Gegenstand der Erfindung
[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft eine Man-Made-Cellulosefaser, insbesondere eine
nach dem Viskoseverfahren gewonnene regenerierte Cellulosefaser. Die erfindungsgemäße
Faser eignet sich besonders als Füllfaser.
Beschreibung
[0002] Das traditionelle Füllmaterial für Jacken, Decken, Polster, Schlafsäcke und andere
Produkte, bei denen Wärmeisolation und Füllkraft erwünscht sind, ist die Daune, besonders
Gänsedaune. Nachteile dieses Naturstoffs sind zum einen die begrenzte Verfügbarkeit,
der hohe Preis und die schwindende tierethisch bedingte Akzeptanz vieler Kunden. Zum
anderen geht die natürliche Hydrophobizität der Daune beim lebenden Tier im Zuge der
Verarbeitung verloren, sodass Daunenprodukte eine hohe Tendenz zur Feuchigkeitsaufnahme
zeigen, wobei im nassen Zustand die guten Wärmedämmeigenschaften weitgehend verloren
gehen.
[0003] Polyesterfasern bieten eine bekannte preisgünstigere Alternative zur Daune. Diese
vollsynthetischen Fasern zeigen jedoch deutliche Nachteile bei der Wärmeisolation
und bei der Atmungsaktivität. Zudem sind sie nicht biologisch abbaubar.
[0004] Deshalb sind mehrere Ansätze bekannt, bei denen Polyesterfasern mit Daunen oder mit
natürlichen Fasern gemischt werden.
[0005] DE4445085C2 beschreibt die Beimischung von Ramiefasern zu Polyesterfasern. Diese Naturfasern
zeigen jedoch den Nachteil der geringen Elastizität und damit einhergehender Bruchanfälligkeit.
Ein weiterer Nachteil von reinen Naturfasern ist die Fäulnisanfälligkeit.
[0006] Auch die Verwendung von Man-Made-Cellulosefasern als Füllfasern wird im Stand der
Technik diskutiert. Unter "Man-Made-Cellulosefasern" versteht der Fachmann Cellulosefasern,
die durch ein Auflösen von Cellulose oder Cellulosederivaten und Verspinnen der Lösung
gewonnen werden. Man-Made-Cellulosefasern können von natürlichen Cellulosefasern leicht
durch verschiedene Eigenschaften, wie Kristallstruktur, Gleichmäßigkeit etc. unterschieden
werden.
[0007] Cellulosische Stapelfasern der Gattung Lyocell als Füllmaterial für Steppdecken (in
Form von Vliesen) und für Kissen (in Form von Bällchen) sind handelsüblich.
[0008] Ähnlich wie die reinen Naturprodukte, sind auch diese Fasern äußerst saugfähig und
daher feuchtigkeitsanfällig. Im feuchten Zustand kollabieren die aus den Fasern aufgebauten
Vliesstoffe und verlieren (teilweise irreversibel) ihre Füllkraft und somit ihre wärmedämmenden
Eigenschaften.
EP 0 941 209 zeigt einen Lösungsversuch für dieses Problem durch Beimischung von Polyesterfasern
zu Lyocellfasern auf.
[0009] All den Ansätzen, welche durch Mischungen versuchen die positiven Eigenschaften der
Naturfasern mit denen der Kunstfaser zu kombinieren, ist die Problematik der Entmischung,
sowie der Knäuelbildung immanent (
EP 1 646 738). In der Regel beschränken sie sich daher auf Stapelfasern mit engen Grenzen bei
der Faserlänge und dem Titer. Im Hinblick auf die Bruchanfälligkeit (
EP 1 067 227) vieler Fasern führt dies zu einer Abnahme der Leistungsfähigkeit über die Lebensdauer
des Produkts.
[0010] EP 1 067 227 beschreibt eine Mischung aus Polyesterfasern mit Viskosefasern als Füllfaser. Die
Herstellung von nach dem Viskoseverfahren hergestellten regenerierten Cellulosefasern
ist dem Fachmann bestens bekannt. Je nach konkreten Verfahrensparametern werden diese
Fasern als "Standardviskosefaser", "Modalfaser" oder auch "Polynosicfaser" bezeichnet.
[0011] Im Folgenden wird der Begriff "Viskosefasern" stellvertretend für alle nach dem Viskoseverfahren
erhaltenen regenerierten Cellulosefasern verwendet.
[0012] Cellulosefasern im Allgemeinen (sowohl natürliche Cellulosefasern als auch Man-Made-Cellulosefasern)
sind hydrophil und quellbar. Dies ergibt sich schon aus der chemischen Struktur der
Cellulose, welche eine Vielzahl an Hydroxylgruppen enthält, die zur Bindung von Wasser
geeignet sind. Daher liegen viele Anwendungen von Cellulosefasern in Bereichen, in
denen eine Wasseraufnahme entweder nicht schädlich oder sogar erwünscht ist, zum Beispiel
in saugfähigen Hygieneartikeln oder medizinischen Produkten.
[0013] Aus all diesen Gründen war die Verwendung von Man-Made-Cellulosefasern, insbesondere
Viskosefasern als Füllfaser bislang nicht von großer Bedeutung.
[0014] Dem Fachmann sind weiters Maßnahmen zur Herstellung von Viskosefasern mit erhöhter
Oberfläche bekannt. Gemäß dem bisherigen Stand der Technik dienen solche Querschnittsmodifikationen
der Erhöhung der Saugfähigkeit.
[0015] Bekannte Maßnahmen zur Erhöhung der Faseroberfläche, im Vergleich zu Fasern mit rundem
Querschnitt, umfassen die Herstellung von Hohlfasern (
US-A4,129,679) einerseits und querschnittsoptimierter, insbesondere trilobaler Fasern andererseits.
[0016] Die Herstellung mehrschenkeliger Viskosefasern wurde beispielsweise in den
U.S.-Patenten 5,634,914 und
5,458,835 und in der
EP-A1 0 301 874 beschrieben. Das dort offenbarte Verfahren beschreibt das Spinnen einer üblicherweise
verwendeten Viskose, welche eine bestimmte Menge eines im Stand der Technik bekannten
Modifikators enthalten kann, durch Extrusionslöcher von mehrschenkeliger Form, insbesondere
trilobaler Form, in ein herkömmliches Spinnbad. Das wesentliche Merkmal dieses Verfahrens
besteht darin, dass die Form der mehrschenkeligen Extrusionslöcher in der Spinndüse
ähnlich der erwünschten Form des Querschnitts der Filamente ist. Gemäß den Lehren
dieser Dokumente bestimmt die Geometrie des Spinndüsenlochs die Form des Faserquerschnitts,
und durch ein entsprechendes Design der Extrusionslöcher kann ein bestimmtes Länge-Breite-Verhältnis
des Faserquerschnitts erhalten werden.
[0017] Der Stand der Technik bezüglich mehrschenkeliger Fasern lehrt, dass derartige mehrschenkelige
Fasern im Vergleich zu runden Viskosefasern ein gesteigertes Adsorptionsvermögen besitzen.
[0018] Eine Sonderform stellen die in
WO 2013/010759 A1 offenbarten, aus mehreren trilobalen Fasern zusammengesetzten Faserprofile dar, welche
den Raumbedarf der Fasern in besonderem Maße steigern.
[0019] Die Tatsache, dass Hohlräume im Querschnitt von Viskosefasern das Absorptionsvermögen
dieser Fasern und der daraus hergestellten Produkte erhöhen, ist weiters aus der
US-A 4,362,159 bekannt.
[0020] Dieser Literaturzusammenstellung kann entnommen werden, dass sich die Entwicklungen
im Bereich der Querschnittsmodifikationen weitgehend auf den Bereich von saugfähigen
Produkten konzentrieren.
[0021] In anderen Anwendungsfällen, insbesondere für die Verwendung als wärmeisolierendes
Füllmaterial sind diese hydrophilen Eigenschaften jedoch nicht erwünscht und wird
eine erhöhte Hydrophobizität angestrebt.
[0022] Es sind einige Ansätze zur oberflächlichen Hydrophobisierung von Viscosefasern bekannt,
z.B. eine Beschichtung mittels eines Polymers (z.B. Polyurethan (PU) oder Silikon).
Diese Beschichtung verhindert die Benetzung der Fasern mit Wasser und damit die Kollabierung
unter feuchten/nassen Bedingungen. Diese Lösung ist im Rahmen der Nachhaltigkeit in
dieser Zeit nicht mehr geeignet.
[0023] Durch eine oberflächliche Beschichtung wird zwar eine wasserabweisende Oberfläche
ausgebildet, nach deren Zerstörung die Faser allerdings ungehindert und irreversibel
Wasser aufsaugt.
[0024] Die
WO 2014/090665A1 beschreibt eine regenerative Cellulosefaser, welche eine hydrophobe Substanz, ausgewählt
aus der Gruppe bestehend aus Alkylketendimeren, Alkenylketendimeren, Alkylsuccinanhydriden,
Alkenylsuccinanhydriden, Alkylglutarsäureanhydriden, Alkenylglutarsäureanhydriden,
Alkylisocyanaten, Alkenylisocyanaten, Fettsäureanhydriden sowie Mischungen daraus
in der Cellulosematrix inkorporiert aufweist.
[0025] Dadurch wird über den gesamten Faserquerschnitt verteilt eine hydrophobierende Wirkung
erzielt, die "permanent" ist, d.h. durch oberflächliche Behandlung der Fasern wie
z.B. Waschschritte oder andere Behandlungen nicht entfernt wird.
[0026] Es wurde weiters beschrieben, dass durch die Inkorporation reaktiver hydrophober
Substanzen in die Cellulosematrix die grundlegenden Eigenschaften der Viskosefasern,
z.B. die Möglichkeit Wasserdampf aufzunehmen, nicht beeinträchtigt werden.
[0028] Aus diesem Grund neigen Vliesstrukturen aus cellulosischen Fasern bei Kontakt mit
Feuchtigkeit zu kollabieren, daher ihr Volumen und ihre Füllkraft zu verlieren.
[0029] Ebenso ist bekannt, dass die Biegesteifigkeit der Fasern entscheidend zur Füllkraft
des Faserknäuels beiträgt (
WO 2013/010759 A1), da die lose, ungerichtete Anlagerung von steiferen Fasern mehr Hohlräume erzeugt.
[0030] Der Zusammenhang zwischen Steifigkeit und Füllkraft führt auch dazu, dass, selbst
für saugfähige Produkte, oft Fasern mit zu kleinen Titern ungeeignet sind, obwohl
sie (bezogen auf die gleiche Masse) größere Oberflächen aufweisen. Dies liegt daran,
dass dünne Cellulosefasern bei Nässe besonders zum Kollabieren neigen.
[0031] Die vorliegende Erfindung stellt sich zur Aufgabe, eine Cellulosefaser zur Verfügung
zu stellen, die sich insbesondere hervorragend als Füllfaser eignet.
[0032] Diese Aufgabe wird mit der regenerierten Cellulosefaser gemäß Anspruch 1 gelöst.
Bevorzugte Ausführungsformen sind in den Unteransprüchen beschrieben.
KURZE BESCHREIBUNG DER FIGUREN
[0033]
FIGUR 1 zeigt ein Photomicrograph von erfindungsgemäßen Fasern mit trilobalem Faserquerschnitt
gemäß Beispiel A.
FIGUR 2 zeigt ein Photomicrograph von erfindungsgemäßen Fasern mit einem doppelt trilobalem
Faserquerschnitt gemäß Beispiel B.
DETAILLIERTE BESCHREIBUNG DER ERFINDUNG
[0034] Die erfindungsgemäße Faser ist eine Man-Made-Cellulosefaser mit mehrschenkeligem
Querschnitt, welche eine hydrophobe Substanz, ausgewählt aus der Gruppe bestehend
aus Alkylketendimeren, Alkenylketendimeren, Alkylsuccinanhydriden, Alkenylsuccinanhydriden,
Alkylglutarsäureanhydriden, Alkenylglutarsäureanhydriden, Alkylisocyanaten, Alkenylisocyanaten,
Fettsäureanhydriden sowie deren Reaktionsprodukte mit Wasser und/oder Cellulose sowie
Mischungen daraus in der Cellulosematrix inkorporiert aufweist.
[0035] Unter "Inkorporation" versteht der Fachmann, dass die hydrophobe Substanz nicht im
wesentlichen nur an der Oberfläche der Faser vorliegt, sondern über den gesamten Faserquerschnitt
verteilt ist.
[0036] Dies wird dadurch erzielt, dass die hydrophobe Substanz der zur Herstellung der Man-Made-Cellulosefaser
verwendeten Spinnlösung oder einem Vorläufer davon zugegeben wird. Bei Ausfällen der
die Substanz enthaltenden Lösungsfilamente wird die Substanz gleichmäßig in der Faser
verteilt.
[0037] Die chemische Natur der hier verwendeten hydrophoben Substanzen bedingt, dass diese
zum Teil mit dem im Spinnverfahren z.B. als Koagulationsmittel eingesetzten Wasser
reagieren (hydrolysieren) und andererseits auch mit der Cellulose selbst reagieren
können.
[0038] Im Fall des Einsatzes von Alkylketendimer (AKD) zum Beispiel können sich bei der
Reaktion von AKD mit Cellulose beta-Ketocarbonsäure-Ester bilden. Weiters kann AKD
zu beta-Ketosäuren hydrolyiseren.
[0039] Somit enthält die fertige Faser eine Mischung von unreagierter hydrophober Substanz,
hydrolysierter hydrophober Substanz und mit Cellulose reagierter hydrophober Substanz.
[0040] Letztere beiden Varianten sind mit dem Begriff "Reaktionsprodukte mit Wasser und/oder
Cellulose" zusammengefasst.
[0041] Das Vorliegen aller Alternativen (Substanz an sich bzw. jeweilige Reaktionsprodukte)
ist analytisch messbar und quantifizierbar.
[0042] Die erfindungsgemäße Faser ist bevorzugt eine nach dem Viskoseverfahren gewonnene
regenerierte Cellulosefaser. Die Erfindung ist aber auch auf andere Typen von Man-Made-Cellulosefasern
anwendbar.
[0043] Die erfindungsgemäße Faser ist eine Cellulosefaser, insbesondere Viskosefaser mit
besonders hohem Raumbedarf und daher hoher Füllkraft. Dies wird durch einen mehrschenkeligen
Faserquerschnitt erreicht, welcher ein hohes Flächenträgheitsmoment bewirkt.
[0044] Im Gegensatz zum oben beschriebenen Stand der Technik dient also die Querschnittsmodifikation
hier nicht der Erhöhung der Saugfähigkeit.
[0045] Ganz im Gegenteil bestand das nun gelöste Problem darin, eine Cellulosefaser herzustellen,
welche trotz ihres hohen Raumbedarfs (dh großes freies Volumen und zwangsläufig erhöhte
Oberfläche) möglichst feuchtigkeitsunempfindlich ist.
[0046] Die Faser sollte auch in feuchten Bedingungen nicht kollabieren und ihre wärmeisolierenden
Eigenschaften beibehalten.
[0047] Dies wird erfindungsgemäß dadurch realisiert, dass die Faser zusätzlich zu ihrem
mehrschenkeligen Querschnitt eine hydrophobe Substanz inkorporiert enthält.
[0048] Aus der Sicht des Fachmannes stellen eine Hydrophobisierung einerseits und eine mehrschenkelige
Querschnittsmodifikation andererseits zunächst diametral konträre, sich gegenseitig
konterkarierende Maßnahmen dar. Denn die mehrschenkelige Querschnittsmodifikation
bewirkt ja eben eine erhöhte Saugfähigkeit der Faser.
[0049] Umso überraschender wurde gefunden, dass sich erfindungsgemäß hydrophobierte Cellulosefasern
mit mehrschenkeligen Faserquerschnitten hervorragend insbesondere als Füllfasern mit
den damit verbundenen besonderen Anforderungen eignen.
[0050] Der mehrschenkelige Faserquerschnitt ist bevorzugt regelmäßig, das heißt über die
gesamte Länge der Faser im wesentlichen gleich. Dies wird durch ein Verspinnen der
Spinnlösung über eine Spinndüse mit Spinnöffnungen, welche die jeweils gewünschte
Querschnittsform aufweisen, erreicht.
[0051] "Regelmäßig" bedeutet im Kontext einer Vielzahl von Fasern (wie sie bei der industriellen
Faserproduktion auftritt) auch, dass der Querschnitt über die Vielzahl der Fasern
im wesentlichen gleich ist. "Im wesentlichen gleich" umfasst auch Mischungen von Fasern,
die aus Spinndüsen mit Spinnöffnungen, welche zwei oder mehr unterschiedliche Querschnitte
aufweisen, versponnen werden.
[0052] In einer bevorzugten Ausführungsvariante ist der Faserquerschnitt trilobal oder doppelt
trilobal. Ein doppelt trilobaler Faserquerschnitt besteht aus zwei Y-förmigen Profilen,
welche durch einen der Schenkel miteinander verbunden sind. Der Querschnitt kann auch
aus mehr als zwei trilobalen Formen zusammengesetzt sein. Solche Fasern und deren
Herstellung sind unter anderem in der
WO 2013/010759 beschrieben.
[0053] In einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung beträgt der Gehalt an hydrophober Substanz
in der Faser 0,05 Gew.% bis 3 Gew.%, vorzugsweise 0,1 Gew.% bis 1 Gew.%, bezogen auf
Cellulose.
[0054] Die hydrophobe Substanz enthält bevorzugt oder ist bevorzugt ein Alkylketendimer
(AKD), ein Hydrolyseprodukt von AKD oder mit Cellulose reagiertes AKD.
[0055] In einer besonderen Ausführungsvariante sind die Fasern dadurch gekennzeichnet, dass
sie einen Titer von 2,5 dtex bis 30 dtex, insbesondere 3 dtex bis 12 dtex, besonders
bevorzugt 3 dtex bis 7 dtex, aufweisen.
[0056] Aus
WO 2013/010759 A1 ist bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Titer und dem Raumbedarf (dh der "Füllkraft")
von Fasern mit rundem Querschnitt in loser, ungeordneter Aneinanderlagerung besteht.
[0057] Dieser Zusammenhang setzt sich aus zwei gegenläufigen Effekten zusammen. Einerseits
besitzen Fasern mit größerem Querschnitt (dh mit höherem Titer) höhere Flächenträgheitsmomente
und daher höhere Biegesteifigkeiten. Es versteht sich, dass eine Anhäufung aus steiferen
Fasern mehr Raum einnimmt als eine aus biegsameren Fasern. Andererseits nimmt die
Masse der Fasern mit dem Titer zu, wodurch der auf die Masse bezogene Raumbedarf abnimmt.
[0058] Dieses Dilemma wird in der vorliegenden Erfindung durch die Querschnittsmodifikation
gelöst. Die räumlich anspruchsvolleren Querschnitte besitzen signifikant erhöhte Flächenträgheitsmomente
im Vergleich zu runden Querschnitten bei gleichem Titer.
[0059] Das Flächenträgheitsmoment ist einerseits wichtig für die Biegesteifigkeit der Faser
und eignet sich andererseits als Maß für den räumlichen Anspruch der Faser selbst.
Es ist definiert durch das Integral der Querschnittsteilflächen multipliziert mit
dem Quadrat ihres Abstands zum Flächenschwerpunkt. Je höher also das Flächenträgheitsmoment,
desto mehr Fläche befindet sich desto weiter vom Flächenschwerpunkt des Querschnitts
entfernt.
[0060] Der durch das Flächenträgheitsmoment ausgedrückte räumliche Anspruch der Querschnittsform
wirkt sich auch abgesehen vom Effekt der Biegesteifigkeit ganz direkt auf den Raumbedarf
einer Faseranhäufung aus. Selbst in Fällen, in denen die Biegsamkeit keine Rolle spielt,
zum Beispiel wenn sich weitgehend gleich gerichtete Faserbündel bilden, entstehen
durch die Querschnittsmodifikation, insbesondere die trilobale oder mehrfach trilobale
Querschnittsform, vermehrt Hohlräume.
[0061] Aus rein geometrischen Gründen bedingt eine Erhöhung des Flächenträgheitsmoments
bei gleichem Titer gleichzeitig immer eine Erhöhung der Oberfläche. Zudem geht die
Abkehr von runden Querschnitten mit der Bildung von spitzwinkeligen Innenkanten einher,
welche aufgrund der Kapillarwirkung die Saugfähigkeit erhöhen können.
[0062] Zum Flächenträgheitsmoment der erfindungsgemäßen Faser trägt insbesondere auch die
konkrete Ausformung der Schenkel des mehrschenkeligen Querschnitts bei.
[0063] In einer bevorzugten Ausführungsform weist ein Teil der Schenkel des mehrschenkeligen
Faserquerschnitts, bevorzugt alle Schenkel, ein Verhältnis von Länge zu Breite von
2:1 bis 10:1 auf. Die Schenkel sollen also deutlich ausgeprägt (Untergrenze 2:1) sein.
Andererseits nimmt die Stabilität der Schenkel gegen ein Abknicken bei höheren Verhältnissen
von Länge zu Breite ab.
[0064] Die erfindungsgemäßen Cellulosefasern eignen sich hervorragend zur Anwendung als
Füllstoff, wie zum Beispiel als Daunenersatz bei Winterbekleidung, in Schlafsäcken
oder Kissen oder als Dämmstoff im Bauwesen. Sie bieten zudem den Vorteil biologischer
Abbaubarkeit.
[0065] Insbesondere weisen die erfindungsgemäßen Cellulosefasern in einer vorteilhaften
Ausgestaltung einen Füllfasereignungswert von mindestens 75% auf.
[0066] Der hier definierte Füllfasereignungswert verknüpft die Ergebnisse aus der Messung
der Füllkraft mit den hydrophoben Eigenschaften der Fasern zu einem aussagekräftigen
Wert. Er wird wie folgt bestimmt:
A) Hydrophobie-Eigenschaften/Hydrophobietest
[0067] Es wird eine definierte (für alle miteinander verglichenen Messungen gleichbleibende)
Menge an Fasern abgewogen und etwas kompaktiert. Die Fasern kommen in ein mit Wasser
gefülltes Gefäß. Das Wasser hat Raumtemperatur.
[0068] Es wird beobachtet, ob die Faserprobe schwimmt, wobei der Stand nach 24 h ausschlaggebend
ist.
[0069] Schwimmt sie vollständig auf der Wasseroberfläche ohne einzudringen, so erfüllt sie
die Note 1, liegen 25% der Probe unter der Wasseroberfläche lautet die Note 2, bei
50% 3 und bei 75% 4. Liegt die Probe vollständig unter Wasser mit Kontakt zur Oberfläche
wird Note 5 vergeben. Hält die Faserprobe nicht wenigstens den Kontakt zur Wasseroberfläche,
ist die Note 6.
[0070] Ziel ist es, mindestens eine Note 3 zu erreichen. Damit ist eine für viele Anwendung
ausreichende Hydrophobie gegeben.
[0071] Die Note drei im oben beschriebenen Hydrophobietest stellt ein geeignetes Ergebnis
dar. Deshalb werden alle anderen Noten auf diesen Wert (100 %) normiert. Auf diesem
Wege werden Auf- beziehungsweise Abwertungsfaktoren erhalten (Note 1 entspricht einem
Faktor von 1,5; Note 2 einem Faktor von 1,25; Note 3 entspricht 1; Note 4 entspricht
0,75 usw.)
B) Füllkraft-Test:
[0072] Der Test wird in Anlehnung an DIN EN 12130:2018 durchgeführt.
[0073] Die Fasern werden in Vorbereitung gekrempelt und damit parallelisiert. Im Anschluss
werden Faserproben mit einem Gewicht von 28 g abgewogen und in ein quadratisches Glasgefäß
mit den Maßen 39,2 cm x 24,2 cm gegeben.
[0074] Es wird die Höhe der Fasern im Glasgefäß zu Beginn gemessen. Danach werden die Fasern
im Gefäß flächig mit einem Gewicht von 100 g belastet. Die Höhe der Fasern im Gefäß
wird erneut gemessen. Nun wird das Gefäß mit den beschwerten Fasern für 24 h bei Raumtemperatur
stehen gelassen. Die Höhe der Fasern wird nach diesen 24 h erneut gemessen. Anschließend
wird das Gewicht entfernt und sofort wieder die Höhe gemessen. Zum Abschluss wird
den Fasern noch 10 min Zeit zum relaxieren gegeben und abschließend die Höhe der Fasern
im Gefäß gemessen.
[0075] Das Verhältnis des Volumens der Fasern zu Versuchsbeginn und zum Ende ergibt das
Rückstellverhalten der Fasern in % wieder.
[0076] Der Füllfasereignungswert wird nun durch Multiplikation des aus dem Hydrophobietest
(A) erhaltenen Aufwertungs-/Abwertungsfaktors mit dem Ergebnis des Füllkraft-Tests
(B) (in %) ermittelt:

[0077] Beispiel: Eine Faser mit einem Rückstellverhalten von 80% und einer Hydrophobie-Note
von 3 (Aufwertungs-/Abwertungsfaktor: 1,0) hat einen Füllfasereignungswert von 80%.
[0078] Die erfindungsgemäße Cellulose eignet sich auch für Anwendungen im Bereich der Medizin,
die eine Saugfähigkeit in gezieltem Ausmaß erfordern.
[0079] Fasern, die an sich hydrophob sind, aber trotzdem aufgrund ihrer hohen inneren Oberfläche
und des freien Volumens eine gewisse Saugfähigkeit für wässrige Flüssigkeiten besitzen,
haben in solchen Anwendungen Vorteile, in denen eine effiziente Trocknung der Fasern
(z.B. für die Wiederverwendung) angestrebt wird.
[0080] Denn die Desorption von rein physikalisch gebundenem Wasser ist weit effizienter
als die Desorption von chemisch gebundenem Wasser, wo Wasserstoffbrückenbindungen
mit den Hydroxylgruppen der Cellulose gelöst werden müssen.
[0081] Dementsprechend betrifft die vorliegende Erfindung auch eine Verwendung der erfindungsgemäßen
Faser als in Hygieneprodukten, zum Beispiel in den sogenannten "Acquisition Distribution
Layers" von Hygieneprodukten.
[0082] Zur Herstellung der erfindungsgemäßen Cellulosefasern eignet sich ein Verfahren,
umfassend den Schritt der Zugabe der hydrophoben Substanz zu einer Spinnlösung (z.B.
Spinnviskose) oder einem Vorläufer davon und das Verspinnen der Spinnlösung (z.b.
Spinnviskose) durch eine Spinndüse, deren Öffnungen einen dem gewünschten mehrschenkeligen
Faserquerschnitt entsprechenden Querschnitt aufweisen.
[0083] Je nach chemischer Natur der hydrophoben Substanz ist ein gewisser Überschuss an
hydrophober Substanz notwendig, um den gewünschten Inkorporationsgehalt zu erreichen.
Im Fall der Zugabe von AKD zu Viskose ergibt sich der gewünschte Gehalt an AKD in
der Faser bei einer Zugabe von beispielsweise 3% bis 15% bezogen auf Viskose.
[0084] Es hat sich gezeigt, dass zur Herstellung der erfindungsgemäßen Faser keine signifikanten
Änderungen der aus dem Stand der Technik bereits bekannten Maßnahmen zur Herstellung
von Cellulosefasern mit insbesondere regelmäßigem Faserquerschnitt einerseits bzw.
zur Herstellung von Fasern, die hydrophobe Substanzen enthalten, andererseits notwendig
sind.
[0085] Rein qualitativ haben sich ein vergleichsweise etwas höherer Einsatz an hydrophober
Substanz und etwas geringere Verstreckungsgrade als günstig erwiesen.
BEISPIELE:
Beispiel 1
[0086] In einer Pilotanlage zur Herstellung von regenerierten Cellulosefasern nach dem Viskoseverfahren
wurde in eine Standard-Viskose AKD eingemischt.
[0087] Herstellung von Fasern mit trilobalem Querschnitt:
Die Spinnlösung wurde über Düsen mit einem trilobalem Querschnitt der Spinnöffnungen
extrudiert, und daraus in üblicher Weise Viskosefasern gewonnen.
[0088] Herstellung von Fasern mit doppelt-trilobalem Querschnitt:
Die Spinnlösung wurde über Düsen extrudiert, deren Öffnungen analog zur
WO 2013/010759 einen Querschnitt aufwiesen, der gedanklich aus zwei trilobalen Querschnitten zusammengesetzt
ist.
[0089] In der folgenden Tabelle sind die jeweiligen Parameter der Herstellung sowie die
Eigenschaften der erhaltenen Fasern dargestellt.
[0090] Die Messung der textilen Daten wie Dehnung und Festigkeit erfolgte auf übliche Weise.
Tabelle 1 - Fasereigenschaften
Querschnittsform |
Trilobal |
Doppel-Trilobal |
Beispiel Nr. |
A |
B |
Ziel-Titer[dtex] |
3,3 |
6,4 |
Schnittlänge[mm] |
40 |
40 |
Additivzugabe[%]* |
4,5 |
8 |
Verstreckung |
12% |
20% |
[0091] FIGUR 1 ist ein Photomicrograph der Fasern mit trilobalem Faserquerschnitt gemäß
Beispiel A.
[0092] FIGUR 2 ist ein Photomicrograph der Fasern mit einem doppelt trilobalem Faserquerschnitt
gemäß Beispiel B.
Vergleichsbeispiel 1
[0093] Es wurde auf herkömmliche Weise eine Viskosefaser mit einem Titer von 1,3 dtex aus
einer Standard-Viskose (ohne Inkorporation von AKD) durch eine Düse mit runden Öffnungen
gesponnen. Die Fasern wurden auf 40 mm Länge geschnitten.
Vergleichsbeispiel 2
[0094] Es wurde eine Faser mit trilobalem Querschnitt, aber ohne Inkorporation von AKD,
mit einem Titer von 3,3 dtex hergestellt. Die Fasern wurden auf 40 mm Länge geschnitten.
Auswertung
[0095] An den Fasern gemäß Beispiel A und B sowie an den Fasern der Vergleichsbeispiele
wurde ein Hydrophobietest wie oben angegeben durchgeführt. Weiters wurde ein Füllkraft-Test
wie oben angegeben durchgeführt.
Tabelle 1 Ergebnis des Hydrophobietests:
Vergleichsbeispiel 1 (Standard-Viskosefaser): |
Note 6 |
Vergleichsbeispiel 2 (Trilobal-Faser ohne AKD): |
Note 6 |
Beispiel A |
Note 2 |
Beispiel B |
Note 1 |
Tabelle 2 - Ergebnis des Füllkrafttests
Beispiel) |
Vergleichsbeispiel 1 |
Vergleichsbeispiel 2 |
Beispiel A |
Beispiel B |
Menge Faser in g |
28 |
28 |
28 |
28 |
28 |
28 |
28 |
Höhe Fasern im Glasgefäß nach 0 h ohne Gewicht in mm |
150 |
130 |
120 |
130 |
105 |
93 |
110 |
Höhe Fasern im Glasgefäß nach 0 h mit Gewicht in mm |
110 |
95 |
91 |
103 |
77 |
72 |
68 |
Höhe Fasern im Glasgefäß nach 24 h mit Gewicht in mm |
82 |
86 |
89 |
98 |
74 |
69 |
63 |
Höhe Fasern im Glasgefäß nach 24 h ohne Gewicht und 0 Min. Wartezeit in mm |
88 |
92 |
98 |
109 |
89 |
78 |
80 |
Höhe Fasern im Glasgefäß nach 24 h ohne Gewicht und 10 Min. Wartezeit in mm |
89 |
95 |
100 |
110 |
94 |
80 |
80 |
Volumen zu Versuchsbeginn [cuin] |
868 |
753 |
695 |
753 |
608 |
538 |
637 |
Volumen zu Versuchsende [cuin] |
515 |
550 |
579 |
637 |
544 |
463 |
463 |
Differenz |
353 |
203 |
116 |
116 |
64 |
75 |
174 |
|
59% |
73% |
83% |
85% |
90% |
86% |
73% |
Mittelwert |
66% |
84% |
88% |
73% |
[0096] Aus den erhaltenen Werten des Hydrophobietests und des Füllkrafttests wurde, wie
ebenfalls oben beschrieben, der Füllfasereignungswert ermittelt.
Tabelle 3 - Füllfasereignungswert
Fasertype |
Note Hydrophobietest |
Wertung Hydrophobietest |
Rückstellverhalten (Fill Power Test) |
Füllfasereignungswert |
Vergleichsbeispiel 1 |
6 |
* 0,25 |
66% |
16,5% |
Vergleichsbeispiel 2 |
6 |
* 0,25 |
84% |
21,0% |
Beispiel A |
2 |
* 1,25 |
88% |
110% |
Beispiel B |
1 |
* 1,5 |
73% |
109,5% |
1. Man-Made-Cellulosefaser, welche eine hydrophobe Substanz ausgewählt aus der Gruppe
bestehend aus Alkylketendimeren, Alkenylketendimeren, Alkylsuccinanhydriden, Alkenylsuccinanhydriden,
Alkylglutarsäureanhydriden, Alkenylglutarsäureanhydriden, Alkylisocyanaten, Alkenylisocyanaten,
Fettsäureanhydriden sowie deren Reaktionsprodukte mit Wasser und/oder Cellulose sowie
Mischungen daraus in der Cellulosematrix inkorporiert aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Faser einen mehrschenkeligen Faserquerschnitt aufweist.
2. Cellulosefaser gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nach dem Viskoseverfahren gewonnene regenerierte Cellulosefaser ist.
3. Cellulosefaser gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der mehrschenkelige Faserquerschnitt ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus:
trilobal, doppelt-trilobal, und Mischungen daraus.
4. Cellulosefaser einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt an hydrophober Substanz in der Faser 0,05 Gew.% bis 3 Gew.%, vorzugsweise
0,1 Gew.% bis 1 Gew.%, bezogen auf Cellulose, beträgt.
5. Cellulosefaser gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die hydrophobe Substanz ein Alkylketendimer (AKD), ein Hydrolyseprodukt von AKD oder
mit Cellulose reagiertes AKD enthält oder ein Alkylketendimer (AKD), Hydrolyseprodukt
von AKD oder mit Cellulose reagiertes AKD, ist.
6. Cellulosefaser gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Titer von 2,5 dtex bis 30 dtex, insbesondere 3 dtex bis 12 dtex, besonders
bevorzugt 3 dtex bis 7 dtex, aufweist.
7. Cellulosefaser gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass ein Teil der Schenkel des mehrschenkeligen Faserquerschnitts, bevorzugt alle Schenkel,
ein Verhältnis von Länge zu Breite von 2:1 bis 10:1 aufweisen.
8. Cellulosefaser gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Füllfasereignungswert, bestimmt wie in der Beschreibung angegeben, von
mindestens 75% aufweist.
9. Verwendung einer Cellulosefaser gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche Füllfaser,
insbesondere insbesondere als Daunenersatz bei Winterbekleidung, in Schlafsäcken oder
Kissen, als Dämmstoff im Bauwesen und in Hygieneprodukten, insbesondere in Acquisition
Distribution Layers.