
durch einen im Hörgerät integrierten Bewegungs- oder Beschleunigungssensor, also einen
IMU-basierten Sensor (IMU: Intertial Measurement Unit), erfasst werden, wobei der
Erkennungsschwellwert ein Bewegungs- oder Beschleunigungsschwellwert ist. Alternativ
kann die Tipp-Erkennung auch mikrofonbasiert erfolgen. Hierzu weist das Hörgerät zumindest
einen akusto-elektrischen Eingangswandler (Mikrofon) auf, wobei das aufgenommene Eingangssignal
auf Klopfgeräusche (bspw. mittels eines Klassifikators) untersucht wird, und wobei
der Erkennungsschwellwert beispielsweise ein Klopfgeräuschpegel/-lautstärke ist. Ebenso
denkbar ist beispielsweise eine kapazitive Berührungstaste am Gerätegehäuse, welche
die Tipp-Bewegung kapazitiv erfasst, und mit einem entsprechenden Schwellwert vergleicht.
[0031] Zusätzlich kann ein Maß für die Wahrscheinlichkeit einer registrierten Tippgeste
aus mindestens einem Merkmal der Tippgeste abgeleitet werden. Beispiele für diese
Tipp-Gesten-Merkmale sind beispielsweise die Stärke des Antippens, die Zeitdifferenz
zwischen den Antippvorgängen bei einer Geste mit mehreren Antippvorgängen, und die
Zeitdauer der Geste. Diese Wahrscheinlichkeit kann hierbei im Zuge des Schwellwertvergleichs
berücksichtigt werden.
[0032] In einer bevorzugten Ausgestaltung wird der Erkennungsschwellwert lediglich zeitweise,
also für eine bestimmte Zeitdauer reduziert, wenn innerhalb der Reaktionszeitdauer
eine Körperbewegung des Nutzers erfasst wird. Diese Zeitdauer ist nachfolgend auch
als Ausführungszeitdauer bezeichnet. Dadurch wird sichergestellt, dass die Schwelle
zur Erkennung einer Tipp-Bewegung nicht dauerhaft reduziert wird, so dass die Wahrscheinlichkeit
für falsch-positive Ergebnisse, bei welchen eine ungewünschte Erkennung erfolgt, vermieden
werden. Gemäß dieser Ausgestaltung wird also die Sensitivität der Tipp-Erkennung lediglich
für ein gewisses Zeitfenster erhöht.
[0033] Die Ausführungszeitdauer beginnt hierbei mit dem zweiten Zeitpunkt (Beginn Körperbewegung)
und endet an einem dritten Zeitpunkt. Der dritte Zeitpunkt ist entweder durch eine
Berührung oder ein Antippen des Gerätegehäuses gegeben, oder (falls keine Berührung
erfolgt) durch einen hinterlegten dritten Zeitpunkt.
[0034] Zu dem ersten Zeitpunkt erhält der Benutzer eine Benachrichtigung über den aktuellen
Kontext. Dies kann der Zeitpunkt des Beginns oder des Endes der Benachrichtigung oder
ein beliebiger Zeitpunkt dazwischen sein. Zu dem zweiten Zeitpunkt wird der Beginn
einer Körperbewegung des Nutzers registriert (z. B. der Benutzer hebt seinen Arm).
Zu dem dritten Zeitpunkt wird insbesondere die Antippgeste registriert.
[0035] In einer geeigneten Dimensionierung wird als Reaktionszeitdauer, also als Zeitdauer
zwischen der Benachrichtigung und dem Beginn der Körperbewegung, eine Zeitdauer zwischen
100 ms (Millisekunden) bis 1000 ms, verwendet. Dies bedeutet, dass wenn in einem Zeitfenster
von 100 ms bis 1000 ms nach der Benachrichtigung der Beginn einer Körperbewegung erfasst
wird, dann wird der Erkennungsschwellwert für die Ausführungszeitdauer reduziert.
[0036] Geeigneterweise wird hierbei eine Ausführungszeitdauer zwischen 200 ms und 2000 ms
verwendet. Mit anderen Worten, wird der Erkennungsschwellwert 200 ms nach Beginn der
Körperbewegung für maximal 1800 ms reduziert. Wenn bis 2000 ms nach Beginn der Körperbewegung
keine Berührung des Gerätegehäuses erfolgt beziehungsweise keine Tipp-Bewegung von
der Tipp-Erkennung erkannt wird, dann wird der Erkennungsschwellwert auf den Ausgangswert
zurückgesetzt oder angehoben. Wenn innerhalb des Zeitfensters zwischen 200 ms bis
2000 ms nach Beginn der Körperbewegung eine Tipp-Bewegung als dritter Zeitpunkt erkannt
wird, kann der Erkennungsschwellwert anschließend bereits wieder auf den Ausgangswert
erhöht werden.
[0037] Dies bedeutet, dass der Standardwert für die Empfindlichkeitsschwelle einer Funktionsaktivierung
vorzugsweise für einen Fall definiert ist, bei welchem der erste Zeitpunkt 100 ms
bis 1000 ms vor dem zweiten Zeitpunkt liegt, und der dritte Zeitpunkt 200 ms bis 2000
ms nach dem zweiten Zeitpunkt liegt.
[0038] Ausgehend von diesen Standardwerten oder diesem Standardszenario kann eine Fallunterscheidung
erfolgen, so dass für das erfindungsgemäße Benutzerschnittstellenverfahren mehrere
unterschiedliche Erkennungsschwellwerte fallabhängig einstellbar sind. Dadurch kann
die Wahrscheinlichkeit von falsch-positiven wie auch falsch-negativen Ergebnissen
minimiert werden. In einer geeigneten Weiterbildung sind hierzu drei unterschiedliche
Erkennungsschwellwerte definiert. Mit anderen Worten sind ein hoher, ein mittlerer,
und ein niedriger Erkennungsschwellwert definiert. Bei einem hohen Erkennungsschwellwert,
wird die Sensitivität der Tipp-Erkennung zeitweise reduziert, so dass die Wahrscheinlichkeit
von falsch-positiven Tipp-Erkennungen reduziert wird. Entsprechend wird bei dem niedrigen
Erkennungsschwellwert die Sensitivität erhöht, um insbesondere die Wahrscheinlichkeit
von falsch-negativen Tipp-Erkennungen zu reduzieren. Der mittlere Erkennungsschwellwert
entspricht hierbei einer Standardsensitivität. Die Schwellwerte oder Sensitivitätslevel
werden hierbei beispielsweise aus vergangenen Tragedaten oder aus entsprechenden Versuchen
oder Erprobungen bestimmt.
[0039] Wenn innerhalb der Reaktionszeitdauer eine Körperbewegung des Hörgerätenutzers erfasst
wird, wird verfahrensgemäß der niedrige Erkennungsschwellwert eingestellt.
[0040] Der mittlere Erkennungsschwellwert wird geeigneterweise eingestellt, wenn eine Körperbewegung
in einer Zeitdauer vor der Reaktionszeitdauer erfasst wird und/oder wenn eine Berührung
des Hörgerätegehäuses vor der Ausführungszeitdauer erfasst wird. Mit anderen Worten
wird die Empfindlichkeitsschwelle der Funktionsaktivierung auf den mittleren Wert
gesetzt, wenn der zweite Zeitpunkt im Vergleich zum ersten Zeitpunkt früher als im
Standardszenario liegt, und/oder wenn der dritte Zeitpunkt im Vergleich zum zweiten
Zeitpunkt früher als im Standardszenario liegt. Da der mittlere Empfindlichkeitsschwellwert
insbesondere der Standardwert ist, bedeutet dies, dass in diesen Fällen der Empfindlichkeitsschwellwert
nicht verändert (erhöht/reduziert) wird.
[0041] Der hohe Erkennungsschwellwert wird vorzugsweise dann eingestellt, wenn eine gewollte
Tipp-Bewegung oder Tipp-Auslösung unwahrscheinlich ist. Als Maß hierfür wird beispielsweise
das Erfassen eine Körperbewegung vor dem Übermitteln der Benachrichtigung und/oder
eine Berührung des Gerätegehäuses vor der Erfassung einer Körperbewegung verwendet.
Mit anderen Worten wird die Empfindlichkeitsschwelle einer Funktionsaktivierung wird
auf den höchsten Wert gesetzt, wenn der zweite Zeitpunkt vor dem ersten Zeitpunkt
liegt und/oder wenn der dritte Zeitpunkt vor dem zweiten Zeitpunkt liegt. Folglich
führt eine Tippgeste nicht zu einer Funktionsaktivierung als Reaktion auf einen aktuellen
Kontext, wenn der Beginn einer Bewegung eines Anhängsels des Benutzers bereits erfolgte
bevor der Benutzer eine Benachrichtigung über den Kontext erhalten hat.
[0042] Ein zusätzlicher oder weiterer Aspekt sieht hierbei vor, dass eine ideale Reaktionszeit
und eine ideale Ausführungszeit definiert und hinterlegt werden können. Diese Idealzeiten
können beispielsweise durch Testmessungen für einen jeweiligen Nutzer spezifisch bestimmt
werden. Alternativ sind die Idealzeiten beispielsweise aus statistischen Messungen
bestimmt. Je näher die ermittelten Zeiten (erster, zweiter, dritter Zeitpunkt) an
der idealen Reaktionszeit beziehungsweise an der idealen Ausführungszeit liegen, desto
niedriger wird die Empfindlichkeitsschwelle einer Funktionsaktivierung gesetzt, da
die Wahrscheinlichkeit für eine gewünschte oder beabsichtigte Tipp-Auslösung höher
ist. Mit anderen Worten kann in Abhängigkeit von den idealen Zeitpunkten oder den
Abweichungen hierzu ein gleitender Übergang zwischen den unterschiedlichen Erkennungsschwellwerten
vorgesehen sein.
[0043] Unter einer Körperbewegung des Nutzers ist insbesondere eine Arm- oder Handbewegung
in Richtung des Ohrs oder des Hörgeräts zu verstehen. Dem Fachmann sind verschiedene
Methoden zur Bestimmung oder Erfassung eines solchen Bewegungsbeginn geläufig. Beispielsweise
kann der Beginn einer derartigen Körperbewegung EEG-basiert (Elektroenzephalographie)
erfolgen, indem beispielsweise Elektroden auf der Oberfläche des Hörgerätegehäuses
angeordnet sind um die Absicht, Planung oder Ausführung einer Armbewegung anhand von
entsprechenden charakteristischen Strömen zu erfassen. Ebenso denkbar ist beispielsweise
eine schallbasiere Bewegungserfassung mittels der Eingangswandler oder Mikrofone des
Hörgeräts, wobei Geräusche, die von den Gelenken oder der Kleidung des Benutzers ausgehen
und auf Bewegungen hinweisen. Solche akustischen Bewegungserfassungen sind beispielsweise
aus der
CN 112656403 A,
US 10062373 B2,
JP 5495415 B2,
CN 112806981 B,
US 9610042 B1,
AT 513434 B1,
KR 101160227 B1,
US 11417307 B2, oder
US 20150038850 A1 bekannt. Alternativ ist beispielsweise auch eine EMG-basierte Bewegungsdetektion
über einen Elektromyographie-Sensor möglich, der am Körper des Nutzers angebracht
ist. Weiterhin ist auch eine IMU-basierte Erfassung durch einen Bewegungssensor (Beschleunigungssensor,
Gyroskop) des Hörgeräts, oder durch eine Trägheitsmesseinheit, die am Körper oder
an einem Kleidungsstück getragen wird oder daran befestigt ist (z. B. Armband oder
auch IMU-Sensoren, die eine Kopfdrehung zur kontralateralen Seite hin erkennen, um
die korrekte Seite des Kopfes einer ipsilateralen Hand zuzuwenden). Außerdem sind
auch optisch- oder videobasierte Bewegungserfassungen denkbar, beispielsweise mittels
einer Kamera des elektronischen Geräts, oder über eine externe Kamera.
[0044] In einer bevorzugten Ausgestaltung wird die Körperbewegung des Nutzers, insbesondere
der Beginn der Körperbewegung, mit einem Rückkopplungsreduzierer (Feedback Canceller)
des Hörgeräts erfasst.
[0045] Unter einer Rückkopplung (Feedback) ist hierbei ein verstärkter Ton des Hörgeräts
zu verstehen, welcher am Mikrofon des Hörgeräts aufgenommen und wieder durch das Hörgerät
geleitet wird. Wenn die Verstärkung groß genug ist, wird das Signal, das die Rückkopplungsschleife
durchläuft, immer lauter, was schließlich zu dem hochfrequenten Pfeifton führt.
[0046] Ein Rückkopplungsreduzierer ist eine Einheit des Hörgeräts, welche diesen Rücckopplungseffekt
reduziert oder minimiert. Hierbei wird beispielsweise ein adaptiver Filter verwendet,
um den Rückkopplungspfad zu modellieren. Das Ausgangssignal des adaptiven Filters
wird vom Mikrofonsignal subtrahiert, um die vom Mikrofon aufgenommene akustische und
mechanische Rückkopplung auszulöschen und so mehr Verstärkung im Hörgerät zu ermöglichen.
[0047] Eine Hand, welche in Richtung des Hörgeräts bewegt wird, wirkt als eine Schallreflexionsfläche,
und verändert bei einer Annäherung oder Berührung den Rücckopplungspfad im Hörgerät
oder Hörgerätegehäuse.
[0048] Durch die Verwendung des Rückkopplungsreduzierers zur Detektion der Körperbewegung
ist eine besonders zuverlässige Detektion von relevanten Körperbewegungen ermöglicht.
Insbesondere werden somit im Wesentlichen lediglich Körperbewegungen in der unmittelbaren
Umgebung des Hörgeräts erfasst, wodurch die Genauigkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens
verbessert wird. Der Rückkopplungsreduzierer kann hierbei sinngemäß auch als Berührungssensor
oder Tippsensor zur Erfassung der Tipp-Bewegung oder Tipp-Geste verwendet werden.
[0049] Die erfindungsgemäße Hörvorrichtung weist ein Hörgerät und ein damit signaltechnisch
gekoppeltes elektronisches Gerät auf. Das beispielsweise als Smartphone ausgebildete
elektronische Gerät weist eine Anzahl von unterschiedlichen Gerätefunktionen auf,
welche durch eine Tipp-Erkennung des Hörgeräts auslösbar sind.
[0050] Das Hörgerät dient insbesondere der Versorgung eines hörgeschädigten Nutzers (Hörhilfegerät).
Das Hörgerät ist hierbei ausgebildet, Schallsignale aus der Umgebung aufzunehmen und
an einen Nutzer des Hörgeräts auszugeben. Hierzu weist das Hörgerät zumindest einen
akusto-elektrischen Eingangswandler, insbesondere ein Mikrofon, auf sowie zumindest
einen elektro-akustischen Ausgangswandler, beispielsweise einen Hörer. Der Eingangswandler
nimmt im Betrieb des Hörgeräts Schallsignale (Geräusche, Töne, Sprache, etc.) aus
der Umgebung auf, und wandelt diese in ein elektrisches Eingangssignal (Akustikdaten)
um. Aus dem elektrischen Eingangssignal wird ein elektrisches Ausgangssignal erzeugt,
indem das Eingangssignal in einer Signalverarbeitung modifiziert wird. Die Signalverarbeitung
ist beispielsweise ein Teil des Hörgeräts. Die Signalverarbeitung weist beispielsweise
einen (Ausgangs-)Verstärker zur (selektiven) Verstärkung des Eingangssignals beziehungsweise
zur Einstellung eines Signalpegels des Ausgangssignals auf. Der Ausgangswandler erzeugt
aus dem Ausgangssignal ein akustisches Schallsignal. Der Eingangswandler und der Ausgangswandler
sowie gegebenenfalls auch die Signalverarbeitung sind insbesondere in einem Gehäuse
des Hörgeräts untergebracht. Das Gehäuse ist derart ausgebildet, dass dieses vom Nutzer
am Kopf und in der Nähe des Ohrs getragen werden kann, z.B. im Ohr, am Ohr oder hinter
dem Ohr. Vorzugsweise ist das Hörgerät als BTE-Hörgerät, ITO-Hörgerät oder RIC-Hörgerät
ausgebildet.
[0051] Das Hörgerät oder die Signalverarbeitung weist hierbei die Tipp-Erkennung zur Detektion
einer Tipp-Bewegung eines Nutzers an einem Hörgerätegehäuse, und einen Bewegungssensor
zur Erfassung einer Körperbewegung des Hörgerätenutzers auf. Das Hörgerät weist weiterhin
einen Controller (das heißt eine Steuereinheit) zur Durchführung des vorstehend beschriebenen
Verfahrens auf.
[0052] Der Controller ist hierbei allgemein - programm- und/oder schaltungstechnisch - zur
Durchführung des vorstehend beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahrens eingerichtet.
Der Controller ist somit konkret dazu eingerichtet, einen ersten Zeitpunkt für die
Benachrichtigung, einen zweiten Zeitpunkt für den Beginn einer Körperbewegung, und
beispielsweise einen dritten Zeitpunkt für das Erfassen einer Tipp-Bewegung zu erfassen
und/oder zu überwachen. Der Controller ist weiterhin dazu ausgebildet, einen Erkennungsschwellwert
der Tipp-Erkennung in Abhängigkeit der Zeitpunkte zu verändern.
[0053] In einer bevorzugten Ausgestaltungsform ist der Controller zumindest im Kern durch
einen Mikrocontroller mit einem Prozessor und einem Datenspeicher gebildet, in dem
die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form einer
Betriebssoftware (Firmware) programmtechnisch implementiert ist, so dass das Verfahren
- gegebenenfalls in Interaktion mit dem Nutzer - bei Ausführung der Betriebssoftware
in dem Mikrocontroller automatisch durchgeführt wird. Der Controller kann im Rahmen
der Erfindung alternativ aber auch durch ein nicht-programmierbares elektronisches
Bauteil, wie zum Beispiel einem anwendungsspezifischen integrierten Schaltkreis (ASIC)
oder durch einem FPGA (Field Programmable Gate Array), gebildet sein, in dem die Funktionalität
zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit schaltungstechnischen Mitteln
implementiert ist.
[0054] In einer bevorzugten Ausführung ist der Bewegungssensor des Hörgeräts als ein Rückkopplungsreduzierer
ausgeführt.
[0055] Nachfolgend sind Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand einer Zeichnung näher
erläutert. Darin zeigen in schematischen und vereinfachten Darstellungen:
- Fig. 1
- eine Hörvorrichtung mit einem Hörgerät und mit einem elektronischen Gerät,
- Fig. 2
- ein Flussdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens, und
- Fig. 3
- in aufeinanderfolgenden Darstellungen einen Verfahrensablauf.
[0056] Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren stets mit den gleichen
Bezugszeichen versehen.
[0057] Die Figur 1 zeigt in einer vereinfachten und schematischen Darstellung den prinzipiellen
Aufbau einer Hörvorrichtung 2.
[0058] Die Hörvorrichtung 2 ist insbesondere als eine Hörhilfevorrichtung in Form eines
Hörsystems mit einem Hörgerät 4 und mit einem externen elektronischen (Zusatz-)Gerät
6 in Form eines Anzeige- und Bediengeräts ausgeführt. Das Hörgerät 4 ist hierbei beispielhaft
als Hinter-dem-Ohr-Hörhilfegerät (HdO, BTE) ausgestaltet. Das Hörgerät 4 und das Gerät
6 sind mittels einer drahtlosen Kommunikationsverbindung 8 signaltechnisch miteinander
gekoppelt. Die Kommunikationsverbindung 8 ist vorzugsweise als eine Funkverbindung,
beispielsweise als eine Bluetooth- oder RFID-Verbindung, ausgeführt.
[0059] Das Hörgerät 4 umfasst, wie in der Figur 1 schematisch dargestellt, ein (Hör-)Gerätegehäuse
10, in welches ein oder mehrere Mikrofone 12, auch als akusto-elektrische (Eingangs-)Wandler
bezeichnet, eingebaut sind. Mit den Mikrofonen 22 wird der Schall beziehungsweise
die akustischen Signale in der Umgebung aufgenommen und in ein elektrisches Audiosignal
gewandelt.
[0060] Das Audiosignal wird von einer Signalverarbeitungseinrichtung 14, welche ebenfalls
in dem Gerätegehäuse 10 angeordnet ist, verarbeitet. Anhand des Audiosignals erzeugt
die Signalverarbeitungseinrichtung 14 ein Ausgangssignal, welches an einen Lautsprecher
beziehungsweise Hörer 16 geleitet wird. Der Hörer 16 ist hierbei als ein elektro-akustischer
(Ausgangs-)Wandler ausgeführt, welcher das elektrische Ausgangssignal in ein akustisches
Signal wandelt und ausgibt. Bei dem HdO-Hörgerät 4 wird das akustische Signal gegebenenfalls
über einen nicht näher dargestellten Schallschlauch oder externen Hörer, der mit einer
im Gehörgang einsitzenden Otoplastik, zum Trommelfell eines Hörhilfevorrichtungsnutzers
übertragen. Es ist aber auch beispielsweise ein elektro-mechanischer Wandler als Hörer
16 denkbar, wie beispielsweise bei einem Knochenleitungshörer.
[0061] Die Energieversorgung des Hörgeräts 4 und insbesondere der Signalverarbeitungseinrichtung
14 erfolgt mittels einer in dem Gerätegehäuse 10 aufgenommenen Batterie 18.
[0062] Die Signalverarbeitungseinrichtung 14 ist signaltechnisch an einen Bewegungssensor
20 des Hörgeräts 4 gekoppelt. Der Bewegungssensor 20 ist insbesondere zur Erfassung
von Körperbewegungen des (Hörgeräte-)Nutzers vorgesehen und eingerichtet. Der Bewegungssensor
20 ist dazu vorgesehen und eingerichtet eine Annäherung eines Körperteils 21, insbesondere
einer Hand oder eines Fingers, an das Hörgerät 4 sowie eine Berührung des Hörgeräts
4 beziehungsweise des Gerätegehäuses 10 zu erfassen.
[0063] Der Bewegungssensor 30 ist hierbei beispielsweise als ein Beschleunigungsmesser und/oder
als ein Gyroskop, also als ein gyroskopischer (Lage-)Sensor, ausgebildet. Der Bewegungssensor
30 kann alternativ auch ein Lichtsensor zur Erfassung von Lichtsignalen in einer Umgebung
des Hörgeräts 16, oder ein Puls- oder Blutdrucksensor zur Erfassung von Puls- oder
Blutdruckänderungen des Hörvorrichtungsnutzers 10 sein. Ebenso möglich ist ein Bewegungssensor
30, welcher eine Kombination aus Beschleunigungsmesser und/oder Gyroskop und/oder
Pulssensor und/oder Blutdrucksensor und/oder Lichtsensor aufweist. Der Bewegungssensor
20 ist vorzugsweise als ein Rückkopplungsreduzierer ausgestaltet, welcher im Zuge
der Signalverarbeitung auch akustische Rückkopplungen zwischen dem Hörer 16 und den
Mikrofonen 22 unterdrückt oder reduziert.
[0064] Die Signalverarbeitungseinrichtung 14 ist weiterhin signaltechnisch an einen Transceiver
22 des Hörgeräts 4 geführt. Der Transceiver 22 dient zum Senden und Empfangen von
drahtlosen Signalen mittels der Kommunikationsverbindung 8. Der Transceiver 22 kann
hierbei beispielsweise als eine Induktionsspule ausgeführt sein.
[0065] In dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 ist ein separates, mobiles, elektronisches
Gerät 6 mittels der Kommunikationsverbindung 8 signaltechnisch mit dem Hörgerät 4
gekoppelt. Bei dem schematisch dargestellten Gerät 6 handelt es sich insbesondere
um ein Smartphone. Das Smartphone 6 weist eine berührungssensitive Anzeigeeinheit
(Bildschirm, Display) 24 auf, welche nachfolgend auch als Touch-screen bezeichnet
wird. Das Smartphone 6 weist weiterhin zumindest einen Lautsprecher 26 zum Aussenden
von akustischen Signalen auf.
[0066] Die signaltechnische Kopplung zwischen dem Smartphone 6 und dem Transceiver 22 des
Hörgeräts 4 erfolgt hierbei über einen entsprechenden - nicht näher bezeichneten -
integrierten Transceiver, beispielsweise einer Funk- oder Radioantenne, des Smartphones
6.
[0067] Das Smartphone 6 weist einen integrierten Controller auf, welcher im Wesentlichen
durch einen Mikrocontroller mit einer implementierten Anwendungssoftware gebildet
ist. Die Anwendungssoftware ist vorzugsweise eine Mobile-App beziehungsweise eine
Smartphone-App, die in einem Datenspeicher des Controllers hinterlegt ist. Der Controller
stellt im Betrieb die Anwendungssoftware auf dem Touchscreen 24 dar, wobei die Anwendungssoftware
mittels der berührungssensitiven Oberfläche des Touchscreens 24 durch einen Hörvorrichtungsnutzer
bedienbar ist.
[0068] Das Gerät 6 beziehungsweise dessen Anwendungssoftware weist mehrere integrierte Gerätefunktionen
auf, welche mittels der Kommunikationsverbindung 8 durch eine Tipp-Erkennung 28 des
Hörgeräts 6 auslösbar oder aktivierbar sind.
[0069] Die Tipp-Erkennung 28 ist in dieser Ausführung beispielsweise Teil der Signalverarbeitungseinrichtung
14, welche die Sensorsignale des Bewegungssensors 20 hinsichtlich einer Erkennung
oder Erfassung einer Tipp-Bewegung oder Tipp-Geste des Nutzers verarbeitet und entsprechende
Steuersignale erzeugt, welche über den Transceiver 22 und die Kommunikationsverbindung
8 an das Smartphone 6 zur Auslösung der gewünschten Gerätefunktion übertragen werden.
[0070] Die Tipp-Erkennung 28 weist einen hinterlegten Erkennungsschwellwert auf. Ein Sensorsignal
des Bewegungssensors 20 wird hierbei als Tipp-Bewegung oder Tipp-Geste erkannt, wenn
der Erkennungsschwellwert erreicht oder überschritten wird.
[0071] Nachfolgend ist ein erfindungsgemäßes Benutzerschnittstellenverfahren für die Hörvorrichtung
2 anhand der Figuren 2 und 3 näher erläutert. Die Fig. 3 zeigt hierbei ein Diagramm
für einen beispielhaften Verfahrensablauf mit drei aufeinanderfolgenden Darstellungen.
Entlang der horizontalen Richtung ist eine Zeit t aufgetragen.
[0072] Wenn ein Ereignis 30 des elektronischen Geräts 6 auftritt, welches nicht unmittelbar
auf eine Handlung des Hörgerätenutzers zurückgeht wird in einem Verfahrensschritt
32 das Verfahren gestartet. Im Nachfolgenden ist das Ereignis 30 insbesondere ein
eingehender Telefonanruf.
[0073] In einem Verfahrensschritt 34 wird zunächst von dem Smartphone 6 beziehungsweise
dessen App eine Benachrichtigung 36 für das Ereignis 30 erzeugt. Die Benachrichtigung
36 wird beispielsweise als Icon auf dem Touchscreen 24 angezeigt und/oder akustisch
als ein Benachrichtigungs- oder Klingelton über den Lautsprecher 26 ausgegeben und/oder
haptisch beispielsweise mittels eines Vibrationsalarms erzeugt. In dem Verfahrensschritt
34 wird weiterhin geprüft, ob mit dem Ereignis 30 eine durch die Tipp-Erkennung 28
auslösbare Gerätefunktion verknüpft ist. Im vorliegenden Beispiel ist als Gerätefunktion
insbesondere das Annehmen des Telefonanrufs vorgesehen.
[0074] Das Versenden oder Übermitteln der Benachrichtigung 36 erfolgt zu einem ersten Zeitpunkt
T1. Dies kann der Zeitpunkt des Beginns oder des Endes der Benachrichtigung 36 oder
ein beliebiger Zeitpunkt dazwischen sein.
[0075] Im Anschluss an den Verfahrensschritt 34 wird in einem Verfahrensschritt 38 überwacht,
ob innerhalb einer Reaktionszeitdauer RT der Beginn einer Körperbewegung des Nutzers
erfasst wird. Der Beginn einer Körperbewegung beziehungsweise der Beginn einer Annäherung
eines Körperteils 21 an das Hörgerät 4 wird durch einen zweiten Zeitpunkt T2 charakterisiert.
Die Reaktionszeitdauer RT beginnt beispielsweise 100 ms nach dem Zeitpunkt T1, und
endet nach 1000 ms. Mit anderen Worten wird in dem Verfahrensschritt 34 geprüft ob
sich der Zeitpunkt T2 innerhalb der Reaktionszeitdauer RT befindet.
[0076] Bei einem positiven Vergleichsergebnis, bei welchem sich der Zeitpunkt innerhalb
der Reaktionszeitdauer RT befindet, also wenn innerhalb der Reaktionszeitdauer RT
der Beginn einer Körperbewegung erfasst wird, wird in einem Verfahrensschritt 40 der
Erkennungsschwellwert der Tipp-Erkennung für eine Ausführungszeitdauer AT auf einen
reduzierten Wert eingestellt.
[0077] Im Anschluss an den Verfahrensschritt 40 wird in einem Verfahrensschritt 42 überwacht,
ob innerhalb der Ausführungszeitdauer AT eine Tipp-Bewegung oder Tipp-Geste erfasst
wird. Das Erfassen oder Registrieren wird durch einen dritten Zeitpunkt T3 charakterisiert.
Die Ausführungszeitdauer AT beginnt beispielsweise 200 ms nach dem Zeitpunkt T2, und
endet nach 2000 ms. Mit anderen Worten wird in dem Verfahrensschritt 42 geprüft ob
sich der Zeitpunkt T3 innerhalb der Ausführungszeitdauer AT befindet.
[0078] Bei einem negativen Vergleichsergebnis, bei welchem innerhalb der Ausführungszeitdauer
AT keine Tipp-Bewegung von der Tipp-Erkennung 28 erkannt wird, wird in einem Verfahrensschritt
44 der Erkennungsschwellwert auf den Ausgangswert zurückgesetzt oder angehoben.
[0079] Bei einem positiven Vergleichsergebnis, bei welchem der Zeitpunkt T3 innerhalb der
Ausführungszeitdauer AT stattfindet, wird in einem Verfahrensschritt 46 die zugeordnete
Gerätefunktion (Anruf annehmen) ausgelöst oder aktiviert. Anschließend wird in einem
Verfahrensschritt 48 der Erkennungsschwellwert auf den Ausgangswert zurückgesetzt
oder angehoben.
[0080] Das Verfahrensschritte 32, 34 und 46 werden hierbei insbesondere vom Smartphone 6
beziehungsweise der App durchgeführt, wobei die Verfahrensschritte 38, 40, 42, 44,
und 48 insbesondere von einem nicht näher bezeichneten Controller des Hörgeräts 4
durchgeführt werden. Der Controller ist hierbei beispielsweise Teil der Signalverarbeitungseinrichtung
14.
[0081] Die beanspruchte Erfindung ist nicht auf die vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispiele
beschränkt. Vielmehr können auch andere Varianten der Erfindung von dem Fachmann hieraus
im Rahmen der offenbarten Ansprüche abgeleitet werden, ohne den Gegenstand der beanspruchten
Erfindung zu verlassen. Insbesondere sind ferner alle im Zusammenhang mit den verschiedenen
Ausführungsbeispielen beschriebenen Einzelmerkmale im Rahmen der offenbarten Ansprüche
auch auf andere Weise kombinierbar, ohne den Gegenstand der beanspruchten Erfindung
zu verlassen.
[0082] So ist es beispielsweise denkbar mittels einer Fallunterscheidung zwischen mehreren
unterschiedlichen Erkennungsschwellwerten situationsbedingt umzuschalten, um die Wahrscheinlichkeit
für falsch-positive oder falsch-negative Tipp-Erkennungen zu minimieren. Beispielsweise
sind drei unterschiedliche Erkennungsschwellwerte (niedrig, mittel, hoch) definiert.
[0083] Wenn innerhalb der Reaktionszeitdauer RT eine Körperbewegung des Hörgerätenutzers
erfasst wird, wird verfahrensgemäß der niedrige Erkennungsschwellwert eingestellt.
[0084] Der mittlere Erkennungsschwellwert wird beispielsweise eingestellt, wenn eine Körperbewegung
zu einem Zeitpunkt vor der Reaktionszeitdauer RT erfasst wird und/oder wenn eine Berührung
des Hörgerätegehäuses zu einem Zeitpunkt vor der Ausführungszeitdauer AT erfasst wird.
Mit anderen Worten wird die Empfindlichkeitsschwelle der Funktionsaktivierung auf
den mittleren Wert gesetzt, wenn der zweite Zeitpunkt T2 im Vergleich zum ersten Zeitpunkt
T1 früher als 100 ms erfasst, und/oder wenn der dritte Zeitpunkt T3 im Vergleich zum
zweiten Zeitpunkt T2 früher als 200 ms erfasst wird.
[0085] Der hohe Erkennungsschwellwert wird vorzugsweise dann eingestellt, wenn eine Körperbewegung
vor dem Übermitteln der Benachrichtigung 36 und/oder eine Berührung des Gerätegehäuses
10 vor der Erfassung einer Körperbewegung erfasst wird. Mit anderen Worten wird die
Empfindlichkeitsschwelle der Funktionsaktivierung wird auf den höchsten Wert gesetzt,
wenn der zweite Zeitpunkt T2 vor dem ersten Zeitpunkt T1 liegt und/oder wenn der dritte
Zeitpunkt T3 vor dem zweiten Zeitpunkt T2 liegt.
Bezugszeichenliste
[0086]
- 2
- Hörvorrichtung
- 4
- Hörgerät
- 6
- Gerät/Smartphone
- 8
- Kommunikationsverbindung
- 10
- Hörgerätegehäuse
- 12
- Mikrofon
- 14
- Signalverarbeitungseinrichtung
- 16
- Hörer
- 18
- Batterie
- 20
- Bewegungssensor
- 21
- Körperteil
- 22
- Transceiver
- 24
- Anzeigeeinheit
- 26
- Lautsprecher
- 28
- Tipp-Erkennung
- 30
- Ereignis
- 32
- Verfahrensschritt
- 34
- Verfahrensschritt
- 36
- Benachrichtigung
- 38
- Verfahrensschritt
- 40
- Verfahrensschritt
- 42
- Verfahrensschritt
- 44
- Verfahrensschritt
- t
- Zeit
- T1, T2, T3
- Zeitpunkt
- RT
- Reaktionszeitdauer
- AT
- Ausführungszeitdauer
1. Verfahren zum Betreiben einer Hörvorrichtung (2), aufweisend ein Hörgerät (4) und
ein damit signaltechnisch gekoppeltes elektronisches Gerät (6),
- wobei das Hörgerät (4) eine Tipp-Erkennung (28) zur Detektion einer Tipp-Bewegung
eines Hörgerätenutzers an einem Hörgerätegehäuse (10) aufweist,
- wobei die Tipp-Erkennung (28) einen hinterlegten Erkennungsschwellwert aufweist,
und eine Berührung des Hörgerätegehäuses (10) als Tipp-Bewegung erkannt wird, wenn
der Erkennungsschwellwert erreicht oder überschritten wird,
- wobei das elektronische Gerät (6) eine Anzahl von unterschiedlichen Gerätefunktionen
aufweist, welche durch die Tipp-Erkennung (28) auslösbar sind,
- wobei, wenn ein Ereignis (30) des elektronischen Geräts (6) auftritt, welches nicht
unmittelbar auf eine Handlung des Hörgerätenutzers zurückgeht:
a) eine Benachrichtigung (36) über das Ereignis von dem elektronischen Gerät (6) an
den Hörgerätenutzer übermittelt wird, und
b) der Erkennungsschwellwert reduziert wird, wenn innerhalb einer hinterlegten Reaktionszeitdauer
(RT) seit der Benachrichtigung (36) eine Körperbewegung des Hörgerätenutzers erfasst
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass Erkennungsschwellwert für eine Ausführungszeitdauer (AT) reduziert wird, wenn innerhalb
der Reaktionszeitdauer (RT) eine Körperbewegung des Hörgerätenutzers erfasst wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass als Reaktionszeitdauer (RT) eine Zeitdauer zwischen 100 ms bis 1000 ms verwendet
wird.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3,
dadurch gekennzeichnet,
dass als Ausführungszeitdauer (AT) eine Zeitdauer zwischen 200 ms bis 2000 ms verwendet
wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
dass für die Tipp-Erkennung (28) ein hoher Erkennungsschwellwert, ein mittlerer Erkennungsschwellwert,
und ein niedriger Erkennungsschwellwert hinterlegt sind, wobei der niedrige Erkennungsschwellwert
eingestellt wird, wenn innerhalb der Reaktionszeitdauer (RT) eine Körperbewegung des
Hörgerätenutzers erfasst wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
dass der hohe Erkennungsschwellwert eingestellt wird, wenn eine Körperbewegung vor dem
Übermitteln der Benachrichtigung (36) erfasst wird, und/oder wenn eine Berührung des
Hörgerätegehäuses (10) vor der Erfassung einer Körperbewegung erfolgt.
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6,
dadurch gekennzeichnet,
dass der mittlere Erkennungsschwellwerteingestellt wird, wenn eine Körperbewegung in einer
Zeitdauer vor der Reaktionszeitdauer (RT) erfasst wird und/oder wenn eine Berührung
des Hörgerätegehäuses (10) vor der Ausführungszeitdauer (AT) erfasst wird.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Körperbewegung mit einem Rückkopplungsreduzierer des Hörgeräts (4) erfasst wird.
9. Hörvorrichtung (2), aufweisend ein Hörgerät (4) und ein damit signaltechnisch gekoppeltes
elektronisches Gerät (6),
- wobei das Hörgerät eine Tipp-Erkennung (28) zur Detektion einer Tipp-Bewegung eines
Hörgerätenutzers an einem Hörgerätegehäuse (10), und einen Bewegungssensor (20) zur
Erfassung einer Körperbewegung des Hörgerätenutzers aufweist,
- wobei das elektronische Gerät (6) eine Anzahl von unterschiedlichen Gerätefunktionen
aufweist, welche durch die Tipp-Erkennung (28) auslösbar sind, und
- wobei das Hörgerät (4) einen Controller zur Durchführung eines Verfahrens nach einem
der Ansprüche 1 bis 8 aufweist.
10. Hörvorrichtung (2) nach Anspruch 9,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Bewegungssensor (20) ein Rückkopplungsreduzierer ist.