[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bewertung von Zuständen von Überspannungsableitern
anhand ihres Kriech- und Leckstroms.
[0002] Ein Überspannungsableiter, auch als Überspannungsschutzeinrichtung bezeichnet, wird
in elektrischen Energieübertragungs- und -verteilungssystemen eingesetzt, um an diese
Systeme angeschlossene Geräte vor Schäden durch Überspannungen durch Blitzeinwirkung
oder Schaltvorgänge im Netz zu schützen.
[0003] In der Regel verwendet ein Überspannungsableiter Varistoren, um seine Funktion zu
erfüllen. Varistoren sind Bauteile aus Zink-Oxid mit nicht linearer elektrischer Widerstandseigenschaft.
Das bedeutet, dass ihr Widerstand beim Überschreiten eines Schwellwerts sprunghaft
abnimmt. Diese Eigenschaft ermöglicht es dem Überspannungsableiter, die Überspannung
schnell und effektiv zur Erde zu leiten. Der Überspannungsableiter ist dazu in der
Regel zwischen Leiter und Erde verbunden. Im Falle einer Überspannung leitet der Überspannungsableiter
die überschüssige Energie sicher zur Erde ab und begrenzt dadurch die Netzspannung
auf einen Wert, der die Isolationswerte des angeschlossenen Energietechnik nicht überschreitet,
während er die Leitungen bei normalen Betriebsspannungen von der Erde isoliert.
[0004] Überspannungsableiter werden so ausgelegt, dass sie im normalen Betrieb unterhalb
ihrer sogenannten maximalen dauerhaften Betriebsspannung (U
c) betrieben werden und damit ein hochohmiges Verhalten aufweisen, wodurch nur ein
kleiner sogenannter Leckstrom durch den Aktivteil des Überspannungsableiters fließt.
Überspannungsableiter sind in der Regel so dimensioniert, dass der Leckstrom im normalen
Betrieb keine zu große Verlustleistung verursacht oder einen gewissen Grenzwert nicht
überschreitet.
[0005] Allerdings kann eine kurzzeitige oder kontinuierliche Überlastung des Überspannungsableiters,
eine fehlerhafte Konstruktion der Feldsteuerelemente oder die Verwendung von nicht
langzeitstabilen Zink-Oxid Varistoren zu einer Degradation der Varistoren führen,
wobei sich die U-I-Kennlinie des Überspannungsableiters sprungartig oder auch sukzessiv
absenkt und im neuen Arbeitspunkt damit ein höherer Leckstrom fließt. Die Verlustleistung
wird in Form von Wärmeenergie vom Überspannungsableitergehäuse ausgestrahlt. Wenn
die durch kontinuierlichen Leckstrom und durch zusätzliche transiente Überspannungen
in den Ableiter eingetragene Elektrische Energie die vom Ableiter nach außen abstrahlbare
Wärmeenergie überschreitet, wird dieser thermisch instabil und versagt elektrisch.
Dies ist ein Fehlerfall, der nur selten auftritt.
[0006] Die meisten Ausfälle von Überspannungsableitern sind auf das Eindringen von Feuchtigkeit
zurückzuführen. Ein solches Eindringen erfolgt in der Regel entweder durch defekte
Dichtungssysteme bei Überspannungsableitern mit Gasvolumen oder, wie es bei direkt
umgossenen Polymerableitern oder anderen Ableitern ohne Gasvolumen der Fall ist, direkt
durch die Grenzschicht zwischen den unterschiedlichen Materialien. Die möglichen Ursachen
für einen solchen Ausfall sind beispielsweise Fehler bei der Herstellung des Produkts,
Materialermüdung, oder konstruktive Schwachstellen. Bei Überspannungsableitern mit
eingeschlossenem Gasvolumen ist es in der Regel ein langwieriger Prozess, bei dem
die Feuchtigkeit aufgrund von einem alternierenden Druckunterschied zwischen dem Innen-
und Außenraum des Überspannungsableiters durch eine Leckage in das Innere gelangt.
Wenn die Temperatur im feuchten Innenraum den Taupunkt unterschreitet, kondensiert
Feuchtigkeit entlang des Aktivteils oder entlang des inneren Überspannungsableitergehäuses.
Dies kann zu Überschlägen und einer Kriechstrombildung im Inneren des Gehäuses führen,
was schlussendlich zu einem vollständigen Kurzschluss im Inneren und dadurch zum schlagartigen
Versagen des Ableiters führen kann.
[0007] Eine weitere häufige Ausfallart ist eine durch Oberflächenverschmutzung verursachte
Verschlechterung des Isolationsvermögens des Ableitergehäuses in Form von erhöhter
Oberflächenleitfähigkeit, Kriechspurbildung und Erosion. Dies ist ein häufiges Problem
bei Überspannungsableitern, die in sogenannten Verschmutzungsgebieten eingesetzt werden.
Diese Überspannungsableiter weisen nach einer gewissen Zeit Ablagerungen von leitfähigen
Sedimenten auf. Dadurch bilden sich Kriechwegströme und zunächst partielle Überschläge
entlang der Gehäuseoberfläche, die das Gehäuse des Überspannungsableiters beschädigen
können oder die Hydrophobieeingenschaften von Silikonisolierten Überspannungsableitern
verschlechtern. Außerdem kann durch nur teilweise leitfähige Gehäuseabschnitte ein
hohes radiales Feld zwischen Varistorsäule und der äußeren Verschmutzungsschicht entstehen
und Teilentladungen und damit Beschädigungenim Gehäuseinneren verursachen. Wenn diese
Kontamination frühzeitig erkannt wird, kann sie durch Reinigen der Oberfläche behoben
werden. Andernfalls könnte die Verschmutzung zu einem äußeren Überschlag und einer
dauerhaften Beschädigung des Überspannungsableiters führen.
[0008] Unter Berücksichtigung der vielfältigen Fehlerursachen im Betrieb von Überspannungsableitern
stehen die Betreiber von energietechnischen Anlagen vor der Herausforderung, mit alternden
Geräten umzugehen. Dadurch rückt die Thematik "Asset Life Cycle Management" in den
Fokus der Energiebranche. Um dieser Herausforderung zu begegnen, bieten Hersteller
von energietechnischen Geräten Überwachungssysteme an, welche speziell für deren Produkte
entwickelt worden sind. Beispielsweise offenbart
DE 10 2015 013 433.7 ein derartiges Überwachungssystem für Überspannungsableiter. Ein ähnliches Konzept
wird in:
https://p3.aprimocdn.net/siemensenergy/fb8f300d-debc-415c-87e6-b03b01315915/Sensarrester-flyer-with-Frost-Sullivan-Award-pdf
Original%20file.pdf
gezeigt.
[0009] Diese Überwachungssysteme überwachen eine Mehrzahl von Geräten, wie beispielsweise
Transformatoren, Schalter, Trenner, Wandler, Leitungen, Isolatoren und Überspannungsableiter,
was zu einer großen Ansammlung an Daten führt. Diese Daten sind jedoch in der Regel
so abstrakt, dass es erforderlich wird, für jedes Einsatzgebiet einen Spezialisten
für deren Auswertung zu haben.
[0010] Die große Menge an Daten und Erfahrungen, insbesondere die Messdaten von Überspannungsableitern
erfordern eine sorgfältige Bewertung, da der Informationsgehalt nicht ohne Weiteres
ersichtlich ist. Viele Betreiber von energietechnischen Anlagen sind daher nicht in
der Lage, den Zustand oder die verbleibende Lebensdauer solcher Geräte zu beurteilen.
[0011] Erschwerend kommt hinzu, dass ein Betreiber eines Energienetzes für gewöhnlich eine
große Zahl von Überspannunsgableitern unterschiedlichster Bauart, verschiedenster
Baujahre und von unterschiedlichen Herstellern verwendet. Einen Überblick über verschiedene
grundlegende Bauweisen findet sich etwa in:
https://cache.industry.siemens.com/dl/files/132/109747132/att 918329/v1/Metalloxid-Ableiter
in Hochspannungsnetzen - Grundlagen.pdf.
[0012] Bekannte Bewältigungsstrategien erfordern, dass Alarmierungen in bestehende Systeme
integriert werden, welche bei Überschreitung der typischen Leckstromgrenzen des Überspannungsableiters
Benachrichtigungen verschicken. Für komplex auftretende Muster jedoch, die Prognosen
zu künftigen Fehlern ermöglichen könnten, muss sich der Betreiber an einen Spezialisten
wenden, um manuelle Auswertungen über den Zustand des Überspannungsableiters zu beauftragen.
[0013] Vor diesem Hintergrund ist die Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren vorzuschlagen,
mit dem die gesammelten Daten genutzt werden können, um Betriebszustände automatisch
zu bewerten, um das weitere Verhalten von Überspannungsableitern besser vorauszusagen
zu können, rechtzeitig zu Wwarten oder auszutauschen und eine Beschädigung oder einen
plötzlichen Ausfall aufgrund eines Defekts eines Überspannungsableiters zu verhindern.
[0014] Die Aufgabe wird gelöst durch die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche.
[0015] Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung wird diese Aufgabe gelöst durch ein computerimplementiertes
Verfahren zur Einschätzung des Betriebszustands eines Überspannungsableiters, wobei
das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
Bereitstellen von Messwerten zumindest eines Überspannungsableiters;
Standardisieren der bereitgestellten Messwerte;
Extrahieren von Kenngrößen zur Charakterisierung des zumindest einen Überspannungsableiters
aus den standardisierten Messwerten;
Ermitteln eines Zustands des zumindest einen Überspannungsableiters unter Verwendung
eines Algorithmus des maschinellen Lernens;
Ausgeben einer Handlungsempfehlung für den Betrieb des zumindest einen Überspannunsgableiters.
[0016] Bei den Messwerten, etwa dem Spitzenwert des Leckstroms und/oder dem auf der dritte
Harmonischen des Leckstroms basierenden resistiven Stroms, kann es sich vorzugsweise
um segmentierte Zeitreihen handeln, die an einem Überspannungsableiter unter Verwendung
eines entsprechenden Sensors, insbesondere einem Strommessgerät, ermittelt werden.
Die so gewonnenen Daten in den gemessenen Zeitreihen können besonders bevorzugt in
angemessenen Fenstern segmentiert werden, um später für eine fensterbasierte Analyse
verwendet zu werden.
[0017] Die Messwerte der verschiedenen Überspannungsableiter können unterschiedliche Größenordnungen
haben, was auf den überwachten Überspannungsableiter und den jeweiligen Anwendungsfall
zurückzuführen ist. Für eine bessere Interpretierbarkeit und Vergleichbarkeit der
Daten werden die Signale standardisiert. Zur Standardisierung kann beispielsweise
eine z-Scope-Standardisierungsmethode verwendet werden, mit der die Messwerte auf
eine Verteilung mit einem Mittelwert von 0 und einer Standardabweichung von 1 transformiert
werden. Das dynamische Verhalten der Daten bleibt dabei erhalten, die Einheit wird
dimensionslos.
[0018] Unter Umständen kann der Standardisierung eine Normalisierung vorausgehen. Der Hauptunterschied
zwischen Normalisierung und Standardisierung besteht darin, dass bei der Normalisierung
die Daten auf eine bestimmte Skala gebracht werden. Das Ziel dieser Methode ist es,
die Daten so anzupassen, dass die Daten den gleichen Wertebereich haben. Dies ermöglicht
den Vergleich zwischen Daten mit unterschiedlichen Skalen oder Einheiten.
[0019] Die Standardisierung hingegen transformiert die Daten auf eine Standardnormalverteilung.
Dadurch wird der Mittelwert entfernt und die Daten auf die Einheitsvarianz skaliert.
Das Ziel der Standardisierung ist es, die Daten in eine standardisierte Form zu bringen,
die es ermöglicht, den Bereich der Daten beizubehalten und eine gleiche Verteilung
der Werte zu haben. Dadurch werden die Messwerte unterschiedlicher Überspannungsableiter
untereinander vergleichbar.
[0020] Aus den standardisierten Daten werden dann Kenngrößen extrahiert, anhand derer sich
das Verhalten des Überspannungsableiters bewerten lässt. Mithilfe von diversen Methoden
zur Extraktion von Merkmalen kann leicht eine große Anzahl von Merkmalen erhalten
werden, die Vorteile und Nachteile mit sich bringen. Einerseits erhöht sich durch
eine hohe Anzahl der verwendeten Merkmale die Genauigkeit und Tiefe der Analyse. Andererseits
können die verschiedenen Merkmale häufig redundante Informationen enthalten, was sich
negativ auf das Anlernen von Lernalgorithmen auswirken kann. Die Modelle können dadurch
instabil werden.
[0021] Entsprechend der verschiedenen Muster in den Messwerten, können verschiedene Merkmale
aus den Messwerten extrahiert werden. Die in den Messwerten gefundenen Muster können
grob in wetterbedingte Signalmuster, netzbedingte Muster und Überspannungsableiterfehlverhalten
unterteilt werden. Wetterbedingte und netzbedingte Muster sind unerheblich für die
Auswertung des Ableiterzustands.
[0022] Im Falle einer Netzunterbrechung aufgrund von Ausfällen oder Wartungsarbeiten weisen
die Leckstromwerte in der Regel einen Wert nahe 0 µA auf. Wenn ein Erdschluss in einem
Netz mit isoliertem Nullleiter (Sternschaltung) auftritt, wird die betroffene Leitung
auf nahezu Erdpotenzial gezogen, wodurch die Spannung am Überspannungsableiter erheblich
abfällt und der Leckstrom sich verringert.
[0023] Die beiden anderen Phasen des Netzes nehmen den verketteten Spannungswert an, was
zu einem Anstieg des Leckstroms führt, wie es ebenso beispielsweise bei wetterbedingten
Signalmustern zu beobachten ist. Die Überspannungsableiter sind in der Regel im Freien
installiert und werden von verschiedenen Wetterbedingungen wie Regen, Nebel, Feuchtigkeit
und Sonneneinstrahlung beeinflusst. Beide Phänomene zeigen ähnliche Muster in den
Messwerten, sind aber nicht abhängig vom Zustand des Ableiters und müssen bereits
vor der Extraktion der Merkmale von den Nutzdaten getrennt werden.
[0024] Die Überspannungsableiter mit Fehlverhalten zeigen je nach Art und Ausprägung des
Fehlers unterschiedliche Muster auf. Das Fehlverhalten kann beispielsweise in stark
periodisch pulsierte Signalmuster, sehr stark stochastisch schwankende Signalmuster
oder einen Trendanstieg des Signals unterteilt werden.
[0025] Das Hauptziel der Extraktion von Kenngrößen besteht darin, die große Datenmenge durch
wenige aussagekräftige extrahierte Kenngrößen zu ersetzen, die alle notwendigen Informationen
zur Lösung des untersuchten Problems enthalten. Aus der verfügbaren Datenbasis werden
daher die Kenngrößen extrahiert, die den Überspannungsableiter am besten charakterisieren.
[0026] Sind die Kenngrößen für den Überspannungsableiter ermittelt, wird daraus ein Zustand
des Überspannungsableiters ermittelt. Dazu wird ein Algorithmus des maschinellen Lernens
verwendet.
[0027] Ein Algorithmus des maschinellen Lernens kann verschiedene Formen annehmen, wie lineare
Modelle, Entscheidungsbäume, Support Vector Machines, neuronale Netzwerke und viele
andere. Er wird durch das Lernen aus Trainingsdaten optimiert, indem er Muster und
Regeln erkennt, um die bestmöglichen Vorhersagen oder Klassifizierungen für neue Daten
zu treffen.
[0028] Die Effektivität eines Algorithmus des maschinellen Lernens hängt von verschiedenen
Faktoren ab, darunter sind die Qualität und Menge der Trainingsdaten, die Wahl des
Modells, die Modellkonfiguration und die Bewertung des Modells anhand von Evaluationsmetriken.
Das Modell kann kontinuierlich verbessert und optimiert werden, um die Genauigkeit
und Leistung zu maximieren.
[0029] Das Modell der linearen Regression nimmt eine lineare Beziehung zwischen einer abhängigen
Variable und einer oder mehreren unabhängigen Variablen an und wird verwendet, um
Vorhersagen zu kontinuierlichen Werten zu treffen.
[0030] Support Vector Machines (SVM) sind ein Modell, das häufig zur Klassifizierung oder
Regression verwendet wird und Muster in den Daten erkennt. Es sucht nach der optimalen
Trennung zwischen verschiedenen Klassen oder versucht, eine kontinuierliche Funktion
an die Daten anzupassen.
[0031] Entscheidungsbäume sind Modelle, die Entscheidungsregeln in Form eines Baumdiagramms
erstellen. Sie dienen dazu, Daten nach Merkmalen zu unterteilen und Vorhersagen oder
Klassifizierungen zu ermöglichen.
[0032] Naive Bayes ist ein probabilistisches Modell, das auf dem Bayes-Theorem basiert und
zur Klassifizierung verwendet wird. Es geht davon aus, dass Merkmale unabhängig voneinander
sind, und berechnet die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Klasse basierend auf den
gegebenen Merkmalen.
[0033] Neuronale Netzwerke betreffen Modelle, die bevorzugt für die Verarbeitung von Bildern
oder anderen gitterbasierten Daten verwendet werden. Die Architektur eines neuronalen
Netzwerks umfasst mehrere Knoten, Neuronen oder Nodes, die in Schichten angeordnet
sind. Mehrere Schichten können ferner als Unternetzwerke ausgebildet sein. Unternetzwerke
können sich ferner eine oder mehrere Schichten teilen, um ihre Aufgaben mit den gleichen
Ausgangswerten zu lösen. Danach kann jedes Unternetzwerk eigene Schichten besitzen,
die nur der Lösung der spezifischen Aufgabe des Unternetzwerks dienen.
[0034] Vorzugsweise werden für die Ausführung des vorgeschlagenen Verfahrens Algorithmen
des maschinellen Lernens verwendet, die auf Clustering-Verfahren basieren. Beim Clustering
werden die Daten in Gruppen eingeteilt, die sich am ähnlichsten sind. Dies kann insbesondere
ein Modell sein, dass eine partitionierende Clusteranalyse durchführt. Diese zielt
darauf ab, dass die Daten des Trainingsdatensatzes in eine von Beginn an festgelegte
Anzahl an Gruppen aufgeteilt werden. Diese Aufteilung wird so lange iterativ optimiert,
bis eine Zielfunktion, wie der mittlere quadratische Fehler, ein Optimum erreicht.
Die verbreiteten Methoden dieser Form sind beispielsweise das K-means-, K-medoids-
und CLARANS-Verfahren.
[0035] Aus dem Zustand des Überspannungsableiters kann eine Empfehlung für den weiteren
Betrieb des Ableiters abgeleitet werden. Ein Überspannungsableiter, der beispielsweise
in eine Klasse eingeteilt wird, die eine starke Verwitterung repräsentiert, kann beispielsweise
als wenig zuverlässig eingestuft werden. Der Betreiber kann den Überspannungsableiter
dann warten, reparieren oder austauschen, um einen Schaden oder einen ungeplanten
Ausfall des Überspannungsableiters zu verhindern. In einem anderen Fall kann ein Überspannungsableiter
beispielsweise in eine klare Fehler Klasse eingeteilt werden, wobei die Ausprägung
oder Schwere des Fehlers nur gering ist, sodass die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall
ebenso gering ist. Für den Betreiber ergeben sich hieraus keine direkten Handlungsableitungen
und der Überspannungsableitung kann weiter im Betrieb bleiben.
[0036] Vorzugsweise lassen sich Überspannungsableiter in unterschiedliche Klassen einteilen,
die wetterbedingten Zuständen, nutzungsbedingten Zuständen und Fehlerzuständen zugeordnet
sind. In Ausführungsformen können weitere Unterklassen verwendet werden, um den Grad
des jeweiligen Zustands näher zu beschreiben.
[0037] In einer Ausführungsform geht dem Standardisieren der bereitgestellten Messwerte
ein Glätten der bereitgestellten Messwerte voraus.
[0038] Das Glätten der Messwerte bewirkt in vorteilhafter Weise, dass der Einfluss von Extremwerten
auf die restlichen Messwerte minimiert wird.
[0039] In einer Ausführungsform geht dem Standardisieren der bereitgestellten Messwerte
ein Entfernen der "Aus-Zustände" aus den bereitgestellten Messwerten voraus.
[0040] Die Aus-Zustände zeigen die Zeiträume, in denen die Leitungen spannungsfrei sind
oder es zu einem Erdungsfehler gekommen ist, wodurch der Leckstrom nahezu 0 ist. Diese
geringen Werte können beispielsweise mithilfe der sogenannten "Box-Plot"-Methode identifiziert
und aus den Messwerten entfernt werden.
[0041] Aus den Messwerten der Aus-Zustände kann keine Information bezüglich des Zustands
des Überspannungsableiters erlangt werden. Die Messwerte um die Aus-Zustände zu reduzieren,
verringert daher den Rechenaufwand für den Algorithmus des maschinellen Lernens und
erhöht die Effizienz, mit der die Kenngrößen ermittelt werden.
[0042] In einer Ausführungsform werden die Messdaten durch Messen des Leckstroms im Überspannungsableiter
erfasst, wobei aus dem Leckstrom ein Spitzenstrom und ein resistiver Strom ermittelt
werden.
[0043] Der Leckstrom in einem Überspannungsableiter besteht aus einer sinusförmigen kapazitiven
Komponente, welche um -90° zum Spannungssignal phasenverschoben ist, und einer resistiven
Komponente, welche zum Spannungssignal phasengleich und in Form eines periodischen
Impulssignals ist.
[0044] Diese beiden Komponenten überlagern sich zu einem gesamten Leckstrom, wobei zwei
wichtige Kerngrößen aus dem Leckstrom extrahiert werden können. Der Spitzenwert des
Leckstroms und die dritte Harmonische bezogen auf die Netzfrequenz von 50 oder 60
Herz. Der Spitzenwert des Leckstroms richtet sich immer nach der überwiegenden Stromkomponente,
kapazitiv oder resistiv. Bei niedrigen Spannungsbelastungen (U < U
c) nimmt der Spitzenstrom den Spitzenwert der kapazitiven Komponente an. Bei höheren
Spannungsbelastungen, hauptsächlich oberhalb der Nennspannung (U
r) orientiert sich der Spitzenstrom am Spitzenwert der resistiven Komponente.
[0045] Der resistive Strom ist für die Bewertung des Überspannungsableiters im Verhältnis
zum kapazitiven Strom besonders aussagekräftig, da dieser sich empfindlich bei einer
Verschlechterung der Stromspannungskennlinie des Überspannungsableiters verändert.
Dabei verändert sich in einem solchen Fall der kapazitive Strom nicht signifikant.
[0046] Für eine optimale Überwachung des Zustands eines Überspannungsableiters ist es jedoch
vorteilhaft, beide Komponenten des Leckstroms im Überspannungsableiter zu überwachen.
[0047] Eine Methode zur Messung des Leckstroms beruht darauf, dass durch die nicht lineare
Stromspannungskennlinie des Überspannungsableiters Oberschwingungen im Leckstrom erzeugt
werden. Der Anteil an Oberschwingungen im Leckstrom hängt stark von dem Scheitelwert
des resistiven Stroms und dem Arbeitspunkt ab und variiert somit mit der Spannung
und der Temperatur des Überspannungsableiters. Erfahrungsgemäß lässt sich der resistive
Strom durch die dritte Harmonische mittels eines Faktors beschreiben. Beispielsweise
kann der Gesamt-Leckstrom periodisch - etwa einmal pro Stunde - aus den Messwerten
über 10 Wellenlängen bei der üblichen Netzspannung von 50 oder 60 Herz gewonnen werden.
[0048] Für die Auswertung des resistiven Stroms ist die dritte harmonische Oberwelle, die
gebräuchlichste. Diese bietet die beste Messempfindlichkeit.
[0049] In vorteilhafter Weise bildet der Leckstrom mit den Komponenten Spitzenstrom und
resistivem Strom eine relativ einfach zu bestimmende Messgröße, aus der gute Kenngrößen
ableitbar sind.
[0050] In einer Ausführungsform umfasst das Extrahieren der Kenngrößen eine Transformation
der standardisierten Messwerte in ein Frequenzspektrum, wobei die Kenngrößen diskrete
Spektralanteile aus dem Frequenzspektrum und einen Trend des Frequenzspektrums umfassen.
[0051] Wellenförmige Daten können im Zeitbereich, im Frequenzbereich und im Zeit-Frequenzbereich
analysiert werden. Jeder dieser Ansätze bietet unterschiedliche Einblicke und ermöglicht
es, verschiedene Aspekte der Daten zu untersuchen.
[0052] Die Analyse im Zeitbereich betrachtet die Messwerte direkt in ihrem zeitlichen Verlauf.
Dabei wird das Signalverhalten anhand von Parametern wie Muster, Trend, Periodizität
und anderen wichtigen Signaleigenschaften wie Stationarität oder Nicht-Stationarität
untersucht. Während stationäre Signale durch die unveränderlichen statistischen Eigenschaften,
wie Mittelwert, Varianz und Autokorrelation, im Laufe der Zeit gekennzeichnet sind,
ändern sich die statistischen Eigenschaften eines nicht stationären Signals mit der
Zeit.
[0053] Viele Verfahren der Zeitreihenanalyse sind nur für stationäre Messreihen geeignet.
Die Signale, die mittels des vorgeschlagenen Verfahrens analysiert werden, sind unter
Umständen jedoch nicht stationär, da die überwachten Überspannungsableiter vielen
äußerlichen Einflüssen ausgesetzt werden, welche Auswirkung auf ihre Signalmuster
haben.
[0054] Nichtstationäre Signale können durch eine fensterbasierte Betrachtung als stationär
behandelt werden. Die Anwendung von speziellen Verfahren kann die Signale in stationäre
Signale umwandeln. Die Analyse im Zeitbereich ist besonders geeignet, um Muster oder
Änderungen im dynamischen Verhalten der Messwertfolge über in Abhängigkeit von der
Zeit zu erkennen. So ist es etwa möglich, punktuelle Anomalie oder Schwellenwertänderung
zu identifizieren.
[0055] Beispielsweise ist das Verhalten eine Überspannungsableiters vom Tagesverlauf beeinflusst,
also den Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht.
[0056] Die Frequenzbereichsanalyse betrachtet die Frequenzkomponenten einer Zeitreihe, indem
sie das Signal in seine spektralen Inhalte zerlegt. Hierbei werden die Amplituden,
Phasenbeziehungen und Hauptfrequenzen des Signals analysiert.
[0057] Es gibt Methoden, um Signale vom Zeitbereich in den Frequenzbereich und umgekehrt
zu transformieren. Die schnelle Fourier-Transformation FFT) ist eine häufig verwendete
Methode. Diese Methode ermöglicht die Untersuchung der frequenzspezifischen Energie-
und Phasendynamik eines Signals oder kann als Hilfsmittel für verschiedene Filter-
oder Faltungsalgorithmen verwendet werden.
[0058] Die FFT eignet sich gut für stationäre Signale, da die relevanten Merkmale des Signals
im Zeitbereich abgeleitet werden können. Nichtstationäre Signale haben Leistungsspektren,
die schwer zu interpretiert sein können, wofür speziell die klassische Funktion der
FFT stark eingeschränkt ist. Die Welch-Methode hingegen teilt das nichtstationäre
Signal in aufeinanderfolgende Fenster, bildet die Fourier-Transformation für jedes
Fenster und führt die Mittelwertbildung der Leistungsspektren durch.
[0059] Dadurch, dass die Messwerte von unterschiedlichen Überspannungsableitern komplizierte
Signale umfassen können, deren dynamisches Verhalten sich im Laufe der Zeit aufgrund
von auftretenden Fehlerzuständen oder Wettereinflüssen komplett verändert, ist eine
ausschließliche Betrachtung im Zeitbereich nicht immer ausreichend. Zur Ergänzung
können daher Methoden implementiert werden, welche das gesamte dynamische Verhalten
und infolgedessen ihre Veränderungen erfassen. Die FFT und die DWT sind geeignete
Verfahren, um dieses dynamische Verhalten im Frequenzraum abzubilden.
[0060] Zur Charakterisierung von Überspannungsleitern können insbesondere ein diskreter
Spektralanteil mit 1/Tag und/oder mit 2/Tag oder eine Woche im Spitzenstrom verwendet
werden. Auch Jahreszeitliche Betrachtungen über längere Zeiträume sind möglich.
[0061] Eine Betonung des Spektralanteils von 1/Tag zeugt von einem Zusammenhang mit täglichen
Verläufen, beispielsweise Betauung am Morgen sowie die dadurch entstehenden hohen
Oberflächenströme. Oberflächenströme sind regelmäßig durch Feuchtigkeit bedingt und
wachsen mit der Verschmutzungsschicht. Außerdem kann ein normaler Betriebszustand
auch durch das 1/T Verhalten geprägt sein, weil die Netzspannung meist einen ähnlichen
lastabhängigen Tagesverlauf nimmt.
[0062] Der diskrete Spektralanteil mit 2/Tag im Spitzenstrom kann von einem Zusammenhang
mit täglichen Verläufen, beispielsweise Verschmutzung und der Betauung am Morgen sowie
der Kondensation am Abend und den dadurch ausgelösten hohen Oberflächenstrom zeugen.
[0063] Ferner können höhere Harmonische der genannten diskreten Spektralanteile des Spitzenstroms
verwendet werden. Diese höheren Harmonischen können saisonales wiederkehrendes Verhalten
beispielsweise im Tagesverlauf abbilden. Liegt dabei kein Rauschen in höheren Spektralbereichen
und dadurch auch kein stochastisches Verhalten, also ein 1/f Verhalten vor, kann dies
als das Vorhandensein von wiederkehrenden Umwelteinflüssen, die an eine Uhrzeit gekoppelt
sind, interpretiert werden, etwa starke Regenfälle in Monsungebieten oder ähnliches.
[0064] In einer Ausführungsform wird eine Gegenüberstellung der Signalenergie in einem oder
mehreren niedrigen Frequenzbereichen der Messwertreihe gegen ein oder mehrere höhere
Frequenzbereiche vorgenommen und somit ermittelt, ob Stochastisches Verhalten vorliegt
oder nicht.
[0065] In einer Ausführungsform umfassen die Kenngrößen ferner ein Signal-zu-Rauschverhältnis
im Frequenzspektrum, insbesondere in einem definierten Abschnitt des Frequenzspektrums.
[0066] In einer Ausführungsform umfassen die Kenngrößen ferner einen Trend des Frequenzspektrums.
[0067] Eine Steigung im Bereich m ≈ 0 im Spektrum kann sich zeigen, wenn das Signal stochastisch
verrauscht ist und alle Spektralkomponenten etwa gleich gewichtet sind. Dieses Verhalten
kann insbesondere dann bei Überspannungsableitern beobachtet werden, die Feuchtigkeit
im Inneren haben. Das liegt daran, dass kleine leitfähige Pfade entstehen, die aufgrund
des hohen Stromflusses gleich wieder abtrocknen und das verdampfte Wasser sich an
anderer Stelle niederschlägt.
[0068] In einer Ausführungsform umfassen die Kenngrößen ferner einen Trend im Zeitbereich.
[0069] Ein steigender Trend m > 0 im Zeitbereich zeigt eine sich verstärkende Dynamik im
Signal oder einen kontinuierlichen Anstieg des Spitzenstroms und des resistiven Stroms
an. Alle Fehlerarten können sich im Zeitbereich mit steigendem Trend äußern. Ein steigender
Trend ist daher ein Anzeichen für das Vorliegen eines Fehlers. Diese Kenngröße ist
jedoch weniger geeignet, um einen speziellen Fehler zu identifizieren. Davon ausgenommen
kann jedoch eine fortgeschrittene Alterung des Überspannungsableiters sein, weil hierbei
die Werte kontinuierlich anschwellen und das Signal wenig Energie hat.
[0070] In einer Ausführungsform umfassen die Kenngrößen ferner einen Korrelationswert zwischen
dem Spitzenstrom und dem resistiven Strom im Zeitbereich.
[0071] Die Erfinder haben experimentell festgestellt, dass die Korrelation zwischen dem
Spitzenstrom und dem resistiven Strom sowie die Analyse dieser beiden Signale im Frequenzbereich,
zielführend war, um den Zustand des Überspannungsableiters zu identifizieren.
[0072] Die Korrelation zwischen dem Spitzenstrom und dem resistivem Strom ist groß, wenn
starke Oberflächenströme auftreten. Der aus den dritten harmonischen Leckstromkomponenten
extrahierte resistive Anteil des Leckstroms steigt gleichermaßen, da durch kurzzeitige
Trockenband-Entladungen harmonische Anteile zum Strom hinzugefügt werden. Dies gilt
allerdings auch für innere Ströme durch Feuchtigkeitseintritt, bei denen partiell
trockene Flächen überschlagen. Die daraus resultierenden partiellen Kurzschlüsse der
Varistorblöcke erzeugen hohe Spitzen im resistiven Strom, die den kapazitiven Stromanteil
übersteigen und damit den Spitzenstrom bestimmen. Eine starke Korrelation zwischen
dem resistiven Strom und dem Spitzenstrom, insbesondere größer als 0,5, kann eine
starke Verschmutzung oder einen starken Feuchtigkeitseintritt bedeuten. Bei einer
geringen Korrelation, insbesondere nahe 0, kann auf keine oder nur leichte Oberflächenverschmutzung
oder das Fehlen von Fehlverhalten geschlossen werden.
[0073] Die Bestimmung des Korrelationskoeffizients zwischen dem Spitzenstrom und dem resistiven
Strom im segmentierten Fenster verwendet werden. Beispielsweise kann hierfür der Pearson-Korrelationskoeffizient
verwendet werden.
[0074] Die beschriebenen Kenngrößen lassen sich vorzugsweise gemeinsam und/oder in Gruppen
verwenden.
[0075] In einer Ausführungsform wird der Leckstrom im Betrieb des Überspannungsableiters
ermittelt.
[0076] In vorteilhafter Weise wird dadurch ermöglicht, dass die Überspannungsableiter, vorzugsweise
in regelmäßigen Abständen, auf Fehlverhalten untersucht und entsprechend der Bewertung
gewartet, repariert oder ausgetauscht werden. Die Überspannungsableiter können dazu
mit Geräten ausgestattet sein, die die Messwerte an ein zentrales Auswertungssystem
übermitteln.
[0077] In einer weiteren Ausführungsform können die Messwerte über einen definierten Zeitraum
gesammelt und anschließend gebündelt ausgewertet werden. Hierdurch kann die kontinuierliche
Übertragung der Messwerte an das zentrale Auswertungssystem auf einige wenige, beispielsweise
den Transport von Datenträgern gestützte, Übertragungen beschränkt werden.
[0078] In einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein Computerprogramm mit Programmcode,
um ein Verfahren wie voranstehend beschrieben auszuführen, wenn das Computerprogramm
auf einem Computer ausgeführt wird.
[0079] In einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung einen computerlesbaren Datenträger
mit Programmcode eines Computerprogramms, um ein Verfahren wie voranstehend beschrieben
auszuführen, wenn das Computerprogramm auf einem Computer ausgeführt wird.
[0080] In einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein System zur Bewertung eines Verhaltens
eines Überspannungsableiters, wobei das System ausgebildet ist, ein Verfahren wie
voranstehend beschrieben auszuführen.
[0081] Das System kann beispielsweise als Webserver mit einer Webanwendung, als lokales
Rechensystem oder als tragbares Gerät zur Überprüfung der Überspannungsableiter vor
Ort ausgeführt sein.
[0082] Die beschriebenen Ausgestaltungen und Weiterbildungen lassen sich beliebig miteinander
kombinieren.
[0083] Die beiliegenden Zeichnungen sollen ein weiteres Verständnis der Ausführungsformen
der Erfindung vermitteln. Sie veranschaulichen Ausführungsformen und dienen im Zusammenhang
mit der Beschreibung der Erklärung von Prinzipien und Konzepten der Erfindung.
[0084] Es zeigen:
- Fig. 1
- schematisch den Ablauf eines Verfahrens gemäß einer Ausführungsform; und
- Fig. 2
- schematisch den Ablauf eines Verfahrens gemäß einer weiteren Ausführungsform.
[0085] Fig. 1 zeigt schematisch einen vereinfachten Ablauf des Verfahrens gemäß einer Ausführungsform.
[0086] Das Verfahren beginnt in Schritt S10, indem die Messwerte eines Überspannungsableiters
bereitgestellt werden. Die Messwerte können kontinuierlich erfasst und ausgewertet
oder vorangehend gesammelt und gebündelt ausgewertet werden. Beispielsweise können
die Messwerte über ein Netzwerk, insbesondere ein Funknetzwerk von den Überspannungsableitern
an eine Datenverarbeitungsanlage übertragen werden. Die Datenverarbeitungsanlage kann
bei dem Betreiber der energietechnischen Anlage oder beim Hersteller verortet sein.
Die primären Messwerte sind Strommesswerte mit einer Auflösung weit unterhalb der
Netzfrequenz. Diese primären Messwerte werden über eine hinreichend lange Zeit gesammelt,
beispielsweise 10 Wellenzüge, und gespeichert. Die Gewinnung der primären Messwerte
kann kontinuierlich erfolgen, bevorzugt ist aber, diese Werte in periodischen Abständen
zu messen, so dass ein Satz von primären Messwerten etwa einmal pro Stunde oder einmal
alle 15 Minuten erhalten wird.
[0087] Aus einem Satz der primären Messwerte wird dann, bevorzugt im Messgerät selbst, der
Spitzenstrom, die dritte Harmonische des Leckstroms (im Folgenden der Einfachheit
halber oft "Leckstrom" genannt) und ggf. weitere Kennwerte bzw. abgeleitete Messwerte
erhalten. Wenn im Folgenden der Begriff Messwert verwendet wird, ist damit regelmäßig
einer der abgeleiteten Messwerte gemeint, es sei denn, es würde ausdrücklich auf einen
primären Messwert hingewiesen.
[0088] In einem zweiten Schritt S12 werden die bereitgestellten Messwerte standardisiert.
Die Standardisierung dient dazu, die Messwerte des zu untersuchenden Überspannungsableiters
mit der Gesamtheit der für das Training des Algorithmus des maschinellen Lernens verwendeten
Überspannungsableiter vergleichbar zu machen. Hierbei werden die Messwerte um Effekte
korrigiert, die sich aus der speziellen Konfiguration des analysierten Überspannungsableiter
ergeben. Die Korrektur kann beispielsweise die Art des Überspannungsableiters, seinen
Einsatz oder die ihn umgebende Infrastruktur berücksichtigen. Im Besonderen können
die Netzspannung im Verhältnis zur Ableiter-Bemessungsspannung, das Verhältnis der
Bemessungsspannung zur Referenzspannung des Überspannungsableiters, der verwendete
Varistor-Typ, die Fertigungstoleranz im ZnO-Stapelprozess bei der Herstellung des
Überspannungsableiters, die Erdungsbedingungen und/oder die kapazitiven Randbedingungen
am Einsatzort berücksichtigt werden. Ferner können die Messwerte hinsichtlich des
Gehäuses des Überspannungsableiters, bestehend aus Porzellan oder Kunststoff, des
Schirmdesigns und/oder dem Einsatzort und seinen klimatischen Bedingungen standardisiert
werden.
[0089] In Schritt S14 werden aus den standardisierten Messwerten Kenngrößen abgeleitet.
Die Kenngrößen dienen dazu, den Zustand des Überspannungsableiters zu erkennen. Als
Kenngröße können unterschiedliche Merkmale verwendet werden, die sich aus dem Verhalten
des Überspannungsableiters ergeben. Insbesondere können der Leckstrom (Spitzenwert
oder dritte Harmonische) als Messwert und daraus ermittelte Merkmale als Kenngrößen
verwendet werden.
[0090] Ohne darauf beschränkt zu sein, können die Kenngrößen einen diskreten Spektralanteil
1/Tag im Spitzenstrom, einen diskreten Spektralanteil 2/Tag, die höheren Harmonischen
der diskreten Spektralanteile, ein abfallender Trend (m
f < 0) im diskreten Frequenzspektrum des Spitzenstroms, das Signal-zu-Rausch-Verhältnis
im Frequenzspektrum, ein ansteigender Trend (m
f > 0) im diskreten Frequenzspektrum, die Korrelation zwischen dem Spitzenstrom und
dem resistiven Strom im Zeitbereich und/oder ein Trend m
z im Zeitbereich des Spitzenstroms und des Spitzenstroms umfassen.
[0091] In Schritt S16 wird ein Algorithmus des maschinellen Lernens verwendet, um einen
Zustand des Überspannungsableiters zu ermitteln. Dazu werden die Kenngrößen als Eingangsgrößen
in den Algorithmus des maschinellen Lernens eingegeben. Der Algorithmus des maschinellen
Lernens wurde unter Verwendung von Trainingsdaten darauf trainiert, den Zustand eines
Überspannungsableiters zu erkennen. Die Trainingsdaten umfassen die Kenngrößen von
einer Mehrzahl von Überspannungsableitern in unterschiedlichen Situationen und mit
unterschiedlichen Zuständen.
[0092] Mit der Zustandsermittlung kann insbesondere eine Klassifizierungsaufgabe verbunden
sein, bei der der Algorithmus des maschinellen Lernens den Überspannungsableiter aufgrund
seiner Kenngrößen einer von mehreren Klassen zuordnet, wobei jede Klasse für einen
Zustand steht.
[0093] Wie die Zuordnung erfolgt, hängt vom gewählten Modell und dessen Architektur ab.
Unterschiedliche Modelle sind unterschiedlich aufgebaut. Grundsätzlich kann jedes
Modell verwendet werden, dass sich für Klassifikationsaufgaben eignet. Hierbei wird
ein Clustering vorgenommen, da keine gelabelte Daten vorliegen. Als Ergebnisse ergibt
sich die Gruppenbildungen, wobei anschließend weitere Verfahren (für die Klassifikation)
angewendet werden können.
[0094] In einem letzten Schritt S18 wird der Zustand und die Ausprägung des Zustands mit
einer entsprechende Handlungsempfehlung oder mit einem Alarm gemeldet.
[0095] In einer Ausführungsform kann der Überspannungsableiter mehreren Zuständen zugeordnet
sein. Beispielsweise kann ein erster Zustand einen Verschmutzungsgrad und ein zweiter
Zustand die Verfassung der Dichtungen im Überspannungsableiter kennzeichnen. Die Eigenschaften
"Gehäuse verschmutzt/nicht verschmutzt" und "Dichtung intakt/nicht intakt" schließen
einander nicht aus. Ferner können die Zustände als Parameter in einem Spektrum ausgegeben
werden, sodass beispielsweise eine Quantifizierung einer Eigenschaft des Überspannungsableiters
stattfindet.
[0096] Erfindungsgemäß kann auch aus der Zusammenschau der Messwerte oder Kenngrößen einer
Gruppe von Überspannungsableitern, die in unmittelbarer Nachbarschaft angebracht und
die jeweils einer der 3 Phasen des Netzes zugeordnet sind, zusätzliche Information
gewonnen werden,
[0097] Figur 2 zeigt eine Abwandlung des Verfahrens aus Figur 1. Der in Figur 2 schematisch
dargestellte Ablauf des Verfahrens gemäß einer weiteren Ausführungsform beginnt ebenfalls
mit der Bereitstellung von abgeleiteten Messwerten eines Überspannungsableiters in
Schritt S10.
[0098] Vor der Standardisierung werden die Messwerte in Schritt S20 vorverarbeitet. Die
Vorverarbeitung kann insbesondere eine Segmentierung der Messwerte umfassen, um einzelne
Signale zu isolieren. Aus einem gemessenen Leckstrom können beispielsweise ein Spitzenstrom
und ein resistiver Strom ermittelt werden. Ferner können die Messwerte gefiltert werden,
um beispielsweise das Rauschen des Messgeräts oder ein anderes signalfremdes Rauschen
zu entfernen.
[0099] Nach dem Standardisieren in Schritt S12 werden die Kenngrößen in den Schritten S14a
und S14b extrahiert. Dazu werden die standardisierten Messwerte in einen Frequenzraum
transformiert. Die Kenngrößen können dann den Messwerten im Zeitraum in Schritt S14a
und dem Frequenzspektrum in Schritt S14b entnommen werden.
[0100] Die Bestimmung des Zustands in den Schritten S16 und die Ausgabe eine Handlungsempfehlung
in Schritt S18 können in dieser Ausführungsform wie für Figur 1 beschrieben verlaufen.
[0101] Im Anschluss an die Bewertung in Schritt S18 kann jedoch eine Validierung der Bewertung
in Schritt S22 vorgenommen werden.
[0102] Die Bewertung kann beispielsweise dadurch validiert werden, dass bei einer durch
die Bewertung begründeten Wartung des Überspannungsableiters geprüft wird, ob die
dem Überspannungsableiter zugeordneten Zustände tatsächlich vorliegen. Beispielsweise
kann der Grad der Verschmutzung des Gehäuses oder die Feuchtigkeit im Inneren des
Überspannungsableiters bestimmt werden. Zusätzlich oder alternativ können Stichproben
durchgeführt werden, um die Verarbeitung der Messwerte mit dem Algorithmus des maschinellen
Lernens zu überprüfen.
[0103] Alternativ kann ein vom dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Austausch bestimmter
Überspannungsableiter an den Hersteller zurückgegeben werden, um einer genauen Untersuchung
im Labor unterzogen zu werden.
[0104] Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können dann zum Training des Systems zurückgespeilt
werden.
[0105] Während derzeitige Überwachungsgeräte nur die primären Messwerte eines Überspannungsableiters
benutzen, um einfaches "Rot-Gelb-Grün"-Signal auszugeben, erlaubt es die Erfindung
durch den Einsatz des maschinellen Lernens und der Berücksichtigung einer großen Zahl
von Messdaten unterschiedlichster Überspannungsableite in unterschiedlichsten Umgebungen
eine wesentlich genauere und zuverlässigere Aussage über den Zustand jedes einzelnen
Überspannungsableiters zu machen, ohne dass ein Fachmann selbst eine komplizierte
Einzelauswertung vornehmen müsste.
Bezugszeichen
[0106]
- S10
- Bereitstellen von Messwerten
- S12
- Standardisieren der Messwerte
- S14
- Extrahieren von Kenngrößen
- S14a
- Extrahieren von Kenngrößen aus dem Zeitraum
- S14b
- Extrahieren von Kenngrößen aus dem Frequenzspektrum
- S16
- Ermitteln eines Zustands
- S18
- Ableiten einer Handlungsempfehlung
- S20
- Vorverarbeiten der Messwerte
- S22
- Validierung der Bewertung