(19)
(11) EP 4 428 853 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
11.09.2024  Patentblatt  2024/37

(21) Anmeldenummer: 24161464.3

(22) Anmeldetag:  05.03.2024
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
G10K 15/08(2006.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
G10K 15/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC ME MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA
Benannte Validierungsstaaten:
GE KH MA MD TN

(30) Priorität: 07.03.2023 DE 102023105669

(71) Anmelder: Kessler, Ralf
22305 Hamburg (DE)

(72) Erfinder:
  • Kessler, Ralf
    22305 Hamburg (DE)
  • Muijs, Thijs
    22305 Hamburg (DE)
  • van Nie, Antal
    22305 Hamburg (DE)

(74) Vertreter: RGTH 
Patentanwälte PartGmbB Neuer Wall 10
20354 Hamburg
20354 Hamburg (DE)

   


(54) VORRICHTUNG ZUR AKUSTISCHEN MODIFIKATION EINER INNENAKUSTIK MIT INTEGRIERTEM SCHALLABSORPTIONSELEMENT UND SCHALLERFASSUNGSMITTEL


(57) Um eine Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik, wobei die Vorrichtung mindestens ein Schallabsorptionselement sowie mindestens ein Schallerfassungsmittel aufweist, möglichst flexibel einsetzbar auszugestalten, weist die Vorrichtung ferner mindestens einen Lautsprecher zur Ausgabe von zusätzlichen und/oder simulierten Raumreflektionen auf.




Beschreibung

Technisches Gebiet



[0001] Die Erfindung betriff eine Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik, wobei die Vorrichtung mindestens ein Schallabsorptionselement aufweist.

[0002] Des Weiteren betrifft die Erfindung ein System zur Erstellung einer virtuellen Umgebung mit einer Akustiksimulation und/oder Umgebungsgeräuschsimulation.

[0003] Ferner betrifft die Erfindung eine Bedieneinheit zur Bedienung einer Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik und ein Verfahren zur Herstellung einer virtuellen Akustikumgebung.

Stand der Technik



[0004] Die Erfindung betrifft im Wesentlichen eine Vorrichtung beziehungsweise ein System für die akustische Verbesserung. In Fachbereichen wird dies auch mit "Acoustic Enhancement Systems" bezeichnet. Darunter ist eine subtile Art von Beschallungssystem zu verstehen, mit dem direkter, reflektierter oder nachhallender Schall verstärkt wird.

[0005] Während Schallverstärkungssysteme normalerweise verwendet werden, um den Schallpegel der Schallquelle zu erhöhen, werden akustische Verstärkungssysteme typischerweise verwendet, um die akustische Energie am Veranstaltungsort zu erhöhen, und zwar in einer Art und Weise, die vom Publikum nicht bemerkt wird. Die korrekt installierten Systeme reproduzieren die gewünschte Akustik von frühen Reflektionen und Nachhall aus einem Raum, der für akustische Musik geeignet ist.

[0006] Ein zusätzlicher Vorteil dieser Systeme besteht darin, dass die Raumakustik geändert oder an die Art der Leistung angepasst werden kann. Die Verwendung von "Acoustic Enhancement" als elektronische Architektur bietet eine gute Lösung für Mehrzweckveranstaltungsräume, die für verstärkte Musik "tot" sein müssen und gelegentlich für akustische Darbietungen verwendet werden. Diese Systeme werden häufig mit akustischen Schallquellen wie einem Kammerorchester, einem Symphonieorchester oder einer Oper in Verbindung gebracht, haben jedoch auch Akzeptanz in einer Vielzahl von Anwendungen und Veranstaltungsorten gefunden, darunter Proberäume, Aufnahmeeinrichtungen, Konferenzräume, Klangbühnen, Sportarenen und Veranstaltungsorte im Freien.

[0007] In der Patentliteratur beschäftigen sich beispielsweise die EP 2 952 012 A1, DE 20 2013 104 545 U1 und EP 2 232 891 A1 mit Bauteilen zur Erzeugung einer virtuellen akustischen Umgebung.

[0008] Die DE 101 18 187 A1 beschreibt eine Vorrichtung zum Gestalten der Akustik eines Raumes. Die darin beschriebene Vorrichtung weist ein akustisch passives sowie ein akustisch aktives Bauteil in Form eines integrierten Lautsprechers auf. Der Lautsprecher ist als Flächenlautsprecher ausgebildet. Ein elektroakustischer Übertrager ist mit einem Tongenerator gekoppelt, welcher neben einem Signalempfänger eine Signalwandlereinheit in Form eines digitalen Signalprozessors aufweist. Jeweils auf den Anwendungsfall bezogen, das heißt in unterschiedlicher Weise programmiert, bildet der Signalprozessor das variabel einstellbare, steuernde Element der akustischen Einrichtung.

Darstellung der Erfindung: Aufgabe, Lösung, Vorteile



[0009] Aktive Verbesserungssysteme für Raumakustik finden bisher nur in repräsentativen, musikalischen Aufführungssälen, zum Beispiel Konzerthallen, Einsatz. Dabei ergeben sich aus der elektroakustischen Praxis oft folgende Probleme:
  • Die bekannten Systeme sind technisch komplex und aufwendig zu installieren. Große Installationsstränge mit Elektronik und eine große Anzahl von Mikrofonen und noch mehr verteilte Lautsprecher an sehr vielen Positionen im Zuschauerraum sind in der Regel erforderlich. Dabei muss oft ein Mindestabstand zwischen den Zuschauern und dem nächstgelegenen Lautsprecher eingehalten werden.
  • Einstellarbeiten für die Justierung sind bei bekannten Systemen sehr aufwendig. Es gibt hierfür nur wenige Experten weltweit. Diese müssen an jedem Installationsort langwierige raumakustische Messungen vornehmen und manuell die Systeme justieren beziehungsweise einstellen und nachbessern. Dabei können sie meist nur wenige Zielakustiken mit dem Kunden gemeinsam erarbeiten, berücksichtigen und abspeichern.
  • Mit den aktuell bekannten Systemen kann man die Nachhallzeit zwar flexibel verlängern, aber nicht verkürzen.


[0010] Aufgrund des hohen Aufwandes, der mit solchen Systemen verbunden ist, wird heute in vielen Aufführungsstätten lieber noch ohne derartige elektroakustische Systeme gearbeitet. Stattdessen wird versucht, die gewünschte akustische Flexibilität mit herkömmlichen mechanischen Mitteln, wie Vorhängen, mechanisch wandelbaren Oberflächen oder mit mechanisch veränderbaren Raumvolumen zu realisieren.

[0011] Des Weiteren sind derartig aufwendig zu installierende Systeme mit hohen Kosten verbunden und die Installation ist zeitaufwendig. Des Weiteren verändern diese Systeme aufgrund ihrer Komplexität die Optik des Veranstaltungsraums, da eine Vielzahl von Lautsprechern aufgestellt werden muss, die aber zu Wartungszwecken zugänglich gemacht werden sollten.

[0012] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik, wobei die Vorrichtung mindestens ein Schallabsorptionselement und mindestens ein Schallerfassungsmittel aufweist, derart auszugestalten, dass die vorgenannten Nachteile ausgeräumt oder zumindest minimiert werden. Ziel ist es, eine Vorrichtung bereitzustellen, welche möglichst flexibel, kostengünstig und wartungsarm eingesetzt werden kann.

[0013] Erfindungsgemäß wird hierfür eine Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik vorgeschlagen, wobei die Vorrichtung mindestens ein Schallabsorptionselement, mindestens ein Schallerfassungsmittel sowie mindestens einen Lautsprecher zur Ausgabe von zusätzlichen und/oder simulierten Raumreflexen aufweist.

[0014] Grundsätzlich könnten die vorgenannten Komponenten der Vorrichtung, nämlich das mindestens eine Schallabsorptionselement, das mindestens eine Schallerfassungsmittel sowie der mindestens eine Lautsprecher in einem einzigen Gehäuse angeordnet oder aber auch als verteilte Komponenten im Raum platziert werden. Im Sinne der vorliegenden Erfindung wird die Vorrichtung mit den vorgenannten Komponenten als architektonisches Bauteil gezeichnet.

[0015] Grundsätzlich könnte ein Krümmungswinkel einer Gehäuseoberfläche oder des mindestens einen Lautsprechers 0° sein. Vorteilhafterweise ist die Oberfläche der Vorrichtung und/oder des mindestens einen Lautsprechers aber zumindest abschnittsweise gekrümmt ausgebildet. Bevorzugterweise liegt der Krümmungswinkel im Bereich zwischen 5° und 90°, besonders bevorzugterweise zwischen 5° und 30°, sowie ganz besonders bevorzugterweise zwischen 10° und 25°.

[0016] Mit der Vorrichtung wird die architektonische Integration erheblich erleichtert und zusätzlich die ursprüngliche Akustik "trockener" gemacht. Im Sinne der vorliegenden Erfindung wird unter akustischer Optimierung verstanden, dass die natürlich vorhandene Akustik des jeweiligen Raumes in beide Richtungen verändert werden kann. Das bedeutet, dass eine Nachhallzeit-Verkürzung als auch eine Nachhallzeit-Verlängerung möglich ist, um flexibel in sehr kurzer Zeit auf unterschiedliche Bedürfnisse zu reagieren. Dies wird erfindungsgemäß durch Absorption und/oder Diffusion erreicht. Hierfür dienen das mindestens eine Schallabsorptionselement sowie die zumindest abschnittsweise gekrümmte Oberfläche. Mit herkömmlichen aus dem Stand der Technik bekannten Systemen kann nur eine Nachhallzeit-Verlängerung erreicht werden.

[0017] Des Weiteren dient die erfindungsgemäße Vorrichtung zur einfachen Erstellung einer virtuellen Umgebung und zur Verbesserung einer Innenakustik, zum Beispiel zur Optimierung der Sprachverständlichkeit in Konferenzräumen, Optimierung musikalischer Übungsräume und so weiter. Mittels einer Akustiksimulation und/oder Umgebungsgeräuschsimulation wird somit eine virtuelle Umgebung erzeugt. Unter zusätzlichen und/oder simulierten Raumreflektionen sind Reflektionen zu verstehen, die nicht sowieso schon durch den Raum gegeben sind.

[0018] Mittels eines Steuercomputers, zum Beispiel einer App auf einem Smartphone oder einem Tablet, kann die akustische Vorlage ausgewählt werden. Akustische Vorlagen können zum Beispiel Konzerthallen, Kirchen und Wälder sein. Mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung wird aber nicht nur die Akustik simuliert, sondern es werden auch typische Umgebungsgeräusche des zu simulierenden Ortes erzeugt.

[0019] Typische Anwendungsbereiche für die erfindungsgemäße Vorrichtung sind zum Beispiel Konzerthallen, Opern, Musiktheater, Kinos, Mehrzweckhallen, musikalische Aufführungsstätten oder auch OpenAir-Veranstaltungen. Ferner kann die erfindungsgemäße Vorrichtung aber auch in Tonstudios, Rundfunkstudios, Übungsräumen für Musiker, Ausbildungsstätten und im Rundfunk eingesetzt werden.

[0020] Auch ist die Vorrichtung für andere Industrien, zum Beispiel die Hörgeräteindustrie einsetzbar. Zum Beispiel können in Hörgeräteläden damit Umgebungssimulatoren bereitgestellt werden. Aber auch im privaten und häuslichen Bereich findet die erfindungsgemäße Vorrichtung Einsatz. Beispielsweise können damit Übungsräume für Musiker zu Hause oder Wohnzimmer und so weiter ausgestattet werden. Auch in Museen, öffentlichen Einrichtungen, im Automobilbereich, der Aeronautik und der Schifffahrt kann die erfindungsgemäße Vorrichtung Einsatz finden.

[0021] Bevorzugterweise weist die Vorrichtung ein Gehäuse auf, wobei das mindestens eine Schallabsorptionselement, das mindestens eine Schallerfassungsmittel und der mindestens eine Lautsprecher in dem Gehäuse angeordnet sind. Somit wird die Vorrichtung bevorzugterweise als ein einziges architektonisches Bauteil mit integrierten Komponenten bereitgestellt, was gleichzeitig den Zweck hat, Schall breitbandig zu absorbieren und damit auch den raumakustischen Parameter, beziehungsweise die frequenzabhängige Nachhallzeit zu verändern.

[0022] Ferner ist bevorzugterweise vorgesehen, dass das Schallabsorptionselement ein mechanisches Schallabsorbermaterial, insbesondere Basotect®, aufweist. Das Schallabsorptionselement ist vorzugsweise plattenförmig beziehungsweise mattenförmig und flexibel ausgebildet. Ferner hat sich gezeigt, dass eine fasrige oder poröse Ausgestaltung des Schallabsorptionselementes besonders gute Ergebnisse liefert. Ein plattenförmig ausgebildetes Schallabsorptionselement kann akustisch breitbandig wirkend eingesetzt werden. Idealerweise wird hierfür eine Kombination von Plattenschwinger (für die Tiefen) mit porösen Absorbern eingesetzt.

[0023] Auch ist vorteilhafterweise vorgesehen, dass der mindestens eine Lautsprecher als elektrostatischer Lautsprecher ausgebildet ist und das Absorptionsmaterial des mindestens einen Schallabsorptionselementes porös ausgebildet und vor dem mindestens einen Lautsprecher angeordnet ist. Die Membran eines elektrostatischen Lautsprechers ist akustisch transparent und in Kombination mit porösem Absorptionsmaterial ist somit eine effektivere Schallabsorption möglich.

[0024] Ferner ist bevorzugterweise vorgesehen, dass das mindestens eine Schallerfassungsmittel ein Mikrofon aufweist oder daraus besteht. Besonders bevorzugterweise sind mehrere, miteinander gekoppelte Schallerfassungsmittel vorgesehen. Beispielsweise könnten die Schallerfassungsmittel der Vorrichtung als Mikrofon-Array, also als eine Art Netzwerk gekoppelter Mikrofone, ausgebildet sein.

[0025] Darüber hinaus ist der mindestens eine Lautsprecher vorzugsweise als omnidirektionaler Lautsprecher ausgebildet. Unter einem omnidirektionalen Lautsprecher versteht man die "Abstrahlung des Schalls in alle Richtungen". Die Verwendung eines omnidirektionalen Lautsprechers hat den Vorteil, dass individuelle Einstellungen oder Anpassungen mit wenig Aufwand verbunden sind, da die Platzierung im Raum weniger kritisch ist. Dies verbessert bzw. vereinfacht die Flexibilität des Gerätes bzw. den Einsatz des Gerätes in unterschiedlichen Umgebungen. Gute Ergebnisse wurden mit gekrümmten Lautsprechergehäusen, vorzugsweise mit kugelförmigen, zylindrischen und polyzylindrischen Formen, erzielt. Besonders bevorzugterweise ist der mindestens eine Lautsprecher mit einem gekrümmten, ganz besonders bevorzugterweise mit einem kugelförmigen, zylindrischen oder polyzylindrischen Lautsprechergehäuse ausgebildet.

[0026] Bevorzugterweise weist die Vorrichtung mehrere miteinander gekoppelte Lautsprecher beziehungsweise ein sogenanntes Lautsprecher-Array auf. Ganz besonders bevorzugterweise finden hier beispielsweise sogenannte Mikro-Elektro-Mechanical-Systeme beziehungsweise die MEMs-Technologie Einsatz. Mit dieser Technologie kann in einer Vorrichtung ein Netzwerk mit einer Vielzahl von miteinander gekoppelten Lautsprechern bereitgestellt werden.

[0027] Besonders bevorzugterweise weist die Vorrichtung mindestens zwei miteinander gekoppelte Lautsprecher und mindestens zwei Aktuatoren auf. Die Aktuatoren können jeweils Bestandteil der Lautsprecher sein oder als separate Bauteile in der Vorrichtung vorgesehen sein.

[0028] Auch ist bevorzugterweise vorgesehen, dass Lautsprecher beidseitig vom Schallabsorptionselement angeordnet sind. Eine symmetrische Anordnung der Lautsprecher innerhalb der Vorrichtung in Bezug auf das Schallabsorptionselement haben in Tests eine besonders gute Wirkung gezeigt. Dabei können die Lautsprecher beispielsweise seitlich vom Schallabsorptionselement, aber auch oberhalb und unterhalb des Schallabsorptionselementes angeordnet sein.

[0029] Des Weiteren ist bevorzugterweise vorgesehen, dass die Schallerfassungsmittel beidseitig vom Schallabsorptionselement angeordnet sind. Wie auch bei den Lautsprechern ist eine symmetrische Anordnung der Schallerfassungsmittel in Bezug auf das Schallabsorptionselement mit einem besonders guten Ergebnis verbunden. Auch die Schallerfassungsmittel können seitlich und/oder unterhalb beziehungsweise oberhalb des Schallabsorptionselementes angeordnet sein.

[0030] Die Außenoberfläche der Vorrichtung kann mit einem transparenten Stoff bezogen sein. Beispielsweise kann dadurch eine weiße Projektionsfläche hergestellt werden. Auch der Bezug mit einer "elektronischen Tapete", das heißt einem extrem dünnen, akustisch transparentem Stoff ist möglich. Ferner könnte der Bezug bedruckbar ausgebildet sein.

[0031] Erfindungsgemäß ist ferner ein System zur Erstellung einer virtuellen Umgebung mit einer Akustiksimulation und/oder Umgebungsgeräuschsimulation vorgesehen, wobei das System mehrere der vorbeschriebenen Vorrichtungen aufweist. Somit besteht das System aus mehreren miteinander vernetzten Vorrichtungen, wodurch eine immersive Anlage beziehungsweise ein immersives System entsteht, welches dekorrelierte Raumreflektionen von allen begrenzenden Oberflächen ermöglicht.

[0032] Auch ist erfindungsgemäß eine Bedieneinheit zur Bedienung einer vorbeschriebenen Vorrichtung und/oder zur Bedienung eines vorbeschriebenen Systems mit vernetzten Vorrichtungen vorgesehen, wobei die Bedieneinheit eine grafische Benutzeroberfläche und/oder eine zwei-dimensionale Eingabeeinheit aufweist. Die Bedieneinheit ist dabei derart ausgebildet, dass über die grafische Benutzeroberfläche und/oder die zwei-dimensionale Eingabeeinheit drei Parameter mittels eines stiftförmigen Eingabegerätes oder einer Maus gesteuert werden können. Das stiftförmige Eingabegerät kann zum Beispiel ein Finger, ein Bedienstift oder ähnliches sein.

[0033] Die Bedieneinheit dient zur Bedienung der Vorrichtung beziehungsweise des Systems, sowie auch zur Auswahl der akustischen Vorlage. Dabei kann auf eine Vielzahl von vorgegebenen akustischen Vorlagen zurückgegriffen werden. Beispielsweise können verschiedene Zielakustiken, wie berühmte Kirchen oder internationale Konzerthallen mit herausragenden Akustiken als Vorlage abgespeichert und später abgerufen werden. Über die drei Parameter kann die akustische Raumtemperatur je nach Wohlbefinden eingestellt und in feinsten Schritten angepasst werden. Bevorzugterweise ist die grafische Eingabe der drei Parameter über ein einem Wankelmotor ähnlichen Dreiecks möglich.

[0034] Die Bedieneinheit kann an jeder geeigneten Stelle im Raum angeordnet sein.

[0035] Jede Bedieneinheit kann bei einem vernetzten System von vorbeschriebenen Vorrichtungen den kompletten Verbund der miteinander gekoppelten Vorrichtungen steuern. Optional kann auch ein zentraler Rechner die Signalverarbeitung und Bedienung übernehmen.

[0036] Des Weiteren ist erfindungsgemäß ein Verfahren zur Erstellung einer virtuellen Akustikumgebung mittels einer vorbeschriebenen Vorrichtung und/oder eines vorbeschriebenen Systems mit miteinander vernetzten Vorrichtungen vorgesehen. Dabei werden in die Vorrichtung oder in die miteinander vernetzten Vorrichtungen des Systems Akustikeigenschaften eines zu simulierenden Raumes eingespeist. Dies wird im Sinne der vorliegenden Erfindung als Raumsimulation verstanden.

[0037] Des Weiteren ist bevorzugterweise vorgesehen, dass die Akustikeigenschaften durch Vermessung des zu simulierenden Raumes erzeugt werden.

[0038] Um besonders natürlich klingende Zielakustiken zu erzeugen, bieten sich grundsätzlich zwei unterschiedliche digitale Methoden an, worüber Nachhall künstlich erzeugt werden kann.

[0039] Zum einen kann hierfür auf algorithmische Methoden (IIR) zurückgegriffen werden, wodurch ein rückgekoppeltes Netzwerk von Delays, Alpässen, Gewichtungen und Mixern erzeugt wird.

[0040] Ferner kann auf faltungsbasierte Methoden (FIR) ohne Rückkopplung zurückgegriffen werden. Jede Akustik, zum Beispiel von gut klingenden Kirchen oder Konzerthallen, kann mehrkanalig vermessen und in sehr hoher Natürlichkeit reproduziert werden. Ein derartiger akustischer "Fingerabdruck" kann später mit dem aus der Signaltheorie bekannten mathematischen Verfahren der Faltung auf ein beliebiges Signal aufgeprägt werden. Realisiert wird dies entweder in der Zeitebene oder - rechenfreundlicher - durch eine Transformation in die Frequenzebene.

[0041] Beide Methoden, algorithmisch basierte Methoden sowie faltungsbasierte Methoden, sind in der allgemeinen Signalverarbeitung sowie in der Signalverarbeitung von akustischen Signalen bekannt.

[0042] Gemäß der vorliegenden Erfindung ist nun aber vorteilhafterweise vorgesehen, dass beide Methoden (IIR und FIR) miteinander kombiniert werden, um erstens die Nachteile jedes einzelnen Verfahrens auszumerzen und zweitens noch ein höheres Maß an Natürlichkeit bei erträglichem beziehungsweise akzeptablem Rechenaufwand zu erhalten. In subjektiven Hörtests mit professionellen Hörern haben die Testpersonen diesem Verfahren eine außerordentliche Authentizität und Plausibilität bescheinigt.

[0043] Um die Anzahl von Mikrofonen bei der Aufnahme von Akustikeigenschaften zu reduzieren ist vorteilhafterweise vorgesehen, dass in einem ersten Schritt das Testsignal mit Mikrofonen auf einer Ebene aufgenommen wird. Im nächsten Schritt werden die Mikrofone anderweitig aufgestellt, beispielsweise höhenversetzt, und anschließend das Testsignal nochmals aufgenommen. Somit erhält man die doppelte Anzahl an Kanälen und kann aus einem zweidimensionalen Fingerabdruck einen echten dreidimensionalen Fingerabdruck für moderne invasive Tonformate wie zum Beispiel Dolby Atmos oder Auro-3D® erzeugen.

[0044] Für die Nachbearbeitung ist vorteilhafterweise vorgesehen, mittels folgender Methoden und/oder Kombinationen der Methoden den Signal-Rauschabstand sowie sonstige wahrnehmbare Gütefaktoren in der Signalstruktur zu verbessern:
  • vorderer und hinterer Teil des Signals zuschneiden
  • Separieren des Direktschalls
  • Separieren eines Early-Reflektion-Musters
  • Equalisieren (Ziel: Plausibilität, Wohlklang, Referenzbibliothek)
  • dynamisch bearbeiten (Kompressoren, Expander, sowie optional verschiedene Bearbeitungen für verschiedene Frequenzbänder)
  • Entrauschen (frequenzselektive "Fingerprint" Methode)
  • am Ende der Impulsantwort blenden oder verlängern mit sorgfältig angepasstem algorithmischen Hall
  • am Ende der Impulsantwort dynamisch einen Tiefpass-Filter anwenden, welches dem Hall-Charakter des ersten Teils der Impulsantwort entspricht.


[0045] Insbesondere für das optionale Separieren eines Early-Reflektion-Musters können vorteilhafterweise die signifikanten lokalen Maxima innerhalb der ersten 50 bis 150 Millisekunden einzeln aus dem Signal herausgestanzt und nachmodelliert werden. In einem nächsten Schritt können sie dann in einer separaten ER-Simulations-Maschine mit gefilterten Einzeldelays jeweils mit eigenen Parametern gain und delay nachgebaut werden. Ziel ist es hier, das gesamte, natürliche Early-Reflektion-Muster später stufenlos herauszurechnen und damit eine sehr natürlich Simulation einer Distanz zu ermöglichen.

[0046] Vorteilhafterweise kann das vorbeschriebene Verfahren für mehrkanalige Impulsantworten angewandt werden. Die Zahl der Kanäle ergibt sich aus dem Produkt M x n. M ist das Produkt aus Lautsprecher-Sourcepositionen x Anzahl der Richtungen. n ist die Zahl der Messmikrofone, die jeweils an akustisch wohl selektierten Stellen platziert werden. Das Mikrofonarray soll das Ziel der später gehörten Lautsprecheranordnung reflektieren. Um andere mehrkanalige Abhörformate abzubilden, werden Methoden des Up- oder Downmixes in einer Simulationsengine angewandt.

[0047] Um den Parameter einer Reflektions-Dichte (Density) natürlich zu simulieren, wird die Methode des Assoziativgesetzes herangezogen. Mindestens zwei separierte Messungen mit unterschiedlich gerichteten, optional sogar unterschiedlich positionierten Lautsprechern werden variabel zusammengemischt, um unterschiedliche Dichten zu erhalten.

[0048] Mit der gleichen Methode kann man auch den ersten Teil und den letzten Teil des akustischen Fingerabdrucks (der sogenannten Raumimpulsantwort) völlig unterschiedlich herausarbeiten, indem man zum Beispiel mit einem eng zusammenstehenden Mehrkanalmikrofonarray beginnt und dann langsam in ein anderes RIR überblendet, welche mit einem weit auseinander stehendem Array hergestellt wurde.

[0049] Dabei ist es möglich, nicht nur zwei Mikrofonanordnung ineinander überzublenden, sondern einzelne Selektionen der RIR algorithmisch zu generieren und einen weiteren Teil messtechnisch zu erzeugen.

[0050] Zusätzlich zu den vorbeschriebenen synthetischen Methoden können auch komplexe mathematische Simulations- und Prognosesoftwaremethoden, wie zum Beispiel CATT, Odeon, EASE oder Treble verwendet werden, um eine akustische Prognose von Bauwerken zu erhalten, die es noch gar nicht gibt. Ferner können die vorbeschriebenen synthetischen Methoden mit Feedback-Delay-Networks (FDN) kombiniert werden.

[0051] Vorteilhafterweise kann zusätzlich zu der Erzeugung von künstlichen RaumReflektionen eine mehrkanalige Zuspielung von wählbaren natürlichen Umgebungsgeräuschen, wie zum Beispiel Meereswellen, Waldrauschen, braunem Rauschen oder Raumrauschen vorgenommen werden. Damit kann einerseits echter Umgebungslärm oder es können Nachteile der künstlichen Hallerzeugung maskiert werden. Des Weiteren können die gewollten Geräusche den Holographie-Effekt durch eine komplette akustische Umgebungssimulation steigern.

Kurze Beschreibung der Zeichnungen



[0052] Die Erfindung wird nun in Bezug auf begleitende Zeichnungen beispielhaft erläutert.

[0053] Es zeigen schematisch:

Figur 1: eine Schnittdarstellung durch eine Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik,

Figur 2: eine Schnittdarstellung durch eine weitere Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik,

Figur 3: eine Schnittdarstellung durch eine weitere Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik, und

Figur 4: ein System mit mehreren miteinander vernetzten Vorrichtungen zur akustischen Modifikation einer Innenakustik und einer Bedieneinheit.


Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung



[0054] In den Figuren 1 bis 3 ist rein schematisch zur prinzipiellen Veranschaulichung jeweils eine Schnittdarstellung durch eine Vorrichtung 100 zur akustischen Modifikation einer Innenakustik dargestellt. Die Anordnungen der einzelnen Komponenten in den Vorrichtungen 100 können genauso von den dargestellten Abbildungen abweichen, wie die gesamte Formgebung beziehungsweise Ausgestaltung der Vorrichtung 100.

[0055] Figur 1 zeigt schematisch eine Schnittdarstellung durch eine Vorrichtung 100 zur akustischen Modifikation einer Innenakustik. Die Vorrichtung 100 weist ein Schallabsorptionselement 10, ein Schallerfassungsmittel 11 sowie einen Lautsprecher 12 auf. Alle drei Komponenten sind in einem Gehäuse 13 angeordnet.

[0056] Figur 2 zeigt eine schematische Schnittdarstellung durch eine ähnliche Vorrichtung 100. Bei der in Figur 2 beispielhaft dargestellten Vorrichtung 100 sind mehrere Schallerfassungsmittel 11 und mehrere Lautsprecher 12 beidseitig vom Schallabsorptionselement 10 angeordnet. Somit sind sowohl die Schallerfassungsmittel 11 sowie auch die Lautsprecher 12 symmetrisch in Bezug auf das Schallabsorptionselement 10 innerhalb der Vorrichtung 100 beziehungsweise des Gehäuses 13 der Vorrichtung 100 angeordnet. Ferner sind die Schallerfassungsmittel 11 jeweils als Mikrofon-Array und die Lautsprecher 12 jeweils als Lautsprecher-Array in der Vorrichtung 100 vorgesehen.

[0057] Bei dem in Figur 3 dargestellten Beispiel einer Vorrichtung 100 zur akustischen Modifikation einer Innenakustik ist der Lautsprecher 12 als Kugellautsprecher ausgebildet und das Schallabsorptionselement 10 flächig über dem Lautsprecher 12 angeordnet.

[0058] In Figur 4 ist beispielhaft ein vernetztes System 200 von miteinander gekoppelten Vorrichtungen 100 zur akustischen Modifikation einer Innenakustik gezeigt. Zur Bedienung dieses Systems 200 beziehungsweise der einzelnen Vorrichtungen 100 dient eine Bedieneinheit 300 mit einem grafischen Display. Über die Bedieneinheit 300 können vorgegebene Raumakustiken ausgewählt werden und es kann das vernetzte System 200 bedient und angesteuert werden.

Bezugszeichenliste



[0059] 
100
Vorrichtung zur akustischen Modifikation einer Innenakustik
10
Schallabsorptionselement
11
Schallerfassungsmittel
12
Lautsprecher
13
Gehäuse
200
System zur Erstellung einer virtuellen Umgebung
300
Bedieneinheit



Ansprüche

1. Vorrichtung (100) zur akustischen Modifikation einer Innenakustik, wobei die Vorrichtung mindestens ein Schallabsorptionselement (10) sowie mindestens ein Schallerfassungsmittel (11) aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung (100) ferner mindestens einen Lautsprecher (12) zur Ausgabe von zusätzlichen und/oder simulierten Raumreflexionen aufweist.
 
2. Vorrichtung (100) gemäß Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung (100) und/oder der Lautsprecher (12) zumindest abschnittsweise eine gekrümmte Oberfläche aufweist.
 
3. Vorrichtung (100) gemäß Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung (100) ein Gehäuse (13) aufweist, wobei das mindestens eine Schallabsorptionselement (10), das mindestens eine Schallerfassungsmittel (11) und der mindestens eine Lautsprecher (12) in dem Gehäuse (13) angeordnet sind.
 
4. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche ,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Schallabsorptionselement (10) ein mechanisches Schallabsorbermaterial, insbesondere Basotect®, aufweist oder daraus besteht.
 
5. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass das mindestens eine Schallerfassungsmittel (11) ein Mikrofon aufweist oder daraus besteht.
 
6. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung (100) mehrere miteinander gekoppelte Schallerfassungsmittel (11) aufweist.
 
7. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass der mindestens eine Lautsprecher (12) als elektrostatischer Lautsprecher ausgebildet ist.
 
8. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass der mindestens eine Lautsprecher (12) als omnidirektionaler Lautsprecher, vorzugsweise als gekrümmter Lautsprecher, besonders bevorzugterweise als Kugellautsprecher, als zylindrischer Lautsprecher oder als polyzylindrischer Lautsprecher ausgebildet ist.
 
9. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung (100) mehrere miteinander gekoppelte Lautsprecher (12) aufweist.
 
10. Vorrichtung (100) gemäß Anspruch 9,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Lautsprecher (12) beidseitig vom Schallabsorptionselement (10) angeordnet sind.
 
11. Vorrichtung (100) gemäß einem der Ansprüche 5 bis 10,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Schallerfassungsmittel (11) beidseitig vom Schallabsorptionselement (10) angeordnet sind.
 
12. Vorrichtung (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine Außenoberfläche der Vorrichtung (100) mit einem akustisch transparenten Stoff bezogen ist.
 
13. System (200) zur Erstellung einer virtuellen Umgebung mit einer Akustiksimulation und/oder Umgebungsgeräuschsimulation,
dadurch gekennzeichnet,
dass das System (200) mehrere miteinander vernetzte Vorrichtungen (100) gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche aufweist.
 
14. Bedieneinheit (300) zur Bedienung einer Vorrichtung (100) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 12 und/oder zur Bedienung eines Systems (200) gemäß Anspruch 13, wobei die Bedieneinheit (300) eine grafische Benutzeroberfläche und/oder eine zwei-dimensionale Eingabeeinheit aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Bedieneinheit (300) derart ausgebildet ist, dass über die grafische Benutzeroberfläche und/oder die zwei-dimensionale Eingabeeinheit drei Parameter mittels eines stiftförmigen Eingabegerätes oder einer Maus gesteuert werden können.
 
15. Verfahren zur Erstellung einer virtuellen Akustikumgebung mittels einer Vorrichtung (100) nach einem der Ansprüche 1 bis 12 und/oder einem System (200) nach Anspruch 13,
dadurch gekennzeichnet,
dass in die Vorrichtung (100) oder in die miteinander vernetzten Vorrichtungen (100) des Systems (200) Akustikeigenschaften eines zu simulierenden Raumes eingespeist werden.
 
16. Verfahren gemäß Anspruch 15,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Akustikeigenschaften durch Vermessung des zu simulierenden Raumes erzeugt werden.
 
17. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 15 oder 16,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Verfahren auf einem elektronischen Gerät, insbesondere einem Computer, einem Tablet oder einem Smartphone ausgeführt wird.
 




Zeichnung










Recherchenbericht












Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente