[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft und eine
Luftzerlegungsanlage gemäß den jeweiligen Oberbegriffen der unabhängigen Patentansprüche.
Hintergrund der Erfindung
[0002] Die Herstellung von Luftprodukten in flüssigem oder gasförmigem Zustand durch Tieftemperaturzerlegung
von Luft in Luftzerlegungsanlagen ist bekannt und beispielsweise bei
H.-W. Häring (Hrsg.), Industrial Gases Processing, Wiley-VCH, 2006, insbesondere Abschnitt 2.2.5, "Cryogenic Rectification", beschrieben. Nachfolgend
werden für die in einer Luftzerlegungsanlage eingesetzten Komponenten und Anlagenteile
die aus der Fachliteratur bekannten Bezeichnungen verwendet.
[0003] Aus der
WO 2021/204424 A2 ist ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft bekannt, bei dem Kopfgas der
Niederdruckkolonne im Hauptwärmetauscher erwärmt, verdichtet, wieder abgekühlt, und
nach einer teilweisen oder vollständigen Verflüssigung oder in unverflüssigtem Zustand
teilweise oder vollständig oder in Anteilen in die Druckkolonne und/oder in die Niederdruckkolonne
zurückgeführt wird.
[0004] Ein solches Verfahren hat sich gemäß dieser Druckschrift insbesondere für ein Anforderungsprofil
als vorteilhaft erwiesen, das die Gewinnung von gasförmigem Druckstickstoff auf einem
bestimmten Druckniveau und eine zusätzliche Gewinnung von Argon umfasst. Ein aus der
Druckkolonne und der Niederdruckkolonne gebildetes Doppelkolonnensystem wird dabei
auf einem erhöhten Druckniveau betrieben. Die Niederdruckkolonne ist durch die Verwendung
eines geeigneten Stickstoffabschnitts im oberen Bereich dafür eingerichtet, ein sehr
stickstoffreiches Kopfgas bereitzustellen.
[0005] Es besteht weiterhin der Bedarf nach Verfahren, die es erlauben, die Bereitstellung
von Luftprodukten, insbesondere unter Verwendung von Kopfgas der Niederdruckkolonne
wie soeben erläutert, weiter zu verbessern und effizienter und einfacher zu gestalten.
Offenbarung der Erfindung
[0006] Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Erfindung ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung
von Luft und eine Luftzerlegungsanlage mit den Merkmalen der jeweiligen unabhängigen
Patentansprüche vor. Ausgestaltungen sind jeweils Gegenstand der abhängigen Patentansprüche
und der nachfolgenden Beschreibung.
[0007] Nachfolgend werden zunächst einige bei der Beschreibung der vorliegenden Erfindung
und ihrer Vorteile verwendete Begriffe sowie der zugrunde liegende technische Hintergrund
näher erläutert.
[0008] Eine "Entspannungsturbine" bzw. "Entspannungsmaschine", die über eine gemeinsame
Welle mit weiteren Entspannungsturbinen oder Energiewandlern wie Ölbremsen, Generatoren
oder Verdichtern gekoppelt sein kann, ist zur Entspannung eines gasförmigen oder zumindest
teilweise flüssigen Stroms eingerichtet. Insbesondere können Entspannungsturbinen
zum Einsatz in der vorliegenden Erfindung als Turboexpander ausgebildet sein. Wird
ein Verdichter mit einer oder mehreren Entspannungsturbinen angetrieben, jedoch ohne
extern, beispielsweise mittels eines Elektromotors, zugeführte Energie, wird der Begriff
"turbinengetriebener" Verdichter oder alternativ "Booster" verwendet. Anordnungen
aus turbinengetriebenen Verdichtern und Entspannungsturbinen werden auch als "Boosterturbinen"
oder alternativ als "Turbinenbooster" bezeichnet. Ist nachfolgend davon die Rede,
dass eine Entspannung in einer Boosterturbine erfolgt, soll damit der Turbinenteil
gemeint sein. Entsprechendes gilt für die Verdichtung, die dann in dem Verdichterteil
der Boosterturbine oder des Turbinenboosters erfolgt.
[0009] Flüssigkeiten und Gase können im hier verwendeten Sprachgebrauch reich oder arm an
einer oder an mehreren Komponenten sein, wobei "reich" für einen Gehalt von wenigstens
50%, 75%, 90%, 95%, 99%, 99,5%, 99,9% oder 99,99% und "arm" für einen Gehalt von höchstens
50%, 25%, 10%, 5%, 1%, 0,1% oder 0,01% auf Mol-, Gewichts- oder Volumenbasis stehen
kann. Der Begriff "überwiegend" kann der Definition von "reich" entsprechen. Flüssigkeiten
und Gase können ferner angereichert oder abgereichert an einer oder mehreren Komponenten
sein, wobei sich diese Begriffe auf einen Gehalt in einer Ausgangsflüssigkeit oder
einem Ausgangsgas beziehen, aus der oder dem die Flüssigkeit oder das Gas gewonnen
wurde. Die Flüssigkeit oder das Gas ist "angereichert", wenn diese oder dieses zumindest
den 1,1-fachen, 1,5-fachen, 2-fachen, 5-fachen, 10-fachen 100-fachen oder 1.000-fachen
Gehalt, und "abgereichert", wenn diese oder dieses höchstens den 0,9-fachen, 0,5-fachen,
0,1-fachen, 0,01-fachen oder 0,001-fachen Gehalt einer entsprechenden Komponente,
bezogen auf die Ausgangsflüssigkeit oder das Ausgangsgas enthält. Ist hier beispielsweise
von "Sauerstoff" oder "Stickstoff" die Rede, sei hierunter auch eine Flüssigkeit oder
ein Gas verstanden, der reich an Sauerstoff oder Stickstoff ist, jedoch nicht notwendigerweise
ausschließlich hieraus bestehen muss.
[0010] Die vorliegende Offenbarung verwendet zur Charakterisierung von Drücken und Temperaturen
die Begriffe "Druckniveau" und "Temperaturniveau", wodurch zum Ausdruck gebracht werden
soll, dass entsprechende Drücke und Temperaturen in einer entsprechenden Anlage nicht
in Form exakter Druck- bzw. Temperaturwerte verwendet werden müssen, um das erfinderische
Konzept zu verwirklichen. Jedoch bewegen sich derartige Drücke und Temperaturen typischerweise
in bestimmten Bereichen, die beispielsweise 1%, 5%,10%, 20% oder sogar 50% um einen
Mittelwert herum liegen. Entsprechende Druckniveaus und Temperaturniveaus können dabei
in disjunkten Bereichen liegen oder in Bereichen, die einander überlappen. Insbesondere
schließen beispielsweise Druckniveaus unvermeidliche oder zu erwartende Druckverluste
ein. Entsprechendes gilt für Temperaturniveaus.
Vorteile der Erfindung
[0011] Lediglich zur Vermeidung von Missverständnissen sei dabei betont, dass dann, wenn
nachfolgend von einem Turbinenkreislaufstrom die Rede ist, ein zur Erzeugung von zusätzlicher
Kälte verwendeter, im Kreislauf geführter Stoffstrom die Rede ist und nicht ein ebenfalls
bekannter bzw. verwendeter Stoffstrom, der in einem Kreislauf geführt und zur Verbesserung
der Rektifikation in der Niederdruckkolonne verwendet wird. Letzterer stellt im hier
verwendeten Sprachgebrauch einen Rektifikationskreislaufstrom dar. Turbinen- und Rektifikationskreislaufstrom
können aber in bestimmten Abschnitten gemeinsam geführt werden. Der Rektifikationskreislaufstrom
wird aber nicht turbinenentspannt, sondern typischerweise nach einer Abkühlung im
Hauptwärmetauscher in die Rektifikationskolonnenanordnung zurückgeführt.
[0012] Der nachfolgend als solcher bezeichnete Turbinenkreislaufstrom muss nicht dem im
Stand der Technik, z.B. der
WO 2021/204424 A2, als Kreislaufstrom bezeichneten Stoffstrom entsprechen. Nachfolgend wird mit dem
Begriff "Turbinenkreislaufstrom" Fluid bezeichnet, das zyklisch warmseitig des Hauptwärmetauschers
verdichtet, ggf. geboostert, abgekühlt, turbinenentspannt, durch einen Unterkühlungsgegenströmer
geführt, im Hauptwärmetauscher erwärmt und danach unter Schließung des Kreislaufs
wieder warmseitig des Hauptwärmetauschers verdichtet wird.
[0013] In herkömmlichen Verfahren der eingangs erläuterten Art ist typischerweise eine teilweise
Verflüssigung des Prozessluftstroms, d.h. zumindest eines Teils der in die Druckkolonne
eingespeisten Luft, auch als "Einsatzluft" bezeichnet, erforderlich, um die Enthalpiebilanz
um das Rektifikationssystem herum zu schließen. Diese teilweise Verflüssigung wird
nachfolgend auch als "Vorverflüssigung" bezeichnet. Der Grund hierfür liegt insbesondere
darin, dass die typischerweise erfolgende Entnahme einer vergleichsweise großen Menge
an flüssigen Produkten aus der Luftzerlegungsanlage zu einem vergleichsweise niedrigen
Enthalpiewert des einströmenden Prozessluftstroms führt. Im Rahmen der vorliegenden
Erfindung wurde nun erkannt, dass diese Vorverflüssigung negative Auswirkungen auf
den Rektifikationsprozess hat und vorteilhafterweise vermieden oder verringert werden
sollte, um den Wirkungsgrad des Luftzerlegungsprozesses zu verbessern. Die negativen
Auswirkungen ergeben sich herkömmlicherweise daraus, dass der verflüssigte Anteil
den Trennnprozess in der Drucksäule umgeht und am Hauptkondensator nicht kondensiert
wird. Die daurch am Hauptkondensator fehlende Leistung muss kompensiert werden.
[0014] Wie nun im Rahmen der vorliegenden Erfindung erkannt wurde, kann dieses Problem durch
eine Führung eines Turbinenkreislaufstroms oder eines Teils hiervon nach dessen Entspannung
durch einen Unterkühlungsgegenströmer, der Teil der Luftzerlegungsanlage ist, und
durch den bestimmte Stoffströme in der nachfolgend erläuterten Weise geführt werden,
addressiert werden. Es erfolgt eine Vereinigung des Turbinenkreislaufstroms stromauf
dieses Unterkühlungsgegenströmers mit Kopfgas der Niederdruckkolonne. Da hierbei ein
Temperaturniveau von ca. 90 K erreicht wird, kann die Enthalpie des Prozessluftstroms
erhöht und die Vorverflüssigung desselben bei ca. 110 K vermieden bzw. signifikant
reduziert werden.
[0015] Die vorliegende Erfindung schlägt dabei ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung
von Luft unter Verwendung einer Luftzerlegungsanlage mit einem Hauptwärmetauscher
und einen Unterkühlungsgegenströmer sowie einem Rektifikationskolonnensystem vor,
das eine erste Rektifikationskolonne, eine zweite Rektifikationskolonne und eine dritte
Rektifikationskolonne aufweist. Die erste und zweite Rektifikationskolonne stellen
dabei insbesondere Rektifikationskolonnen dar, die gemäß einer Druckkolonne und einer
Niederdruckkolonne eines bekannten Doppelkolonnensystems ausgebildet sein können und
grundsätzlich vergleichbar verschaltet sind. Diese werden jedoch auf einem erhöhten
Druckniveau betrieben. Die dritte Rektifikationskolonne ist insbesondere eine Rohargonkolonne
oder eine Einzelkolonne zur Gewinnung eines Argonprodukts, die die Funktionen von
Roh- und Reinargonkolonne teilweise miteinander vereint, indem sie einen zur Abtrennung
von Stickstoff vorgesehenen weiteren Abschnitt aufweist.
[0016] Die im Rahmen der vorliegenden Erfindung vorgesehene erste Rektifikationskolonne
wird auf einem ersten Druckniveau betrieben, die erste Rektifikationskolonne wird
unter Verwendung von in dem Hauptwärmetauscher abgekühlter Druckluft gespeist, und
in der ersten Rektifikationskolonne werden insbesondere eine gegenüber dem ersten
Einsatzstrom an Sauerstoff und Argon angereicherte Sumpfflüssigkeit und ein stickstoffreiches
Kopfgas gebildet. Durch die erfindungsgemäß vorgeschlagenen Maßnahmen kann der erste
Einsatzstrom insbesondere in vollständig oder im Wesentlichen vollständig gasförmigem
Zustand in die erste Rektifikationskolonne eingespeist werden, was daher ein Merkmal
von Ausgestaltungen der Erfindung darstellen kann, wobei ein "im Wesentlichen" vollständig
gasförmiger Zustand einen Gasanteil von mehr als 90%, 95% oder 99% im Stoffmengenanteil
bezeichnen soll.
[0017] Die Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne kann insbesondere einen Gehalt
von 28 bis 38% Sauerstoff sowie Argon und Stickstoff aufweisen. Das Kopfgas der ersten
Rektifikationskolonne kann insbesondere einen Gehalt von 0,1 bis 100 ppb (Milliardstel
Anteile), beispielsweise ca. 10 ppb, Sauerstoff, 1 bis 100 ppm (Millionstel Anteile),
beispielsweise ca. 30 ppm, Argon, und ansonsten im Wesentlichen Stickstoff und ggf.
leichtere Komponenten aufweisen.
[0018] Die zweite Rektifikationskolonne wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung auf einem
zweiten Druckniveau betrieben, und die zweite Rektifikationskolonne wird (zumindest)
unter Verwendung von Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne gespeist. Wie
auch nachfolgend erläutert kann die Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne,
oder ein entsprechender Teil hiervon, dabei insbesondere auch zur Kühlung eines oder
mehrerer Kopfkondensatoren der Argongewinnungskolonne(n), d.h. insbesondere auch der
dritten Rektifikationskolonne, eingesetzt werden, wodurch ggf. verdampfte und unverdampfte
Anteile entstehen, die anschließend als Einsatzstrom oder Einsatzströme in die zweite
Rektifikationskolonne eingespeist werden. In der zweiten Rektifikationskolonne werden
insbesondere eine sauerstoffreiche Sumpfflüssigkeit und ein stickstoffreiches Kopfgas
gebildet.
[0019] Das Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne kann insbesondere mit einem Gehalt
von 1 bis 1000 ppb, beispielsweise ca. 100 ppb, Sauerstoff und 3 bis 300 ppm, beispielsweise
ca. 90 ppm, Argon gebildet werden. In bestimmten Fällen können das Kopfgas der ersten
und der zweiten Rektifikationskolonne auch im Wesentlichen die gleichen Gehalte an
den genannten Komponenten aufweisen.
[0020] Die dritte Rektifikationskolonne wird auf einem dritten Druckniveau betrieben, das
insbesondere geringfügig geringer als das zweite Druckniveau sein kann, und unter
Verwendung von Fluid gespeist, das insbesondere einen höheren Argongehalt als die
zweite Sumpfflüssigkeit und das zweite Kopfgas aufweist und aus der zweiten Rektifikationskolonne,
typischerweise am sogenannten Argonbauch oder darunter, entnommen wird. In der dritten
Rektifikationskolonne wird insbesondere ein gegenüber dem dritten Einsatzstrom an
Argon angereichertes drittes Kopfgas gebildet. Die Speisung muss nicht mit dem Fluid
aus der zweiten Rektifikationskolonne erfolgen, sondern kann auch unter Verwendung
von Fluid erfolgen, das einer weiteren Rektifikationskolonne oder einem anderen Trennapparat
entnommen wird, welche ihrerseits bzw. welcher seinerseits mit dem aus der zweiten
Rektifikationskolonne entnommenen Fluid gespeist wird. Entsprechendes kann insbesondere
dann der Fall sein, wenn in einer Ausgestaltung der Erfindung eine vierte Rektifikationskolonne
zur Gewinnung von Hochreinsauerstoff eingesetzt wird.
[0021] Die erste Rektifikationskolonne kann im Rahmen der vorliegenden Erfindung insbesondere
mit 80 bis 110, beispielsweise 90, theoretischen Böden, die zweite Rektifikationskolonne
mit 90 bis 150, beispielsweise 110, theoretischen Böden und die dritte Rektifikationskolonne
mit 210 bis 320, beispielsweise 250, theoretischen Böden ausgebildet werden.
[0022] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung liegt das erste Druckniveau bei 9 bis 14,5 bar,
beispielsweise ca. 11,6 bar, am Kopf der ersten Rektifikationskolonne und das zweite
Druckniveau bei 2 bis 5 bar, beispielsweise ca. 3,5 bar, am Kopf der zweiten Rektifikationskolonne.
[0023] In dem vorgeschlagenen Verfahren wird Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne mit
einem Turbinenkreislaufstrom vereinigt, der zyklisch und jeweils nacheinander einer
ersten Erwärmung in dem Unterkühlungsgegenströmer, einer zweiten Erwärmung in dem
Hauptwärmetauscher, einer Verdichtung, einer Abkühlung und einer Entspannung unter
Verwendung einer Entspannungsturbine unterworfen wird. Zur Bedeutung des Begriffs
"Turbinenkreislaufstrom" sei auch auf die obigen Erläuterungen verwiesen. Zur Vermeidung
von Missverständnissen sei dabei betont, dass dadurch, dass von einer Vereinigung
von Kopfgas mit einem Turbinenkreislaufstrom die Rede ist, nichts über die Mengenverhältnisse
ausgesagt wird. Mit anderen Worten kann die Menge des mit dem Turbinenkreislaufstrom
vereinigten Kopfgases auch deutlich größer sein als der Turbinenkreislaufstrom an
der Stelle der Vereinigung. Eine Vereinigung von Kopfgas mit dem Turbinenkreislaufstrom
bedeutet, dass Gasmoleküle des Kopfgases Teil des Turbinenkreislaufstroms werden.
[0024] Unter der Angabe "zyklisch und jeweils nacheinander" soll dabei verstanden werden,
dass der Turbinenkreislaufstrom in einem Kreislauf durch die entsprechend verwendeten
Apparate geführt wird und dabei in jedem Zyklus die genannten Bearbeitungsschritte
durchläuft. Ein Kreislaufstrom liegt dabei deshalb vor, weil ein Anteil der individuellen
Gasmoleküle desselben mehrfach den genannten Bearbeitungsschritten unterworfen werden,
wenngleich an bestimmten Stellen dem Turbinenkreislaufstrom Anteile entnommen werden
bzw. weiteres Gas in den Turbinenkreislaufstrom eingespeist wird oder der Turbinenkreislaufstrom
streckenweise zusammen mit anderen Kreislaufströmen geführt wird. Bereits durch die
Bildung des erläuterten Turbinenkreislaufstroms an sich kann die Effizienz des vorgeschlagenen
Luftzerlegungsverfahrens deutlich erhöht werden.
[0025] Ein solches Verfahren wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung dadurch weiter verbessert,
dass das mit dem Turbinenkreislaufstrom vereinigte Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne
teilweise oder vollständig stromab der Entspannung und stromauf der ersten Erwärmung
mit dem Turbinenkreislaufstrom vereinigt wird. Wie erwähnt, erlaubt die vorliegende
Erfindung hierdurch einen Verzicht auf eine Vorverflüssigung der Einsatzluft, die
der ersten Rektifikationskolonne zugeführt wird.
[0026] Das Vereinigen des Kopfgases mit dem Turbinenkreislaufstrom kann auch am Kopf der
zweiten Rektifikationskolonne erfolgen, d.h. innerhalb der zweiten Rektifikationskolonne
und in einem oberen Bereich derselben, wobei der "obere Bereich" insbesondere ein
Bereich oberhalb des obersten Trennabschnitts ist. Dies ist insbesondere für den Fall
vorteilhaft, wenn die zur Entspannung des Turbinenkreislaufstroms verwendete Entspannungsturbine
stark in die Vorverflüssigung entspannt, da in diesem Fall die zweite Rektifikationskolonne
praktisch als Flüssigkeitsabscheider für den Turbinenkreislaufstrom dienen kann. In
einem solchen Fall versteht sich, dass bei der Entspannung gebildete Flüssigkeit dem
Turbinenkreislaufstrom zunächst entzogen wird, indem es in der zweiten Rektifikationskolonne
verbleibt. Der Turbinenkreislaufstrom wird in diesem Fall über den Kopf der zweiten
Rektifikationskolonne geschlossen.
[0027] In Ausgestaltungen der Erfindung kann auch ein Bypass des Turbinenkreislaufstroms
um den Unterkühlungsgegenströmer vorgesehen sein, d.h. das mit dem Turbinenkreislaufstrom
vereinigte Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne kann teilweise oder vollständig
stromab der Entspannung und anschließend jeweils zu insbesondere einstellbaren Anteilen
stromauf und stromab der ersten Erwärmung mit dem Turbinenkreislaufstrom vereinigt
werden.
[0028] Die Vorteile der vorliegenden Erfindung ergeben sich dabei, wie ebenfalls erwähnt,
insbesondere dabei, wenn, wie in Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung der Fall,
der Turbinenkreislaufstrom durch die Abkühlung und die Entspannung auf ein Temperaturniveau
von 80 bis 100 K, insbesondere ca. 90 K, gebracht wird.
[0029] In Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung wird Fluid zusammen mit dem Turbinenkreislaufstrom
geführt, das stromab der zweiten Erwärmung, stromauf und/oder stromab der Verdichtung
und stromauf der Abkühlung in Form eines oder mehrer Teilströme wieder abgezweigt
und aus der Luftzerlegungsanlage ausgeleitet. So können in vorteilhafter Weise Gase
für bestimmte Zwecke bereitgestellt werden, und es kann auch ein Rektifikationskreislaufstrom
gebildet werden, der in das Rektifikationskolonnensystem zurückgeführt wird.
[0030] Insbesondere kann der eine Teilstrom oder kann zumindest einer der mehreren Teilströme
dabei zur Bereitstellung eines gasförmigen, druckbeaufschlagten Luftprodukts mit den
gewünschten Spezifikationen verwendet werden.
[0031] In Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung kann der Turbinenkreislaufstrom stromab
seiner Turbinenentspannung beispielsweise eine bestimmte Menge an Fluid pro Zeiteinheit
umfassen, die hier auch als Turbinenkreislaufstrommenge bezeichnet wird. Das der Niederdruckkolonne
pro Zeiteinheit entnommene Kopfgas, nachfolgend auch als Kopfgasmenge bezeichnet,
kann beim 1,2-Fachen bis 3-Fachen der Turbinenkreislaufstrommege liegen. Wie erwähnt,
kann auch im Rahmen der vorliegenden Erfindung in einem Rektifikationskreislaufstrom
Gas in die Rektifikationskolonnenanordnung zurückgespeist werden, dessen Menge hier
auch als Rektifikationskreislaufstrommenge bezeichnet wird. Diese liegt typischerweise
bei nicht mehr als dem 0,6-Fachen der Turbinenkreislaufstrommenge.
[0032] In dem Unterkühlungsgegenströmer wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung insbesondere
auch ein aus der zweiten Rektifikationskolonne ausgeleitetes Restgas erwärmt und/oder
es werden eine oder mehrere, unter Verwendung von Kopfgas der ersten Rektifikationskolonne
gebildete Flüssigkeiten und/oder Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne
und/oder ein Argonprodukt unterkühlt. Auf diese Weise kann die Wärmebilanz in besonders
vorteilhafter Weise ausgeglichen werden.
[0033] Es kann ferner eine deutliche Reduktion der Kreislaufmenge (aufgrund der erhöhten
Dampfbeladung in der Druckkolonne) erzielt werden. Hierdurch ergeben sich deutliche
Vorteile hinsichtlich des Energieverbrauchs, die beispielsweise bis zu 0,8% der gesamten
Energieaufnahme der Anlage führen können.
[0034] In einer Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung kann die Verdichtung des Turbinenkreislaufstroms
einen ersten Verdichtungsschritt und einen zweiten Verdichtungsschritt umfassen, wobei
der zweite Verdichtungsschritt unter Verwendung eines Boosters durchgeführt der mit
einer zur Durchführung der Entspannung verwendeten Entspannungsturbine mechanisch
gekoppelt ist. Auf diese Weise kann die bei der Entspannung frei werdende mechanische
Energie in besonders vorteilhafter Weise im Zuge der Verdichtung genutzt werden. Der
erste Verdichtungsschritt kann insbesondere unter Verwendung eines ein- oder mehrstufigen
Verdichters beliebiger Art durchgeführt werden.
[0035] In spezifischen Ausgestaltungen kann zwischen dem ersten und dem zweiten Verdichtungsschritt
ein weiterer Verdichtungsschritt zwischengeschaltet sein, der insbesondere auch mit
einem separaten, insbesondere einstufigen, Stickstoffverdichter durchgeführt werden
kann. Hierdurch lässt sich insbesondere eine höhere Flüssigproduktion realisieren.
[0036] In einem Verfahren gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung kann insbesondere
eine Restgasturbine verwendet werden. In dieser kann Restgas aus der zweiten Rektifikationskolonne,
das unterhalb eines obersten Trennabschnitts derselben entnommen wird und gegenüber
dem Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne deutlich sauerstoffreicher ist, abgezogen
werden.
[0037] Die vorliegende Erfindung kann in bestimmten Ausgestaltungen, wie bereits angesprochen,
insbesondere umfassen, dass die dritte Rektifikationskolonne alleine oder zusammen
mit einer Reinargonkolonne zur Argongewinnung betrieben wird. Zur Argongewinnung sei
auf die eingangs zitierte Fachliteratur verwiesen.
[0038] Beliebige weitere Rektifikationskolonnen können in Ausgestaltungen der vorliegenden
Erfindung verwendet werden, insbesondere eine weitere Rektifikationskolonne zur Gewinnung
eines Sauerstoffprodukts und/oder eine weitere Rektifikationskolonne zur Gewinnung
eines eines Krypton/Xenon-Rohgemischs und/oder eine weitere Rektifikationskolonne
zur Gewinnung eines Helium/Neon-Rohgemischs, wobei zur Bildung von Krypton/Xenon-Rohgemischen
bzw. Helium/Neon-Rohgemischen ebenfalls auf die zitierte Fachliteratur verwiesen wird.
In entsprechenden Ausgestaltungen kann der Turbinenkreislaufstrom oder ein Teil hiervon
als Heizmedium für die Sumpfverdampfer entsprechender Kolonnen verwendet werden.
[0039] Durch die im Rahmen der vorliegenden Erfindung vorgeschlagenen Maßnahmen kann die
in die erste Rektifikationskolonne eingespeiste Luft vollständig oder zu mehr als
90%, 95% oder 99% gasförmig sein, also auf eine Vorverflüssigung verzichtet werden.
[0040] Nachfolgend werden noch weitere Merkmale von erfindungsgemäßen und nicht erfindungsgemäßen
Ausgestaltungen erläutert.
[0041] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann insbesondere deutlich mehr als 85%, beispielsweise
ca. 90%, des Argons aus der zweiten Rektifikationskolonne in das Argongewinnungssystem,
und damit die dritte Rektifikationskolonne, überführt und zur Gewinnung eines Argonprodukts
werden. Bei Gewinnung von Argon kann eine Argonausbeute von ebenfalls mehr als 85%,
beispielsweise ca. 90%, erzielt werden. Eine Ausbeute von mehr als 90% ist ebenfalls
möglich.
[0042] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann in bestimmten Ausgestaltungen durch den
Betrieb der ersten Rektifikationskolonne auf dem ersten Druckniveau auf eine Verdichtung
eines Stickstoffprodukts verzichtet werden. Für einen Verdichter, der den Turbinenkreislaufstrom
und ggf. weiteres Gas verdichtet, kann eine einfache Ausgestaltung, beispielsweise
mit nur zwei Verdichtungsstufen, verwendet werden. Dieser Verdichter kann auch in
Form eines sogenannten Kombiverdichters ausgestaltet werden, der beispielsweise auch
vier Stufen umfasst, die die Funktion des Hauptluftverdichters erfüllen. Mit anderen
Worten kann die Verdichtung der Druckluft und des des zur Bildung des Turbinenkreislaufstroms
verwendeten zweiten Kopfgases oder eines entsprechenden Teils hiervon unter Verwendung
einer gemeinsam angetriebenen Verdichteranordnung durchgeführt werden.
[0043] Das Fluid, das zur Speisung der dritten Rektifikationskolonne aus der zweiten Rektifikationskolonne
entnommen wird, kann in einer besonders bevorzugten Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung, wie bereits erwähnt, in eine weitere, Rektifikationskolonne eingespeist
werden, und ein entsprechender Einsatzstrom kann unter Verwendung von Fluid gebildet
werden, das aus dieser weiteren Rektifikationskolonne entnommen wird. Die weitere
Rektifikationskolonne ist insbesondere zur Bildung eines Hochreinsauerstoffprodukts
eingerichtet und wird wie nachfolgend erläutert betrieben.
[0044] Die weitere Rektifikationskolonne weist insbesondere einen ersten (oberen) Teil und
einen zweiten (unteren) Teil auf, wobei zwischen dem ersten und dem zweiten Teil ein
"Sperrböden"-Rektifikationsabschnitt, der insbesondere zur Zurückhaltung von Kohlenwasserstoffen
dient, angeordnet ist. Insbesondere kann der erste Teil der weiteren Rektifikationskolonne
funktional als unterster Teil einer Rohargonkolonne ausgebildet und entsprechend mit
der eigentlichen Rohargonkolonne, also der dritten Rektifikationskolonne, gekoppelt
sein. Eine entsprechende Ausgestaltung wird insbesondere aus Bauraumgründen vorgenommen,
um die Gesamtbauhöhe der Luftzerlegungsanlage zu reduzieren. Das Fluid, das aus der
zweiten Rektifikationskolonne entnommen und unter Verwendung dessen die dritte Rektifikationskolonne
gespeist wird, wird in einen unteren Bereich des ersten Teils eingespeist. Gas wird
aus einem oberen Bereich des ersten Teils entnommen und zur Speisung der dritten Rektifikationskolonne
verwendet. In der dritten Rektifikationskolonne gebildete Sumpfflüssigkeit wird zumindest
teilweise in den oberen Bereich des ersten Teils überführt.
[0045] Flüssigkeit wird aus einem Zwischenbereich des ersten Teils entnommen und in einen
oberen Bereich des zweiten Teils eingespeist, in dem die eigentliche Reinsauerstoffgewinnung
stattfindet. Gas wird aus dem oberen Bereich des zweiten Teils entnommen und in den
Zwischenbereich des ersten Teils eingespeist, und in einem unteren Bereich des zweiten
Teils Reinsauerstoff gebildet und aus der Luftzerlegungsanlage ausgeleitet. Der Reinsauerstoff
kann insbesondere mit einem Restgehalt von 5 bis 500 ppb, beispielsweise ca. 10 ppb,
Argon gebildet werden.
[0046] Ist keine entsprechende weitere oder weitere zweigeteilte Kolonne vorhanden, kann
das Fluid aus der zweiten Rektifikationskolonne auch direkt in die dritte Rektifikationskolonne,
also eine Rohargonkolonne, eingespeist werden.
[0047] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann der untere Bereich des zweiten Teils der
soeben beschriebenen weiteren Rektifikationskolonne insbesondere unter Verwendung
eines Kondensatorverdampfers beheizt werden, in dem den ein Teil des Kopfgases der
ersten Rektifikationskolonne als Heizfluid verwendet wird. Der als Heizfluid verwendete
Teil des Kopfgases der ersten Rektifikationskolonne kann danach insbesondere in verflüssigtem
Zustand in die erste Rektifikationskolonne oder in die zweite Rektifikationskolonne
eingespeist werden.
[0048] Die Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne oder zumindest deren Teil,
der zur Speisung der zweiten Rektifikationskolonne verwendet wird, kann, wie mehrfach
erwähnt, zur Kondensation von Kopfgas zumindest der dritten Rektifikationskolonne
verwendet werden. Dieses Kopfgas kann insbesondere, wie an sich aus dem Stand der
Technik bekannt, in einer Reinargonkolonne zu Reinargon aufgereinigt werden.
[0049] Zu den Merkmalen der erfindungsgemäß ebenfalls vorgeschlagenen Luftzerlegungsanlage
sei auf den entsprechenden unabhängigen Patentanspruch ausdrücklich verwiesen. Die
Luftzerlegungsanlage ist insbesondere zur Durchführung eines Verfahrens eingerichtet,
wie es zuvor in Ausgestaltungen erläutert wurde. Auf die obigen Erläuterungen bezüglich
des erfindungsgemäßen Verfahrens und seiner vorteilhaften Ausgestaltungen sei daher
ausdrücklich verwiesen.
[0050] Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen näher
erläutert, die die bevorzugten Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung veranschaulichen.
Figurenbeschreibung
[0051] Die Figuren 1 bis 3 veranschaulichen Luftzerlegungsanlagen gemäß unterschiedlicher
Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung.
[0052] In den Figuren sind einander baulich oder funktional entsprechende Elemente mit identischen
Bezugszeichen angegeben und werden der Übersichtlichkeit halber nicht wiederholt erläutert.
Anlagen und Anlagenkomponenten betreffende Erläuterungen gelten für entsprechende
Verfahren und Verfahrensschritte in gleicher Weise.
[0053] In Figur 1 ist eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung in Form eines vereinfachten Prozessflussdiagramms veranschaulicht und insgesamt
mit 100 bezeichnet.
[0054] In der Luftzerlegungsanlage 100 wird Luft mittels eines Hauptluftverdichters 1 über
einen Filter 2 angesaugt und auf ein Druckniveau von beispielsweise ca. 12,5 bar verdichtet.
Die entsprechend verdichtete Luft wird nach Kühlung und Abscheiden von Wasser in einer
Adsorberstation 3, die in an sich bekannter Art ausgestaltet sein kann, von Restwasser
und Kohlendioxid befreit. Zur Ausgestaltung der angesprochenen Komponenten sei auf
die eingangs zitierte Fachliteratur verwiesen.
[0055] Ein entsprechend gebildeter Druckluftstrom a wird vom warmen zum kalten Ende durch
einen Hauptwärmetauscher 4 geführt und hier in im Wesentlichen gasförmigem Zustand
in eine Druckkolonne 11 ("erste Rektifikationskolonne") eines Rektifikationskolonnensystems
10 eingespeist. Das Rektifikationskolonnensystem 10 weist im dargestellten Beispiel
neben der Druckkolonne 11 eine Niederdruckkolonne 12 ("zweite Rektifikationskolonne"),
eine zweigeteilte Rohargonkolonne 13 ("dritte Rektifikationskolonne") mit zwei Kolonnenteilen
13a (oberer Teil) und 13b (unterer Teil) sowie eine Reinargonkolonne 14 auf. Ferner
sind eine Rektifikationskolonne 15 zur Gewinnung eines Krypton/Xenon-Rohgemischs und
eine Rektifikationskolonne 16 zur Gewinnung eines Helium/Neon-Rohgemischs bereitgestellt.
Die Druckkolonne 11 ist mit der Niederdruckkolonne 12 über einen Hauptkondensator
11a wärmetauschend verbunden, der beispielsweise als mehrstöckiger Badverdampfer ausgebildet
sein kann, und im Sumpf der Rektifikationskolonne 15 zur Gewinnung des Krypton/Xenon-Rohgemischs
ist ein Sumpfverdampfer 15a angeordnet. Dem Rektifikationskolonnensystem 10 ist ferner
im dargestellten Beispiel ein Unterkühlungsgegenströmer 18 zugeordnet.
[0056] Am Kopf der Druckkolonne 11 wird ein Kopfgas gebildet. Dieses wird im dargestellten
Beispiel zu einem Teil in Form eines Stoffstroms b durch den Hauptkondensator 11a
und zu einem weiteren Teil in Form eines Stoffstroms c durch den Sumpfverdampfer 15a
der Rektifikationskolonne 15 zur Gewinnung des Krypton/Xenon-Rohgemischs geführt.
In dem Hauptkondensator 11a gebildetes Kondensat wird in die Druckkolonne 11 zurückgeführt.
Ein nicht kondensierter Anteil wird in die Rektifikationskolonne 16 zur Gewinnung
des Helium/Neon-Rohgemischs eingespeist. Weiteres Kondensat, das sich in dem Sumpfverdampfer
15a der Rektifikationskolonne 15 zur Gewinnung eines Krypton/Xenon-Rohgemischs bildet,
kann in Form eines Flüssigstickstoffstroms m durch den Unterkühlungsgegenströmer 18
geführt und am Kopf der Niederdruckkolonne 12 in diese eingespeist werden. Über eine
Flüssigkeitsentnahme am Kopf der Druckkolonne entnommenes Kondensat b1 kann so behandelt
werden. Zu dem Kopfgas der Druckkolonne 11 kann ein Stoffstrom d zugespeist werden,
der im Hauptwärmetauscher 4 abgekühlt wurde. Dessen Herkunft wird unten erläutert.
[0057] Im Sumpf der Druckkolonne 11 wird eine Sumpfflüssigkeit gebildet und in Form eines
Stoffstroms e aus dieser abgezogen. Der Stoffstrom e wird zunächst durch den Unterkühlungsgegenströmer
18 geführt und danach in an sich bekannter Weise zur Kühlung von nicht gesondert bezeichneten
Kopfkondensatoren der Rohargonkolonne 13 und der Reinargonkolonne 14 verwendet. Verdampfte
und unverdampfte Anteile werden in Form von Stoffströmen f in die Niederdruckkolonne
12 eingespeist bzw. zur Bildung des unten erläuterten Stoffstroms k verwendet.
[0058] In der Niederdruckkolonne 12 wird Sumpfflüssigkeit ("zweite Sumpfflüssigkeit") gebildet,
die in einen Verdampfungsraum des Hauptkondensators 11a eingespeist wird, und aus
dem Hauptkondensator 11a wird Gas in die Niederdruckkolonne 11 am Sumpf eingespeist.
Oberhalb des Sumpfs wird aus der Niederdruckkolonne 11 Flüssigkeit h abgezogen. Diese
wird zu einem ersten Teil in Form eines Stoffstroms h1 in einer Pumpe 5 druckerhöht,
im Hauptwärmetauscher 4 erwärmt und als innenverdichtetes Sauerstoffprodukt ausgeleitet.
Zu einem zweiten Teil wird die Flüssigkeit h in Form eines Stoffstroms h2 in die Rektifikationskolonne
15 zur Gewinnung des Krypton/Xenon-Rohgemischs eingespeist, und zu einem dritten Teil
in Form eines Stoffstroms h3 insbesondere als Flüssigprodukt aus der Luftzerlegungsanlage
100 ausgeführt.
[0059] Oberhalb des Sumpfs wird Gas aus der Niederdruckkolonne 12 in Form eines Stoffstroms
i abgezogen, mit nachfolgend erläuterten Stoffströmen k und o zu einem Sammelstrom
I mit einem Gehalt von beispielsweise ca. 90% Sauerstoff vereinigt, im Hauptwärmetauscher
4 teilerwärmt, in einer Generatorturbine bzw. Restgasturbine 6 entspannt, erneut im
Hauptwärmetauscher 4 erwärmt, und beispielsweise als Regeneriergas in der Adsorberstation
3 eingesetzt.
[0060] Ein gasförmiger Druckstickstoffstrom wird in Form eines Stoffstroms n vom Kopf der
Niederdruckkolonne 12 abgezogen. Dieser liegt beispielsweise auf einem Druckniveau
von ca. 3,5 bar vor und weist einen Gehalt von beispielsweise ca. 50 ppb Sauerstoff
auf. Er wird zur Bildung eines Turbinenkreislaufstroms verwendet, der zunächst in
dem Unterkühlungsgegenströmer 18 erwärmt ("erste Erwärmung"), danach im Hauptwärmetauscher
4 erwärmt ("zweite Erwärmung"), in einem Verdichter 7 und danach in einem Booster
einer Boosterturbinenanordnung 9 verdichtet, im Hauptwärmetauscher 4 wieder abgekühlt,
und in einer Entspannungsturbine der Boosterturbinenanordnung 9, entspannt wird. Der
Kreislauf wird durch die Einspeisung in den Unterkühlungsgegenströmer 18 geschlossen.
Der erwähnte Stoffstrom n wird stromab des Verdichters 7 abgezweigt und in dem Hauptwärmetauscher
4 abgekühlt. Stromauf und stromab des Verdichters 7 können weitere Teilströme abgezweigt
und unter z.B. als Druckstickstoffprodukt, Blow-Off-Gas und Dichtgas abgezweigt werden.
Beliebige Kombinationen sind möglich. Teilweise zusammen mit dem Turbinenkreislaufstrom
wird ein Rektifikationskreislaufstrom geführt, der aber nicht der zweiten Verdichtung
und Entspannung unterworfen, sondern im Hauptwärmetauscher 4 abgekühlt und danach
wie erläutert verwendet wird.
[0061] Aus der Niederdruckkolonne 11 wird in Form eines Stoffstroms o an Argon angereichertes
Gas entnommen und in die Rohargonkolonne 13 eingespeist. Aus der Rohargonkolonne 13
wird Sumpfflüssigkeit in Form eines Stoffstroms p mittels einer nicht gesondert bezeichneten
Pumpe in die Niederdruckkolonne 11 zurückgeführt.
[0062] Der Betrieb der Rohargonkolonne 13 und der Reinargonkolonne 14 entspricht im Wesentlichen
dem im Stand der Technik Bekannten und wird nicht gesondert erläutert. Aus der Reinargonkolonne
15 wird ein Reinargonstrom v abgezogen, der, insbesondere nach Unterkühlung in dem
Unterkühlungsgegenströmer 18, nun mit w bezeichnet, teils in einem Tank T eingespeichert
bzw. zwischengespeichert, beispielsweise durch Druckaufbauverdampfung druckerhöht
und nach Erwärmung in dem Hauptwärmetauscher 4 mit einem Gehalt von beispielsweise
ca. 200 ppb Sauerstoff bereitgestellt werden kann.
[0063] Der erwähnte Stoffstrom k wird unter Verwendung von Gas gebildet, das dem Kopfkondensator
der Rohargonkolonne 13 entnommen wird. Der Stoffstrom o stammt vom Kopf der Rektifikationskolonne
15 zur Gewinnnung des Krypton/Xenon-Rohgemischs, aus deren Sumpf das Krypton/Xenon-Rohgemisch
in Form eines nicht gesondert bezeichneten Stoffstroms entnommen wird.
[0064] Am Kopf der Niederdruckkolonne 12 wird Flüssigkeit entnommen und zu einem Teil in
Form eines Stoffstroms x unterkühlt und als Flüssigstickstoffprodukt bereitgestellt,
sowie zu einem weiteren Teil y in einen Verdampfungsraum der Rektifikationskolonne
16 zur Gewinnung des Helium/Neon-Rohgemischs eingespeist, welches in Form eines Stoffstroms
z hieraus abgezogen wird.
[0065] Mit einer gestrichelten Linie ist ein temperaturisolierter Bereich veranschaulicht,
dessen Enthalpiebilanz durch den Einsatz der gemäß der veranschaulichten Ausgestaltung
vorgeschlagenen Maßnahmen im Wesentlichen geschlossen ist.
[0066] In Figur 2 ist eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer weiteren Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung in Form eines vereinfachten Prozessflussdiagramms veranschaulicht und insgesamt
mit 200 bezeichnet.
[0067] Die in Figur 2 veranschaulichte Luftzerlegungsanlage 200 weist im Gegensatz zur Luftzerlegungsanlage
100 gemäß Figur 1 eine einteilige Rohargonkolonne 13 auf. Ferner ist eine Reinsauerstoffkolonne
7 vorhanden. Diese wird mit einem Sumpfverdampfer 17a betrieben und weist einen oberen
Bereich und einen unteren Bereich auf, die mittels einer Trennwand 17b voneinander
getrennt sind. Der obere Bereich wird mit dem Stoffstrom o gespeist und aus diesem
wird der Stoffstrom p entnommen. Funktionell handelt es sich um einen "ausgelagerten
Sauerstoffabschnitt" der Niederdruckkolonne. Der Sumpfverdampfer 17a wird mit dem
Stoffstrom d betrieben. Ein gebildetes Kondensat u wird wie der Stoffstrom m behandelt.
Der obere und der untere Teil der Reinsauerstoffkolonne 17 werden mit Sumpfflüssigkeit
r aus der Rohargonkolonne als Rücklauf betrieben, und Kopfgas s aus den Teilen der
Reinsauerstoffkolonne 17 wird in die Rohargonkolonne 13 eingespeist. Reinsauerstoff
wird in Form eines Stoffstroms t aus der Reinsauerstoffkolonne 17 abgezogen, beispielsweise
mittels eines Tanksystems T2 druckaufbauverdampft, und aus der Anlage ausgeführt.
Ferner ist hier ein Flüssigargontanksystem T3 dargestellt.
[0068] In Figur 3 ist eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer weiteren Ausgestaltung der vorliegenden
Erfindung in Form eines vereinfachten Prozessflussdiagramms veranschaulicht und insgesamt
mit 300 bezeichnet.
[0069] Die in Figur 3 veranschaulichte Luftzerlegungsanlage 300 weist im Gegensatz zur Luftzerlegungsanlage
200 gemäß Figur 2 einen Bypass um den Unterkühlungsgegenströmer 18 auf, so dass der
Stoffstrom n nach seiner Entspannung in Anteile n1 und/oder n2 stromauf oder stromab
des Unterkühlungsgegenströmers 18 rückgespeist werden kann.
1. Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft unter Verwendung einer Luftzerlegungsanlage
(100-300) mit einem Hauptwärmetauscher (4) und einen Unterkühlungsgegenströmer (18)
sowie einem Rektifikationskolonnensystem (10), das eine erste Rektifikationskolonne
(11), eine zweite Rektifikationskolonne (12) und eine dritte Rektifikationskolonne
(13) aufweist, bei dem
- die erste Rektifikationskolonne (11) auf einem ersten Druckniveau betrieben und
unter Verwendung von in dem Hauptwärmetauscher (4) abgekühlter, gasförmiger Druckluft
gespeist wird,
- die zweite Rektifikationskolonne (12) auf einem zweiten Druckniveau betrieben und
unter Verwendung von Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne (11) gespeist
wird,
- die dritte Rektifikationskolonne (13) auf einem dritten Druckniveau betrieben und
unter Verwendung von Fluid gespeist wird, das aus der zweiten Rektifikationskolonne
(12) entnommen wird,
- das erste Druckniveau bei 9 bis 14,5 bar am Kopf der ersten Rektifikationskolonne
(11) liegt und das zweite Druckniveau bei 2 bis 5 bar am Kopf der zweiten Rektifikationskolonne
(12) liegt, und
- Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne (12) mit einem Turbinenkreislaufstrom
vereinigt wird, der zyklisch und nacheinander einer ersten Erwärmung in dem Unterkühlungsgegenströmer
(18), einer zweiten Erwärmung in dem Hauptwärmetauscher (4), einer Verdichtung, einer
Abkühlung und einer Entspannung unterworfen wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
- das mit dem Turbinenkreislaufstrom vereinigte Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne
(12) teilweise oder vollständig stromab der Entspannung und stromauf der ersten Erwärmung
des Turbinenkreislaufstroms mit dem Turbinenkreislaufstrom vereinigt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem das Vereinigen des Kopfgases mit dem Turbinenkreislaufstrom
in einem oberen Bereich und innerhalb der zweiten Rektifikationskolonne (12) erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder Anspruch 2, bei dem das mit dem Turbinenkreislaufstrom
vereinigte Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne (12) teilweise oder vollständig
stromab der Entspannung und anschließend jeweils zu Anteilen stromauf und stromab
der ersten Erwärmung mit dem Turbinenkreislaufstrom vereinigt wird.
4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der Turbinenkreislaufstrom
durch die Abkühlung und die Entspannung auf ein Temperaturniveau von 80 bis 100 K
gebracht wird.
5. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem Fluid zusammen mit dem Turbinenkreislaufstrom
geführt und stromab der zweiten Erwärmung, stromauf und/oder stromab der Verdichtung
und stromauf der Abkühlung in Form eines oder mehrerer Teilströme hiervon wieder abgezweigt
und aus der Luftzerlegungsanlage (100-300) ausgeleitet wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, bei dem der eine Teilstrom oder zumindest einer der mehreren
Teilströme zur Bereitstellung eines gasförmigen, druckbeaufschlagten Luftprodukts
verwendet wird.
7. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem in dem Unterkühlungsgegenströmer
(18) ein aus der zweiten Rektifikationskolonne (12) ausgeleitetes Restgas erwärmt
und/oder eine oder mehrere, unter Verwendung von Kopfgas der ersten Rektifikationskolonne
(11) gebildete Flüssigkeiten und/oder Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne
(11) und/oder ein Argonprodukt unterkühlt werden.
8. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die Verdichtung des Turbinenkreislaufstroms
einen ersten Verdichtungsschritt und einen zweiten Verdichtungsschritt umfasst, wobei
der zweite Verdichtungsschritt unter Verwendung eines Boosters durchgeführt der mit
einer zur Durchführung der Entspannung verwendeten Entspannungsturbine mechanisch
gekoppelt ist.
9. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem eine Restgasturbine (9) verwendet
wird.
10. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die dritte Rektifikationskolonne
(13) alleine oder zusammen mit einer Reinargonkolonne zur Argongewinnung betrieben
wird.
11. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem eine weitere Rektifikationskolonne
(17) zur Gewinnung eines Sauerstoffprodukts und/oder eine weitere Rektifikationskolonne
(15) zur Gewinnung eines eines Krypton/Xenon-Rohgemischs und/oder eine weitere Rektifikationskolonne
(16) zur Gewinnung eines Helium/Neon-Rohgemischs verwendet wird oder werden.
12. Verfahren nach Anspruch 10, bei dem die in die erste Rektifikationskolonne (11) eingespeiste
Luft vollständig oder zu mehr als 90%, 95% oder 99% gasförmig ist.
13. Luftzerlegungsanlage (100-300) mit einem Hauptwärmetauscher (4) und einen Unterkühlungsgegenströmer
(18) sowie einem Rektifikationskolonnensystem (10), das eine erste Rektifikationskolonne
(11), eine zweite Rektifikationskolonne (12) und eine dritte Rektifikationskolonne
(13) aufweist, und die dafür eingerichtet ist,
- die erste Rektifikationskolonne (11) auf einem ersten Druckniveau zu betreiben und
unter Verwendung von in dem Hauptwärmetauscher (4) abgekühlter Druckluft zu speisen,
- die zweite Rektifikationskolonne (12) auf einem zweiten Druckniveau zu betreiben
und unter Verwendung von Sumpfflüssigkeit der ersten Rektifikationskolonne (11) zu
speisen,
- die dritte Rektifikationskolonne (13) auf einem dritten Druckniveau zu betreiben
und unter Verwendung von Fluid aus der zweiten Rektifikationskolonne (12) zu speisen,
- das erste Druckniveau bei 9 bis 14,5 bar am Kopf der ersten Rektifikationskolonne
(11) liegt und das zweite Druckniveau bei 2 bis 5 bar am Kopf der zweiten Rektifikationskolonne
(12) liegt, und
- Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne (12) mit einem Turbinenkreislaufstrom
zu vereinigen sowie den Turbinenkreislaufstrom zyklisch und jeweils nacheinander einer
ersten Erwärmung in dem Unterkühlungsgegenströmer (18), einer zweiten Erwärmung in
dem Hauptwärmetauscher (4), einer Verdichtung, einer Abkühlung und einer Entspannung
zu unterwerfen,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Luftzerlegungsanlage (100) dafür eingerichtet ist, das mit dem Turbinenkreislaufstrom
vereinigte Kopfgas der zweiten Rektifikationskolonne teilweise oder vollständig stromab
der Entspannung und stromauf der ersten Erwärmung mit dem Turbinenkreislaufstrom zu
vereinigen.
14. Luftzerlegungsanlage (100-300) nach Anspruch 13, die zur Durchführung eines Verfahrens
nach einem der Ansprüche 1 bis 12 eingerichtet ist.